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Schneller Schnitt – großer Schaden

Transporte(r) auf Abwegen

Von Klaus Henning Glitza

Es gibt ein oft verkanntes Sicherheitsproblem in Deutschland, das seinesgleichen sucht: Durchschnittlich alle zehn Minuten geht nach Einschätzungen eines Experten irgendwo in Deutschland durch Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung Fracht verloren. Der geschätzte jährliche Schaden allein für die deutsche Transportwirtschaft beträgt laut Verband Spedition und Logistik Nordrhein-Westfalen 1,5 Milliarden Euro.

 

Wie sicher sind Lastkraftwagen und deren Ladung auf deutschen Fernstraßen und Parkplätzen wirklich?

Wer Frachtführern und Logistikunternehmen diese Frage stellt, wird kaum erbauliche Antworten erhalten, denn die Macht des Faktischen lässt denkbar wenig Optimismus zu. Deutschland ist das mit Abstand attraktivste Zielgebiet von Kriminellen, die es auf Ladung, Fahrzeuge oder beides abgesehen haben. Nirgendwo auf der Welt gibt es ein so dichtes Autobahnnetz, nirgendwo fließt mehr Last- und Individualverkehr. Rund 1,3 Millionen Lkw rollen täglich über die deutschen Fernstraßen - ein Drittel davon stammt aus dem Ausland. Deutschland ist eines der wichtigsten Transitländer Europas und ist zudem für Im- und Export hochwertiger Waren bekannt. Genau das macht unser Land so attraktiv für die kräftig boomende Transportkriminalität.

Bereits jeder zweite Transportunternehmer ist schon einmal zum Opfer von Ladungsdieben geworden, wie Stefan Siuda, Absolvent der Hochschule Bremerhaven, in seiner Masterarbeit deutlich macht. Schon gelten Lastkraftwagen in einschlägigen Kreisen als „rollende Supermärkte“, die 24 Stunden erreichbar sind.

Die Tatgelegenheit kann kaum günstiger sein: Tag für Tag werden Milliardenwerte über deutsche und europäische Fernstraßen transportiert. Und das in geradezu einladender Form, denn gegen Diebstahl gesichert sind die Ladungen kaum. Selbst teuerste Frachtgüter werden auf Trailern transportiert, die lediglich durch Planen „geschützt“ sind. „Das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen“, so ein Insider. Außerdem erfordert das Handling der Fracht mehrere Stopps, die jeweils Risiken mit sich bringen.

Eine solche Ausgangslage lockt sehr spezielle Vereinigungen an wie das Licht die Motten. Wie überall, wo hohe Gewinne einem relativ geringen Risiko und Aufwand gegenüberstehen, hat die Organisierte Kriminalität (OK) auch in diesem Kriminalitätsfeld das Zepter fest in der Hand. Bereits seit 2002 haben international agierende Täterstrukturen Ladungs-, Lkw- und Lager-Diebstahl als höchst profitablen  Geschäftszweig entdeckt.

Längst hat sich in den einschlägigen Kreisen aller Herren Länder herumgesprochen, dass sich in einem Lastkraftwagen durchaus höhere Werte befinden können als in einem massiv gepanzerten Geldtransporter. So wurde unlängst ein Sattelauflieger, der unter anderem fabrikneue Smartphones mit einem Marktwert von 1,5 Millionen Euro geladen hatte, leergeräumt. Wäre dieses Fahrzeug ganz und gar mit Smartphones beladen gewesen, hätte der Schaden sogar 20 Millionen Euro betragen.

 

Hohe Beutesummen, geringes Entdeckungsrisiko

Die Aufklärungsquote bei Frachtdiebstählen liegt in Deutschland deutlich unter zehn Prozent. Zudem verfügen die OK-Strukturen in ihren Ursprungsländern ganz offensichtlich über Verbindungen zu korrupten Polizei- und Ministerialbeamten. Mitunter verhindert aber auch ein Zuständigkeitswirrwarr die strafprozessualen Maßnahmen.

Ein beispielhafter Fall, der sich unlängst in Ungarn abspielte, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Der Diesen im Raum Berlin gestohlenen Lastzug steckten die Täter in Brand. (© Agentur Klarpunkt)Hintermann einer von Kriminellen okkupierten Transportfirma konnte von der Polizei angeblich nicht ermittelt werden, obwohl sein Handy geortet wurde und weitere Hinweise vorlagen. Der bei der Ortung ermittelte Wohnsitz des Gangsterbosses in einem zehnstöckigen Hochhaus wurde erst gar nicht durchsucht. Wie man hört, war die Staatsanwaltschaft nicht bereit, einen Durchsuchungsbefehl auszustellen.

