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Zum Entwurf des neuen Sexualstrafrechts

Eine Antwort auf Margarete Stokowskis Spiegel-Beitrag vom 28.04.2016

Von Dr. Alexander Stevens

Das Wissen um den neuen Gesetzentwurf zum Sexualstrafrecht ist so dürftig, dass es peinlich ist. Auch 2016 ist die Vagina des Menschen in Deutschland besser geschützt als der Penis.

Dass über Heiko Maas’ Gesetzesentwurf zur Änderung des Sexualstrafrechts das Jahr 2016 steht, mag durchaus peinlich sein – aber nicht wie selbsterklärte Feministinnen wie Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski etwa meinen, weil das Gesetz zu dürftig wäre. Es ist peinlich, weil es in einem Zeitalter von Gleichberechtigung und einer unantastbaren Würde des Menschen, sich ausschließlich auf eine immer weitere Verschärfung der männlichen Sexualität versteift: Ein äußerst gewagter Satz, werden Sie sich jetzt denken, und nochmals auf den Namen des Autors blicken, um ihn sich als Chauvinisten und potenziellen Mittäter gedanklich abzuspeichern. Aber lesen Sie bitte weiter: Nach dem derzeit geltenden Recht werden ausnahmslos Männer etwa wegen Exhibitionismus bestraft, und interessanterweise gibt es quasi keine einzige Strafanzeige von männlichen Opfern sexueller Gewalt.

Gibt ein Mann an, sexuell genötigt oder missbraucht worden zu sein, wird das von den Strafverfolgungsbehörden nicht ernst genommen und er muss sich am Schluss noch für seine evolutionsbiologischen Reize und Reflexe rechtfertigen: So zum Beispiel ein Mandant von mir, der sich nach einem ausgelassenen Partyabend und reichlich Alkoholkonsum auf eine Bank legte und dort etwas später von einem recht offensiv mit seiner Homosexualität umgehenden anderen Partygast schlafend angetroffen wurde. Kurzum entschloss sich der homophile Partygast, ein wenig „Spaß“ mit dem Betrunken zu haben, öffnete ihm die Hose, stimulierte seinen Penis bis zur Erektion und führte den Penis dann bei sich ein. Tatsächlich bekommt das der Betrunkene nur so am Rande mit, kommt aber dennoch zur Ejakulation. Hierdurch etwas erwacht, bemerkt der zu 100 Prozent heterosexuell veranlagte Betrunkene erst, was da mit ihm gemacht wurde, und ruft die Polizei. Den von dem Betrunkenen erhobenen Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs weist der sachbearbeitende Staatsanwalt aber brüsk zurück und stellt das Verfahren gegen den sexhungrigen Schwulen ein: Von einem Missbrauch könne schließlich kaum die Rede sein, wenn es dem Parkbankbesucher gleich so gut gefallen habe, dass er bei den sexuellen Handlungen zum Orgasmus kommt. Eine Entscheidung, die nicht berücksichtigt, dass selbst Komapatienten ejakulieren können und die Erklärungsnot des Heterosexuellen seiner Freundin gegenüber nicht unbedingt vereinfacht hat. Ich behaupte aber, wäre der Betrunkene eine Frau gewesen, würde der Discobesucher jetzt mindestens sechs Jahre im Gefängnis für diese Tat verbüßen.

