G20 in Hamburg
Eine Herausforderung für alle Sicherheitskräfte
Von Klaus-Henning Glitza
Es war mucksmäuschenstill im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses, als Bundeskanzlerin Angela Merkel eine spektakuläre Nachricht verkündete: Hamburg, ihre Geburtsstadt, werde Gastgeber des zwischen dem 7. und 8. Juli 2017 in Deutschland stattfindenden G20-Treffens sein. Diese Nachricht gab die Regierungschefin beim traditionellen Matthiae-Mahl im Februar 2016 bekannt. Applaus brandete auf. Doch einige der Teilnehmer sollen mehr oder minder vernehmbar geschluckt haben. Denn der Gipfel der „Gruppe der Zwanzig“ ist eine große Ehre für Deutschlands zweitgrößte Stadt, aber auch eine maximale Herausforderung.
G20 ist eine Veranstaltung, bei der es vor Superlativen nur so strotzt. Neben Staats- und Regierungschefs werden rund 6.500 Delegierte der G20-Mitgliedsstaaten und 14 internationalen Organisationen wie Uno, Weltbank oder Afrikanischer Union erwartet. Begleitet werden diese VIPs von einer Vielzahl von Mitarbeitern. Darüber hinaus wird mit 3.000 Journalisten aus dem In- und Ausland gerechnet. Nicht zu vergessen sind mehrere Tausend ausländische Sicherheitsbeamte, die für den Schutz der Spitzenpolitiker sorgen werden. Allein der U.S. Secret Service und die ihn unterstützenden Dienste aus der Intelligence Community pflegen mit Personalstärken um die 500 anzurücken.
Hinzu kommt, dass gleich mehrere Staatsmänner anreisen, von denen jeder einzelne bereits Herausforderung genug ist. Die bekanntesten Namen sind Donald Trump, Wladimir Wladimirowitsch Putin und Recep Tayyip Erdogan. Allesamt Männer, die nicht nur in den zurückliegenden Monaten und Jahren die Titelseiten beherrschten; und das selten in positiver Art. Eine ebenso große Nummer der Weltpolitik ist auch Xi Jinping, KP-Chef und Staatspräsident der Volksrepublik China. „Parade der Monster“, so schmäht die „Interventionistische Linke“, eine der Hauptorganisationen der örtlichen G20-Gegner, die Phalanx der Präsidialen.
Herausforderung G20-Gipfel in Hamburg.
Die Freie und Hansestadt wird zur ersten deutschen Metropole, die eine solche Riesenveranstaltung ausrichtet. Der Gipfel ist ein Mega-Ereignis, das es in dieser Dimension in der Bundesrepublik noch nie gegeben hat. Die G7- und G8-Gipfel, die bisher in Deutschland ausgerichtet wurden, sind mit dem globalen Treffen der
weltweit einflussreichsten Politiker nicht zu vergleichen.Hamburg – das Tor zur Welt und ein Sinnbild für Internationalität und Weltoffenheit, aber auch eines der großen deutschen Zentren von Autonomen und Globalisierungsgegnern aller Schattierungen. „Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass eine Großstadt wie Hamburg aus Sicherheitsgesichtspunkten nicht der idealste Ort für solche Veranstaltungen ist“, wird Hartmut Dudde, der Leiter des Vorbereitungsstabes OSZE/G20 der Polizei Hamburg, im „Polizeispiegel“ zitiert.
„Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe“, ergänzt ein Beamter der Hamburger Polizei, die für Gesamtplanung und Gesamteinsatzleitung bei der Absicherung des Gipfels zuständig ist. Der jüngste Brandanschlag auf sechs Polizeieinsatzfahrzeuge in Hamburg-Eimsbüttel wirft ein Schlaglicht auf die künftige Bedrohungslage. Schon im Vorfeld der OSZE-Veranstaltung hatte sich ein Brandanschlag ereignet, der den Messehallen galt. „Hamburg ist ein heißes
Misslich: Die hanseatische Polizeibehörde kann bei ihrer Aufgabenbewältigung kaum auf bestehende Sicherheitskonzepte zurückgreifen. In vielen Fällen muss deshalb gewissermaßen das Rad neu erfunden werden. Die Einsatzkonzepte ausländischer Austragungsorte, die auf der Lahmlegung kompletter Innenstadtbereiche, Massenverhaftungen und massivsten Polizeieinsätzen basierten, dienen nur begrenzt als Vorlagen. Denn in Hamburg ist es Prämisse, die Einschränkungen und Belastungen für die Bürger weitestgehend in Grenzen zu halten, wie Innensenator Andy Grote betont. Die gesamte Innenstadt zur Sicherheitszone zu erklären, ist bei den Hanseaten keine diskussionsfähige Option. Allenfalls ein Sicherheitskonzept, das im Vorgriff auf die schließlich abgesagte Olympia-Beteiligung Hamburgs entwickelt wurde, bietet eine eher bescheidene Starthilfe.