Die Frage steht im Raum, ob sich die Behörden solche „Patzer“ angesichts der gigantischen Schadenssummen wirklich leisten können. Nach seriösen Schätzungen werden europaweit jährlich etwa 200.000 Diebstähle von Ladungen oder kompletten Lkw gemeldet. Laut einer mehr als hundertseitigen Studie des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments werden dabei Güter im Wert von 8,2 Milliarden Euro gestohlen. Diese gewaltige Summe markiert indessen noch lange nicht den tatsächlichen Gesamtschaden. So bleiben die Kollateralschäden der Transportwirtschaft wie erforderliche Reparaturen, längerfristige Fahrzeugausfälle, erneute Lieferungen beziehungsweise Auftragsstornierungen und gestiegene Versicherungsprämien unberücksichtigt. Auch die volkswirtschaftlichen Folgekosten, beispielsweise Verzögerung oder Ausfall der Produktion durch ausbleibende Warenlieferungen, sind nicht einbezogen. Hinzu kommt der immaterielle Imageschaden bei den Kunden, denn die bestellten Waren können ja nicht „just in time“ ausgeliefert werden. Experten gehen von einer Gesamtschadenssumme in Europa von 10 bis 15 Milliarden Euro aus. Ein Riesenschaden, der immer auch gegen die soziale Gemeinschaft gerichtet ist.

 

Deutschland ist in der Schadensbilanz überdurchschnittlich hoch vertreten.

Wie das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in einer 2013 vorgelegten Untersuchung konstatiert, werden von hiesigen Unternehmen jährlich schätzungsweise 6.000 Ladungsdiebstähle gemeldet. Im Jahr 2013 wurden laut BAG 1.708 Lastkraftwagen komplett gestohlen, viele mitsamt Ladung. Auf einem mindestens „mittleren vierstelligen Niveau“ bewegten sich die Fälle von Kraftstoffdiebstählen. 39 Prozent aller Vorfälle ereigneten sich auf Raststätten und Autohöfen, 35 Prozent auf den Betriebsgeländen der Geschädigten, so das BAG.

Doch trotz der mehr als alarmierenden Fallzahlen ist Transportkriminalität in der öffentlichen Wahrnehmung ein weitestgehend unbekanntes Phänomen. Abgesehen von wenigen verdienstvollen Ausnahmen und Einzelmeldungen spielt dieses Deliktfeld in den Publikumsmedien praktisch keine Rolle. Die Politik nimmt das bedrohliche Kriminalitätsfeld zwar mehr oder minder deutlich wahr, erkennt aber bislang keinen Handlungsbedarf. „Es gibt ein Grundrauschen – mehr nicht“, sagt ein Insider.

Dabei sind die Schäden der Transportkriminalität keineswegs ausschließlich ein Verlustgeschäft, das Auftragsgeber, Speditionen und Versicherungen unter sich ausmachen. Bereits in einer Expertise des FBI vom September 2003 ist von einem Preisaufschlag von zehn Prozent für IT-Produkte die Rede, mit dem „losses in supply chain“, Warenschwund im Bereich der Lieferkette, ausgeglichen werden sollen.

Die Fallzahlen des Vorjahres sprechen für sich. Deutschland ist mit 285 gemeldeten Ladungsdiebstählen Spitzenreiter in Europa. Großbritannien (175 Fälle) und die Niederlande (258 Fälle), die beide als Eldorado der Transportkriminalität gelten, werden dabei deutlich überflügelt. „Der Logistikstandort Deutschland steht im Fokus krimineller Tätergruppen“, so formuliert es Frank John, Schadensermittler der DESA Investigation Risk Protection Frank Federau, EKHK, Landeskriminalamt Niedersachsen Berlin, der im Auftrage von Versicherungsgesellschaften sowie nationalen und internationalen Kunden Schadensfälle im Transport- und Lagerbereich untersucht. Ladungsdiebstahl und gegen Spediteure gerichtete Betrugshandlungen gelten als schneller Weg zum Geldverdienen.

Die einfachste und deshalb vielleicht auch häufigste Art des kriminellen Angriffs auf Lastkraftwagen ist das sogenannte Planenschlitzen. „Als Transitland steht Deutschland im ganz besonderen Fokus von darauf spezialisierten Banden“, sagt Erster Kriminalhauptkommissar Frank Federau vom Landeskriminalamt Niedersachsen. Typische Tatorte sind die Rastplätze an den Bundesautobahnen; aber auch auf Autohöfen hat es schon Vorfälle gegeben. Bevorzugte Tatzeiten sind die Wochentage.

