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Protest von „Reichsbürgern“, die sich auf Artikel 146 des Grundgesetzes berufen (vor dem Reichstagsgebäude in Berlin 2013)
Foto: © Dirk Ingo Frankr, wikimedia

Verhaltenshinweise für Polizisten im Umgang mit Reichsbürgern

Von Steffen Meltzer, Roland Hiller und Prof. Dr. Dieter Müller

In den vergangenen Jahrzehnten nicht wirklich beachtet, vor allem psychologisiert und intellektualisiert kristallisierten sich zunehmend konfliktgeladene Situationen bei polizeilichen Maßnahmen im Umgang mit Reichbürgern heraus.
Schließlich gipfelte eine Situation im Oktober 2016 mit dem Tod eines Polizeikollegen.

Reichsbürger zählen wie Sektenangehörige zum Kreis derer, die oft als Verschwörungsideologen wahrgenommen werden. Der Umgang mit ihnen stellt jeden Polizeibeamten vor besondere Herausforderungen. Erst recht, wenn es darum geht, polizeiliche Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen durchzusetzen. Selbst die zweite verwaltungsgerichtliche Instanz muss sich mit der Argumentation juristisch renitenter „Reichsbürger“ herumschlagen wie eine aktuelle Entscheidung des OVG Münster beweist, dessen 19. Senat unlängst feststellen musste, dass für die Klage eines „Reichsbürgers“ auf Ausstellung einer Bescheinigung über eine frei erfundene, in Deutschland nicht existierende Staatsangehörigkeit die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehlt.1

Polizisten sind daher gut beraten, sich auf solche Einsätze gründlich vorzubereiten, zum Beispiel, wenn sie im Rahmen von Amtshilfeersuchen tätig werden. Ist die Person bereits polizeilich in Erscheinung getreten? Sind auffällige Verhaltensweisen bereits bekannt? Von der Gefahrenprognose im Vorfeld kann der Erfolg eines Einsatzes abhängen.

Anders bei vielen Verkehrskontrollen, hier steht der Polizeibeamte plötzlich jemandem gegenüber, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und damit die Legitimität ihrer Ordnungshüter leugnet. Im Extremfall hat man es mit einem selbsternannten „König“, „Reichskanzler“, „Innenminister“ oder „Reichsgeneralstaatsanwalt“ zu tun. Hinzu kommen noch Phantasiedokumente, wie ein selbst gestalteter oder im Internet erworbener „Ausweis des Deutschen Reiches“ samt langatmigen Vorträgen über die „BRD GmbH“. Spätestens jetzt muss der Gefahrenradar auf „Rot“ umschalten. Schließlich „besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen krimineller Intensität und Verkehrsauffälligkeit“.2

In den USA sind durch vergleichbare Personen aus dem radikalen Spektrum bereits mehrere Polizisten getötet wurden. Dass eine adäquate Welle der Gewalt auch parallel verlaufende praktische Auswirkungen in Deutschland zeigen könnte, war nur eine Frage der Zeit. Bei dem oben genannten Schusswechsel im Oktober in Mittelfranken wurden, neben dem getöteten Polizeibeamten drei weitere verletzt. Bei der Zwangsräumung eines Hauses in Sachsen – Anhalt gab es im August 2016 bei der Durchsetzung eines Amtshilfeersuchens eine Schießerei, bei der ein sogenannter „Reichsbürger“ schwer- und zwei Polizeibeamte leicht verletzt wurden. Der Gerichtsvollzieher und seine Familie wurden nach der Maßnahme, auch im Privatbereich, massiv bedroht, so dass konkrete polizeiliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden mussten. Angehörige des „Deutschen Polizei Hilfswerks“ (DPHW) hatten im November 2012 in Sachsen einen Gerichtsvollzieher „festgenommen“ und dabei verletzt. Das Opfer war danach ein Jahr dienstunfähig. Andere versuchten, beispielsweise Sturmgewehre im Ausland zu erwerben.3 Daher muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Reichsbürger Zugang zu Waffen haben oder suchen. Eine weitere Eskalationsspirale erscheint sicher. Legen sie bereits ein Verhalten an den Tag, dem ein gewisses Bedrohungspotential innewohnt, sollten davon betroffene Polizisten bestimmte Grundregeln der Eigensicherung beachten.