Generalprobe OSZE-Gipfel 2016
Da erweist es sich aus Polizeisicht als überaus nützlich, dass auf eine „Generalprobe“ zurückgegriffen werden kann. Beim Gipfel der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Anfang Dezember 2016 gleichfalls in Hamburg stattfand, konnten wertvolle Erfahrungen gewonnen werden. Diese
Darüber hinaus wurde auch das Zusammenwirken mit privaten Sicherheitsdiensten beim OSZE-Treffen erprobt. Der Anteil der Privaten am Schutz des OSZE-Treffens bestand nach Aussagen des stellvertretenden Vorsitzenden der BDSW-Landesgruppe Hamburg, Carsten Klauer, unter anderem in der Absicherung der Fahrzeugstellflächen der Polizei. Es ist davon auszugehen, dass diese bewährte Kooperation auch beim bevorstehenden G20-Gipfel fortgesetzt werden wird. Wie Carsten Klauer weiter mitteilt, mehren sich bereits jetzt bei den privaten Sicherheitsdiensten die Aufträge für den Objektschutz privater Liegenschaften.
Aus den Erfahrungen des OSZE-Gipfels haben aber auch die Gegner gelernt. Wie aus Sicherheitskreisen verlautet, diente diese Großveranstaltung gerade dem linken Spektrum als „warm up“. Wie aus unterschiedlichen internen Szene-Veröffentlichungen hervorgeht, nutzten diese Kreise den OSZE-Gipfel, um zielgerichtet Polizeitaktiken zu studieren.
Anforderungen an die Sicherheitskräfte von bisher nicht gekanntem Ausmaß
Ein weiterer entscheidender Knackpunkt ist in Hamburg der Veranstaltungsort. Vergleichbare abgelegene und deshalb optimal abschirmbare Locations – wie das Grand Hotel Heiligendamm beim G-8-Gipfel 2007 und das Schloss Elmau beim G7-Treffen 2015 – gibt es in der Freien und Hansestadt nicht. Einige essentielle Grundsätze der aus Erfahrung gewonnenen Polizeitaktiken für den Schutz
von politischen Großveranstaltungen, auch summit policing genannt, lassen sich deshalb gar nicht anwenden.Das mecklenburgische Heiligendamm, ein Ortsteil mit gerade einmal 300 Einwohnern, und das oberbayerische Klais (zirka 200 Einwohner), unterhalb des Schlosses Elmau gelegen, wurden unter polizeitaktischen Aspekten mit Bedacht ausgewählt. Es fehlte in beiden Orten die „Aufmarschbasis“ für Demonstranten. Dagegen gab es natürliche Hindernisse (maritimes beziehungsweise alpines Umfeld), die
der Sicherheit zugute kamen.Das waren Verhältnisse, die den Bedingungen in einer 1,8-Millionen-Stadt diametral entgegengesetzt sind. Der urbane Raum bietet nicht nur eine riesige „Aufmarschbasis“. Während eine örtliche „Gegenkultur“ an der Ostsee und in den bayerischen Alpen eher rar war, ist sie in Hamburg mit Händen zu greifen. Hinzu kommt die hochentwickelte Infrastruktur einer Großstadt. Vieles, wofür die Demonstrationsteilnehmer in Heiligendamm und Klais Dutzende von Kilometern zurücklegen mussten, gibt es in Hamburg an jeder Straßenecke. Bei einem Vorbereitungstreffen linksgerichteter und autonomer Kreise im vergangenen Jahr (Motto „G 20 entern- Kapitalismus versenken“) hieß es denn auch: „Lasst Waffen und alles Illegale lieber zu Hause. Hamburg ist eine Großstadt, das könnt ihr alles hier besorgen.“
Statt eines entlegenen Schlosses auf 1080 Meter Höhe beziehungsweise eines Grand Hotels am Ostseestrand ist in der Hansestadt das Messegelände als hauptsächliche Tagungsstätte des G-20-Gipfels ausgewiesen. Dieses Areal, das auch schon zum OSZE-Gipfel genutzt wurde, liegt mitten in der Stadt und ist nur wenige Meter vom Schanzen- und Karolinen-Viertel entfernt.
