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Der Königs- oder Bengaltiger ist das „Nationaltier“ Bangladeschs.
© Foto: Ali Arsh (Flickr: Royal Bengal Tiger), Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-2.0

Terrorismusgefahr durch Al Qaida und den Islamischen Staat in Bangladesh

Von Pascal Michel

In Bangladesh kommt es seit vielen Jahren zu terroristischen Gewalttaten. Bei einer Anschlagsserie im Jahr 2005 detonierten nahezu zeitgleich landesweit über 500 kleinere Sprengsätze. Das Land erlebte gerade in den letzten 12 Monaten eine starke Zunahme an Terroranschlägen, insbesondere mit Bezügen zu international operierenden Terrorgruppen.

Während 2014 zwei Menschen bei Anschlägen islamistischer Terroristen starben, waren 2015 bereits 25 Todesopfer zu beklagen. Im September 2015 wurde erstmals gezielt ein Ausländer (siehe Infokasten) in Bangladesh durch den Islamischen Staat ermordet, fünf Tage später ein Japaner. Innenpolitische Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Oppositionsgruppen binden die Sicherheitskräfte und schaffen ein Vakuum, das internationale Terrorgruppen nutzen, um sich im Land festzusetzen. Die größte islamistische Partei, Bangladesh Jamaat-e-Islami (BJI), wurde 2014 von den Wahlen ausgeschlossen und als illegal erklärt, da sie gegen die säkulare Verfassung verstoße. Mitglieder und Sympathisanten dieser Organisation stellen eine wichtige Rekrutierungsbasis für den Islamischen Staat (IS) und Al Qaida im indischen Subkontinent (AQIS) dar. Eine weitere Triebfeder für islamistische Terroristen ist die aus ihrer Sicht zu große Nähe der Regierung zum Westen, die sich an UN-Militärmissionen in islamischen Ländern beteiligt und somit als verlängerter Arm der „Kreuzfahrer“ fungiere.

Aktive Terrorgruppen in Bangladesh

Mehrere islamistische Gruppen sind in Bangladesh aktiv. Durch den hohen Fahndungsdruck gab es in letzter Zeit jedoch kaum noch Aktionen der Terrorgruppen Harakat ul-Jihad-i-Islami/Bangladesh (HUJI-B) und Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB). Ansar al-Islam ist als Nachfolger des weitestgehend zerschlagenen Ansarullah Bangla Team (ABT) weiterhin aktiv. Noch vor dem islamischen Staat entschied sich Al Qaida für Bangladesh als Operationsbasis in der Region und gründete den Al Qaida Ableger AQIS. Drei Ländern hat die Terrorgruppe besonders im Fokus: Bangladesh, Indien und Myanmar. IS zog erst ein Jahr später nach. Der Islamische Staat bekannte sich mit der Ermordung des Italieners Cesare Tavella (siehe Infokasten) am 28. September 2015 erstmals zu einem Terroranschlag in Bangladesh und übernahm seitdem die Verantwortung für 15 Anschläge.

Anschlagsziele in Bangladesh

Ansar Al-Islam, eine AQIS-nahe Gruppe, benennt in einem schriftlichen Statement sieben Personengruppen, gegen die Anschläge verübt werden sollen. Darunter sind Personen, die den Propheten Mohammed oder die Religion des Islams beleidigen, islamische Werte zerstören und Unmoral und Ehebruch verbreiten und diejenigen, die versuchen, die Sharia aus dem bestehenden islamischen 84 WIS 600x400System zu entfernen. Die Anschläge der vergangenen zwei Jahre richteten sich in erster Line gegen die Sicherheitskräfte, staatliche Institutionen, zum Christentum konvertierte Moslems, Hindus und Schiiten. Aber auch Personen, die sich kritisch gegenüber Islamisten äußern und die Säkularisierung der Gesellschaft vorantreiben, sowie Ausländer, die im Land leben, stehen im Fokus der Terroristen. Sheikh Abu Ibrahim al-Hanif, der Operationsleiter von IS in Bangladesh, betonte in der Aprilausgabe des IS Magazins Dabiq erneut, dass auch Ausländer zu den Anschlagszielen gehören.

 

Operative Fähigkeiten und Taktiken

Die bisherigen Anschläge wurden mit Messern, Macheten, Schusswaffen und Sprengsätzen geringer Wirkung ausgeführt. Der Mordanschlag auf den Italiener Cesare Tavella deutet aber auf ein hohes Niveau bezüglich der Tatplanung und -vorbereitung hin. Da lokale Gruppen noch nicht über die Expertise für den Bau wirksamer IEDs (Improvised Explosive Devices) zu verfügen scheinen, könnten AQIS und IS versuchen, durch logistische Unterstützung lokale Gruppen an sich zu binden und zu beeinflussen. Dies hat der IS bereits erfolgreich in Westafrika und Asien praktiziert. Sowohl IS als auch AQIS haben öffentlich bekannt, Bangladesh als Operationsbasis für Anschläge in Indien und Myanmar zu nutzen und die Region zu destabilisieren. Bei Verhaftungen und Durchsuchungen fanden die Sicherheitsbehörden nicht nur erhebliche Mengen an Munition und Sprengstoff, sondern auch Armeeuniformen und ein Scharfschützengewehr. Eine weitere Taktik besteht in der Einschüchterung von Kritikern, um den Boden für islamistisches Gedankengut zu bereiten.

