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Und täglich grüßt das Murmeltier ......

Von Heinz-Werner Aping

Es war wieder einmal soweit. Der Bundesminister des Innern Dr. Thomas de Mazière hat zusammen mit dem gegenwärtig den Vorsitz in der Konferenz der Innenminister und –Senatoren des Bundes und der Länder (IMK) führenden Innenminister des Saarlandes Klaus Bouillon der versammelten Presse die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2015 vorgestellt. Natürlich hatten die Länderkollegen in den Wochen und Monaten zuvor wie üblich die Gelegenheit genutzt, die PKS ihres Bundeslandes vorzustellen. Zusammenfassende und vorweg gestellte Überschrift der Präsentation: „Zahlen 2015 liegen auf Niveau der Vorjahre“ .
Bemerkenswert!

Für alle interessierten Leser wenigstens im Bereich Wohnungseinbruch könnte man ketzerisch empfehlen: lesen Sie unseren Bericht vom letzten Jahr.

Bundesinnenminister Dr. Thomas de Mazière (rechts) stellt zusammen mit Innenminister des Saarlandes Klaus Bouillon die Kriminalstatistik 2015 vor.
Foto: © Henning Schacht
Kritische Berichterstattung dazu? Eher weniger. Und täglich grüßt das Murmeltier.....

Hat sich wirklich nichts geändert?

Doch, es hat sich etwas geändert. All das natürlich nicht überall gleich, aber für einen neutralen Betrachter mit Differenzierung vergleichbar. Nur: bis auf andere absolute Zahlen oder geringfügige Änderungen in den prozentualen Verteilungen oder Kennzahlen sind die grundsätzlichen Größenordnungen und erklärenden Aussagen im Groben und -soviel Ehrlichkeit gehört dazu- für den Zweck dieses Artikels austauschbar mit denen vom Vorjahr.

Die Fallzahlen (registrierte Kriminalität) sind bundesweit erneut angestiegen, von 152.123 um 15.013 auf 167.136 Taten. Der Anteil der Versuche ist von 62.929 auf 71.300 (41,4 zu 42,7 %) gestiegen. Die Aufklärungsquote ist gefallen, von 15,9 auf 15,2 %. Der registrierte Schaden (materiell) ist von 422.261.937 € auf 440.815.779 € gestiegen. Fälle mit Schäden von 500 bis unter 2500 € stellen mit 48,1 % die größte Gruppe. Insgesamt machen die materiellen Schäden 6,3 % des registrierten Gesamtschadens der registrierten Kriminalität Deutschlands aus.

Statt 17.051 Tatverdächtigen in 2014 wurden in 2015 tatsächlich 17.670 ermittelt. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger ist hoch, aber 59,8 % der ermittelten (!) Tatverdächtigen waren Deutsche. In 54,7 % der aufgeklärten Fälle (13.889) handelten 8486 Tatverdächtige allein.

Interessant bleibt die unterschiedliche Verteilung nach Bundesländern und Städten. Fachleute stehen Kennzahlen bzw. Häufigkeitszahlen (hier jetzt Fälle je 100000 Einwohner) im Bereich der Kriminalität kritisch gegenüber. Aber es fällt schon auf, dass Bayern auch mit der Millionenstadt München eine Häufigkeitszahl von 58,9 hat, Berlin 340,5, Nordrhein-Westfalen 353,6. Hamburg mit 510,9 und Bremen mit 535,4 führen diese Liste an. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 205,80! Erklärungsansätze bzw. Relativierungen hierzu sind eines eigenen Artikels wert.

Genug der Zahlen an dieser Stelle.

Es ist je nach eigenem Motiv oder nach eigener Nervenstärke spannend oder nervig, sich im Internet durch die Pressemitteilungen der Innenbehörden und Polizeien von 16 Bundesländern zu bewegen. 63KTTER Security Textteilbanner2015Die Formen der Darstellung sind weiterhin sehr unterschiedlich und ihr Studium für den interessierten Laien bestimmt kein komfortables Unterfangen. Die jüngst eingeführte Darstellung des BKA für die gesamte Republik in Form einer Excel-Tabelle setzt auch nicht unbedingt auf den „unvorbereiteten“ Leser. Der soll lieber bewegt werden, stattdessen die kürzeren Statements der politischen Mandatsträger zu suchen und ihnen zu folgen?

Und täglich grüßt das Murmeltier...

Aber halt, was ist eigentlich mit dem großen Projekt vom vergangenen Jahr geschehen, an materiellen Sicherungsmaßnahmen interessierten Wohnungs- bzw. Hausinhabern Finanzmittel der KfW zur Verfügung zu stellen und entsprechende Investitionen steuerlich begünstigend zu berücksichtigen? Suchen Sie dazu einmal in den jeweiligen Darstellungen der Kriminalitätslage Ausführungen, Ergebnisse, Zahlen...

Vielleicht hängt das damit zusammen, das dieses Institut des Anreizes wenig oder gar nicht Anwender-freundlich ist? Kann der einfache Mieter einer Großstadtwohnung überhaupt erfolgreich solche Mittel beantragen? Wir von Veko-online werden dazu einmal nachfragen. Schließlich gibt es ja das Pressegesetz und das Informationsfreiheitsgesetz!

Stattdessen finden Sie viele Hinweise auf die verschiedenen lobenswerten Präventionsbemühungen der Polizei.