Beide Stadtbereiche rund um die Sternschanze und die Karolinenstraße gelten nicht nur als bevorzugte Quartiere von Künstlern, Alternativen und Punks, sondern auch als Eldorado der linksextremistischen Szene. Die CDU hat dort den Stellenwert einer Splitterpartei mit stellenweise Wahlergebnissen von nicht einmal drei Prozent. Auch die SPD liegt hinter den Grünen und der Linken zurück. Der gängige Vergleich mit Berlin-Kreuzberg, er ist keinesfalls an den Haaren herbeigezogen.
Dennoch: Eine andere Liegenschaft, die auch nur entfernt ähnliche Ausmaße, Nutzungsmöglichkeiten und grundlegende physische Sicherungen aufweist, ist in der gesamten Hansestadt nicht zu finden. „Es gibt keine Alternative zum Messegelände“, bringt es der Hamburger Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch, gegenüber Veko-online auf den Punkt.
Rund 14.000 Polizisten werden nach derzeitigen Planungen für die Sicherheit des G20-Gipfels in Hamburg eingesetzt. Das ist nicht wesentlich mehr als beim OSZE-Gipfel, den 13.200 Beamte absicherten. 4.000 der etwa 14.000 Polizisten stellt Hamburg, die anderen Beamten stammen aus der Bundespolizei oder aus anderen Bundesländern.
Diese Kräfte werden selbstredend nicht allesamt rund um die Tagungsstätten im Einsatz sein. Neben Objektschutz an den relevanten Punkten sind verstärkte Streifen im gesamten Stadtgebiet vorgesehen.
400 bis 500 Beamte werden allein für logistische Aufgaben, beispielsweise für die Verpflegung, zuständig sein. Das ist ein wichtiger Part, denn schlechte Einsatzverpflegung gilt als Sargnagel für die „Moral der Truppe“, die bei diesem Einsatz von besonderer Bedeutung ist. 300 Polizeiangehörige werden sich um die Öffentlichkeitsarbeit gerade auch in den Sicherheitszonen 2 kümmern. Die Personalstärke der auf dem Flughafen tätigen Polizisten wird während des Gipfels auf 300 erhöht.
Dieser Kräfteansatz kann jederzeit verändert werden, wenn es die Lage erfordert. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Anzahl der gewaltbereiten Extremisten, die es anderes als die friedlichen Demonstranten auf Konfrontation und Straßenschlachten anlegen. Nach Erkenntnissen von Nachrichtendiensten wird derzeit weltweit zur Störung des G20-Gipfels in Hamburg aufgefordert. Die Schätzungen, wie viele gewaltbereite Personen sich unter die Demonstranten mischen könnten, reichen von 4.000 bis 10.000.
10.000 Randalierer gelten als kritischer Schwellenwert, der eine Anpassung der Personalstärke zwingend erfordern würde,
Dass es zu Ausschreitungen kommen wird, gilt unter behördlichen Sicherheitsexperten keinesfalls als fraglich. Es habe bislang keinen G20-Gipfel gegeben, der friedlich verlaufen wäre, so ein Insider. Neben deutschen Autonomen gelten insbesondere „Straßenkämpfer“ aus Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich als besonders gewaltbereit. „Gegen die sind selbst hiesige Hardliner Waisenknaben“, so die Einschätzung eines Insiders.
