Einsatz künstlicher DNA in Bremen
Prävention durch Abschreckung
Von Jörg Reimann, Präventionszentrum Polizei Bremen
Im Bundesland Bremen waren in den vergangenen Jahren die Zahlen im Bereich der Eigentumsdelikte, insbesondere in dem Bereich der Wohnungseinbruchsdiebstähle, gleichbleibend hoch. Diesem Problem versucht die Polizei Bremen seit 2009 u. a. mit dem Einsatz der sogenannten künstlichen DNA entgegenzutreten.
Die zunächst als Pilotprojekt angelegte Strategie wurde nach der Projektphase Ende 2012 in die Alltagsorganisation überführt und von dem Präventionszentrum der Polizei Bremen weiterverfolgt. Dabei war klar, dass diese junge Strategie dynamischen Prozessen unterliegt und auch in Zukunft einer stetigen Weiterentwicklung bedarf.
Was ist „Künstliche DNA“?
Künstliche DNA (KDNA) ist bezeichnet für synthetisch hergestellte Oligonukleotide, die – auch mit weiteren Zusatzstoffen – präventiv in der Kriminalitätsbekämpfung verwendet werden. Dabei ist die Einzigartigkeit jeder Charge sichergestellt und der Anwender kann zurückverfolgt werden. Zusatzstoffe lassen die Substanz mittels UV-Licht sichtbar werden. Ebenso ist ein Zufügen von Mikropunkten mit eindeutigem Code möglich, welche unter dem Mikroskop erkennbar und lesbar sind. [1]
Letztlich handelt es sich bei dem Begriff um eine Markenbezeichnung. Dabei soll der Öffentlichkeit signalisiert werden, dass die zum Einsatz kommenden Produkte einzigartig sind und ihren Besitzer erkennen lassen.
Strategie
In Bremen wird KDNA als ein präventiv wirkendes Einsatzmittel insbesondere zur Bekämpfung von Einbruchsdiebstählen in Wohn- und Gewerbeobjekte eingesetzt.
Die Strategie beruht auf die Idee, dass Straftäter immer auch eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ durchführen. Sie bewerten ihr persönliches Entdeckungsrisiko und stellen dieses in ein Verhältnis zu dem erwarteten Tatgewinn. Der Zeitraum des für den Täter erhöhten Entdeckungsrisikos verlängert sich durch den Einsatz Künstlicher DNA dabei erheblich.
Durch einen flächendeckenden und öffentlichkeitswirksamen Einsatz Künstlicher DNA werden potenzielle Straftäter von der Begehung von Einbrüchen abgeschreckt, die Anzahl der verübten Eigentumsdelikte reduziert sich messbar und führt zu einer deutlichen Steigerung des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung.
Und so funktioniert es:
Der Bürger hat die Möglichkeit, über das Internet direkt oder über einen regionalen Vertriebsleiter ein sogenanntes Markierungsset zu erwerben. Nach Erhalt des Sets registriert sich der Kunde auf der Datenbank einer Vertriebsfirma unter Eingabe eines PIN-Codes. Der Kunde wird jetzt auf dieser Datenbank als Halter seiner erworbenen Flüssigkeit geführt.
Im Anschluss sollte der Nutzer seine Wertgegenstände kleinflächig mittels Pinsel markieren. Die Flüssigkeit härtet aus und stellt lediglich eine Markierung des Gegenstandes dar (keine Diebesfalle). Nach der Aushärtung ist eine Beschmutzung durch Berührung ausgeschlossen. Gesundheitsgefahren bestehen nicht.
Die mitgelieferten Aufkleber finden am Objekt Verwendung und weisen an gut sichtbaren Stellen auf den Einsatz Künstlicher DNA hin.
Sollten dennoch markierte Gegenstände entwendet werden, haben die einschreitenden Beamten die Möglichkeit, diese mittels einer kombinierten Einsatz- und UV-Lampe zu identifizieren. Nach einem Anfangsverdacht können so mitgeführte Gegenstände verdächtiger Personen auf Anhaftungen abgeleuchtet werden.