Im Ergebnis kann oder muss man wie im vergangenen Jahr festhalten:

  • Die Fallzahlen haben weitgehend noch immer nicht die vor langer Zeit schon einmal registrierte Höhe erreicht, sind aber dennoch für die Menschen in keiner Weise akzeptabel.
  • Die Aufklärungsquote und somit die präventive Wirkung über Bestrafung erfolgreich überführter Täter sowie Abschreckung potenzieller weiterer Täter ist unzulänglich niedrig und inakzeptabel.
  • Die Polizeibehörden investieren unendlich viel Ideen, auch neue unkonventionelle Ideen, Aktivitäten und Fleiß in Aufklärung begangener und Verhinderung künftiger Taten. Unabhängig von der ewig aktuellen Frage, ob der Schwerpunkt eher bei der präventiv wirkenden Streifentätigkeit oder der ermittelnden kriminalistischen Arbeit liegen sollte, bleibt festzuhalten, dass wirkliche Erfolge im Sinne bemerkenswerter Änderungen ausbleiben. Ausbleiben müssen? An der Polizei bleibt es im schnellen und oberflächlichen Urteil oft genug ungerechtfertigt hängen.
  • Die Tatbegehungsmöglichkeiten sind oftmals zu einfach, Beweismöglichkeiten knapp, Täter vielfach in welcher Form auch immer organisiert und sehr mobil, Verfolgungsmöglichkeiten eingeschränkt und vieles mehr.
  • Die Menschen sind mehrheitlich sehr ängstlich, Opfer eines Einbruchs zu werden. Der Schaden steigt nicht nur im durchschnittlichen materiellen Bereich. Einer diesbezüglichen Untersuchung zufolge sind Opfer begangener Wohnungs- bzw. Wohnraum-Einbrüche teilweise erheblich traumatisiert. Bis zu 20% der Opfer ziehen binnen weniger Jahre genau deshalb aus betroffenen Wohnungen aus.
  • Gleichwohl geben die Menschen weiterhin mehr Geld für moderne Unterhaltungselektronik und andere Annehmlichkeiten als für die Sicherung des eigenen Wohnraums und somit ihrer und ihrer Familie Sicherheit aus. Scheinheiliges Rufen nach dem Staat oder berechtigter Anspruch, dass dieser mehr leisten müsse?
  • Also „Same procedure as every year“ aller Beteiligten, weil nur verlieren kann, wer wahrheitsgemäß auch ungeliebte Botschaften sendet, egal ob Opfer, Polizist oder Minister?

68 Dallmeier PromoApp 600x200Der Diebstahl in einem besonders schweren Fall, hier schlicht Wohnungseinbruch, ist ein insgesamt für den Rechtsfrieden bedeutsames Delikt. Opfer sind nicht nur die unmittelbar Betroffenen wie Wohnungsinhaber und Versicherungen im Regulierungsfall, sondern das Vertrauen in die Gewährleistung staatlicher Sicherheit genauso wie die Ehrlichkeit aller über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Einzelnen. Gehört nicht auch das zum Rechtsfrieden?

Aber halt, ein Lichtblick!

Innenminister Boris Pistorius aus Niedersachsen erwähnte in seiner diesjährigen Pressebotschaft, das man (wer?) versucht habe, eine Initiative zur Aufnahme einer gesetzlichen Pflicht zur materiellen Sicherung von Wohnraum voran zu bringen. Dazu haben wir von Veko-online schon vergangenes Jahr etwas gesagt. Der Bericht des Ministers schließt allerdings mit der kargen und zu knappen Aussage, dass die Bauminister den Vorschlag abgelehnt hätten.

Es sollte sich lohnen, die „Bauminister“ öffentlich nach ihren entsprechenden Erklärungen zu fragen. Vermutlich ist eine entsprechende Pflicht zur Sicherung von Wohnraum mit den Grundwerten unserer Freiheit im Gegensatz zu manch anderer gesetzlichen Pflicht (mir fallen hier viele ein) wohl nicht vereinbar…

Und täglich grüßt das Murmeltier?

Nächstes Jahr...

Über den Autor
Heinz-Werner Aping
Heinz-Werner Aping
Heinz-Werner Aping, Direktor beim Bundeskriminalamt a.D., Jahrgang 1953, war bis zu seiner Pensionierung Ende Mai 2014 fast vierzig Jahre im kriminalpolizeilichen Dienst in Land und Bund tätig. Von 1975 bis 1999 diente er bei der Berliner Polizei vom Kommissar bis zum Kriminaldirektor in vielen Feldern klassischer und schwerer Kriminalität und zuletzt fünf Jahre als Leiter des kriminalpolizeilichen Stabes des Polizeipräsidenten. Mit dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin wechselte Aping zum Bundeskriminalamt und verantwortete als Leitender Kriminaldirektor und Gruppenleiter in der Abteilung Sicherungsgruppe Grundsatz, Haushalt, Ausbildung, Lagebeurteilung, Staatsbesuche, Observation und Technikeinsatz des Personenschutzes für die Verfassungsorgane des Bundes und seiner ausländischen Gäste. Im Jahre 2001 wurde ihm die Leitung der gesamten Abteilung übertragen, die er bis zu seiner Pensionierung innehatte. Von 2001 bis zu seiner Pensionierung war Aping mit mehrmaliger Wiederwahl Chairman der Association of Personal Protection Services (APPS), des internationalen Netzwerkes von 50 staatlichen Personenschutzdienststellen von China bis zu den USA einschließlich Europol, Interpol, EU und UN mit Konferenzen weltweit. Heinz-Werner Aping ist als selbstständiger Berater tätig. Er ist Mitglied der Redaktion VeKo-online und zuständig für den Bereich Sicherheitspolitik.
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