Und das Argument mit den überproportional vielen Falschaussagen gegenüber Männern bei Sexualstrafverfahren wird stets als Opfer entwürdigend und schlicht nicht existent abgebügelt. Das, obwohl es schon natürlich vor allem gerade beim Vorwurf eines Sexualdeliktes zu falschen Verdächtigungen kommen kann, da bei keiner anderen Strafdeliktsgruppe so häufig Aussage gegen Aussage steht und ein Strafverfahren nur anhand der bloßen Glaubwürdigkeitsbeurteilung beurteilt wird. Sexualdelikte sind in der Regel heimliche Delikte, man will keine Zuschauer dabeihaben. Deswegen hat man als Richter in solchen Fällen oft zu entscheiden, wem man nun glaubt, dem vermeintlichen Opfer oder dem vermeintlichen Täter – Kachelmann lässt grüßen.
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Erst neulich wurde in diesem Zusammenhang bundesweit von einem Fall berichtet, bei dem ein Berliner Pizzabäcker eine junge Frau (31) vergewaltigt haben soll, indem er sein Opfer zunächst in seine Wohnung gelockt, dort über sie hergefallen sein und sie mit mehreren Messern – darunter ein 30 Zentimeter langes Fleischermesser – bedroht haben soll. Nach der Strafanzeige der Frau nahm die Polizei den Pizzabäcker fest. 17 Tage lang saß er in Untersuchungshaft. Beim anschließenden Gerichtsprozess bewerteten sowohl die Staatsanwältin als auch der Richter die Aussagen des Opfers als glaubhaft. Trotzdem wurde der Pizzabäcker freigesprochen! Denn der Angeklagte hatte sein Sex-Date heimlich gefilmt und das Video stützte nicht die Aussage, der zufolge es keinen einvernehmlichen Oralverkehr gegeben habe. Für Richter und Staatsanwältin war nach der Ansicht des Videos klar: Es handelte sich um einvernehmlichen Sex. Mara A. hatte vor Gericht betont, nur ein einziges Mal in der Wohnung des Angeklagten gewesen zu sein. Damit stand fest: Das Video muss am Tag der angeblichen Vergewaltigung entstanden sein. Laut „Berliner Morgenpost“ sagte der Richter: „Die Kammer hat das große Glück gehabt, hier nicht in eine Falle zu tappen und den Angeklagten zu Unrecht zu verurteilen.“ Die Staatsanwaltschaft prüft jetzt, ob sie das vermeintliche Opfer wegen uneidlicher Falschaussage anklagt.

Sie lesen richtig, es wird lediglich geprüft. So wie in allen anderen Fällen bewusster Falschaussagen, die nur in sieben Prozent aller Fälle überhaupt zu einer Anzeige führen. Denn anders als bei den Tätern gilt bei den Opfern um so mehr der Grundsatz: Im Zweifel für das „Opfer“.

Liebe Frau Margarete Stokowski, auch all das ändert sich nicht durch Heiko Maas Gesetzesentwurf.

Um ehrlich zu sein, ändert sich eigentlich gar nichts:
Den Vergewaltigungstatbestand lässt der Entwurf ohnehin gänzlich unberührt und das was letztlich geändert wird, dass derjenige nämlich, der sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt, die im Falle ihres Widerstandes ein empfindliches Übel befürchtet oder aufgrund ihres körperlichen bzw. psychischen Zustandes zum Widerstand unfähig ist, bis zu zehn Jahre ins Gefängnis soll, vermag hinsichtlich der angedachten Intention dieses Gesetzes, die Sex-Mob-Grapscher ihrer gerechten Strafe zuzuführen, nicht weiterhelfen.

Denn das bloße Betatschen und Begrapschen ist keine sexuelle Handlung im juristischen Sinne und das aus gutem Grund: Man kann niemanden für bis zu 15  (bzw. nach dem Gesetzesentwurf von Maas für 10 Jahre) wegsperren, wenn er einer Frau an den Busen oder Po tatscht oder auch zwischen die Beine greift  – zumindest sieht das die höchstrichterliche Rechtsprechung so.

Und das ist auch gut so – moralische Befindlichkeiten hin oder her: Kein objektiver Mensch, mit Ausnahme von Margarete Stokowski vielleicht, wird den gemeinen Oktoberfestbesucher, der nach einem dort durchzechten Abend mit einigen unanständigen und durchweg verwerflichen Berührungen die Brust oder den Po seiner Banknachbarin betatscht, dafür bis zu zehn Jahre ins Gefängnis stecken wollen. Da hat der Jurist ein Problem mit der Verhältnismäßigkeit. Und genau deshalb müssen sexuelle Handlungen auch erheblich sein. Da sich hieran auch nichts durch Herrn Maas Gesetzesentwurf ändert, ändert sich quasi NICHTS an der aktuellen Rechtslage.

Eigentlicher Grund für die in den Medien entbrannte Hysterie rund um eine Verschärfung des Sexualstrafrechts war doch vielmehr der Umstand, dass man nach den Erlebnissen in der Silvesternacht (zurecht) nicht mehr will, dass Frauen wild und schamlos betatscht werden können, ohne dass dies folgenlos bliebe. Denn nach der bisherigen Rechtslage (und hieran ändert auch der aktuelle Gesetzesentwurf von Herrn Maas nichts) ist das Betatschen und Begrapschen mangels eines gesetzlichen Verbots hiergegen erlaubt. Und es kommt noch schlimmer: Denn gegen etwas, das erlaubt und daher nicht strafbar ist, darf Mann/Frau sich auch nicht wehren. Sprich, die Frau die am Hintern betatscht wird, müsste selbst ein Strafverfahren wegen Körperverletzung fürchten, würde sie dem elendigen Grapscher eine Ohrfeige für sein unflätiges Benehmen erteilen.

