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KTW- und RTW-Bereitstellungsraum bei einer MANV-Übung
© Foto: Philipp Lensing (Transferred from de.wikipedia), Wikimedia Commons | Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentation

Massenanfall von Verletzten

Von Volker Wilken

Der Massenanfall von Verletzten und Erkrankten (MANV) bezeichnet eine Situation, bei der eine große Zahl von Betroffenen versorgt werden muss, zum Beispiel bei Bahnunglücken, Bombenattentaten, großflächigen CRBN-Einsatzlagen, Pandemien / Seuchen oder Absturz von Luftfahrzeugen.

Dabei stößt der reguläre Rettungsdienst eines Rettungsdienstbereiches (Landkreis oder Kreisfrei Stadt) sehr schnell an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Typisch ist dabei die Überforderung der ersteintreffenden Rettungsmittel, die sich sowohl erheblichen medizinischen als auch organisatorischen Anforderungen gegenübersehen. Der erste Rettungsassistent oder Notfallsanitäter ist der Organisatorische Leiter Rettungsdienst als Platzhalter und der zuerst eintreffende Notarzt übernimmt dann die Aufgabe des Leitenden Notarztes als Platzhalter. (Beispiel: Hessenrecht)

Es wird dagegen nicht als MANV angesehen, wenn ein Spitzenbedarf auftritt, bei dem zufällig mehrere einzelne Notfälle zur gleichen Zeit versorgt werden müssen oder wenn für einzelne Notfälle Spezialmaterial (Schutzausrüstung, technische Hilfe) notwendig ist, dass ggf. auch aus weiterer Entfernung herangeführt werden muss.

Um nicht nur Verletzte, sondern auch Erkrankte oder „nur“ betreuungsbedürftige Betroffene mit zu erfassen, wird manchmal das Kürzel MANV mit Massenanfall an Versorgungs- und Hilfebedürftigen assoziiert oder es heißt auch MANI. Massenanfall von Infektionskranken.

Man musste ein System schaffen welches es möglich macht, mit eigenen und überregionalen Kräften zusammen einen MANV abarbeiten zu können. Kein Rettungsdienstbereich ist allein in der Lage mehr als 100 Patienten in kürzester Zeit zu versorgen und in die, der Verletzung entsprechender, geeignete Zielklink zu transportieren. Denn der parallel zu versorgende Tagesbedarf bleibt ja bestehen.

Das Grundkonzept der Überörtlichen Hilfe (Ü MANV) kommt aus Nordrhein Westfalen. Es wurde dann über Jahre modifiziert und für das Bundesland Hessen entsprechend auf die Bereiche der Landkreise oder Städte zugeschnitten und dann vom Land Hessen „erlassen“.

Die Veränderungen von alten Einsatzplänen für Großschadenslagen begann am Beispiel in Frankfurt am Main, zur Vorbereitung der Fußball WM 2006 bereits in 2005. Auch die anderen von der FIFA geplanten Austragungsstätten der WM Spiele, wie zum Beispiel Berlin oder München mussten sich schnellst möglich darauf vorbereiten, bei möglichen Anschlägen oder anderen Schadenslagen entsprechend der Stadiongröße Betroffene zu versorgen. Während der WM Spiel wurden in Frankfurt 48000 Zuschauer in das Stadion eingelassen. Es wurde vom Bund (FIFA im Hintergrund)festgelegt dass die Stadt Frankfurt bei einem Schadensfall in der Lage sein musste, sofort 1000 Menschen Notfallmäßig zu versorgen und auch in geeigneten Versorgungsstätten zu bringen.

Dazu musste man planen und auch mit anderen, zum Beispiel mit Katastrophenschutzeinheiten in der Vorbereitung eng zusammenarbeiten, da unser Hauptproblem selten ein Materialproblem ist, sondern oftmals ein Personalproblem.

Die für die Planung verantwortlichen in der Stadt Frankfurt (Feuerwehr /Polizei/HIORG/ÖGD) hatten die Gelegenheit im Oktober 2005 sich in Israel zeigen zu lassen, wie man es schafft in kürzester Zeit viel Menschen zu versorgen und zu transportieren.

Rettungsdienst und Feuerwehr im Einsatz
© Foto: Hendrike (Own work), Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-2.5
Ich war unter anderem für den Bereich PSNV (Psychosoziale Notfallversorgung) mit Verantwortlich und hatte auch die Gelegenheit mir in Israel vor Ort erklären zu lassen wie es sinnvoll ist PSNV für Große Schadenslagen zu planen. Wir konnten nicht alles von den Israelis in Frankfurt/Hessen übernehmen, doch hat es uns für viele Dinge die Augen geöffnet und bei der Planung sehr geholfen. Viele Dinge erkennt man heute im MANV Konzept des Landes Hessen wieder.

Niemand konnte uns im Übrigen sagen, weder der Bund noch die FIFA, was es heißt sich um 1000 Betroffene nach einem Ereignis zu „kümmern“. Wie viele Tote gibt es nach einem Anschlag, wie viele Schwerverletzte oder auch nur Leichtverletzte oder einfach nur Beteiligte die unter „Schock stehen“.

Da sich alle Spielstätten darüber Gedanken machen mussten hat die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland (AGBF Bund) sich drangesetzt und alle bekannten Anschläge, Großschadenslagen, Unfälle usw. in Deutschland und aus dem Europäischen Ausland beleuchtet. Dann wurde anhand einer Quersumme berechnet und festgelegt, wie viele Menschen jeweils sofort tot, Schwer- oder leichtverletzt oder auch nur betroffen waren. Aus dieser Festlegung wurde dann das jeweilige erforderliche Schutzkonzept für die Spielstätten organisiert.


Um dann noch ein schnelles abarbeiten zu ermöglichen wurde ein neues Sichtungsverfahren eingeführt. Man teilte die Personen in Schadenskategorien ein. Heute organisiert man das mit zum Beispiel Sichtungsbändchen. Rot heißt sofortiger Tarnsport in eine Klinik, Gelb heißt Schwerverletzt und noch keine Lebensgefahr und Grün bedeutet dieser Mensch muss „erst einmal“, nur betreut werden.

Hier sei nur kurz erwähnt, dass dazu bis zur heutigen Einführung, z.B. bei der BF Frankfurt, umfangreiche Studien und Aus - und Fortbildungen des Personals erforderlich waren und weiterhin durchgeführt werden.

Über den Autor
Volker Wilken
Volker Wilken
Volker Wilken ist Beamter im Gehobenen Feuerwehrtechnischen Dienst bei der Berufsfeuerwehr in Frankfurt am Main. Weitere Tätigkeiten:
  • Leitende Lehrkraft am Frankfurter Institut für Rettungsmedizin & Notfallversorgung
  • Stv. Schulleitung der staatlichen Rettungsdienstschule und der Desinfektorenschule
  • Dozent an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Ahrweiler
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