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Flashmob am 9. Januar 2016 gegen Männergewalt auf der Treppe vom Bahnhofsvorplatz Köln hoch zum Kölner Dom in Reaktion auf die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016
© Foto: Elke Wetzig (Own work), Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-4.0

Sexuelle Belästigung

Von Klaus-Henning Glitza

Ausgerechnet ein Grüner war es, der ungewollt den Begriff „Grapscher“ in Deutschland so richtig populär machte. Es war im Jahr 1983, als einem Bundestagsabgeordneten der Umweltpartei, verheiratet, Vater von drei Kindern, nachgewiesen werden konnte, dass er gleich einer ganzen Reihe weiblicher Untergebener an die Brust gefasst hatte.

Während sich die Sitten seit dieser peinlichen „Grapscherei“ im Bonner Parlamentarierhochhaus „Langer Eugen“ weiter gelockert haben, werden – ganz im Gegensatz dazu – tatsächliche oder vermeintliche sexistische Handlungen durch eine weitaus strengere Brille betrachtet als damals. Drei Jahrzehnte später, 2013, reichte schon eine allzu saloppe Bemerkung über die Oberweite einer Journalistin, um einem prominenten FDP-Politiker und Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl den politischen Garaus zu machen.

Zweifellos: Sexuelle Belästigung gehört zu den großen Themen unserer Zeit. Denken wir an die Attacken auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen im Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln setzte die Polizei auch mit diesem Plakat auf Arabisch eine Belohnung von 10.000 Euro für zweckdienliche Hinweise aus, die zur Festnahme des oder der Täter führt.
© Foto: Elke Wetzig (Own work), Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-4.0
Zusammenhang mit den skandalösen Vorkommnissen von Köln und Berlin. Ohne diese schlimmen Übergriffe in der Silvesternacht (Köln), beim „Karneval der Kulturen“ (1.Mai, Berlin), das Schlossgraben-Fest (31. Mai, Darmstadt) oder vielen anderen Anlässen in irgendeiner Form zu relativieren, muss dennoch gesagt werden, dass es außer diesen spektakulären Ereignissen alltägliche Erscheinungen gibt, die nicht minder bedenklich sind. Nicht nur in Hauptbahnhöfen und bei Events spielen Grenzüberschreitungen sexueller Art eine erschreckend große Rolle, sondern auch in Unternehmen, Behörden, schulischen Oberstufen und Hochschulen/Universitäten.

Und das mit erschreckenden Fallzahlen: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) geht davon aus, dass 40 bis 50 Prozent aller Beschäftigten schon einmal sexuell belästigt worden sind. Eine 2015 veröffentlichte repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) verdeutlicht, dass mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland das Phänomen „Sexuelle Belästigung“ am Arbeitsplatz schon einmal erlebt oder zumindest beobachtet hat. Unter den Betroffenen sind in weit überwiegender Mehrheit Frauen; aber es wird auch von Männern berichtet, die von weiblichen oder gleichgeschlechtlich orientierten Kolleginnen/Kollegen subtil oder direkt bedrängt wurden. „Sexuelle Belästigungen passieren permanent“, weiß der Experte und Unternehmensberater Dr. Peter Modler.

Der bereits genannte ehemalige FDP-Spitzenpolitiker mit dem gutmütigen Großvatergesicht kennt es aus eigener Anschauung: Die Schwelle zur sexuellen Belästigung liegt sehr tief, und der Begriff wird weit ausgelegt. Es muss gar nicht zum Äußersten, der direkten Aufforderung zu sexuellen Handlungen oder zum so genannten Grapschen kommen, es genügen bereits taxierende „Ausziehblicke“ , zum Beispiel auf den Ausschnitt, anzügliche Bemerkungen oder Witze, suggestive Gesten, Nachpfeifen, das Anbringen aufreizender oder gar pornografischer Bilder in Arbeitsräumen, Spinden oder obszöne Bildschirmschoner, um die Tatbestandsmerkmale zu erfüllen. Schon sexistisch gefärbte Kommentare über äußerliche Attribute einer Person oder Bemerkungen über sexuelle Prägungen, beispielsweise Homosexualität, können von rechtlicher Relevanz sein.

