Skip to main content

 Die Dashcam wird meist am Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe befestigt. Als Befestigungsmaterial werden oft Saugnapfhalterungen oder Klebepads verwendet. (Foto:wikimedia)Die Dashcam wird meist am Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe befestigt. Als Befestigungsmaterial werden oft Saugnapfhalterungen oder Klebepads verwendet.
Foto: Fernost (Own work), Wikimedia Commons | Lizenz:Public domain / CC0

Dashcams und der Datenschutz

Datenschutzrechtliche Bewertung von Dashboard-Kameras

Von Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutz-Aufsicht

Dashboard-Kameras (Dashcams) sind in Deutschland allgemein bekannt geworden, nachdem es in Russland einen Meteoriteneinschlag gab und anschließend zahlreiche Filme von diesem Ereignis im Netz auftauchten. Dashcams sind kleine Videokameras, die in Fahrzeugen an der Windschutzscheibe oder am Innenspiegel befestigt, in der Regel automatisch mit der Zündung des Fahrzeugs eingeschaltet werden und alles aufnehmen, was vor die Linse kommt.

 

In Russland wurde damals als Zweck für die Videoaufnahmen angegeben, dass man sich damit vor korrupten Polizisten oder getürkten Verkehrsunfällen schützen wolle. In Deutschland wird überwiegend als Zweck für den Einsatz dieser Kameras angegeben, dass man im Falle eines Unfalls ein Beweismittel haben möchte. Wer sehen möchte, welche Aufnahmen mit diesem Kameras gemacht werden, findet eine fast grenzenlose Auswahl von Filmen auf youtube. Datenschutzrechtlich ist der Einsatz dieser Kameras sehr zweifelhaft.

 

Datenschutzrecht anwendbar

Im Datenschutzrecht gilt der Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Dies bedeutet, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig ist, soweit das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder eine andere Rechtsvorschrift es erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Personenbezogene Daten sind Einzelan­gaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Videoaufnahmen der anderen Verkehrsteilnehmer stellen deshalb perso­nenbezogene Daten dar. Die Erhebung dieser personenbezogenen Daten, das heißt andere Verkehrsteilnehmer mit einer Videokamera aufzunehmen, ist deshalb nur zulässig, wenn sie dazu eingewilligt haben oder es eine Rechtsgrundlage gibt, die dem Kameramann oder der Kamerafrau diese Aufnahmen erlaubt. Eine Einwilligung, die u.a. eine vorherige Information über den Zweck der Aufnahmen erfordert, ist in diesen Fällen aus tatsächlichen Gründen nicht möglich.

 

Keine ausschließliche persönliche oder familiäre Tätigkeit

Das Bundesdatenschutzgesetz und damit die Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörde greifen nicht, wenn die Erhebung, Verarbeitung der Nutzung der Daten ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgt. Dies wäre zum Beispiel dann gegeben, wenn jemand seine Familienbilder elektronisch sortiert oder eine Adressenliste von Freunden er­stellt, das heißt insbesondere, wenn diese Daten den persönlichen oder familiären Bereich nicht verlassen. Die reguläre Begründung für den Einsatz der Dashcams ist jedoch, diese Aufnahmen insbesondere im Fall eines Unfalls verwenden zu wollen, um sie der Polizei, der Versicherung oder sonstigen Dritten zu übergeben oder datenschutzrechtlich gesprochen, diese personenbezogenen Daten an Dritte zu übermitteln. Damit erfolgen die Aufnahmen von An­fang an nicht für persönliche oder familiäre Zwecke und damit bleibt es auch bei der Anwend­barkeit der datenschutzrechtlichen Vorschriften.

 

Gesetzliche Grundlage nicht gegeben

Nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes ist die Beobachtung öffentlich zugäng­licher Räume mit optisch- elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, so­weit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwie­gen. Der Umstand der Beobachtung ist durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.

Die Aufnahmen der Dashcams erfassen den öffentlichen Verkehrsraum und damit öffentlich zugängliche Räume im oben genannten Sinn. Die Aufnahmen erfolgen nicht zur Wahrneh­mung berechtigter Interessen. Mit Rücksicht auf das gesetzgeberische Ziel, die ausufernde Verwendungspraxis der Videoüberwachung einzuschränken, und die hohe Grundrechtsrele­vanz in diesem Bereich, ist eine möglichst restriktive Auslegung des Begriffs angezeigt. Würde man ganz allgemein als berechtigtes Interesse anerkennen, dass man permanent von dem Umfeld, in dem man sich bewegt, Kameraaufnahmen fertigt, um bei einem möglichen Unfall oder anderem verkehrswidrigen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer als Geschädig­ter über Beweismaterial zu verfügen, würde das bedeuten, dass man damit generell eine per­manente Videoüberwachung aller Personen, die sich im öffentlichen Bereich bewegen, als berechtigt ansehen müsste, da es keinen Bereich auf der Welt gibt, wo mit absoluter Sicherheit ein Unfall oder rechtswidriges Verhalten ausgeschlossen werden kann.