Insoweit mag man also Margarete Stokowski Recht geben, der als Sexualstrafrechtsreform angekündigte Gesetzentwurf ist peinlich, denn er ändert schlicht nichts an der bestehenden Rechtslage. Nur, warum Feministinnen gerade Amok laufen und einmal mehr nach einer Verschärfung des Vergewaltigungstatbestandes und nicht nach einer Kodifizierung eines Straftatbestandes der sexuellen Belästigung rufen, erschließt sich mir schlicht nicht. Das auslösende Ereignis jener lang anhaltenden Debatte um das Sexualstrafrecht, die sog. Sex-Mobs, waren überwiegend Diebstähle, bei denen Frauen in unerhörtem Maß sexuell belästigt – aber doch nicht reih um vergewaltigt wurden.

Nur wenn schon unsachliche Parolen einer Margarete Stokowski mit Vergleichen zu Autos oder Tieren rund um den angeblich völlig unzureichenden Vergewaltigungstatbestand kursieren, mögen doch folgende Ausführungen jedweder Polemik der Politikerinnen, Feministinnen und der teils so vielen Juristinnen vielleicht ein wenig Zurückhaltung gebieten:

Soweit nämlich eine Vergewaltigung mit Gewalt gegen einen anderen Menschen verübt wird, ist es nach derzeitiger Rechtslage so, dass unter „Gewalt“ grundsätzlich einmal alle Handlungen zu verstehen sind, die für den Täter mit einer gewissen – nicht aber notwendig einer erheblichen – Kraftentfaltung verbunden sind und vom Opfer als körperlicher Zwang empfunden werden. Hierzu wird in den meisten Fällen ein vom Opfer geleisteter Widerstand zu überwinden sein, wie zum Beispiel Zur-Seite-Drücken oder Packen der abwehrenden Hand, Festhalten der Arme, Zuhalten des Mundes, Auseinanderdrücken der Beine, Stoßen auf ein Bett, Niederdrücken mit dem eigenen Körpergewicht oder Fassen des Halses.

Voraussetzung für die Annahme von Gewalt ist diese Art von Kraftentfaltung aber nicht! Entscheidend ist, dass sich das Opfer durch die körperliche Gewalt zu der sexuellen Handlung gezwungen sieht. Die Rechtsprechung sieht es als völlig ausreichend an, wenn aufgrund der Einwirkung des Täters der Widerstand oder das Entkommen des Opfers allein erschwert wird!

Eine Gewaltanwendung liegt daher auch bei einem Eindringen in die Wohnung des Opfers mit den Worten: „Sei still, ich tue dir nichts, habe keine Angst und schreie nicht!“ vor oder wenn ein Opfer durch stundenlanges, zur körperlichen Erschöpfung führendes Laufen zum Nachgeben gezwungen wird. Für die Anwendung von Gewalt genügt auch das Einschließen des Opfers, entweder um dieses durch den Verlust der körperlichen Bewegungsfreiheit gefügig zu machen, oder um diesem durch Abschneiden der Fluchtmöglichkeiten zu suggerieren, dass jeder Widerstand zwecklos sei.

Ausreichend ist ferner, dass durch gewaltsames Zuhalten des Mundes Hilferufe des Opfers und damit das Eingreifen Dritter unterbunden werden sollen. Und selbst das bloße auf das Opfer legen mit dem eigenen Körpergewicht oder an die Handgelenke fassen, ist schon Gewalt und ausreichend für die Annahme einer Vergewaltigung. Die Rechtsprechung geht sogar soweit nicht einmal eine aktive Gegenwehr vom Opfer zu fordern, sondern geht von Gewalt auch dann aus, wenn der Täter nur einen Widerstand des Opfers erwartet, das Opfer aber gar keinen leistet!