Verhaltensweisen zur Abwehr von Bedrohungen/Nachstellungen

Bedrohungslagen entstehen oft aus der Situation des polizeilichen Handelns heraus und sind teilweise nicht wirklich vorhersehbar. Es kann sein, dass Reichsbürger zielgerichtet und namentlich denjenigen Polizisten ins Visier nehmen, durch den sie ihre Rechte klar eingeschränkt sehen. Dadurch besteht, wie auch bei anderen extremen Gruppierungen, ein Bestreben der Reichsbürger, Einschüchterungen und Bedrohungen gegenüber Vollzugsbediensteten bis hin in die Privatsphäre zu forcieren. Es ist sicherlich schwer, solchen Bedrohungen, die das Privatleben stark beeinträchtigen, zeitnah entgegen zu treten.

Kommt ihnen der Verdacht, dass Sie in das Visier geraten sind, müssen Sie in jedem Fall eine gelassene Wachsamkeit bewahren. Weder ständiges Misstrauen, noch grundsätzliche Sorglosigkeit sind angebracht. Selbiges gilt für Ärger, Angst, Hilflosigkeit und Gleichgültigkeit. Gelassenheit wächst vielmehr aus der Fähigkeit, Situationen umsichtig einzuschätzen und eigenes Handeln daran professionell auszurichten.

Sie sollten je nach Situation:

  • mit persönlichen Daten wie Name und Anschrift keinesfalls an die Öffentlichkeit gehen;
  • Briefe, persönliche Papiere usw. vernichten, bevor sie im Abfall entsorgt werden;
  • Fahrtrouten vom Dienst nach Hause wechseln; nicht immer zur gleichen Zeit die gleichen Wege benutzen, zum Beispiel beim Gassi gehen mit dem Hund;
  • in den Rückspiegel schauen, ob man verfolgt wird; (beim Feststellen eines Verfolgers zu einer Dienststelle fahren und schnellstmöglich Kennzeichen auswerten)
  • nach Dienstschluss nicht geistig abschalten, sondern aufmerksam bleiben;
  • Gewohnheiten ändern;
  • Tunnelblick und Gedankenverlorenheit vermeiden, trainieren Sie auch in der Freizeit den peripheren („breiten“) Blick;
  • für den Fall des Falles vorbereitete Handlungsalternativen abrufen, damit kein Täter eine entstehende Schockphase nutzen kann, nur weil Sie unvorbereitet sind. Das erfordert ein immer wiederkehrendes mentales wie praktisches Training;
  • bei einer Konfrontation korrekt bleiben, Zeugen und Beweise sichern, sofort die Polizei verständigen;
  • gegebenenfalls die Daten beim Einwohnermeldeamt sperren lassen.

 Setzen Sie sich sofort mit Ihrem Vorgesetzten in Verbindung, wenn Sie den begründeten Verdacht haben, Ihnen werde nachgestellt. Hierzu ist es nicht notwendig, dass bereits Straftaten gegen Sie verübt wurden. Es kommt vor allem auf eine zeitnahe Information und entsprechende Reaktion der Dienststelle an. Selbstverständlich haben Sie darüber hinaus auch die private Möglichkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten, der den Belästiger für eine Ansprache aufsuchen kann. Vermeiden Sie einen sozialen Rückzug, indem Sie die Öffentlichkeit nur noch selten aufsuchen. Treffen Sie Vorsichtsmaßnahmen, sichern Sie sich Unterstützung zu und bleiben Sie gelassen.

Polizeilicher Einsatz gegenüber Reichsbürgern

Ob in der Freizeit oder im Dienst, wichtig ist die Fähigkeit, Signale eines bevorstehenden körperlichen Angriffs rechtzeitig zu erkennen. Deshalb ist es unerlässlich, sowohl das Gesamtverhalten der Person (Makroorganismus) als auch einzelne Details (Mikroorganismus), die auf ein gefahrenpotential hindeuten könnten, ständig unter Eigensicherungsgesichtspunkten zu beachten. Kalte Praktiker versuchen, Polizisten oder andere Staatsbedienstete zu beeindrucken und einzuschüchtern, um eigene Rechtsverstöße durchzusetzen. Bei Reichsbürgern gehören dazu regelmäßig Videoaufnahmen, pseudowissenschaftliches Palaver, suggestive Fragetechniken, ein Schild am Hauseingang eines Anhängers der Reichsbürgerbewegung
Foto: © Krawattenträger, wikimedia
Redeschwall mit angestrengter Stimmmodulation, die Formulierung konkreter Bedrohungen und theatralisches Herumbrüllen, bei gegen sie gerichteten Exekutivmaßnahmen. All dies sind untaugliche Versuche, denen man von Anfang mit einem selbstsicheren Auftreten entgegenwirken kann und muss. Bereits diese Haltung trägt in vielen Fällen zu einer Gefahrenreduzierung bei.