Einer der insgesamt 14 vorgesehenen Einsatzabschnitte (EA) wird aus der Beweissicherung- und Festnahmeeinheit Plus (BFE+) der Bundespolizei bestehen. Diese im Dezember 2015 geschaffene spezialisierte Einheit, (Motto: „Schützen, fahnden, entschlossen handeln“) ist unter anderem auf Zugriffsoperationen trainiert. Wenn die Lage es erfordert, können sie mehrere Meter weit in Demonstrantenmassen vorstoßen, um Tatverdächtige festzunehmen. Die mit ballistischen Schutzwesten und dem Sturmgewehr G36C ausgerüsteten Beamten sind auch und gerade auf bewaffnete Gewalttäter eingestellt. Ort der achtwöchigen BFE+-Spezialausbildung ist St. Augustin, der Sitz der GSG 9. Die spezialisierte Einheit war auch bereits beim OSZE-Treffen im Einsatz. „Wir kennen uns vor Ort bereits bestens aus“, so ein BFE+-Beamter. „Fast so etwas wie ein Heimspiel“, fügt er hinzu.“
Modernste Einsatzmittel sind vorgesehen
Über Hamburg wird vor und während des Gipfels eine Flugbeschränkungszone mit einem Radius von voraussichtlich 55,5 Kilometern ausgewiesen. Private Maschinen dürfen sich nur mit ausdrücklicher Genehmigung in diesem Raum bewegen. Der Aufstieg von privaten Drohnen ist untersagt. Kleinere Verstöße wird voraussichtlich die Polizei mit den eingesetzten Hubschraubern verfolgen. Bei massiveren Verstößen aber wird es zum Einsatz der Alarmrotte der Deutschen Luftwaffe kommen. Damit die Abfangjäger innerhalb kürzester Zeit (zirka fünf Minuten) in der Luft sein können, werden sie während des G20-Gipfels ständig in voller Startbereitschaft auf der Startbahn stehen.
Für besonders kritische Lagen auf dem Boden steht der Hamburger Polizei das jüngst angeschaffte Sonderfahrzeug „Survivor“ zur Verfügung. Das zwölf Tonnen schwere, aber dennoch bis zu 100 km/h erreichende Gefährt kann Angriffen mit Sprengmitteln und Handgranaten und dem Beschuss mit schweren Waffen Stand halten. Nach Polizeiangaben ist der „Survivor“ (Überlebender) ein zeitgemäßer Ersatz für den in die Jahre gekommenen Räumpanzer, der den modernen Anforderungen längst nicht mehr entspricht.
Rund um den Haupt-Austragungsort, die vier Messehallen A1 bis A4, werden wie beim OSZE-Treffen zwei Sicherheitszonen gezogen. Zur eng gefassten Sicherheitszone 1, auch rote Zone oder „No-Go-Area“ genannt, hat niemand außer G20-Teilnehmern und anderen ausdrücklich Berechtigten Zugang. Ein massives Polizeiaufgebot schirmt diesen Kernbereich engmaschig ab. Federführend in Sachen Sicherheit der Zone 1 ist das Bundeskriminalamt.
An diesen inneren Sperrkreis schließt sich die Sicherheitszone 2 an. Die sich über fast drei Kilometer erstreckende so genannte „gelbe Zone“ umfasst die angrenzenden Wohngebiete, darunter auch die „Schanze“ und das Karo-Viertel, sowie Teile des Stadtparks „Planten und Blomen“. Grundsätzlich bleibt in diesem Bereich der Zugang zu den Wohnungen für Anwohner, Post- und Pflegedienste gewährleistet. Private Sicherheitsdienste, die in diesem Bereich tätig sind, sollten sich an die zuständigen Polizeikommissariate wenden, empfiehlt der stellvertretende BDSW-Landesvorsitzende Carsten Klauer. Die mit Absperrgittern gesicherte Zone kann nur durch Kontrollpunkte, so genannte Durchlassstellen, betreten werden. Auf hohe Zäune, wie sie das Bild in Heiligendamm prägten, wird bewusst verzichtet.
„Anwohnern wird empfohlen, Ausweise bzw. Legitimationspapiere bei sich zu führen“, so eine Information der Senatsverwaltung. Das gelte auch für Kinder. „Die Zufahrt in die Sicherheitszone ist für den Individualverkehr nicht möglich; Parkmöglichkeiten werden nicht gegeben sein; abgestellte Fahrzeuge müssen entfernt werden“, heißt es weiter.
