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Umfragen zufolge fühlen sich 37% der deutschen Frauen nachts nicht sicher, wenn sie allein unterwegs sind 

Von Rory Fitzgerald Direktor, European Social Survey, City, University of London

An Frauen begangene Morde je 100.000 Einwohner. (Stand: 2019)
© Von Womanstats Project - http://www.womanstats.org/new/map_create/, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86202434
Der kürzliche Mord an Sarah Everard in London hat zu tiefgreifenden Debatten über die Sicherheit von Frauen im Vereinigten Königreich geführt. Er veranlasste viele Frauen dazu, ihre eigenen Erlebnisse zu teilen im Bezug auf die Fälle, wo sie sich in ihrer lokalen Umgebung eingeschränkt fühlten. CCTV-Aufnahmen von Everard vor ihrem Verschwinden waren eine Erinnerung für viele Frauen und ein Weckruf für viele Männer.

Tatsächlich zeigen die Daten, dass sich 32 % der Frauen in Großbritannien unsicher oder sehr unsicher fühlen, wenn sie nachts allein in ihrer Umgebung unterwegs sind. Dabei äußerten nur 13 % der Männer die gleiche Sorge.

Es gab hunderte von persönlichen Geschichten von Frauen in den sozialen Medien, die darüber sprachen, wie sie sich durch Sicherheitsbedenken eingeschränkt fühlen, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit ausgehen. Dies ist besonders auffällig, während ein Großteil Europas unter verschiedenen Sperrzuständen lebt. Für zahlreiche Menschen ist es zu einem wichtigen Bewältigungsmechanismus geworden, so oft wie möglich hinauszugehen. In den Wintermonaten und vor allem für Menschen, die vollzeitig von zu Hause aus arbeiten, bedeutet das oft, dass sie nur bei Dunkelheit hinaus dürfen - oder gar nicht.

Daten aus dem European Social Survey (ESS) zeigen, wie unterschiedlich die Erfahrungen von Männern und Frauen sind, wenn es um die grundlegende Freiheit geht, nachts alleine ausgehen zu können. In allen 29 Ländern, die an dem ESS teilnahmen, gaben Männer an, sich sicherer zu fühlen als Frauen, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit allein in ihrer Umgebung unterwegs sind. Die Frage wird seit 2002/03 alle zwei Jahre gestellt. Bei der Auswertung unserer jüngsten Daten (2018/19) stellen wir erhebliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen fest.

In Bulgarien fühlen sich erschütternde 62 % der weiblichen Befragten unsicher oder sehr unsicher. Der Wert in Bulgarien ist auch der höchste in Europa für männliche Befragte, von denen 38 % angaben, dass sie sich nicht sicher fühlen würden - aber die meisten Männer dort geben immer noch an, sich mit deutlichem Abstand sicherer zu fühlen als Frauen.

Der ESS zielt darauf ab, repräsentativ für die Wohnbevölkerung ab 15 Jahren in jedem teilnehmenden Land zu sein und verwendet Wahrscheinlichkeitsstichprobenverfahren zur Auswahl der Befragten. Die Daten wurden gewichtet, um ungleiche Auswahlwahrscheinlichkeiten zu berücksichtigen und auf das bekannte Profil aller Erwachsenen in jedem Land nachgeschichtet.

In Deutschland fühlten sich 37 % der Frauen unsicher und in Italien 36 %. In Litauen und Frankreich fühlten sich 34 % der Frauen unsicher und in Lettland 33 %. Für Spanien und Irland lag der Wert bei 31 %.
Im Gegensatz dazu betrug der Anteil der männlichen Befragten, die sich unsicher fühlten, nur 13 % in Deutschland, 12 % in Spanien und Irland, 11 % in Frankreich und 10 % in Lettland.

Selbst in relativ sicheren Ländern wie Dänemark, Finnland und Island bleibt die Kluft zwischen den Geschlechtern bestehen. Männer geben immer noch fünfmal seltener als Frauen an, bei nächtlichen Spaziergängen in ihrer Umgebung Angst zu haben.
In einer Gruppe von fünf weiteren Ländern - Slowenien, Schweden, den Niederlanden, der Schweiz und Norwegen - fühlen sich Frauen viermal häufiger unsicher als Männer.

Fortschritt?

Ein Blick zurück auf die Daten von 2002/03 - als wir unsere Umfrage zum ersten Mal durchführten - zeigt, dass einige Fortschritte erzielt wurden. Damals gaben 52 % der weiblichen Befragten in Großbritannien an, sich nach Einbruch der Dunkelheit unsicher zu fühlen, verglichen mit etwa einem Drittel (32 %) 18 Jahre später.

Trotz dieser wichtigen und willkommenen Verbesserung bleiben die Unterschiede zwischen den Geschlechtern insgesamt hartnäckig bestehen. Bei Männern ging die Zahl im gleichen Zeitraum von 20% auf 13% zurück, was bedeutet, dass sich britische Männer 2002/03 2,6-mal häufiger sicher fühlten als Frauen und 2018/19 2,5-mal häufiger. Es scheint also, dass sich alle insgesamt sicherer fühlen, aber die Geschlechterunterschiede bleiben bestehen.

Dieser Trend ist in ganz Europa ähnlich: Das Sicherheitsgefühl hat sich im Allgemeinen für beide Geschlechter verbessert, aber Frauen fühlen sich in fast allen Ländern weiterhin zwischen 2,5 und 5,7-mal häufiger unsicher als Männer.

Norwegen ist ein Beispiel für ein Land, in dem sich die Kluft zwischen den Geschlechtern in dieser Frage im Laufe der Zeit deutlich verringert hat. Im Jahr 2002/03 gaben 23 % der weiblichen und 3 % der männlichen Befragten an, dass sie sich unsicher oder sehr unsicher fühlten, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit in ihrer örtlichen Umgebung unterwegs waren. Im Jahr 2018/19 war dies auf 13 % der weiblichen Befragten gesunken, während die Zahl der Männer im Wesentlichen unverändert blieb (2 %).

Vielleicht könnten sich politische Entscheidungsträger, Polizei und Gemeinden von Ländern wie Norwegen inspirieren lassen, mit dem Ziel, dass sich Frauen in ihrer Umgebung genauso sicher fühlen wie Männer.