 

Die Begehungsweisen ähneln sich.

Bevor die Täter aktiv werden, kundschaften sie über einen längeren Zeitraum den Rastplatz und ihre Opfer in spe aus. Mitunter werden die „Kapitäne der Landstraße“ auch in Abschöpfgespräche verwickelt. Was hast Du geladen, wo geht es hin? So können Hinweise auf werthaltige Ladungen gewonnen werden. Wird es dunkel, gehen die oft als Lkw-Fahrer getarnten Kriminellen von Lkw zu Lkw. Sie tasten zunächst die Planen ab und stellen dadurch fest, ob sich überhaupt Ladung auf dem Lastkraftwagen oder Auflieger befindet. Ist dies der Fall, schlitzen sie mit einem Messer etwa 20 Zentimeter der Plane sichel- oder rechteckförmig auf. Der sogenannte Kontrollschnitt ist gerade so groß, dass die „Lkw-Marder“ die Plane umklappen und einen Blick ins Innere werfen können.

Erspähen sie Lohnenswertes, rufen sie meist per Mobiltelefon Komplizen herbei, die irgendwo in der Nähe in einem Transportfahrzeug auf ihren Einsatz warten. Dann wird die Plane größer (circa 1 x 1 Meter) aufgeschlitzt und das begehrte Gut umgeladen. Ganz ruhig, leise und höchst professionell gehen die Täter dabei vor, sodass Unbefangene glauben, es handele sich um einen ganz normalen Vorgang. Manch einer, dem die Angelegenheit trotzdem merkwürdig vorkommt, blickt weg – eine heutzutage alles andere als untypische Handlungsweise.

Die Geräusche, die das Umladen verursacht, sind das geringste Problem der Täter. Die Lkw-Parkplätze der Raststätten sind zumeist in unmittelbarer Nähe der lärmintensiven Autobahn angeordnet. Je nach Verkehrsbelastung herrschen deutlich erhöhte Phonpegel, in denen die betont leisen Aktivitäten schlicht und einfach untergehen. Visuell bemerken die anderen Lkw-Fahrer von den kriminellen Handlungen meist nichts, da nach Anbruch der Dunkelheit die Vorhänge der Fahrerkabinen zugezogen sind.

Die Täter sind absolute Profis. War das Planenschlitzen früher noch ein „Betätigungsfeld“ für Einzeltäter oder eher lockere kriminelle Zusammenschlüsse, kontrollieren seit gut zwölf Jahren straff organisierte Täter dieses Schadensermittler und Sachverständiger Klaus Dieter Baier (© Privat)Kriminalitätsfeld. Von der unmittelbaren Tatbegehung bis hin zur Zwischenlagerung und schließlich bei der Verwertung des Diebesguts liegt alles quasi in einer Hand. Die gestohlenen Frachtgüter werden nicht nur europäischen Absatzmärkten zugeführt, wie der Schadensermittler und Sachverständige Klaus Dieter Baier (DESA Investigation Risk Protection) erläutert. Die gestohlenen Frachtgüter werden nach seinen Angaben bis nach Nordafrika, den Nahen Osten oder den Kaukasus transportiert. Dort herrsche permanent Bedarf an Metallen, Baumaschinen, Konsumgütern, Lebensmitteln und vielen anderen verkaufsfähigen Waren.

Wie die BAG 2013 analysierte, sind die perfekt organisierten und hochflexibel agierenden Täter „fast ausschließlich männlich“ und stammten „überdurchschnittlich oft aus osteuropäischen Ländern“. „Einfach, aber brutal und sehr gut organisiert", so beschreibt Thorsten Neumann, Chairman der Transported Asset Protection Association (Tapa), den Tätertypus.

Der Zustand eines Aufliegers nachdem Kriminelle die Plane aufgeschlitzt und einen großen Teil der Ladung entwendet haben (© Kreispolizeibehörde Soest)Für die betroffenen Lkw-Fahrer ist die Begegnung mit den Kriminellen keinesfalls ohne Risiken. Obwohl laut Statistik das Risiko, körperlich angegriffen zu werden, in Deutschland bei einem Prozent liegen soll, legen Umfrageergebnisse der International Road Transport Union offen, dass jeder fünfte Fahrer tätlich angegriffen wurde. In einem Drittel der Vorfälle war nicht die Ladung das Ziel der Kriminellen, sondern der Fahrer selbst. Bargeld, Kreditkarten, die hochbeliebte Tankkarte. Selbst Kleidung und mitgeführte Gegenstände lohnen aus der Sicht der Täter einen Überfall.