Drohungen sind jedoch immer sehr ernst zu nehmen. In solchen Fällen sind sofortige Maßnahmen einzuleiten, wenn diese konkret mit Zeit, Ort, Tat, Opfer und Umständen angekündigt werden. Wenn eine Person mit der Faust droht, eine bedrohliche Mimik und Körperhaltung an den Tag legt (leicht gesenkter Kopf, Arme werden angewinkelt, Fußstellung elastisch) und verbale Drohungen geäußert werden, kann eine körperliche Auseinandersetzung bevorstehen.

Wenn sich die Person über den normalen Sicherheitsabstand hinaus annähert und mit einer Hand an eine verdeckte Körperstelle wie zum Beispiel Rückenbereich oder Achsel greift, dann könnten Sie infolge mit einer dort versteckten Waffe angegriffen werden. Blässe im Gesicht kann auf einen bevorstehenden körperlichen Angriff hinweisen.

Vermeiden Sie selbst auf jeden Fall Signale der Unsicherheit.

Diese motivieren einen aggressiven Täter gegen Sie vorzugehen. Lachen aus Verlegenheit, zu große Höflichkeit und zögernde Bewegungen suggerieren dem potenziellen Angreifer, dass sein Gegenüber die Situation nicht unter Kontrolle hat.

Allerdings sind auch überraschende Angriffe möglich. Vermeintlich „kooperative“ Personen können plötzlich aus dem „Nichts“ angreifen. Die Decodierung des Gesamtbildes umfasst sowohl verbales als auch nonverbales Verhalten. Die damit verbundenen Details zu erkennen und richtig zu interpretieren, verhindern Prognosefehler. Vernachlässigen Sie daher nicht Ihre Wachsamkeit!

Sachgerechtes polizeiliches Handeln heißt, zielgerichtet vorzugehen und die Maßnahme zu erklären. Damit ist weder ein provokantes noch ein zögerliches Einschreiten gemeint. Das ist gerade bei Menschen mit feindseligem Verhalten wichtig. Hierzu ist die TIT FOR TAT- Strategie ausgezeichnet geeignet. Diese besteht aus zwei einfachen und grundlegenden Regeln:

Sei grundsätzlich freundlich und kooperativ. Sobald der andere unkooperativ, aggressiv und so weiter handelt, setze Dich sofort zur Wehr. Sobald er wieder kooperativ handelt, sei auch wieder kooperativ.4

Danach soll sich der Beamte nur solange deeskalierend-freundlich zeigen, solange sein Gegenüber sich ebenso verhält. Auf ein unkooperatives Verhalten muss eine angemessene und sofortige Reaktion zur Durchsetzung der polizeilichen Maßnahme erfolgen. Grundlegend hierfür sind selbstsicheres Verhalten, offensive Kommunikation und damit professionelles Einschreiten. Erweisen sich diese Mittel als nicht ausreichend, ist konsequent die nächste Einsatzstufe zu wählen.

Weist sich also beispielsweise ein Reichsbürger bei einer Verkehrskontrolle mit Fantasiepapieren aus, gibt man ihm eine kurze Gelegenheit, sich zu äußern. Da von Reichsbürgern in solchen Situationen fast immer ein Redeschwall ausgeht, muss man ihnen ins Wort fallen, sie belehren sowie die nun folgenden Maßnahmen kurz und präzise erklären: die Einleitung eines Verfahrens wegen Verstoßes gegen die Fahrerlaubnisverordnung, Sicherstellung der Fantasiepapiere, gegebenenfalls Einleitung eines Verfahrens wegen Urkundenfälschung und Unterbindung der Weiterfahrt.