Über die KDNA-Anhaftungen besteht für die einschreitenden Kräfte die Möglichkeit, den Besitzer der Flüssigkeit zu recherchieren, wodurch ein unrechtmäßiger Besitzer in Erklärungsnot kommen dürfte.
Schwerpunkt KDNA-Anwohnerinitiativen
Positive Erfahrungen wurden vor allem mit den Initiierungen polizeilich begleiteter KDNA-Anwohnerinitiativen gemacht.
Als Initiativen werden kleinräumige und zusammenhängende Wohnbereiche erfasst, in denen mindestens zehn Anwohner Markierungssets erworben haben. Den Bürgern werden die Möglichkeiten aufgezeigt, sich im Vorfeld mit ihren Nachbarn zu verabreden, um gemeinsam Eigentumsdelikte in ihrem Wohnbereich zu verhindern. In der Folge wenden sich interessierte Nachbarschaftsgruppen mittels eines Initiativsprechers an das örtlich zuständige Polizeirevier.
Nach Terminvereinbarung findet ein Treffen zwischen Anwohnern und Revierbediensteten vor Ort statt. Der Beamte erklärt die Wirkungs- und Funktionsweise von KDNA und vermittelt daneben noch weitere Tipps des kriminalpräventiven nachbarschaftlichen Zusammenwirkens.
Schilder werden typischerweise im Straßenein- und Ausfahrtsbereich platziert und verweisen auf den Einsatz KDNA im gesamten Initiativbereich.
Durch dieses Zusammenspiel von KDNA mit Elementen der Nachbarschaftshilfe und weiteren verhaltenspräventiven Ansätzen wird eine größtmögliche präventive Wirkung erhofft, da Tatanreize deutlich minimiert werden.
In Bremen nutzen mittlerweile ca. 7300 Haushalte künstliche DNA zum Zwecke des Einbruchschutzes. Der überwiegende Teil hat sich in einer der mittlerweile 200 Anwohnerinitiativen organisiert.
Auswertungen der Polizei Bremen für die KDNA-frequentierte Region
Bremen-Nord ergaben, dass die dort ausgewiesenen KDNA-Initiativbereiche eine offensichtlich deutliche abschreckende Wirkung auf potenzielle Einbrecher bewirken. In den letzten Jahren waren die Einbruchszahlen in den Initiativbereichen deutlich geringer, als in den Vergleichsregionen in Bremen-Nord.
Dieser Umstand wird auch mit dem Zusammenspiel mehrerer präventiver Strategien erklärt. So weist die Beschilderung nicht nur den Einsatz von KDNA aus, sondern suggeriert, dass die dort lebenden Bürger im Rahmen einer interaktiven Zusammenarbeit mit der Polizei Bremen den Eigentumsschutz bewusst praktizieren. Es verdeutlicht auch bewusste finanzielle und verhaltenspräventive Investitionen.
Dies wurde auch im Rahmen fortlaufender Veranstaltungen zum Zwecke des Erfahrungsaustausches zwischen Polizei und Initiativsprechern festgestellt. Es wurde deutlich, dass die Strategie tatsächlich von den Bürgern gelebt wird und das Sicherheitsgefühl der Initiativnutzer deutlich gestiegen ist.
Zudem nahm die Bereitschaft der Initiativteilnehmer zu, in den mechanischen Einbruchschutz zu investieren; sie sicherten zunehmend ihre Fenster und Türen.
Der Einsatz künstlicher DNA eignet sich letztlich auch als Türöffner für gesamtpräventive Maßnahmen und lässt sich vorzugsweise mit verwandten Strategien, wie z. B. städtebaulicher Kriminalprävention, kombinieren.
