Bodycams sind keine Seltenheit mehr.
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Mehr Möglichkeiten für Bodycams?

Da Körperkameras die Gewalt gegen Polizeibeamte verringern, nehmen rechtlichen Bedenken gegen ihre Anwendung ab.

Von Dr. Reinhard Scholzen

Die Polizeiliche Kriminalstatistik belegt, dass seit Jahren die Gewalt gegen Polizisten zunimmt. Neben der Betrachtung der Ursachen dieser Gewalteskalation wurden in den letzten Jahren auch die Ausbildung und Ausrüstung der Ordnungshüter den neuen Herausforderungen angepasst.

In anderen Ländern – zum Beispiel in den USA oder in Dänemark – machten die Polizisten bereits vor Jahren viele gute Erfahrungen mit Bodycams. Das sind kleine, an der Uniform oder am Helm zu befestigenden Kameras, die bei Bedarf von den Beamten eingeschaltet werden können und sodann den Einsatz aufzeichnen. Wenn die Täter wissen, dass ihre Handlungen dokumentiert werden, kommt es häufig gar nicht erst zu Gewalttaten, belegen die Auswertungen der Polizeieinsätze.

In Deutschland wurden solche Kameras unter anderem in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und bei der Bundespolizei getestet und zum Teil bereits in größerer Stückzahl beschafft.

Die rheinland-pfälzische Sicht

Auch das rheinland-pfälzische Innenministerium führte in den letzten Jahren in der polizeilichen Praxis Versuche mit den Bodycams durch. Bevor diese in den täglichen Einsatz gingen, beauftragte die Landesregierung Mark Zöller, der an der Universität Trier Rechtswissenschaft lehrt, auch die rechtlichen Implikationen bei deren Verwendung zu prüfen. Das Für und Wider und die Kernpunkte seines Gutachtens beschreibt Zöller in einem im Jahr 2017 erschienenen Buch1. Hierbei stellt er die Frage in den Mittelpunkt, „welche rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen für die Nutzung solcher Körperkameras auf der Grundlage des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG RP) existieren, da auch hier ein klar erkennbarer, politischer Wille für eine dauerhafte Ausstattung der Polizei mit diesem Instrument besteht.“ Im Anschluss daran untersucht Zöller sowohl die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen als auch die Regelungen des POG RP, um sodann eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Einsatzes der Bodycams abzugeben.

Drei Themenbereiche betrachtet er dabei besonders intensiv: Zuerst fragt er nach der Zulässigkeit der Prerecording-Funktion. Diese ermöglicht es dem Polizisten, ständig Bild und Ton aufzuzeichnen, wobei die Aufnahme nach einer voreinstellbaren Zeit immer wieder durch die neueren Aufzeichnungen überschrieben wird. Betätigt der Beamte jedoch die Start-Taste, so werden die vorangegangenen Sekunden, die in einem RAM-Speicher abgelegt sind, der eigentlichen Aufnahme vorangestellt. In Hessen, Bremen, Sachsen und Baden-Württemberg wurde diese Möglichkeit der Bodycams als besonders wichtig erachtet und daher in das jeweilige SOG bzw. PolG aufgenommen. Ebenso wurde sie im Januar 2017 in den § 27a des Bundespolizeigesetzes eingefügt. Mark Zöller kann diese Vorgehensweise nicht gutheißen: „Auch eine sehr kurze Speicherung ist Datenerhebung und somit ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht.“ Und er ergänzt: „Der Sache nach handelt es sich hier um eine anlasslose Überwachung“, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes unverhältnismäßig und „verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen“ sei. Des Weiteren argumentiert er, die polizeiliche Praxis liefere kaum Hinweise auf ein dringendes Bedürfnis für die Nutzung dieser Funktion. So hätten die Ergebnisse der AG Körperkamera/Bodycam in den Probeläufen in Rheinland-Pfalz ergeben, dass es den Einsatzkräften nur in acht Fällen möglich gewesen wäre, „die Ausgangssituation der Angriffe festzuhalten.“

