Erste Mörderfahndung im Radio
Von Werner Sabitzer
Steckbrief im Kino, Aufruf im Radio: Die erste erfolgreiche Radiofahndung in Österreich gab es 1931 in der Stadt Salzburg in Österreich. Gefahndet wurde nach einem brutalen Raubmörder.
Bei der Polizei in der Stadt Salzburg erschien am 26. November 1931 ein Mann und gab an, dass seine Tante seit zwei Tagen nicht mehr gesehen worden sei. Ihr müsse etwas zugestoßen sein, da sie auf sein Klopfen und Läuten die Wohnungstür nicht geöffnet habe. Polizisten drangen daraufhin in die Wohnung in der Döllerergasse ein und entdeckten auf einem Diwan die Leiche der 60-jährigen Maria Baumgartner, der Witwe eines Magistratsbeamten. Der Kopf und der Oberkörper der Leiche waren blutverschmiert. An vielen Stellen im Raum befanden sich Blutspritzer. Neben der Leiche lag eine blutige Axt. Kästen und Läden waren aufgerissen und in der Geldbörse des Opfers befand sich kein Geld mehr.
Der Verdacht fiel auf den Untermieter des Mordopfers, den 24-jährigen Schuhmachergehilfen Josef Sokop. Wohnungsnachbarn hatten gesehen, wie er mit einem Paket die Wohnung verlassen hatte. Seither war er verschwunden und auch nicht an seiner Arbeitsstelle erschienen.
Großfahndung mit Steckbrief und Radioaufruf
Das Radio war in Österreich noch ein junges Medium. Offiziell startete die RAVAG im September 1924 in Wien mit einem Radioprogramm. Die erste Hörfunksendung war am 1. April 1923 von einem Bewerber für die Konzession ohne Genehmigung versuchsweise ausgestrahlt worden.
Schon zwei Stunden nach dem Auffinden der Leiche wurden im Stadtgebiet die ersten Steckbriefe des Verdächtigen affichiert. In den Abendvorstellungen der Kinos in Salzburg wurde ab 18 Uhr ein Steckbrief mit dem Bild des Verdächtigten und dem Fahndungsaufruf eingeblendet.
Radio Salzburg sendete ab 21 Uhr mehrmals einen Aufruf der Polizeidirektion Salzburg „an alle in Österreich und Deutschland“, dass der Schuhmachergehilfe Josef Sokop, geboren 20. November 1907 in Moosbrunn, Bezirk Mödling, Niederösterreich, wegen Raubmordverdachts gesucht werde, weil er seine Quartiergeberin mit einer Hacke erschlagen und beraubt habe. Es folgte eine Personsbeschreibung: Sokop sei 167 cm groß, schmächtig, habe ein blasses ovales Gesicht, schwarze lange, gescheitelte Haare, braune Augen, einen kleinen Schnurrbartanflug und im Oberkiefer sei nur mehr ein Zahn vorhanden, im Unterkiefer vermutlich eine Goldkrone.
Erfolgreiche Fahndung
Ein Besucher des „Lifka-Kinos“ am Giselakai, der das Bild des Verdächtigen auf der Leinwand gesehen, und ein weiterer Mann, der die Personsbeschreibung im Radio gehört hatte, befanden sich am Abend im Gasthaus „Mostwastl“ in Grödig, wo eine Versammlung stattfand. Beide erkannten im Gasthaus den Gesuchten, der nervös war, eine Zigarette nach der anderen rauchte und sich bei der Kellnerin nach dem kürzesten Weg zur Grenze erkundigte. Die beiden Männer gingen zum Gendarmerieposten Grödig und teilten dem diensthabenden Gendarmen ihre Wahrnehmung mit. Der Gendarm ging mit den Männern ins Gasthaus und sprach den Verdächtigen an. Dieser gab zu, der Gesuchte Josef Sokop zu sein und ließ sich ohne Widerstand verhaften. Er wurde in das Sicherheitsbüro gebracht. Dort gestand Sokop, in der Nacht auf Freitag in das Zimmer seiner Quartiergeberin eingedrungen zu sein und ihren Schädel von hinten mit einem Axthieb zertrümmert zu haben. Das Opfer habe um Hilfe geschrien, deshalb habe Sokop aus der Küche ein Messer geholt und der Frau in die Brust gestochen. Dann habe er das gesamte Bargeld aus der Geldbörse des Opfers, 22 Schilling, genommen. Da er voller Blut war, habe er sich gewaschen und das Hemd gewechselt. Dann sei er in ein Caféhaus gegangen und habe dort einen Bekannten getroffen. „Eine geheimnisvolle Macht hat mich zum Mord getrieben“, rechtfertigte sich Sokop bei der Einvernahme.
Laienbruder in Tirol
Josef Sokop arbeitete als Schuhmacher und wurde 1927 arbeitslos. Er ging auf Wanderschaft und wurde in einem Kloster in Tirol als Laienbruder aufgenommen. Nach einem Jahr im Kloster ging er neuerlich auf Wanderschaft und kam in Salzburg mit einer 60-jährigen Frau in Kontakt, die ihn aushielt. Dafür forderte sie sexuelle Dienste. Als Motiv für die Bluttat gab Sokop an, er habe das erbeutete Geld dieser Frau geben wollen, um sie „loszuwerden“. Vor der Bluttat sei er „acht Tage lang besoffen“ gewesen.
Zwanzig Jahre Kerker
Josef Sokop wurde Anfang Februar 1932 vom Geschworenengericht in Salzburg wegen meuchlerischen Raubmords einstimmig schuldig gesprochen und zu zwanzig Jahren schweren verschärften Kerkers verurteilt.
Tod des Ermittlers
Oberpolizeirat Viktor Ingomar, der die erste Medienfahndung in Österreich eingeleitet hatte, wurde später Polizeidirektor der Stadt Salzburg. Er war Funktionär der Vaterländischen Front und ab 1934 mit der Verfolgung nationalsozialistischer Anschläge befasst. Nach der NS-Machtübernahme im März 1938 versuchte er, sich mit den Nazis zu arrangieren, wurde aber trotzdem verhaftet. Von April 1938 bis 6. Jänner 1939 war er im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Danach wurde er in die Strafvollzugsanstalt Stadelheim in München gebracht. Dort kam er am 4. Februar 1944 ums Leben.