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Johann Waak

Pirateriebekämpfung durch deutsche staatliche Stellen

Zu den Befugnissen der deutschen Marine, der deutschen Polizei und des Bundesnachrichtendienstes

Johann Waak
Baden-Baden 2018, 82,00 €.
ISBN 978-3-8487-5169-3
Noch vor 20 Jahren glaubten die meisten Deutschen, Piraterie gäbe es nicht mehr. Die Internationale Handelskammer (ICC) wusste es besser und hatte bereits im Jahr 1981 das „International Maritime Bureau“ (IMB) gegründet, das sich rasch zu der weltweit angesehenen privatwirtschaftlichen Institution in allen Fragen rund um die Seeräuberei entwickelte.

Im Jahr 1992 schuf das IMB in Kuala Lumpur das „Piracy Reporting Center“ (PRC), das für Schiffseigner und Besatzungen rund um die Uhr erreichbar ist. Es stellt ihnen Pirateriereporte zur Verfügung, veröffentlicht aktuelle Warnungen und steht Schiffen, die überfallen wurden, mit Rat und Hinweisen zur Seite, koordiniert zum Beispiel medizinische Hilfe oder die Unterstützung durch die zuständigen lokalen Behörden.

Die breite deutsche Öffentlichkeit nahm diese Entwicklungen nicht zur Kenntnis. Das änderte sich erst, als sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts das Horn von Afrika zum geographischen Schwerpunkt der Piraterie entwickelte. Insbesondere vor der Küste Somalias häuften sich die Fälle von Piraterie dramatisch. Im ersten Halbjahr 2008 ereigneten sich in dieser Region 114 Piratenüberfälle. Ein Jahr später waren es 240.

Der Bundestag beschloss im Dezember 2008, 1400 Soldaten der Bundeswehr in die Mission „EU NAVFOR Somalia“ zu entsenden. An dieser „Operation Atalanta“ nahmen acht EU-Staaten teil, um den Schiffsverkehr gemäß der Resolution 1816 des UN-Sicherheitsrates vom 2. Juni 2008 auch innerhalb der somalischen Küstengewässer zu beschützen.

Die Medienberichte erreichten in Deutschland einen Höhepunkt, als im Frühjahr 2009 das unter deutscher Flagge fahrende Schiff „Hansa Stavanger“ gekapert und die Besatzung als Geiseln genommen wurde. Zwar ging die Sache nach langem Hin und Her und der Zahlung von 2,75 Millionen US-Dollar Lösegeld gut aus, aber die Medien und manche Politiker fragten, ob es nicht möglich gewesen wäre, die Gekidnappten früher zu befreien. Im Zentrum der Kritik stand bald die GSG 9. Zwar habe die Eliteeinheit der Bundespolizei bereitgestanden, um eine Befreiungsaktion durchzuführen, aber der Einsatz sei dann wegen zu hoher Gefährdung für die Geiseln und die Polizisten abgeblasen worden, konnte man zum Beispiel im „Spiegel“ lesen. Der Verteidigungsminister, Franz Josef Jung, stellte die Fähigkeiten der Elite-Polizisten in Frage und sprach sich stattdessen dafür aus, solche Lagen zukünftig durch das Kommando Spezialkräfte (KSK) – eine auf Geiselbefreiungen spezialisierte Einheit der Bundeswehr – lösen zu lassen. Dazu sei jedoch eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, wurde er in „Die Zeit“ zitiert: „Wir sollten über eine Verfassungsänderung nachdenken, die der Bundeswehr den Zugriff ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann.“ Diesem Vorschlag widersprach die Justizministerin, Brigitte Zypries. Sie war sicher, ein Einsatz der Bundeswehr sei durch die Verfassung gedeckt und hob hervor: „Natürlich darf die Bundeswehr im Rahmen der Operation Atalanta vor dem Horn von Afrika Geiseln aus der Hand von Piraten befreien.“ Sie vertrat die Auffassung, das zunächst nur für ein halbes Jahr erteilte UN-Mandat (später wurde es mehrfach verlängert und ist auch noch in der Gegenwart in Kraft) und die von der Europäischen Union daraufhin durchgeführte militärische Mission Atalanta reiche aus, um deutsche Soldaten im Ausland Geiseln befreien zu lassen.