Ist dies erklärt, sind die Maßnahmen ohne weitere Diskussionen zügig durchzusetzen. Weigert sich die Person, sich zum Zwecke der Strafverfolgung ordnungsgemäß, also mit gültigen Papieren, auszuweisen, ist sie zusätzlich erkennungsdienstlich zu behandeln. Weitere Diskussionen sind zu vermeiden, weil Reichsbürger darauf setzen, Polizisten einzulullen und von ihren Aufgaben abzuhalten. Wichtiger ist, das Vorgehen aktiv zu bestimmen und unter Berücksichtigung zwingender Eigensicherung das Einsatzziel erreichen.

Dazu zählt ebenso, einen Blick auf das KFZ-Kennzeichen zu werfen. Reichsbürger neigen dazu, daran Manipulationen in Form von Aufklebern vorzunehmen. Ist dies der Fall, liegt ggf. ein gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG strafbarer Kennzeichenmissbrauch oder ein gemäß § 10 Abs. 12 FZV ordnungswidriger, grundsätzlich vorsätzlich begangener Verstoß vor. Das manipulierte Kennzeichen kann bei Verdacht auf Kennzeichenmissbrauch als Beweismittel zur Einleitung eines entsprechenden Verfahrens sichergestellt werden. Und da das Fahrzeug ohne gültiges Kennzeichen ist, darf es nicht im Straßenverkehr bewegt werden. Alternativ kann man den Fahrer auffordern, die manipulativen Aufkleber zu entfernen. Zuvor sollte jedoch ein obligatorisches Beweissicherungsfoto für das einzuleitende Verfahren angefertigt werden. Ein ordnungswidriges Handeln gemäß FZV liegt ebenfalls bei einem vorsätzlich verdrehten Anbringen des Kfz-Kennzeichens vor.

Speziell auf den Fakt bezogen, dass derzeit eine zunehmende Bewaffnung der Reichsbürger zu verzeichnen ist, sollte dies bei zukünftigen Verkehrskontrollen beachtet werden. In den meisten Bundesländern liegen dazu Trainings-Richtlinien „Kontrolle von Kfz“ vor, an die man sich dringlich halten sollte. Entstehen zum Beispiel innerhalb einer allgemeinen Verkehrskontrolle Anhaltspunkte, dass es sich um einen Reichsbürger handelt, sollte man unbedingt auf Gegenstände im Fahrzeug achten. Dabei bilden u.a. die Sicht auf Mittelkonsole, Handschuhfach, Rücksitzbank und Kofferraum den Schwerpunkt. Eine genauere Betrachtung des Fahrzeuginnenraumes durch die Fahrzeugfenster ist rechtlich vollkommen unbedenklich möglich, während eine Durchsuchung des Innenraumes eine eingriffsrechtliche Rechtsgrundlage entweder aus der StPO oder dem landesspezifischen Polizeirecht benötigt.

Reichsbürger neigen dazu, Polizei-Einsätze mit Kameras aufzunehmen. So wollen sie Beamte verunsichern und die Maßnahme an sich verhindern. Später landen Videos als angebliche „Beweissicherungsvideos“ oft im Internet. Nach Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 59 Urhebergesetz und § 22 Kunsturhebergesetz sind solche Aufnahmen von Polizisten illegal, wenn keine Einwilligung vorliegt. Ein Zuwiderhandeln ist ein Grundrechtseingriff in die persönliche Handlungsfreiheit. Denn Polizeibeamte gelten auch nicht als „Personen des öffentlichen Lebens“. Solche Filme sind zu löschen. Andernfalls ist die Kamera zu beschlagnahmen.

Eine offensive Einsatzkommunikation ist wesentlich für die erfolgreiche Durchsetzung der Maßnahme. Damit gelingt es, die Situation zu kontrollieren. „Offensiv“ heißt auch „konsequent“ und „zielstrebig“. Die Maßnahme ist nicht nur anzukündigen, sondern auch durchzusetzen! Beweise sind zu sichern und gerichtsfest zu dokumentieren.
Verhält sich der Reichsbürger wieder kooperativ einsichtig bezüglich seines Rechtsverstoßes, sollte der Polizeibeamte verbal beruhigend agieren, dabei jedoch die Grundsätze der Eigensicherung nicht vernachlässigen.