In den USA verlor ein hochrangiger Manager mit 35-jähriger Berufserfahrung seinen Job, weil er einer Unternehmensberaterin, die in einem Konferenzzimmer keinen Platz mehr fand, coram publico seinen Schoß anbot. Ein derber Scherz, ein „Herrenwitz“ der anzüglichsten Art oder mehr? Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes sexuell bestimmte Verhalten, das nicht erwünscht ist und als beleidigend empfunden wird, so die Definition im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG).

Das macht Arbeits- und Studienplätze zu Minenfeldern. „Wo Männer und Frauen zusammen arbeiten, wird es immer auch sexuelle Untertöne geben. Da helfen keine wolkigen Moralvorgaben, sondern Augenmaß und gesunder Menschenverstand im Umgang miteinander“, stellt der Leiter des Institutes für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Dr. Michael Kastner fest.

Selbst Flirts, die von der einen Seite als harmlos angesehen werden, aber von der anderen Seite als sexistische Handlung interpretiert werden, können zum Problem werden. Sittenstrenge, intolerante oder introvertierte Personen werden bestimmte Verhaltensweisen immer anderes bewerten als „offene“ Persönlichkeiten. Die Grenzen sind fließend: Eingefleischten Feministinnen könnte bereits subjektiv das Aufhalten einer Tür durch männliche Kollegen als belästigend gelten, womit sie aber im Ernstfall nicht durchkämen.

Letztlich spielt stets der Grad der Kollegialität, das Betriebsklima und persönlichen Sympathien/Antipathien eine Rolle, ob bestimmte Äußerungen oder Handlungen –wenn auch mit Bauchschmerzen- gerade noch toleriert werden können. Dem beliebten Kollegen wird manches großmütig verziehen, beim Unsympathen, der ohnehin schon auf der persönlichen „Blacklist“ steht, genügt bereits ein kleiner Ausrutscher.

Dr. Peter Modler, promovierter Bestseller-Autor und vor der Gründung seiner Unternehmensberatung lange Topmanager und Chef von Unternehmen der Unternehmensberater und Bestseller-Autor: Dr. Peter Modler
Foto: © Andri Pol
Medienbranche, weist auf einen weiteren Aspekt hin. Nicht alles, was sexistisch klingt, muss auch zwingend sexuelles Interesse ausdrücken. Oft sind anzügliche Bemerkungen nichts anderes als „Machtspiele zwischen Männern und Frauen im Berufskontext“. Auf das Geschlecht anspielende Kommentare seien oft von dem Bestreben geleitet, gegenüber der anderen Person eine Art von politischer Überlegenheit auszuspielen.

Der Unternehmensberater und Sanierer Dr. Modler nennt ein Beispiel. Als eine Architektin nach ihrem Vortrag fragt, ob es noch Fragen gebe, versteigt sich ein junger Kollege zu der Aussage: „Ihr Vortrag wäre noch toller gewesen, wenn Sie den obersten Knopf Ihrer Bluse geöffnet hätten" Doch hinter solchen „krachledernen“ Kommentaren muss nicht zwingend eine sexistische Motivlage stecken. Beweggrund kann ebenso die Intention sein, eine andere Person auf der persönlichen Ebene empfindlich zu treffen. Wer eine Person zum Sexualobjekt degradiert, tut dies in der klaren Absicht der Herabwürdigung. Die sexistische Färbung ist dabei nur ein Mittel zum Zweck. Könnte ein ähnlicher oder „optimalerer“ Effekt auf einem anderen Level erzielt werden, würde dieser gewählt. Es geht um den Effekt, nicht um die spezifische Methodik, diesen zu erzielen.

Die Gefahr von Missverständnissen wohnt nach Angaben von Dr. Modler auch geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Auffassungen inne. Insbesondere gibt es bei der Einschätzung, in welcher Phase einer verbalen oder non-verbalen Handlung ein „Scherz“ aufhört und eine sexuelle Belästigung beginnt, stark differierende Wahrnehmungsformen von Männern und Frauen. Die Bemerkungen des eingangs beispielhaft erwähnten FDP-Spitzenmanns betrachteten einige Männer noch als Flirt, wenn auch eines ungemessenen, während Frauen diese Politikersprüche überwiegend als sexistisch empfanden. Was unter Männern noch als tolerabler „Herrenwitz“ gilt, erscheint dem anderen Geschlecht bereits als inakzeptabler Tabubruch.. Das sollte Jedermann im Arbeitsleben beachten.