Die Aussage also, man müsse sich wehren, damit man erst von einer Vergewaltigung sprechen könne, ist schon mal gänzlich falsch. Noch falscher wird diese Aussage, hält man sich vor Augen, dass auch bereits das bloße Drohen mit körperlicher Gewalt oder aber das Ausnutzen einer schutzlosen Lage völlig ausreicht, um von einer Vergewaltigung auszugehen:

Sprich, wenn – wie in der Silvesternacht berichtet – bis zu 40 oder 50 Männer um eine Frau herumstehen, dann befindet sich diese offensichtlich in einer schutzlosen Lage. Dass aber gerade dieses noch relativ neue Tatbestandsmerkmal der schutzlosen Lage nicht nur bei den Sex-Mobs absolute Anwendung finden würde – bei korrekter juristischer Anwendung des aktuellen Vergewaltigungstatbestandes – sondern auch nach aktueller Rechtslage relativ undifferenziert zu einer ungeheuren Ausweitung der Strafbarkeit führt – insbesondere bei völlig belanglosen Sexualkontakten, in welchen sich das Opfer (oft auch erst nachträglich) sexuell ausgenutzt fühlt und eine vermeintliche Schutzlosigkeit behauptet (und nicht selten auch konstruiert) wird von keiner einzigen Kritikerin der zu laschen deutschen Sexualgesetze angeprangert:

So soll zum Beispiel bereits ausreichen, wenn das Opfer allein mit dem Täter in der Wohnung ist (bei Sexualdelikten quasi der Regelfall!!!). Unbeachtlich ist darüber hinaus, ob der Täter das Opfer in die schutzlose Lage gebracht oder es in dieser Lage nur vorgefunden hat und ob die Schutzlosigkeit auf äußeren Umständen beruht oder solchen, die in der Person des Opfers liegen (Das heißt, die schutzlose Lage gilt auch dann, wenn das Opfer freiwillig mit dem Täter in die Wohnung gegangen ist). Die Fälle in denen eine solche Lage vorliegen soll, in der ein Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, definiert der Gesetzgeber nicht einmal: Völlig nebulös geht die Rechtsprechung davon aus, dass hiermit eine Situation gemeint sei, in der die Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers in einem Maße vermindert sind, dass es dem ungehemmten Einfluss des Täters ausgeliefert ist. Das Opfer muss zum Beispiel aus Angst vor möglichen Körperverletzungen auf einen an sich möglichen Widerstand verzichten, weil es sich entweder aufgrund physischer Unterlegenheit oder aufgrund psychischer Hemmung nicht selbst verteidigen oder keine entsprechende Hilfe Dritter erlangen kann.

Sieht man sich so manche Einzelfallentscheidung von deutschen Gerichten hierzu an, wird schnell klar, dass der Vorwurf einer sexuellen Nötigung dann wirklich JEDEN treffen könnte: Schutzlosigkeit liegt nach Ansicht der AKTUELLEN Rechtslage beispielsweise vor, wegen der entlegenen Lage des Ortes, mangelnder Erreichbarkeit von Hilfe (also auch zum Beispiel in der eigenen Wohnung!!!), einer altersbedingten Einschränkung sowie aufgrund schlechter körperlicher und psychischer Konstitution des Opfers. Dabei soll laut Rechtsprechung nicht einmal ein vollständiger Ausschluss jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers erforderlich sein; es genügt, dass sich das Opfer subjektiv schutzlos fühlt und offenkundige Hilfemöglichkeiten verkennt.

Allein diese Beispiele zeigen bereits, dass der bewussten oder unbewussten Falschbezichtigung durch angebliche Opfer Tür und Tor geöffnet ist, wenn man hier nicht gut beraten und verteidigt ist. Denn die Schutzlosigkeit ist keine Besonderheit, sondern der Regelfall. Kaum ein Sexualkontakt findet nämlich in unmittelbarer Nähe hilfs- und eingriffsbereiter Personen statt. Beim Sex will man in der Regel ungestört sein, was zur Folge hat, dass jeder Sex bereits eine nach dem Gesetz definierte schutzlose Lage darstellt!

