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Extremismus – steigende Gefahr für Sicherheit und Reputation von Unternehmen

Von Heinz Aping

Unter diesem Titel trafen sich zahlreiche Experten aus Wirtschaft, Sicherheitsbehörden und Wissenschaft auf der 13. Sicherheitstagung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und der Allianz für Sicherheit der Wirtschaft e.V. (ASW – Bundesverband) am 27. März 2019 im Hotel Steigenberger am Kanzleramt in Berlin.

Der Vorsitzende des ASW Bundesverbandes Volker Wagner eröffnete die bis auf den letzten Platz gefüllte Veranstaltung mit dem Dank an das BfV für die langjährige und anhaltende Bereitschaft, zusammen mit dem ASW die Sicherheitsrisiken und Gefahren für die Wirtschaft zu erörtern sowie Vorsorge- und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Mit dem Thema der diesjährigen Veranstaltung habe man eine Situation in den Focus genommen, die sehr aktuell sei. Dabei sei die deutsche Wirtschaft immer wieder direkt von Extremismus betroffen.

„Die Grenze zwischen bürgerlichen Interessensbekundungen und extremistischen Handlungen sind fließend. Deshalb ist ein frühzeitiges Erkennen solcher Entwicklungen, insbesondere innerhalb von Unternehmen, wichtig.“, so Wagner auch in der anschließenden Pressemittteilung.

v.l. Sinan Selen und Volker Wagner
Foto: © Heinz Aping
Der Begrüßung durch Volker Wagner schloss sich die Ansprache vom neuen Vizepräsidenten des BfV, Sinan Selen, an.
Selen erweiterte in seiner Rede die Bedeutung des Themas über die Sicherheit und Reputation von Unternehmen hinaus auf das gesamte Land. „Die Marke Deutschland leidet!“, so Selen. Ausländische Investoren und Fachkräfte, die wir dringend brachen, vertrauen unserem demokratischen und friedvollen Staatswesen „Made in Germany“.
Der Extremismus stände dem demokratischen Rechtsstaat nicht nur diametral entgegen, sondern er lehnt ihn konsequent ab.

„Extremisten gefährden den Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn sie durch menschenverachtendes Agieren unser Ansehen in der Welt beschädigen und potenzielle Fachkräfte sowie Investoren aus dem Ausland abschrecken.“, so Selen.

Selen ging darauf ein, dass eine laut geäußerte Meinung für viele Menschen mehr zähle als belastbare Fakten. Trennlinien zum friedlichen Protest werden zunehmend vermischt.

„Wo ist die rote Linie zwischen Diskurs und nicht hinnehmbarer Agitation?“ Von welchen extremistischen Kreisen wird Gewalt als notwendiges und gerechtfertigtes Element zur Überwindung des Systems angesehen? Selen gab einen Anhalt über Zahlen von Links-wie Rechtsextremismus und wies vor allem darauf hin, dass die neue „Rechte“ sich eben nicht nur in abgrenzbarer Äußerlichkeit zeige, sondern unauffällig und intelligent. Das beträfe eben auch Extremisten, die sich in Unternehmen befänden.

Der Bundesverfassungsschutz informiere deshalb über eigene Erkenntnisse und Analysen und arbeite eng mit dem ASW Bundesverband zusammen.
Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio
Foto: © Heinz Aping
Besonderer Gast und nächster Redner war Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht. Prof. Dr. Fabio hielt mit dem Titel „Populismus und Extremismus – Die Grenzziehung zwischen Meinungstoleranz und freiheitlicher Selbstbehauptung“, einen sehr engagierten und gleichermaßen deutlichen wie feinsinnigen Vortrag nicht nur über die rechtliche Abgrenzung zwischen friedlich und unfriedlich. „Ist jemand Extremist, wenn er nur friedlich extreme Positionen vertritt?“ Das Bundesverfassungsgericht habe hierzu eindeutig entschieden: nein. Nur eine Aussage allein kann nicht als Extremismus bewertet werden. Erst wenn Personen sich dazu zusammenfinden und nach außen gerichtet aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung tätig werden, dann kann und muss man von Extremismus sprechen.

„Der Zweck heiligt die Mittel“ ist in diesem Zusammenhang ein Angriff auf den Rechtsstaat.

Prof. Fabio erhielt straken Zwischenbeifall, als er Gewalt gegen Polizisten als ein Beispiel aufgriff und verurteilte.

„Polizei wird in vielfältiger für den demokratischen Rechtsstaat in Form des Schutzes dieser Rechtsordnung tätig. Wir stellen die Polizisten dort hin. Sie stehen dort für die Demokratie. Wer sie mit Kot und Steinen bewirft, der handelt nicht nur unsittlich, der ist allein deshalb schon Extremist, weil er sich damit gegen den Rechtsstaat stellt.“

In seinem sehr gelungenen, pointierten und mit viel Beifall bedachten Vortrag resümierte Fabio, dass unserem Grundgesetz gerade auch aus den Erfahrungen der Zeit der Demokratie nach dem ersten Weltkrieg eine sehr deutliche Grenzziehung zwischen friedliche rund unfriedlicher Meinungsäußerung zugrunde liegt. Dieses Grundgesetz müsse bei aller Liberalität aktiv geschützt und bewehrt werden.
Mit der Rede von Prof. Dr. Fabio endete der öffentliche Teil der 13. Sicherheitstagung.