Der Umgang mit psychischen Erkrankungen oder Störungen

Mitunter liegen Anzeichen oder Informationen vor, wonach sich ein Reichsbürger im Zustand einer psychischen Erkrankung oder Störung befindet. In diesem Fall sind weitere Maßnahmen der Eigensicherung notwendig. Im Allgemeinen begehen psychisch gestörte oder erkrankte Menschen weniger Straftaten, als der Durchschnitt der Bevölkerung. Polizei-Psychologe Dr. Schmalzl beschreibt jedoch drei bedeutende Faktoren für eine polizeilich relevante erhöhte Gefahrendelinquenz: Schizophrenie, Psychopathie und Substanzmittelmissbrauch (Drogen, Alkohol, Medikamente).5

Es ist nicht Aufgabe von Polizeibeamten, Diagnosen vor Ort zu stellen. Jedoch ist ein einsatzbezogenes Grundwissen unabdingbar. Psychisch erkrankte Personen sind nicht gewalttätiger als der übrige Durchschnitt der Bevölkerung. Auch Sie können andere verletzen und töten. Sie reagieren jedoch im Umgang mit der Polizei oftmals anders. Daher lautet hier erst recht die Grundregel: Distanz, Distanz und nochmals Distanz.

Schließlich hat ein Polizeibeamter bei einem plötzlichen Messerangriff unter einer Entfernung von acht Metern kaum eine Chance, adäquat zu reagieren. Psychisch Auffällige oder erkrankte Menschen, zu denen auch Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker gehören können, fühlen sich bei einer polizeilichen Annäherung schnell bedroht und neigen zu irrationalen Reaktionen. Daraus können sich Missverständnisse ergeben, die Eskalationen nach sich ziehen und Einsätze aus dem Ruder laufen lassen. Selbst Bisse in die Hände von Polizisten, während Aktionen zur Distanzwahrung sind zu verzeichnen. Handschuhe tragen macht Sinn!

Deshalb ist folgendes zu beachten:

Am Anfang sollte eine klare, sachbezogene Ansprache Vorrang haben. Denn diese Personen können sich in einem Zustand der Übererregung befinden und fühlen sich schnell bedroht. Nichtadäquate Handlungen können die Folge sein. Lassen Sie sich auf keine Diskussionsschleife ein.

Sprechen Sie klar und sachlich in möglichst kurzen Sätzen Ihr Anliegen an. Vermeiden Sie zu große Freundlichkeit (kann als Unsicherheit gewertet werden) ebenso wie ein übertrieben dominantes Auftreten, was schnell ungewünscht provozierend wirken kann. Vermeiden Sie jede Erregung in der Kommunikation. Behalten Sie aber den Gesprächsfaden offensiv und eindeutig in der Hand. Machen Sie sachlich und unmissverständlich klar, dass Sie Ihr Einsatzziel erreichen werden.

Fordern Sie Verstärkung an. Achten Sie unbedingt auf eine räumliche Distanz. Psychisch Auffällige können sich schnell bedrängt fühlen und dadurch angreifen. Jeder von uns kennt selbst das unangenehme Gefühl, wenn fremde Personen in die persönliche Distanz ungebeten eindringen. Achten Sie darauf, wie die Wahrnehmungsprozesse ablaufen. Sind sie verzerrt, einseitig oder zwanghaft fokussiert? Setzen Sie Grenzen. Auf keinen Fall eigene emotionale Reaktionen zeigen.Sie müssen immer mit Lügen, Raffinessen und Überraschungen rechnen.

Allgemeine Trainingshinweise

Beschäftigen und trainieren Sie sich mit den Gefahrenstufen in ihrer Entwicklung. Entwickeln Sie einen Gefahrenradar für die Situation. Üben Sie, sich entspannt aber Wachsam zu verhalten. Statt einer verfrühten kognitiven Festlegung durch Routine, Schubladendenken und „Menschenkenntnis“ ist es besser, jede neue Situation unvoreingenommen zu beobachten und mehrere Lösungswege in der Hinterhand zu halten. Nur dann ist man gegen böse Überraschungen gefeit. Wer deeskalierend auf sein Gegenüber einwirken will, sollte nicht zum Mittel einer defensiven Kommunikation und Signalen der eigenen Verletzbarkeit greifen.

