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Foto: Prosegur

Branchenführer Prosegur will weiter organisch wachsen

Mit Heath White, dem Geschäftsführer der Prosegur Cash Services Germany GmbH, sprach Helmut Brückmann

Die Branche Geld- und Wertelogistik verkleinert sich langsam. Waren es vor zehn Jahren noch 160 Unternehmen, sind heute nur noch 80 auf dem deutschen Markt. Prosegur, das mit großem Abstand hierzulande größte Unternehmen, ging aus dem Riesenskandal HEROS hervor, hat heute eine spanische Mutter und in Ratingen bei Düsseldorf mit Heath White (48) einen englischen Geschäftsführer. Das spanische Unternehmen mit 168.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 4 Mrd. USD ist absolut die Nr. 1 auf dem Weltmarkt – und mit seinem Unternehmen in Deutschland ebenfalls.

Herr White, seit Mitte Februar 2016 haben Sie die Führung eines Unternehmens übernommen, das aus dem HEROS-Skandal 2006 hervorging und auf eine wechselvolle, manchmal auch dramatische Geschichte zurückblickt. Der kriminelle HEROS-Chef Karl-Heinz Weis hat nach 11 Jahren seine Freiheitsstrafe offenbar verbüßt, während noch einige Geschädigte auf ihr Geld warten…

Heath White: …dazu kann ich nichts sagen, das war lange vor meiner Zeit
Heath White
Foto: © Prosegur

Ihr Unternehmen hat nach dem Skandal jahrelang um das Überleben gekämpft und in der Vergangenheit Millionen an Verlusten eingefahren. Viele Marktbeteiligte glaubten nicht an ein Überleben. Hinzu kamen die vielen (Mit-)Besitzer.

Ich kann nur über den Zeitraum ab dem 1.1.2012 sprechen. Damals übernahm der jetzige Inhaber, also Prosegur, die Firma SecurLog. Nach diesem Datum haben wir, also Prosegur, noch zwei Firmen akquiriert; das waren Chorus Security Service in Trier und Brink’s in Frankfurt, wobei wir von letzterer nur den Bereich Geld- und Wertelogistik übernommen haben. Inzwischen macht es für uns aus marktstrategischen Gründen Sinn, primär organisch zu wachsen. Damit können wir die Dynamik entwickeln, um unsere führende Marktposition zu behaupten.

Setzen Sie in Ihrem Unternehmen besondere Techniken ein? Man hört davon.

Wir setzen verstärkt auf Digitalisierung. Unser Hauptaugenmerk liegt auf IT, also Informationssystemen. Dabei arbeiten wir mit unserer Mutter in Spanien zusammen, die bereits über gute Systeme verfügt, die wir zum Teil bei uns implementieren. Damit versuchen wir, Dinge zu vereinfachen. Wir haben zum Beispiel das Projekt Order to Cash aufgebaut, mit dem wir das Bestellwesen sehr vereinfacht und damit effektiver gemacht haben. Wir fokussieren uns außerdem auf die Einführung neuer Bargeldlösungen, möchten den kompletten technischen Service für Ein- und Auszahlgeräte darstellen und unseren Kunden mittelfristig anbieten, einzelne Tätigkeiten wie beispielsweise Callcenter-Funktionen an uns auszusourcen Außerdem…

…Bevor wir uns in technischen Details verlieren: Es ist ja schon angeklungen, dass Sie mit Ihrem Unternehmen mittlerweile eine marktbeherrschende Position in Deutschland haben. Geht es etwas genauer?

Im letzten Jahr lag unser Umsatz bei über 200 Millionen Euro.

Bei wie vielen Mitbewerbern?

Bei zahlreichen Mitbewerbern, meist lokalen Anbietern. Prosegur ist aber das einzige (!) Unternehmen, welches in Deutschland flächendeckend tätig ist.