Den wirklich einzigen Punkt, den man der aktuellen Rechtslage zu seinem Nachteil anlasten könnte, wäre die Problematik, dass keine Gewalt im Sinne des Gesetzes vorliegt, wenn ein bloßes Überraschungsmoment ausgenutzt wird, weil das Opfer hier keinen Willen zum Widerstand bilden kann oder das bloße Ausnutzen der Angst vor erneuter Gewalt, weil diese Angst nicht körperlich sondern nur psychisch auf das Opfer wirkt. Auch Gewalt gegen Sachen (Zerschlagen des Schranks oder Ähnliches, genügen nicht, da auch hier nicht körperlich auf das Opfer eingewirkt wird). Nur scheint mir diese „Rechtslücke“ eher theoretischer Natur, denn Vergewaltigungen sind Delikte, die zwangsläufig von einiger Dauer getragen sind, zumindest einer solch langen Zeitspanne, dass sie die eines bloßen Überraschungsmomentes locker überdauert. Und da spätestens ab diesem Zeitpunkt dann eine zu erwartende Gegenwehr dem Täter bewusst sein muss, ist die Frage des Gewaltbegriffs für mein Dafürhalten relativ unproblematisch mit „ja“ zu beantworten. Und wenn dann eine Frau ein „Nein“ antwortet, kann man nicht mehr davon sprechen, dass die Frau durch die zuvor ausnahmslos psychische Gewalt beeindruckt ist. Legt sich der Mann also dann bei einem solch geäußerten „Nein“ mit seinem Körper beispielsweise auf sie, übt er ja wiederum Gewalt aus. Gerade dieses Beispiel zeigt aber auch, dass die Forderung der vielen Frauenverbände, dass ein einfaches Nein genügen solle, im Falle psychischer Gewalt gleichwohl straflos bliebe. Denn ein „Nein“ wäre ja gerade bei psychisch vermitteltem Zwang nicht zu erwarten!

Ich frage mich vielmehr, warum eigentlich nicht jene Frauenverbände sich ganz andere sexuelle Gedanken machen: Denn wenn es um die derzeitige Rechts- und Gesetzeslage zum Thema Kinder- und Jugendpornographie geht, hört man von den Frauenverbänden Nichts! In unseren Schulen ist es mittlerweile Alltag: Schüler und Schülerinnen fertigen ungeniert Nacktfotos mit teils äußerst pornographischen Inhalten von sich selbst und schicken diese Dateien über Handy, soziale Netzwerke etc. herum. Will man die eigenen Kinder und Jugendlichen dann wegen Besitzes bzw. Verbreitens kinder- oder jugendpornographischer Schriften dem Richter ausliefern? So sieht es nämlich das deutsche Sexualstrafrecht aktuell vor.

Oder warum darf der 18-Jährige mit seiner 17-jährigen Freundin jedweden Geschlechtsverkehr mit ihr (einvernehmlich) ausüben, aber keinen Pornofilm mit ihr zusammen gucken? Im letzteren Fall würde er sich mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe strafbar machen.

Verwandte, die miteinander Liebe machen, müssen bis zu drei Jahre dafür ins Gefängnis gehen, aus Angst vor der Zeugung behinderter Kinder, wenngleich behinderte Menschen völlig selbstverständlich miteinander kopulieren dürfen, das gebietet die Menschenwürde aus Art. 1 Grundgesetz.

Der soeben 14 Jahre alt gewordene Junge, der mit seiner nur eine Woche jüngeren Freundin bisher regelmäßig einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatte, darf die Woche bis zum 14. Geburtstag seiner Freundin keinen Sex mit ihr haben, um sich nicht in diesem Zeitraum des (schweren) sexuellen Missbrauchs einer 13-Jährigen strafbar zu machen.

Warum beschäftigen diese Themen keinen, wenngleich wir in Bezug auf den Vergewaltigungstatbestand eines der schärfsten Strafgesetze im europaweiten Vergleich haben, bei dem schon für das sexuelle Nötigen, also ohne dass es zu Geschlechtsverkehr oder einem Eindringen in den Körper kommt, bis zu 15 Jahre Haft gibt und selbst derjenige als Vergewaltiger gilt, der einem anderen mit Gewalt einen Finger in die Nase steckt, soweit er dies sexuell stimulierend empfindet?

Liebe Frau Margarete Stokowski, Sie sehen, die Vagina ist gut geschützt in Deutschland. Es ist der Penis, den man schützen muss, nämlich vor falscher Stimmungsmache, Übersensibilität und vor allem vor falschen Rechtsvorstellungen.

Über den Autor
Dr. Alexander Stevens
Dr. Alexander Stevens
Dr. Alexander Stevens ist Fachanwalt für Strafrecht und als einer von ganz wenigen Anwälten überhaupt (wenn nicht sogar der einzige) ausschließlich auf die Sexualdelikte wie Vergewaltigung, Missbrauch, und Kinderpornographie spezialisiert. Im April 2016 erschien sein Buch „Sex vor Gericht“ (Knaur Verlag) in welchem er anhand sehr tiefgreifenden Geschichten aufzeigt, was alles schief läuft in Deutschland, wenn es um Sex geht. Stevens vertritt sowohl Täter als auch Opfer von Sexualdelikten gleichermaßen.
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