Ausblick

Die Sicherheitslage bleibt in Bangladesh vor allem im Hinblick auf Terroranschläge angespannt. Weitere Anschläge gelten als sicher. Alleine der Konkurrenzkampf von Al Qaida im indischen Subkontinent (AQIS) und dem Islamischen Staat (IS) um die Gunst lokaler Islamisten und Gruppierungen wird zu weiteren Anschlägen führen. IS und AQIS werden versuchen, durch spektakuläre Anschläge auf sich aufmerksam zu machen und so für potenzielle Mitglieder der attraktivere Partner zu sein. Heimkehrende IS-Kämpfer werden ihr Know-how hinsichtlich Bombenbau und Anschlagsplanungen an Terroristen in Bangladesh weitergeben. Derzeit kämpfen etwa 30 Terroristen aus Bangladesh in Syrien und dem Irak. Mit spektakulären Anschlagsversuchen, wie diesen Januar in der indonesischen Hauptstadt, als IS-Terroristen mehrere Sprengsätze zündeten und mit Schusswaffen das Feuer eröffneten, ist zukünftig auch in Bangladesh zu rechnen. Sollten islamistische Terrorgruppen die Wirtschaft von Bangladesh - und somit auch den Westen - stärker treffen wollen, so sind Anschläge gegen die Textilindustrie wahrscheinlich. Denn 80% der Exporteinnahmen Bangladeshs stammen aus internationalen Textilverkäufen.

Empfehlungen für Unternehmen und NGOs im Hinblick auf die Terrorgefahr

  • Veröffentlichen Sie keine islamkritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken und unterlassen Sie auch in Gesprächen mit unbekannten Personen solche Kommentare.
  • Vermeiden Sie tägliche Routinemuster (zum Beispiel Joggen zur gleichen Tageszeit entlang der gleichen Strecke).
  • Meiden Sie potenzielle Anschlagsziele wie hinduistische Stätten, schiitische Moscheen und Regierungseinrichtungen.
  • Registrieren Sie sich bei Ihrer Botschaft und beachten Sie deren Sicherheitshinweise.
  • Seien Sie aufmerksam, sobald Sie sich in der Öffentlichkeit bewegen und halten Sie Abstand zu Menschenmengen, insbesondere wenn es sich um solche Menschenansammlungen handelt, die zu den potenziellen Anschlagszielen der Terroristen gehören.
  • Business Continuity Pläne sollten einer Lageverschlechterung Rechnung tragen.
  • Bestehende Sicherheitsmaßnahmen bei Niederlassungen und Wohnhäusern sind zu überprüfen.
Ermordung des italienischen Staatsbürgers Cesare Tavella  
Vermutlich wurde dem Italiener Cesare Tavella, 51 Jahre, Mitarbeiter einer NGO, seine tägliche Routine zur Todesfalle. Am 28. September 2015 ging er, wie an jedem Abend, nach der Arbeit in Richtung der Internationalen Schule in Dhaka spazieren. Die Täter müssen ihn über längere Zeit beobachtet haben, um diese Routine im Tagesablauf festzustellen. Mit mehreren Schüssen aus einer schallgedämpften Pistole wurde er erschossen. Eine Flucht- oder Deckungsmöglichkeit gab es für Tavella am Tatort nicht – hinter ihm befand sich eine Mauer. Vieles spricht für eine hohe Professionalität der Täter. Obwohl die Gegend viele Überwachungskameras hat, suchten die Täter einen Tatort ohne Kameraabdeckung aus. Den Fluchtweg, den sie nach der Tat mit ihrem Motorrad wählten, kreuzte keine der Überwachungskameras. Sie mussten auch ihre Mobiltelefone ausgeschaltet haben, denn die Handys, die zu dem Zeitpunkt in der Funkzelle aktiv waren, konnten Anwohnern zugeordnet werden. Die Straßenbeleuchtung in dem Bereich funktionierte nicht. Nach Zeugenaussagen waren zwei oder drei Täter am Anschlag beteiligt. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag im stark abgesicherten Diplomatenviertel der Hauptstadt.
Über den Autor
Pascal Michel
Pascal Michel
Pascal Michel ist Geschäftsführer der auf Risiko- und Krisenmanagement spezialisierten SmartRiskSolutions GmbH. Er ist ehemaliger Angehöriger einer bundesdeutschen Sicherheitsbehörde. Seine Erfahrung in der Krisenreaktion umfasst u. a. Entführungsfälle und Evakuierungen aus Krisengebieten. Kontakt unter: www.smartrisksolutions.de
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