Ganz ohne Zweifel: Sexuelle Belästigungen am Arbeits- oder Studienplatz sind eine betrübliche Tatsache. Oft werden Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt oder berufliche Vorteile avisiert. Genauso wird nicht selten nach der Devise „Ich kann Ihnen nutzen, aber auch schaden“ mit Nachteilen gedroht, wenn nicht wunschgemäß gehandelt wird.

Eine Betroffene berichtet: „In unserer Abteilung sagte man schon am ersten Tag, man müsse sich mit dem Chef gut stellen, um voranzukommen. Wie das gemeint war, wurde mir schnell klar. Im Chefzimmer sprach der Mann davon, es würde bald eine Position als Assistentin frei. Er könne mich sehr gut als Stelleninhaberin vorstellen. Schließlich sei für den Job auch ein ansprechendes Äußeres wichtig. Dann startete er ohne Umschweife plumpe Annäherungsversuche und sagte ‚Wir beide kommen mit Sicherheit super zurecht‘“. Ich verließ unter einem Vorwand abrupt den Raum. Als ich Kolleginnen von dem Vorfall erzählte, lachten die nur. Empört kündigte ich an, ich wolle mich an den Betriebsrat wenden. Da prusteten meine Kolleginnen los. ‚Glaube uns, zum Schluss verlässt nicht der Abteilungsleiter das Unternehmen, sondern Du. Kannst Du denn beweisen, dass der Dich angebaggert hat? Und wird man Dir glauben? Du bist schließlich ein Nobody im Unternehmen. Dem CEO ist das alles egal, der hat selbst Affären laufen.‘

Ich ging jeden Tag mit Bauchschmerzen in die Firma. Ich bekam regelrecht Panik, wenn ich zum Chef gerufen wurde. Als der Abteilungsleiter merkte, dass er bei mir nicht landen konnte, bekam ich nur noch die blödeste Arbeit, die man sich vorstellen kann, und wurde auch noch ständig kritisiert. Ich fühlte mich regelrecht gemobbt. Von meinen Kolleginnen hatte ich keine Hilfe zu erwarten, die fanden das alles auch noch witzig. Eine Kollegin sagte sogar „Stell´ Dich doch nicht so an“. Noch in der Probezeit bin ich dann gegangen. Ich hatte noch keinen neuen Job, aber das war mir egal. Lieber ein Ende mit Schrecken, wie es so schön heißt…“

Zweifaches Pech hatte dieser chinesische Grapscher, der eine Kollegin im Lift belästigte. Die Szene wurde von einer Überwachungskamera dokumentiert. Zudem konterte die Bedrängte den Übergriff mit Kampfsporttechniken, die den Angreifer zu Boden gehen ließen.
Foto: © Bildschirmfoto: Archiv G
In einem anderen Beispielfall trat ein regelrechter Serientäter in Erscheinung. Der Produktmanager eines bekannten Möbelhandels war bereits abgemahnt worden, weil er einer Mitarbeiterin einen Klaps auf den Po verpasst hatte. Noch nicht einmal ein Jahr später forderte er eine 26-jährige Einkaufsassistentin auf, einen Minirock anzuziehen und eine Leiter zu besteigen. Um jeden Zweifel an seinen Absichten zu zerstreuen, stellte er nach Medienmeldungen „Vergleiche zwischen einem Zollstock und gewissen Teilen seines Körpers an“. Die Sache wurde bekannt. Vorfälle dieser Art hatte es mehrere gegeben. Der Mann, 32 Jahre im Betrieb, wurde entlassen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte 2011 die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Aktenzeichen 2 AZR 323/10. Dagegen ist die Kündigung eines anderen Täters vom BAG kassiert worden, weil er vor der Entlassung nicht abgemahnt worden war. Der umtriebige Mann musste wieder eingestellt werden. Ein Schock für dessen Opfer.

Nicht eben selten ist auch das Ausnutzen von den extrem ungleichen Machtverhältnissen an den überaus hierarchisch strukturierten Hochschulen und Universitäten. Professoren und Dozenten stehen in der Rangordnung ganz oben, während die Studierenden eher in Bodennähe angesiedelt sind. Hochschullehrer haben weitreichende Befugnisse. Sie sind Lehrer, Prüfer, Arbeitgeber und Mentoren zugleich. Sie bewerten Studien-, Bachelor und Masterarbeiten und entscheiden somit darüber, wer weiterkommt und wer nicht. Sie haben auch das letzte Wort, wenn es um einen begehrten, aber extrem raren Job als studentische Hilfskraft geht. Dazu können sie aus einem riesigen Fundus von Studierenden schöpfen – und kaum jemand hinterfragt, nach welchen Kriterien vorgegangen wird.