Schließlich ist eine derartige Videoüberwachung nur soweit zulässig, wie sie erforderlich ist. Kriterium dafür ist, ob der Zweck der Videoüberwachung auch durch mildere, ebenfalls geeig­nete Mittel erreicht werden kann. Hier könnte man daran denken, dass durch Aufnahmen, die die Unfallsituation dokumentieren, ausreichend festgestellt werden kann, wie es zu dem Unfall gekommen ist.

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass eine permanente Videoüberwachung zur Wahrung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich wäre, ergibt sich die Unzulässigkeit der Videoüberwachung jedenfalls daraus, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen, nicht in den Fokus Ihrer Kamera zu geraten, überwiegen. Die Zulässigkeitsprüfung erfordert eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Abwägung zwischen den durch die Zwecke der Videoüberwachung bestimmten grundrechtlich geschützten Positionen der Anwender von Videotechnik und den durch das Recht auf informationelle Selbstbe­stimmung geschützten Interessen derjenigen, die Objekt der Videoüberwachung sind. Dabei verlangt das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit, dass die Identität der aus der Überwachungsmaßnahmen resultierenden Beschränkung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. Würde man im hier vorliegenden Fall im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass das Interesse an einer permanenten Videoüberwachung mit einer Dashcam überwiegen würde, würde das für alle mit der Folge gelten, dass es jedenfalls in dichter besiedelten Bereichen keine Möglichkeit mehr gäbe, sich unbeobachtet von Videokameras im öffentlichen Bereich zu bewegen. Von einer derartigen Videoüberwachung wären auch alle Menschen betroffen, die im Rahmen eines normgemäßen Verhaltens zu einer Verfolgung keinen Anlass gegeben haben. Selbst wenn die Fälle nicht unmittelbar vergleichbar sind, ist doch festzuhalten, dass es sich hier dann um eine grenzenlose und anlasslose Vorratsspeicherung handeln würde, die der Euro­päische Gerichtshof vor kurzem bezogen auf die Verbindungsdaten der Telekommunikation wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgrundrecht für unzulässig erklärt hat. Aus diesem Grunde ergibt sich als Ergebnis dieser Abwägung, dass das Recht auf informationelle Selbst­bestimmung der Personen, die zufällig in den Fokus einer Dashcam geraten und aufgenommen werden, die Interessen der Dashcam-Nutzer, permanent ihre Autofahrten dokumentieren zu wollen, überwiegt.

 

Gesetzliche Hinweispflicht nicht erfüllbar

Nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes ist auf den Umstand der Videoüber­wachung hinzuweisen. Dies geschieht in der Regel durch Anbringung eines entsprechenden Hinweisschildes, auf dem eine Videokamera dargestellt ist und ferner angegeben sein sollte, wer verantwortlich ist für diese Aufnahmen. Dieser Hinweis soll dazu dienen, dass Betroffene die Möglichkeit haben, einen Bereich, der videoüberwacht wird, nicht zu betreten. Damit sol­len heimliche Videoaufnahmen grundsätzlich ausgeschlossen werden. Diese gesetzliche Hin­weispflicht ist bei der Nutzung von mobilen Dashcams aus tatsächlichen Gründen nicht mög­lich. Bei der Nutzung von Dashcams handelt es sich deshalb um eine heimliche Videoüberwa­chung, die lediglich in extremen Ausnahmefällen (z.B. Überwachung einer einzelnen Person bei konkret bestehendem und dokumentiertem Verdacht einer Straftat), die hier offensichtlich nicht gegeben sind, als zulässig angesehen werden.

Einstimmige Auffassung aller Datenschutzaufsichtsbehörden

Die im sog. Düsseldorfer Kreis zusammengeschlossenen Datenschutzaufsichtsbehörden der Bundesrepublik Deutschland haben in ihrer Sitzung vom 25. und 26. Februar 2014 einver­nehmlich festgehalten, dass nach ihrer Auffassung die Videoüberwachung aus Fahrzeugen durch Dashcam mit dem geltenden Datenschutzrecht nicht in Einklang zu bringen ist (siehe: http://www.lda.bayern.de/lda/datenschutzaufsicht/Service/lda_duesseldorfer_kreis.htm)

 

Gerichtsentscheidung erwartet

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) hat schon im August 2013 einem Autofahrer die Nutzung seiner Dashcam untersagt. Über die Klage gegen diese Anordnung wird das Verwaltungsgericht Ansbach in Kürze entscheiden. Sollte das Ge­richt den Einsatz von Dashcams dem ausschließlich privaten und persönlichen Bereich zuord­nen und die Anordnung des BayLDA aufheben, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörde bei Videoüberwachung insgesamt. Damit würde die Möglichkeit, aber auch Verpflichtung, der Aufsichtsbehörden unzulässige Video­überwachungen, die durch Privatleute vorgenommen werden, zu unterbinden oder zu sanktionieren, ausgeschlossen. Derartige Auseinandersetzungen müssten dann unmittelbar zwischen den Beteiligten mit Hilfe der Zivil- oder gegebenenfalls Strafgerichte ausgetragen werden.