Als zweites problematisches Thema sieht Zöller den Einsatz der Bodycams bei Versammlungen. Vor der Föderalismusreform war jedweder Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nur nach §§ 12 und 19a des VersG – das ein Bundesrecht ist – möglich. Nach der Reform wäre es Rheinland-Pfalz möglich gewesen, andere Regelungen zu treffen, jedoch geschah dies nicht. Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gingen einen anderen Weg. Dort wurde seit dem Jahr 2006 ein eigenes Versammlungsgesetz erlassen, in das unter bestimmten, vergleichsweise niederschwelligen Voraussetzungen eine Eingriffsbefugnis implementiert ist. Aufgrund der nach wie vor geltenden Regelung des Bundes ist rheinland-pfälzischen Polizisten hingegen die Verwendung der Bodycams bei Versammlungen nur gestattet, wenn sie aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte davon ausgehen können, dass von der Versammlung „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen.“

Deutlich gewichtiger ist in der polizeilichen Praxis der dritte Problembereich, nämlich die Frage der Einsatzmöglichkeit der Minikameras in Wohnungen. Diese hat bisher lediglich Nordrhein-Westfalen durch die Einfügung des § 15c in sein Polizeigesetz geschaffen. Dass Vergleichbares in Rheinland-Pfalz nicht möglich ist, beschreibt Zöller schon deshalb als „eine unbefriedigende Situation, weil der verfassungsrechtliche Wohnungsbegriff traditionell weit zu verstehen ist.“ Als Wohnungen sind unter anderem neben Privaträumen auch Hotel- und Krankenzimmer zu betrachten und darüber hinaus Geschäfts- und Betriebsräume. Hierunter fallen somit auch Geschäfte, Gaststätten, Diskotheken, Spielhallen, Wettspielbüros oder Bordelle. Zöller räumt zwar ein, dass es aus polizeitaktischen Erwägungen durchaus sinnvoll sei, die mobilen Kameras auch in Fällen häuslicher Gewalt einzusetzen, jedoch sei „geltendes Verfassungsrecht zu Recht kein ‚Wunschkonzert‘. Dass die Nutzung von Bodycams in bestimmten Fällen einsatztaktisch sinnvoll sein kann, sagt somit noch nichts über die verfassungsrechtliche Machbarkeit aus.“ Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Grundgesetz die Verwendung der Bodycams in Wohnungen unmöglich macht. Es wäre dazu aber eine einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich, die jedoch nach der Auffassung des Autors „zwingend einem Richtervorbehalt unterstellt werden“ müsste. Dies ist in der polizeilichen Praxis wohl kein gangbarer Weg.

Zöller verneint im Anschluss an diese Ausführungen die Verfassungskonformität der in NRW geltenden Regelung. Jedoch kommt er trotz aller Bedenken abschließend zu der Bewertung: „Insgesamt wäre jedoch innerhalb des vorstehend skizzierten Rahmens eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von Bodycams zur polizeilichen Gefahrenabwehr im Wege einer moderaten Anpassung der Polizeigesetze von Bund und Ländern machbar und sinnvoll.“