 

Der Wert der Ladung ist nicht allein ausschlaggebend für die Tat.

Den Tätern geht es aber nicht nur um den Wert der Lkw-Ladungen, sondern auch um die schnelle Absetzbarkeit der entwendeten Ware. So wurde unlängst in Nordrhein-Westfalen ein Lkw mit 33 Europaletten Nutella auf einem Parkplatz komplett leergeräumt. Drogerieartikel und Spielzeuge stehen gleichfalls ganz oben auf der Wunschliste der Kriminellen. Mit einem Anteil von etwa zwei Prozent gehören Zigaretten eher zu den Außenseitern des Diebstahlsgeschehens.

Jochen Boettge, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht sowie Versicherungsrecht in der Münchener Kanzlei BLD Bach Langheid Dallmayr geht sogar davon aus, dass der Diebstahl von weniger hochpreisigen Frachtgütern eine neue Masche ist. Nach seinen Worten wurde unlängst eine Ladung mit 25 Tonnen Zahnpasta entwendet. Auch eine komplette Lkw-Ladung Dachziegel ging den gleichen Weg. Solche Waren haben für die Täter einen unschätzbaren Vorteil: Im Gegensatz zu Elektronikartikeln lässt sich die Herkunft nicht nachweisen. Das Entdeckungsrisiko bei der Vermarkung werde dadurch entscheidend minimiert, so Boettge, der auch Lehrbeauftragter für die Fachanwaltsausbildung an der Universität Hagen ist.

 

Ladungsbetrug und Unterschlagung sind häufig

Ein weiteres Betätigungsfeld der Kriminellen sind Lkw-Ladungsbetrug und Unterschlagung. Solche Fälle von Ein typischer Kontrollschnitt der Planenschlitzer. (© Agentur Klarpunkt)bandenmäßigem Betrug „ereignen sich in Deutschland viel häufiger als öffentlich bekannt“, stellt Stefan Siuda in seiner bereits genannten Masterarbeit „Ladungsbetrug und Unterschlagung beim Verkehrsträger Straße“ fest. Der Absolvent des Masterstudiengangs Safety and Security Management an der Hochschule Bremerhaven kommt zu dem Schluss, dass „rund 70 Prozent der betroffenen Unternehmen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Täuschungsdelikten und der Nutzung von Internet-Frachtbörsen angeben“.

Die elektronischen Frachtbörsen sind eine Art internationales Bindeglied zwischen Anbietern und Auftragnehmern von Frachtaufträgen. Ein grundsätzlich nützlicher Online-Marktplatz für Frachtaufträge, der aber längst von Kriminellen infiltriert ist.

Der Schadensermittler und Sachverständige Frank John erläutert gegenüber Veko-online einen typischen Fall für die Nutzung einer Frachtbörse: „Heute ist es eine übliche Situation, dass ein Fleischhändler aus Dänemark einen deutschen Spediteur in Hamburg beauftragt, eine Ladung mit Schweinefleisch mit einem Wert von rund. 80.000 Euro von Spanien nach Rumänien zu transportieren. Der Erstspediteur inseriert den Transport in einer der zahlreichen elektronischen Frachtbörsen. Es meldet sich ein vermeintlich ungarischer Frachtführer auf das Frachtangebot und übermittelt alle erforderlichen Basisdokumente, wie Versicherungsbestätigungen und Lizenzen an den potentiellen Auftraggeber. Die Ladung wird an den Bewerber vergeben, aber niemals am Bestimmungsort entladen.“

Der Trick der Kriminellen besteht darin, dass sie überwiegend im östlichen Ausland Scheinfirmen gründen, die kaum aus mehr als einem Briefkasten, einem Handy und einem Briefkopf bestehen. Diese gefakten Unternehmen klinken sich in die Frachtbörsen ein und locken mit Dumpingpreisen. Nicht wenige Spediteure oder industrielle Auftraggeber freuen sich ungemein über das Schnäppchenangebot und erteilen den Billigheimern den Zuschlag.