In der Pause bis zum zweiten Teil stellten sich Volker Wagner und Sinan Selen in einer Pressekonferenz den Fragen der zahlreichen Journalisten. Das von BfV und ASW gewählte Thema der Tagung hatte ein großes Interesse sowohl der Fernsehsender wie der schreibenden Presse bewirkt.

Wagner wie Selen betonten noch einmal die Bedeutung des Themas für die Reputation der Wirtschaft und die Bedeutung für die Außensicht Deutschlands. In Ihren Antworten gingen sie auch darauf ein, inwiefern Firmen in ihren internen Verhältnissen Extremismus erkennen, erkennen können und darauf eingehen. In seiner Antwort auf die Frage, ob das BfV gezielt Firmen über aus ihrer Sicht extremistische Aktivitäten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen informiere, lenkte Selen geschickt in die Richtung, dass das BfV ein Frühwarnsystem sei, einen Gesamtblick auf die Lage habe und entsprechende generelle Lagebilder erstelle, aber natürlich für einzelne Firmen als Gesprächspartner zur Verfügung stehe. Ein aktives Zugehen auf Firmen von Seiten des BfV sei im Einzelfall denkbar, aber die Schwelle hierzu sei sehr hoch.

Eine Journalistin, die sich als Bloggerin vorstellte, beklagte, dass weitere interessante Vorträge im nicht-öffentlichen Teil der Veranstaltung stattfänden und sie dazu keinen Zugang habe. Dies beträfe insbesondere einen Vortrag eines Vertreters von RWE über die Problematik „Hambacher Forst“.

Volker Wagner machte höflich aber konsequent deutlich, dass die Aufteilung in einen öffentlichen wie nicht-öffentlichen Teil nicht dem Thema dieser 13. Tagung mit dem BfV geschuldet sei, sondern andauernde Praxis aller Tagungen. Er bat um Verständnis für die übliche Praxis, dass die Mitglieder des Verbandes bei diesen Tagungen zusammen kommen, um sich in einem internen Forum zu bestimmten Themen über Vorträge sachkundig zu machen und darüber freimütig unter gleichermaßen Interessierten wie Betroffenen zu diskutieren.

Diese Position ist nachvollziehbar und berechtigt. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass die öffentliche Bekanntgabe der weiteren Vortragenden und die Titel ihrer geplanten Reden im nicht-öffentlichen Teil dazu führen, dass Medienvertreter Interesse zeigen, dabei zu sein.
Insofern wäre es vermutlich geschickter gewesen, die Tagesordnung des nicht-öffentlichen Teils nicht zum Gegenstand der Ankündigung an die Medien zu machen.

Im nicht-öffentlichen Teil folgten die Vorträge über

  • „Prozesse & Faktoren der Radikalisierung“ durch Dr. Michael Kiefer,
    Universität Osnabrück – Institut für Islamische Theologie
  • „Unternehmen als Ziele linksextremistischer Agitation“ durch Stefan Engelbrecht,
    Leiter Konzernsicherheit RWE
  • „Wenn Extremisten über mein Unternehmen sprechen: Kommunikationsstrategien“
    Christiane Schulz,
    CEO Weber Shandwick Deutschland
  • „Bis gestern war er nur ein Kollege...“ Radikalisierung in Unternehmen
    Dr. Claudia Brandkamp,
    Personal Security, Deutsche Telekom AG
  • Reichsbürger und Selbstverwalter als Problem für Unternehmen
    Michael Hüllen,
    Verfassungsschutz Brandenburg

Man kann davon ausgehen, dass die Vorträge ein großes Echo bei den Teilnehmern (und eben nur den Mitgliedern des ASW) fanden. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das BfV und der ASW Bundesverband ein interessantes und brandaktuelles Thema gewählt haben und damit eine große Resonanz erzielten.

Volker Wagner führte souverän, der Vizepräsident des BfV hinterließ einen guten Eindruck, und die Rede von Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio war bemerkenswert.

 

Über den Autor
Heinz-Werner Aping
Heinz-Werner Aping
Heinz-Werner Aping, Direktor beim Bundeskriminalamt a.D., Jahrgang 1953, war bis zu seiner Pensionierung Ende Mai 2014 fast vierzig Jahre im kriminalpolizeilichen Dienst in Land und Bund tätig. Von 1975 bis 1999 diente er bei der Berliner Polizei vom Kommissar bis zum Kriminaldirektor in vielen Feldern klassischer und schwerer Kriminalität und zuletzt fünf Jahre als Leiter des kriminalpolizeilichen Stabes des Polizeipräsidenten. Mit dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin wechselte Aping zum Bundeskriminalamt und verantwortete als Leitender Kriminaldirektor und Gruppenleiter in der Abteilung Sicherungsgruppe Grundsatz, Haushalt, Ausbildung, Lagebeurteilung, Staatsbesuche, Observation und Technikeinsatz des Personenschutzes für die Verfassungsorgane des Bundes und seiner ausländischen Gäste. Im Jahre 2001 wurde ihm die Leitung der gesamten Abteilung übertragen, die er bis zu seiner Pensionierung innehatte. Von 2001 bis zu seiner Pensionierung war Aping mit mehrmaliger Wiederwahl Chairman der Association of Personal Protection Services (APPS), des internationalen Netzwerkes von 50 staatlichen Personenschutzdienststellen von China bis zu den USA einschließlich Europol, Interpol, EU und UN mit Konferenzen weltweit. Heinz-Werner Aping ist als selbstständiger Berater tätig. Er ist Mitglied der Redaktion VeKo-online und zuständig für den Bereich Sicherheitspolitik.
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