In einer 2012 veröffentlichten Studie der Ruhr-Universität Bochum gaben 61 Prozent der Befragten an, dass sie während ihres Studiums mindestens einmal Opfer von sexueller Belästigung geworden sind. Unter sexualisierte Gewalt wurden dabei auch Nachpfeifen oder anzügliche Bemerkung subsummiert. Immerhin knappe 15 Prozent gaben an, dass ihnen „jemand auf unangenehme Weise zu nahe gekommen sei“, sprich sie körperlich bedrängte. Befragt wurden 22.000 Studentinnen von 34 höheren Bildungseinrichtungen in Deutschland, Italien, Polen, Spanien und Großbritannien.

Ohne dies zu pauschalieren, gibt es kaum eine deutsche Universität/Hochschule, an der nicht mindestens einer der Professoren/Dozenten im Ruf eines „Casanovas“ steht. Ob zu Recht oder zu Unrecht, lässt sich an dieser Stelle nicht beurteilen. Die Versuchung ist jedenfalls enorm: Studentinnen sind überwiegend jung, oft strebsam und karrierebewusst und aufgrund ihrer Jugend nicht selten etwas blauäugig, was die wahren Intentionen ihres männlichen Gegenübers angeht,

Bekannt ist der Fall einer Studentin, die sich mit einem alles andere als frauenfeindlichem Professor, der gleichzeitig ihr Doktorvater war, einließ. Nach ihrer Darstellung war es eine freundschaftliche Beziehung, nach seinen Ausführungen weitaus mehr. Als die wie auch immer geartete Beziehung endete, kam es auch nicht mehr zur Promotion der offenbar Abservierten. Die Doktorandin klagte bislang vergeblich. Der Professor lehrt dagegen nach wie vor an einer bekannten norddeutschen Universität.



Über einen Fall in Österreich berichtete „progress“, das „Magazin der österreichischen Hochschülerinnen“. Der Sachverhalt: Eine Veronika genannte Studentin wurde von ihrem Professor auf eine Konferenz eingeladen. „Als dieser davor noch einen gemeinsamen Kurzurlaub plante, lehnte die 28-Jährige ab. Auf kleine Anspielungen folgten E-Mails und Einladungen zu Dienstreisen und Kongressen. Als sie auch die Einladung zu einer Dienstreise per E-Mail ablehnte, wurde er wütend. Die Zusammenarbeit mit dem Professor wurde für Veronika unmöglich. Seitdem kämpft sie jeden Tag mit Schikanen. Seit zwei Jahren sucht sie Hilfe gegen die sexuellen Belästigungen durch ihren Professor – vergeblich. Veronika versuchte gegen ihren Professor vorzugehen und wandte sich an die Frauenbeauftragte ihrer Universität und an eine Psychologin. Die Erfahrungen damit waren für Veronika durchwegs enttäuschend. Der Fall wurde nicht ernst genommen. Ihr Anwalt meinte, er könne ihr nicht helfen, da ihr Professor sie ja nicht außerhalb ihres Arbeitsplatzes ‚stalken‘ würde.“

Naturgemäß ist auch der umgekehrte Fall möglich. Prof. Dr. Dr. Michael Kastner, Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin und Professor an der Universität Heidelberg, berichtet in der FAZ von sexuellen Belästigungen der anderen Art. „So sei es etwa vorgekommen, dass Studentinnen in seinem Büro vorstellig würden, die das Gespräch über ihre Noten ganz offensichtlich nicht mit Sachargumenten führen wollten“. Die komplimentiere ich schnellstmöglich wieder heraus“, kommentiere Kastner „Durchaus auch aus Selbstschutz. Wenn Vorwürfe laut würden, wäre ich automatisch erst mal in der Täterrolle.“

Frauen, die in dieser Weise aktiv werden, bildeten allerdings eine zu vernachlässigende Minderheit, berichtet Dr. Modler aus seiner beruflichen Erfahrung. Was bedeuten sexuelle Belästigungen, die einfach so hingenommen werden, für Unternehmen, Behörden und Universitäten/Hochschulen?