Wer keinen Ausweis dabei hat oder nicht umgemeldet ist, wird von Polizeibeamten bis zur Haustür begleitet, wo geprüft wird, ob der Name am Klingelschild steht und der Schlüssel passt. Wegen der Zugangsbeschränkung empfiehlt die Senatsverwaltung, Feiern mit auswärtigen Gästen zu verschieben. Unaufschiebbarer Besuch muss außerhalb der Sperrzone in Empfang genommen werden.
Sicherheit für die Staatsgäste
Auch rund um das Rathaus wird eine Sicherheitszone eingerichtet. Die U-Bahn-Station „Rathaus“, die innerhalb des Sperrkreises liegt, wird während des G20-Gipfels gesperrt. Die Bahnen der U-Bahn-Linie 3 durchfahren diese Station ohne anzuhalten. Daneben werden auch einige Zugänge zur nahegelegenen U-Bahn-Station „Jungfernstieg“ gesperrt.
Ebenso werden an den Hotels, in denen Staatsgäste absteigen, Sicherheitsbereiche mit Ausweiskontrollen ausgewiesen. Dort werden neben deutschen Polizisten auch ausländische Sicherheitsbeamte in konzentrierter Weise in Erscheinung treten. Dies gilt für eine Vielzahl von Beherbergungsbetrieben. VIPs wie Donald Trump werden samt ihren Mitarbeiterstäben und den Sicherheitsbeamten ein komplettes Hotel in Anspruch nehmen. Andere Staatsoberhäupter legen Wert auf die Präsidentensuite, die auch in den bevorzugten Fünf-Sterne-Hotels wie „Vier Jahreszeiten“ und „Atlantik“ jeweils nur einmal vorhanden ist.
Sorgsam abgesichert werden auch die vorgesehenen Fahrtrouten. Vom Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel bis zu den Unterbringungsorten und Veranstaltungsstätten wird ein Korridor gezogen. Während der VIP-Fahrten wird es zu Sperrungen für gewöhnliche Verkehrsteilnehmer kommen. So sehen es beispielsweise die strengen Vorschriften des U.S. Secret Service vor, dass sich keine anderen Fahrzeuge auf Routen bewegen dürfen, die der bis zu 40 Fahrzeuge umfassende Präsidenten-Konvoi (unter anderem ein spezieller Krankenwagen mit OP und ein Fahrzeug, das den Mobilfunk im Umkreis von mehreren 100 Meter lahmlegen kann) befährt. Auch die Sicherheitsmaßnahmen von Putin und des sich permanent gefährdet fühlenden Erdogan gelten als ähnlich intensiv.
Der Unterwasserbereich von Brücken, die an den relevanten Fahrtrouten und Sicherheitszone liegen, wird zeitnah vor dem Veranstaltungstermin von Tauchern inspiziert. Die in Hamburg zahlreichen Wasserwege werden durch Patrouillenboote gesichert.
Dass in den Sicherheitszonen, in der Nähe der Hotels und an den vorgesehenen Fahrtrouten die Gullideckel verschweißt werden, ist inzwischen bei Veranstaltungen solcher Dimension Routine.
In Hamburg-Harburg werden in einer ehemaligen Großmarkthalle an der Schlachthofstraße 3 auf 11.500 Quadratmetern eine Gefangenensammelstelle und eine Außenstelle des Amtsgerichtes Hamburg geschaffen. Beide Einrichtungen werden kurz „Neuland“ genannt. Eine dort ursprünglich eingerichtete Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende („ZAE Neuland 2“) ist bereits im Februar geschlossen worden. In der Gefangensammelstelle (Gesa) können in Einzelzellen-Containern 150 Personen in Polizeigewahrsam genommen werden, für 250 weitere Personen werden Gemeinschaftszellen installiert. Damit über längerfristige Gewahrsamnahmen (bis zu zehn Tage sind zur Gefahrenabwehr möglich) oder Inhaftierungen schnell und noch vor Ort entschieden werden kann, werden gleichfalls in Containern Büros für neun Richter, 18 Mitarbeiter sowie eine unbestimmte Anzahl von Staatsanwälten eingerichtet. Es ist an einen 24-Stunden-Betrieb in Schichten gedacht. Für den anwaltlichen Notdienst und Strafverteidiger sollen mindestens sechs weitere Container-Räume zur Verfügung stehen. Vor Ort werden sich wegen der vorauszusehenden Internationalität der Gefangenen auch Ansprechpartner unterschiedlicher Konsulate bereithalten.