Legen Sie sich einfache, aber effektiv zu handhabende Handlungsmuster zurecht, die Sie auch in Hochstresslagen abrufen können. Trainieren Sie diese Handlungsalternativen individuell als auch beim Einsatztraining mental und körperlich. Dadurch verarbeiten Sie auch das Erlebte in der Einsatznachbereitung besser und minimieren das Risiko einer eigenen posttraumatischen Belastungsstörung.

Auf die Bewältigung von Konfliktsituationen kann man sich durch regelmäßige praxisnahe Weiterbildung vorbereiten. Das führt zu einer Erhöhung der Belastbarkeit bei gleichzeitiger Reduzierung des dysfunktionalen Einsatzstresses. Sie sollten ein persönliches Interesse an Eigensicherung haben und regelmäßig an Trainingsstunden teilnehmen. Dazu zählt ebenfalls der handhabungssichere Umgang mit den Einsatz-und Hilfsmitteln bis hin zur Anwendung der Schusswaffe.

Diese Informationen, verbunden mit der gewissenhaften Umsetzung und dem Training der aufgeführten Verhaltens- und Eigensicherungsmaßnahmen, soll Ihnen im polizeilichen Alltag und in der Freizeit Sicherheit im Umgang mit Reichsbürgern vermitteln.

Reichsbürger und Fahreignungsrecht

Neben der oft von Polizeibeamten gegenüber Reichsbürgern anzuwendenden bußgeldrechtlichen Seite verfügt die Reichsbürgerproblematik jedoch noch über eine interessante fahreignungsrechtliche Komponente.

Unter dem Aspekt des Gefahrenabwehrrechts muss nämlich geprüft werden, ob die sichtbar querulatorische Grundhaltung eines „Reichsbürgers“ in einen Gefahrenverdacht hinsichtlich der Fahreignung dieses Fahrerlaubnisinhabers mündet oder nicht. Auch hinsichtlich dieser Fragestellung beginnt die Konfrontationskette mit einem Polizeibeamten auf der Straße, der sich aufgrund des auffälligen Verhaltens eines „Reichsbürgers“ gegenüber ihm als Amtsperson durchaus die Frage stellen kann, ob entweder eine psychische Erkrankung oder charakterliche Fehleinstellungen bei dieser Person vorliegen könnten, die in beiden Fällen aufgrund von § 2 Abs. 12 StVG in eine Pflichtmitteilung an die für den Wohnort des „Reichsbürgers“ zuständige Fahrerlaubnisbehörde münden könnte.6

In diesen Fällen wird sich ein Gefahrenverdacht nicht selten derart konkretisieren, dass aus Sicht einer Fahrerlaubnisbehörde eine Fahreignungsbegutachtung notwendig wird. In diesem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde das Instrumentarium des § 11 FeV zur Verfügung, um auf der Grundlage eines angeforderten Gutachtens in der juristischen Form eines Gefahrenerforschungseingriffs zu einer greifbaren Entscheidungsgrundlage gelangen zu können. Da diese amtlich angeforderten Gutachten regelmäßig ohne Reaktion des betreffenden „Reichsbürgers“ bleiben dürften – wie die wenigen bislang von Verwaltungsgerichten entschiedenen Fälle nahelegen – wurde in der Vergangenheit über die Vorschrift des § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung der betreffenden Person geschlossen und auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 StVG dessen Fahrerlaubnis entzogen.

 

Quellen:

[1]  Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.11.2016 – 19 A 1457/16, juris.

[2]  Kunkel, Eberhard (1975): Kriminalität und Fahreignung, Köln: Verlag TÜV Rheinland GmbH.

[3]  Vgl. http://www.nw.de/lokal/kreis_hoexter/warburg/warburg/20766644_Freispruch-fuer-Reichsbuerger-aus-Warburg.html

[4]  Füllgrabe, Uwe (2011): Psychologie der Eigensicherung. Überleben ist kein Zufall, Stuttgart: Boorberg Verlag 2011

[5]  Schmalzl, Hans Georg (2012): Psychisch Kranke; in: Lorei, Clemens / Söhnemann, Jürgen (Hrsg.): Grundwissen Eigensicherung, Frankfurt a. M.: Verlag für Polizeiwissenschaft.

[6]  Vgl. zur Pflichtmitteilung näher Müller, Dieter, Probleme des Fahreignungsrechts und die Pflichtmitteilungen der Polizei gem. § 2 Abs. 12 StVG, in: DAR 2013, Heft 2, S. 69 ff.