Ich befasse mich mit der Branche nun schon seit mehr als 30 Jahren. Während dieser Zeit wurde immer orakelt, das Bargeld werde abgeschafft und bis es damit so weit sei, vertrage der Markt höchstens drei Player. Diese zwei Aussagen werden von so genannten Insidern wie ein Mantra vorweggetragen. An was liegt das?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich komme, wie Sie vielleicht wissen, aus dem Bereich Flughafenlogistik. In den 90er Jahren hatten wir eine ähnliche Situation in Deutschland. Da gab es drei große und sehr viele kleine Unternehmen. Dann kam eine Konsolidierung. Das lag sehr viel an der Marktentwicklung. Die Fluggesellschaften hatten große finanzielle Schwierigkeiten. Sie haben angefangen, sich zu binden und outzusourcen. Und das Problem war dann: Die Preise am Markt gingen alle zurück. Viele Unternehmen haben das nicht überlebt. Dieser Konsolidierungsprozess dauerte zehn, fünfzehn Jahre. Und was hat man jetzt in dem Bereich? Die drei großen wie eh und je, dazu verschiedene Spezialunternehmen pro Flughafen. Unterm Strich viel weniger Unternehmen als vorher und gleichzeitig eine verbesserte Qualität, bessere Standards, mehr Regulierungen und technische Lösungen zu besseren und adäquaten Preisen. Und so wie ich das jetzt sehe, sind wir auch bei Geld und Wert in einer ähnlichen Situation. Die Zahl der Anbieter wird sich reduzieren, der Markt wird sich ändern. Aber es wird immer ganz wichtige kleinere Player geben. Dass es am Ende insgesamt nur vier oder fünf sind – kann ich mir nicht vorstellen.
Wahrscheinlicher ist, dass künftig mehr strategische Partnerschaften geschlossen werden.

Ihrem Unternehmen, damals noch unter dem Namen SecurLog, wurde einmal vorgeworfen, es würde Lohndumping betreiben, also die Mitarbeiter unter Tarif entlohnen. Das Unternehmen flog daraufhin aus dem Verband.

Das war lange vor meiner Zeit. Wir zahlen natürlich korrekt nach Tarif. Im Übrigen sind wir auch wieder Mitglied in der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V.

Und Sie sind heute Vorstandsmitglied in der BDGW. Vor Ihrer Zeit, als das Unternehmen noch unter SecurLog firmierte, wurden Millionen Verluste geschrieben. Wer…

…das waren schwierige Zeiten. Und da musste man sanieren, um zu überleben. Die Sanierung ist Prosegur erfolgreich gelungen. Allgemein ist es in dieser Branche schwierig, stark profitabel zu sein. Prosegur ist jetzt nachhaltig stabil profitabel. Wir sind sehr glücklich darüber und bauen unser Potenzial, insbesondere auf Produkt- und Mitarbeiterentwicklung aus. Und ich denke, wir sind einer der wenigen, die diese Profitabilität aufzeigen. Es gibt noch sehr viel zu tun, denke ich. Der Markt, insbesondere der deutsche, basiert auf Sicherheitsstandards. Die Kunden schätzen das. Die Einhaltung der Sicherheitsstandards wird so zu einem wichtigen Wettbewerbskriterium. In Kürze wird hoffentlich eine neue DIN-Norm finalisiert. Damit werden die Sicherheitsstandards weiter angehoben.

Verlassen wir das Gebiet der Sicherheit und wenden wir uns den Menschen zu, die für den Gewinn des Unternehmens sorgen, also den Mitarbeitern. Gilt bei Ihnen der gewerkschaftliche Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“?

Wir bezahlen unsere Mitarbeiter selbstverständlich nach Tarif. Da wir flächendeckend in ganz Deutschland tätig sind, müssen wir neun oder zehn Tarife für die gleiche Tätigkeit anwenden.

Es kommt also tatsächlich zu unterschiedlicher Bezahlung für die gleiche Arbeit?