Grund für die Außenstelle Neuland ist auch, dass das eigentliche Justizgebäude am Hamburger Sievekingplatz am Rande einer Sicherheitszone liegt und während des G20-Gipfels nur eingeschränkt erreichbar sein wird. „Normale Verhandlungstermine wird es vom 3. bis zum 7. Juli voraussichtlich so gut wie nicht geben“, teilt das Gericht mit.
Beim Erlass von Haftanordnungen werden die Gefangenen vornehmlich in die Justizvollzugsanstalt Billwerder überstellt. Als Reserve wird aber auch das ehemalige Frauengefängnis (rund 100 Haftplätze) auf der Elbinsel Hahnöfersand vorgehalten. Die Außensicherung der Vollzugsanstalt ist zu diesem Zweck verstärkt worden.
In erster Linie wird versucht, chronische Randalierer bereits an den Außengrenzen aufzuhalten. Ob dazu die Erleichterungen des Schengen-Abkommens zeitweise außer Kraft gesetzt werden, ist noch nicht sicher.
Die Störer planen ihre Gegenaktionen
Derweil wird weltweit für Gegenaktionen zum G20-Gipfel getrommelt. „Von Hamburg bis München, von Barcelona bis Athen, von Toronto bis Sydney bereiten sich
Nach zuverlässigen Informationen sind bereits für den 7. Juli „massenhafte Aktionen zivilen Ungehorsams“ geplant. Unter diesem Oberbegriff sind unter anderem „Sit-Ins“ auf den relevanten Routen und anderen Orten, beispielsweise Hamburgs Nadelöhr Elbtunnel, zu verstehen. Dabei werden bewusst Behinderungen des öffentlichen Nahverkehrs und auch Störungen des Hafenbetriebs in Kauf genommen. Um die „Sit-Ins“ zu professionalisieren, soll im Mai ein „Blockade-Training“ realisiert werden.
Doch die Planungen extremistischer Strukturen gehen noch weiter. Selbst über eine Störung des Flugverkehrs wird als Aktionsform nachgedacht. Die Idee: Eine Vielzahl von Luftballons, mit Helium gefüllt, sollen gen Himmel geschickt werden, damit Regierungsmaschinen wie die Air Force One nicht landen können.
Ziel sei es, „den Gipfel in der Innenstadt, aber auch den alltäglichen kapitalistischen Normalzustand zu unterbrechen“, macht Antonio Vega vom Anti-G20-Aktionskreis deutlich. „Der Gipfel kann tagen, aber die Infrastruktur drum herum wird leiden“, kündigt zudem die Sprecherin der Interventionistischen Linken, Emily Laquer, an. Ihre Stoßrichtung: „Ein logistisches Desaster erzeugen, Straßen verstopfen – allein mit der Masse der Teilnehmer“. Stadtteil-Initiativen planen zudem „NoCop-Zones“, sprich polizeifreie Zonen. Auf welche Weise sie dies erreichen wollen, ist bislang unklar. In einem Strategiepapier ist von „erkämpfen“ die Rede.
Zweifellos: Die Polizei steht vor einem Großeinsatz, wie es ihn in der Geschichte der Bundesrepublik, geschweige denn der Hansestadt noch nie gegeben hat. Die bisher bekannten Maßstäbe würden ihre Gültigkeit verlieren, es stehe ein Einsatz bevor, der an Härte kaum zu überbieten sein werde, prognostizieren Polizeipraktiker, Auch für Hamburgs Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch, steht fest: „Es wird ein außerordentlich belastender Einsatz“. Aber er fügt hinzu: „Sämtliche Berufsvertretungen stehen wie ein Mann hinter der Polizeiführung und den eingesetzten Kollegen“.
Gut zu wissen für die Beamten, die einmal mehr ihren Kopf hinhalten müssen.