Neuerungen für die Bodycams auch in Rheinland-Pfalz

In den folgenden Monaten ging in Rheinland-Pfalz die Diskussion um die Einsatzmöglichkeiten der Bodycams weiter. Noch im Februar 2017 sah der für die Polizei zuständige Staatssekretär Günter Kern in der Antwort auf eine Kleine Anfrage eines CDU-Landtagsabgeordneten keine Möglichkeit, die Bodycams in Wohnungen einzusetzen. Er stellte fest: „somit gibt es derzeit keine weiteren Bestrebungen, die Problematik erneut aufzugreifen.“2 Eine Veränderung in einem anderen Anwendungsbereich brachte hingegen am 1. Juni 2017 die Sitzung des Mainzer Innenausschusses. Neben dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Prof. Dieter Kugelmann, und den Professoren Mark Zöller und Josef Ruthig, kamen dabei auch Gewerkschaftsvertreter zu Wort. Dies führte am 8. Juli zu einer Änderung des § 27a POG, der den Einsatz der kleinen Kameras in öffentlich zugänglichen Räumen ermöglicht, auch dann, wenn davon „Dritte unvermeidbar betroffen sind.“3 Die sicherlich in der polizeilichen Praxis bedeutsamere Regelung für die Anwendung der Bodycams in Wohnungen steht jedoch in Rheinland-Pfalz noch aus. Der polizeipolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion lobte die Besonnenheit der Koalitionsfraktionen: „Die zum Teil konträren Rechtsauffassungen der Expertinnen und Experten zum Bodycam-Einsatz in Wohnungen bestätigen die verantwortungsvolle Haltung der Koalitionsfraktionen, auf eine entsprechende Regelung zu verzichten, so lange in dieser Frage keine verfassungsrechtliche Klärung erfolgt ist.“4

Initiativen für die Bodycam-Verwendung im häuslichen Bereich

Mit dieser Bewertung steht Andreas Sackreuther zunehmend allein. Der Druck auf den Gesetzgeber steigt andernorts. So forderte im Januar 2018 die Junge Gruppe der saarländischen GdP den flächendeckenden Einsatz von Bodycams bei der Vollzugspolizei. Als Begründung nannte deren Vorsitzender die Ergebnisse einer im Saarland durchgeführten Pilotstudie. Diese hatte ans Licht gebracht, dass durch den Einsatz der Körperkameras eine Senkung der Übergriffe auf Polizisten um rund 20 Prozent zu verzeichnen war. Über den Einsatz der Kameras im öffentlichen Raum hinaus fordert Florian Irsch daher deren Einsatz auch in Wohnungen: „Die polizeiliche Erfahrung zeigt, dass es gerade im Rahmen häuslicher Einsätze zu gefährlichen Situationen für unsere Kolleginnen und Kollegen kommt und die Akzeptanz beim Gegenüber für das polizeiliche Einschreiten oft sehr gering ist. Insbesondere im Zusammenhang mit ‚häuslicher Gewalt‘ oder Partys, bei denen laute Musik und Alkohol im Spiel sind, könnte das Aktivieren der Körperkameras eine deeskalierende Wirkung haben und somit zum Schutze der Beamtinnen und Beamten führen. Die potentiellen Straftäter sind sich bewusst, dass ihr Handeln videografisch und gerichtsverwertbar dokumentiert wird, was eine weitere Senkung der Fallzahlen zur Folge hätte.“

Ende Januar 2018 kündigte das bayerische Innenministerium eine Änderung des Polizeirechts an. Innenstaatssekretär Gerhard Eck legte dar: „Der Bodycam-Einsatz muss immer dann möglich sein, wenn dies zum Schutz von potentiellen Opfern und Polizeibeamten erforderlich ist. Gerade Opfer von häuslicher Gewalt konnten aufgrund der bisherigen Rechtslage noch nicht vom Einsatz von Bodycams profitieren. Das wollen wir im Sinne eines effektiven Opferschutzes ändern.“5

 

 Quellen:

1 Mark A. Zöller: Der Einsatz von Bodycams zur polizeilichen Gefahrenabwehr. Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel des rheinland-pfälzischen Pilotprojekts. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main 2017. 86 Seiten, 16,80 €. ISBN 978-3-86676-484-2.
2 Vgl.: Drucksache 17/2344 – Antwort des Ministeriums des Innern und für Sport auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Gordon Schnieder (CDU), Drucksache 17/2142.
3 Vgl.: POG §27 a (2) in der Fassung vom 30. 6. 2017.
4 Vgl.: Andreas Sackreuther (SPD) auf www.spdfraktion-rlp.de/204+M57d047621f1.html
5 Vgl. Klaus Kohnen: Staatskanzlei; Staatsregierung bringt Änderung des Bayerischen Polizeirechts auf den Weg. In: Bayerischer rechts- und Verwaltungsreport vom 30. Januar 2018.

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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