Die Gangster wählen dann eine der drei Möglichkeiten, das Frachtgut abzuholen. Entweder sie schicken einen Frachtaufträge die bei der Camouflage-Spedition Trinidad sichergestellt werden konnten. (© Agentur Klarpunkt)eigenen Lkw, der häufig mit falschen Kennzeichen und Papieren ausgestattet ist. Oder sie setzen andere Frachtführer als Subunternehmer ein. Neben dem Mitwisser, der für den Transport nach zuverlässigen Informationen mit 50 Prozent des Warenwerts entschädigt wird, gibt es folglich den unwissenden Typ, dem die Ungesetzlichkeit der Handlung gar nicht bewusst ist. Damit die Ladung dennoch an die aus Tätersicht „richtige Adresse“ kommt, werden die nicht kriminellen Unterfrachtführer während der Fahrt per Handy angefunkt und an einen anderen Ort umdirigiert. Zuweilen wird auch eine Show inszeniert: Männer in Arbeitskluft fangen den relevanten Lkw vor dem Abladepunkt ab und begründen mit einer Story (beispielsweise Lager überfüllt) die Umleitung des Transports. Alternative: Es steht bereits ein Lkw bereit, auf den die Frachtgüter umgeladen werden – und der Unterfrachtführer hilft nach Kräften mit.

So genannte Fake-Carrier geben nicht nur Adressen im östlichen Ausland an, wie das beispielsweise bei der Betta Kft. (Ungarn). Billi 2001 (Bulgarien), Esperto BR z.o.o (Polen), Blitztrans S.r.l. (Rumänien), EURO-Max Trans S.r.l. (Slowakien) oder HR Fast s.r.o. (Tschechien) der Fall war. Bekannt geworden sind auch Scheinfirmen in Österreich (Auto-Industries Kfz), in den Niederlanden (DONALD Spedition BV), in Großbritannien (DIMEX 11 Ltd.), in Italien (BF Transporti SRZ) oder Spanien (Transfrio Pazas). Selbst in Deutschland hat es bereits solche Pseudounternehmen gegeben wie die Zalokar Transport, Jasmin Hamzabegovich. KNS Transport oder G + M Transport Logistic.

Dieser Trick ist jedoch, sofern man sich die Mühe macht, relativ leicht zu enttarnen. Die Scheinfirmen nutzen meistens Prepaidhandys statt Festnetztelefonen, haben Freemail-Adressen (hotmail.com, gmail.com), verschicken Faxe mit stark abweichenden Absenderrufnummern (meist von Postämtern oder Tankstellen) und geben mitunter Der gefälschte Stempel der Betrugs-Spedition Trinidad. (© Polizei Slowenien)Adressen an, die sich kaum als Standort einer Spedition eignen.

Ganz anders sieht es dagegen mit einer weiteren Variante aus, bei der die Ganoven unter den Deckmantel einer bestehenden Firma schlüpfen. Kontakt zu den Opfern wird mit dem original wirkenden Briefbogen der betreffenden Firma hergestellt, wobei aber die tatsächliche Rufnummer durch eine Handynummer ersetzt wird. Zur Vertrauensbildung werden auf Anforderung Handelsregisterauszüge, Versicherungsverträge, Güterverkehrslizenzen etc. übersandt – selbstredend allesamt gefälscht oder gegen „Einwurf“ kleiner oder großer Münzen illegal beschafft. Statt eines Mitarbeiters der tatsächlichen Firma taucht dann ein „Phantom-Frachtführer“ beim Kunden auf, mit „kunstvoll nachempfundenen“ oder auf krummen Wegen beschafften Papieren, versteht sich. Falsifikate aller Art sind auf osteuropäischen Schwarzmärkten für relativ billiges Geld, etwa 1.500 Euro, zu haben.

Noch perfekter ist die Täuschung, wenn die Kriminellen, oft unter Vorschicken von Strohleuten, eine bestehende Firma übernehmen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Unternehmen mit einer wirtschaftlichen Schieflage, die aber in den Frachtbörsen gut bewertet sind. Manchmal werden auch nur Geschäftsanteile übernommen und die anderen Gesellschafter dann nach bekannter Mafiamanier aus der Firma gedrängt. Geschäftsziel ist die betrügerische Ladungsentwendung, wie es im Fachjargon heißt.

 

Nachschub an Firmenmänteln gibt es genug.