Wie gesagt wenden wir stets den Tarifvertrag an, der für das jeweilige Bundesland oder die Region Gültigkeit hat. Solche regionalen Unterschiede gibt es in vielen Branchen. In Ostdeutschland hat der Mitarbeiter ca. 30 Prozent weniger in der Lohntüte als in Nordrhein-Westfalen, oder 26 Prozent weniger als in Bayern. Die BDGW und die Gewerkschaft ver.di als Verhandlungspartner in dieser Sache versuchen, diese Ungerechtigkeit nach und nach auszugleichen und die Schere zwischen den Löhnen in Ost- und Westdeutschland weiter zu schließen. So betrug die letzte Lohnerhöhung in Ostdeutschland 6 Prozent, in NRW nur etwas über 2 Prozent.

In Diskussionen wird oft behauptet, dass das Bargeld abgeschafft würde. Das würde Ihr Unternehmen aber überflüssig machen – oder?

Wir sehen, dass die Anzahl der Transaktionen, die bar bezahlt werden, insgesamt ständig steigen, von Jahr zu Jahr. Für uns ist das enorm wichtig, denn unser Hauptgeschäft ist CIT, also Geld und Wert. Aber wir schauen uns seit geraumer Zeit auch andere, neue Produkte an, die mit Bargeld, dem Zahlungsverkehr oder Valoren, aber insbesondere mit Technik wie Geldautomaten, Einzahlungsgeräte und so weiter, zu tun haben. Wir sehen uns auch andere Geschäftszweige an; wir sind sogar auf dem Gebiet der Luftfracht tätig. Das ist für die langfristige Zukunft wichtig. So wie ich das sehe, bleibt uns Bargeld in der nächsten Zeit erhalten. Aber mit dem Fortschreiten des digitalen Zeitalters wird sich die Bedeutung vielleicht ändern.

Für eine solche Veränderung gibt es ein hierzulande wenig beachtetes Beispiel: Das zweitgrößte Land der Erde hat das Bargeld in großen Bereichen abgeschafft.

Auf welches Land spielen Sie an?

Indien! Ist Prosegur dort auch tätig?

Wir haben Projekte dort. Also wir machen CIT in Indien.

Wenn der Trend sich dort fortsetzt, wird es mit großen Geschäften wohl nichts werden. Das Land hofft, mit der Abschaffung des Bargeldes die Korruption, die Diebstähle und Überfälle zurückzudrängen. Im letzten November wurden von der Regierung 86 Prozent der Banknoten für ungültig erklärt, ohne jedoch rechtzeitig die neuen Banknoten gedruckt zu haben. Ein Chaos war die Folge.

Das Ganze geschah im letzten November. Es müssen sich dabei unglaubliche Szenen abgespielt haben. Während des Desasters meldete sich die Firma Pay-TM zu Wort und offerierte eine Bezahlung per Mobiltelefon, denn man wusste, dass es im Land 300 Millionen Handy-Besitzer gibt. Das Bezahlsystem funktioniert selbst in Imbissstuben und Garküchen. Man richtet sein Mobiltelefon auf den Barcode, fotografiert diesen und bestätigt den Kaufpreis mit dem Handy. Im gleichen Augenblick ist die Ware bezahlt. Es ist also kein Kreditgeschäft, sondern dem Bargeld gleich, bei uns bekannt unter E-wallet.

Es sind zwei Dinge, die ich in diesem Zusammenhang sehe: Viele Entwickler schauen jetzt auf solche Lösungen. Weil es um sofortigen Abzug des Betrages geht und nicht um einen Kredit. Das ist wie Bargeld. Und das ist der Vorteil. Wenn ich Ihnen Bargeld gebe, ist das Geschäft gemacht. Es ist erledigt. Und noch eine Anmerkung: Das ganze Bargeldproblem ist auch eine Generationssache. Meine Kinder zum Beispiel können sich anders in der digitalen Welt bewegen. Sie kaufen online vielleicht auch häufiger ein. Wie es tatsächlich kommen wird, hängt auch von uns ab – Veränderungen nicht nur anzunehmen sondern auch mitzugestalten. Von Digitalisierung wird heute fast klischeehaft gesprochen. Dabei dringt sie in alle Bereiche vor und berührt auch Bezahlweisen. Bargeld ist aber trotz allem ein wichtiges und funktionelles Gut, das uns noch lange erhalten bleiben soll.

Mr. White, ich danke für das Gespräch.