Die Bundeskanzlerin bewertete die Sachlage anders als ihre Justizministerin. Angela Merkel kritisierte den fehlgeschlagenen Einsatz der GSG 9 und vertrat zusammen mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Auffassung, eine Änderung des Grundgesetzes sei erforderlich, um für die Zukunft Klarheit zu schaffen. Dazu gehöre es auch, die Zuständigkeiten der GSG 9 und des KSK klarer zu definieren, da man erlebe, „dass man dies nicht so trennen kann, wie wir uns das wünschen“, wurde sie in der Süddeutschen Zeitung zitiert.

Mit diesen wenigen Sätzen ist grob der Rahmen abgesteckt, in dem sich Johann Waak mit seiner juristischen Dissertation bewegt. Zudem kann man bereits erahnen, dass die Piraterie – rechtlich betrachtet – eine vielseitige Materie ist. Im ersten Kapitel definiert Waak die zentralen Begriffe seines Themas. Unter anderem geht er auf die Merkmale ein, die die Seeräuberei charakterisieren. Er erklärt, was ein Seeräuberschiff und was in diesem Zusammenhang ein Tatort ist und grenzt auch die Piraterie zu privaten Zwecken von terroristischen Akten der Piraterie ab. Anschließend beschreibt der Autor die Rolle der Bundeswehr in der Pirateriebekämpfung. Dabei geht er zunächst auf die völkerrechtlichen Regelungen und danach auf die im Grundgesetz festgelegten Grenzen und Möglichkeiten der Bundeswehr ein. Des Weiteren beschreibt Waak die Zuständigkeiten der deutschen Polizei. Ein eigenes Kapitel widmet er den „Voraussetzungen für die Festnahme piraterieverdächtiger Personen im Ausland durch deutsche staatliche Stellen.“ Im letzten Kapitel betrachtet der Autor die Pirateriebekämpfung durch den Bundesnachrichtendienst. Während die Eingriffsmöglichkeiten deutscher Soldaten und Polizisten bei der Bekämpfung der Piraterie auch in der Öffentlichkeit zumindest ansatzweise bekannt sind, ist die Rolle, die der deutsche Auslandsgeheimdienst dabei spielt, wohl nur einer kleinen Expertenschar bekannt. Waak geht an diesem Punkt nicht ins Detail. Er stellt heraus, dass eine explizite Befugnis zur Pirateriebekämpfung für den BND weder nach Völkerrecht noch nach nationalem Recht besteht. Waak belässt es in diesem Kapitel bei einer allgemeinen Betrachtung und stellt heraus, dass der BND auch in diesem Bereich seine Aufklärung sowohl vom Inland als auch vom Ausland betreibt. Vom Ausland aus geschieht dies mit technischen Mitteln sowie durch direkte Kontakte zu Informanten. Waak arbeitet auch heraus, dass die Nachrichtendienste nicht den Beschränkungen unterliegen, die zum Beispiel für die Polizei gelten: Ein Beweisverwertungsverbot existiert für den BND nicht. Jedoch dürften rechtsstaatliche Prinzipien dabei nicht bewusst umgangen werden: „Um dies von vornherein auszuschließen, bestehen Dokumentations- und Nachweispflichten die Planung und den Ablauf nachrichtendienstlicher Operationen betreffend.“

Außen vor lässt Waak die privaten Sicherheitsdienstleister, die in der Prävention hervorragende Arbeit leisten. Bisher ist kein Fall bekannt geworden, in dem ein durch Private geschütztes Schiff von Seeräubern gekapert wurde.

Dr. Reinhard Scholzen

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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