Jüngst ist eine ganze Reihe von slowenischen Firmen zum Verkauf angeboten worden- eine Spätfolge der Finanz- und Wirtschaftskrise. In Tschechien und der Slowakei spielen den kriminellen Banden Besonderheiten des nationalen Rechts in die Hände, wie Hanna Volfova von der Sicherheitsabteilung der seriösen tschechischen Ein deutscher Schadensermittler entdeckte diesen eigenwilligen „Firmensitz“ des Betrugsunternehmens TRINIDAD d.o.o. Ein Beleg dafür, dass sich Hingucken lohnt, bevor man einen unbekannter Spediteur beauftragt. (© Ralf Uwe Lange)Frachtbörse Raaltrans a.s berichtet. In diesen Ländern lässt es die Gesetzeslage zu, dass selbst Kapitalgesellschaften nicht im Handelsregister eingetragen sind. Die Kontrollmöglichkeiten sind somit begrenzt.

Die Camouflage-Firmen haben Namen wie Trinidad d.o.o. (Slowenien), Transped (Serbien), Nikacevic (Bosnien-Herzegowina) oder KA-Spedition (Ungarn). Allein diesen vier Firmen werden betrügerische Ladungsentwendungen in 53 Fällen angelastet. Alarmierend: Auch in Deutschland sind bereits zwei solcher Firmen festgestellt worden. Ein Insider berichtet, dass eine bosnische Struktur gezielt den Kauf von kleinen Speditionen im Raum Hamburg und Dresden plante. Aus Unterlagen eines osteuropäischen Ganoven wurde bekannt, dass dieser in der finalen Phase seiner Camouflage-Firma 20 bis 30 betrügerische Ladungsentwendungen plante. Danach wollte er sich mit einem stattlichen „Millionenpolster“ absetzen.

 

Zunehmender Diebstahl kompletter Fahrzeuge

Die Entwendung abgestellter Zugmaschinen und Auflieger in Werkstätten, aus Gewerbegebieten und bei Das ist Sudko KAHRIC, der Strohmann der Betrugs-Spedition TRANSPED. Der Bosnier beziehungsweise seine Hintermänner gingen besonders raffiniert vor. KAHRIC kaufte für billig Geld den Mantel des Unternehmens TRANSPED. (© Polizei Bosnien-Herzegowina)Vermietern der Fahrzeugtechnik hat seit 2012 enorm zugenommen. Regionale Schwerpunkte sind Nordbayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Nach derzeitigen Erkenntnissen konzentrieren sich zunehmend internationale Tätergruppen auf diese Option der Beschaffung von Fahrzeugen. „Bei zahlreichen Schäden wurden relativ neue Mercedes-Actros-Zugmaschinen vermutlich gezielt entwendet“, erläutert Ermittler Baier.

Auch Baumaschinen stehen seit den 1990er Jahren auf der Top-Liste der Täter. Frank John gibt Aufschluss über dieses Deliktfeld: „Augenscheinlich wird die komplette Baustellenlogistik über diverse Einzelstraftaten beschafft, stehen seit den 90iger Jahre auf der Top-Liste der Täter. In Niedersachsen wurden Ende des letzten Jahres diverse Diebstähle von Betonmischern und anderen Maschinen festgestellt, bei denen konkrete Spuren in Richtung Baltikum deuteten. Das Entdeckungsrisiko ist für die Täter sehr gering, die Baumaschinen stehen über Nacht und an den Wochenenden auf nahezu ungesicherten Baustellen und können mit entsprechendem Grundequipment manipuliert und abtransportiert werden.“

Nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für die Versicherer wird die erhöhte Kriminalitätsbelastung der Transportwirtschaft zum ernsthaften Problem. Roland B. Wörner, Global Head of Counter Fraud GI Claims der ZURICH Insurance Company Ltd. (Zürich) zeigte bei der jüngsten DIIR-Anti-Fraud-Management-Tagung eindrucksvoll auf, um welche Summen es geht. Auf vier bis acht Milliarden Euro wird der Gesamtschaden durch kriminelle Delikte in Deutschland geschätzt. Diese Summe berücksichtigt die Transportkriminalität, aber auch sämtliche anderen Deliktfelder.

Zweifellos: Es gibt dringenden Handlungsbedarf auf nationaler und europäischer Ebene. Ein Teilnehmer der vom Deutschen Institut für Interne Revision (DIIR) und dem ASW Bundesverband - Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft gemeinsam initiierten Tagung merkte an: „Der Bundespräsident forderte im Jahr 2013, dass Europa eine ‚weitere Vereinheitlichung‘ bei der Finanz-, Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik sowie ‚gemeinsame Konzepte‘ bei den Themen Umwelt, Einwanderung und Demografie brauche. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt.“.

Dem wäre nichts hinzuzufügen.