Marktöffnung KDNA
Im Rahmen der dreijährigen Projektphase hat die Polizei Bremen mit der Firma SelectaDNA kooperiert. Diese von außen kritisch gesehene alleinige Kooperation war allerdings sinnvoll, notwendig und rechtlich unbedenklich. Schließlich ging es darum, eine neue Strategie in der Bevölkerung zu verankern. Hierfür galt es in der Anfangsphase beispielsweise zu gewährleisten, die Anschaffungskosten für den Bürger im minimalinvestiven Bereich zu halten, Sponsoren zu finden, die Kollegen mit entsprechenden Einsatzlampen auszustatten, Fallenfahrzeuge zu entwickeln und vieles mehr. Die enge Zusammenarbeit mit einem Kooperationspartner war hierfür unerlässlich.
Dennoch lagen dem beidseitigen Ziel, den Verbreitungsgrad rasch zu erhöhen, naturgemäß unterschiedliche Interessenlagen zugrunde. Während die Polizei Bremen eine neue Strategie zum Erfolg führen möchte, dürfte ein Unternehmen immer auf Gewinnmaximierung fixiert sein.
Nach Beendigung der Projektphase und der Überführung in die Alltagsorganisation war die Polizei Bremen deshalb zeitnah gehalten, Richtlinien zu entwickeln, um weitere geeignete Firmen empfehlen zu können. Dieser bis heute andauernde Prozess war und ist allerdings deutlich langwieriger und schwieriger als zunächst angenommen.
Da im Bundesgebiet für diesen Bereich keine Erfahrungswerte vorliegen, mussten zunächst „Voraussetzungen für eine Kooperationspartnerschaft mit der Polizei Bremen“ konzipiert und beschrieben werden. Knackpunkte waren hierbei insbesondere die Produktbeschaffenheit, Datenbankführung, regionaler Vertrieb und Unternehmensbeständigkeit. Für die Erstellung wurden daher u. a. Kompetenzen aus den Bereichen, Justiz, Bau, Compliance sowie das Fraunhofer INT hinzugezogen.
Im Rahmen eines sogenannten Interessenbekundungsverfahrens[2] bewarben sich Firmen aus dem In- und Ausland für eine Kooperation mit der Polizei Bremen.
Auf dieser Grundlage konnten am 28.05.15 Kooperationsvereinbarungen mit den Firmen
- ACTC GmbH, Morschlauer Kamp 38, 22159 Hamburg sowie
- SDNA Technology GmbH, Talstrasse 1, 69198 Schriesheim
geschlossen werden.
Der strategische Schwerpunkt bildet dabei weiterhin die Erhöhung des Verbreitungsgrades, insbesondere im Rahmen von KDNA-Anwohnerinitiativen.
Neue Beschilderungen
Wurden in der Vergangenheit die Initiativschilder von der Fa. SelectaDNA entworfen und vertrieben, ist seitens der Polizei Bremen ein neutrales Schilderdesign entwickelt worden[3]. Die Farbgebung und Gestaltung sollten ggf. auch eine Übernahme durch andere interessierte Bundesländer zulassen.
In den neuen Kooperationsverträgen wurde festgelegt, dass ausschließlich diese Beschilderung[4] auf den polizeilich begleiteten Einsatz von KDNA-Anwohnerinitiativen hinweist. Die Schilder dürfen zudem erst nach Zustimmung durch die Polizei Bremen im Straßenbild platziert werden.
Abschließend muss weiterhin betont werden, dass es sich bei dem Einsatz Künstlicher DNA um eine Präventionsstrategie handelt. Die polizeilich hinterlegten Abschreckungsmaßnahmen dienen daher in erster Linie der Verhinderung von Straftaten.
Ein Sachstandsbericht sowie die Voraussetzungen für eine Kooperationspartnerschaft mit der Polizei Bremen können angefordert werden unter:
Freie Hansestadt Bremen
Polizei Bremen
Präventionszentrum / PST 14
Koordinator KDNA
Am Wall 195, 28195 Bremen
Tel. (0421) 362- 19589 oder 19003
Fax: (0421) 362-19009
Mail:
Quellen:
[1] Quelle. Wikipedia
[2] Analog eines Ausschreibungsverfahren zu sehen, allerdings ist die Polizei Bremen keine Auftragnehmer
[3] Siehe Abbildung
[4] Größe: 40 x 60 cm