Stillschweigend akzeptierte sexuelle Belästigungen sind sowohl ein Sicherheits- als auch ein Reputationsrisiko. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sexuell determinierten Motiven und nicht aus fachlichen Erwägungen bevorzugt werden, ergibt sich daraus ein bedenkliches strukturelles Ungleichgewicht. Denn Stellenbesetzungen erfolgen nicht mehr im Firmeninteresse, sondern im unternehmensfernen Interesse von Einzelpersonen mit moralisch verwerflichen Motiven.

Zudem bleibt den übrigen Beschäftigten eine vom Unterkörper geleitete Beförderungspolitik nur in ganz seltenen Fällen verborgen. Der „Flurfunk“ ist ein Kommunikationsmittel, das unterschiedslos in sämtlichen Unternehmen oder Behörden bestens funktioniert. Eine Favorisierung aufgrund des Aussehens und der persönlichen Bereitschaft, sich auf Techtelmechtel einzulassen, gibt zwangsläufig böses Blut bei allen Anderen. Jede Verschlechterung des Betriebsklimas ist nicht zuletzt ein ernsthaftes Sicherheitsproblem und führt zu Verlust der Arbeitsmotivation und inneren Kündigungen, den Ausgangspunkten vieler doloser Handlungen.

Zu bedenken ist auch, dass sexuelle Belästigungen kriminelle Handlungen sind. Sie sind nicht nur ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), sondern können je nach Art und Intensität auch den Tatbestand von Beleidigungen, Nötigungen und sogar Körperverletzungen erfüllen. Im Grunde ähnelt die sexuell Sekretärinnen und Assistentinnen stehen im besonderen Fokus von Personen, die das Vorgesetzten-Mitarbeiter-Verhältnis für ihre dubiosen Zwecke ausnutzen.
Foto: © sillilein74/pixelio.de
motivierte Art der Postenschieberei der Korruption. Eine „Leistung“ (Beförderung, Bevorzugung) wird mit einer anderen „Leistung“ erkauft. Das ist definitiv ein Einstieg in die Wirtschaftskriminalität. Es besteht die große Gefahr, dass weitere dolose Handlungen folgen.

Werden die firmeninternen Sexgeschichten bekannt, leidet die Reputation des Unternehmens in größt anzunehmender Weise. Gilt bei Diebstählen noch ein Robin-Hood-Effekt, werden Sachverhalte mit sexistischem Hintergrund so gut wie nie toleriert – namentlich von den sonst so freizügigen Publikumsmedien nicht. Gerade Vorkommnisse mit erotischem Background beflügeln die Fantasie der Menschen und Medienmacher. Schnell machen deshalb wahrheitswidrige Storys die Runde, die auf das betroffene Unternehmen ein zusätzliches schlechtes Licht werfen.

Was können Unternehmen oder Hochschulen/Behörden tun, um solchen Negativerscheinungen entgegenzuwirken?

Als Erstes klare Kante zeigen. Nicht nur in Policys, die irgendwo in Regalen verstauben, sondern auch in Betriebsversammlungen oder bei Sensibilisierungsevents deutlich machen, wie das Unternehmen zu sexuellen Belästigungen steht. Den Betroffenen muss eine Meldemöglichkeit eröffnet werden. Intern käme der Betriebs-/Personalrat, AStA, ein „Kummerkasten“ oder die Frauenbeauftragte infrage, extern ein Ombudsmann oder eine anonyme Meldeplattform.

Vor allem sei es wichtig, dass der Chef die von den Mitarbeitern geforderte Linie vorlebt, betont Dr. Modler. „Alles steht und fällt mit dem Verhalten des Chefs“, macht der Unternehmensberater deutlich. Mache dieser durch anzügliche Bemerkungen von sich reden, habe dies Konsequenzen auf die gesamte Unternehmenskultur.

Wie der Chef, so das Unternehmen, das gilt auch gerade hier.

 

Über den Autor
Klaus Henning Glitza
Klaus Henning Glitza
Klaus Henning Glitza, Jahrgang 1951, ist Chefreporter dieser Online-Publikation. Der Fachjournalist Sicherheit erhielt 2007 den Förderpreis Kriminalprävention; seit vielen Jahren ist er Mitarbeiter im Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik. Vormals war er Redakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und dort u. a. zuständig für Polizeiangelegenheiten.
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