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Soldaten der US-Army und Angehörige des BGS beim Dienst an der Zonengrenze im Jahr 1979
Foto: © wikimedia

Bundespolizei reloaded

Von Bernd Walter

Kaum eine andere Polizeiorganisation ist enger mit der deutschen Nachkriegsgeschichte, mit den Prozessen der Veränderung im bundesrepublikanischen Sicherheitsdenken, der Wiederherstellung der deutschen Einheit, dem europäischen Einigungsprozess und der neuen Grenzziehung zwischen innerer und äußerer Sicherheit verbunden wie die Bundespolizei, die bereits bis zu ihrer Umbenennung im Jahre 2005 als Bundesgrenzschutz ein bemerkenswertes Profil als Sonderpolizei des Bundes in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland gewonnen hatte. Heute ist sie undiskutiert ein wesentlicher Pfeiler in der bundesdeutschen Sicherheitsarchitektur. Gleichwohl hat ihre erfolgreiche Biographie die nunmehr personalstärkste Bundespolizei nie davor gefeit, ständig in kontroverse rechtliche und politische Diskussionen hineingezogen zu werden, wobei die Argumentationslinien meistens durch ein fachlich wenig fundiertes Geflecht von Behauptungen, Unterstellungen, Vorurteilen und beliebig austauschbaren Verallgemeinerungen sowie den latenten Vorbehalten im Bund-Länder-Verhältnis bestimmt wurden. Nachfolgend soll die aktuelle Entwicklung skizziert werden.

Von der Langlebigkeit von Vorurteilen

Der Fußballtrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft kennt das Phänomen schon seit längerem. Neben ihm existieren Legionen von Fachleuten, die ohnehin Bundespolizeihubschrauber, Typ AS 332 L1 „Super Puma“
Foto:© Bene 16 wikimedia
alles besser wissen. Der Bundespolizei geht es ähnlich. Nur das schlechte Gedächtnis der Durchschnittsbürger bewahrt jene selbsternannten Fachleute vor einer Blamage, die mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit den Abgesang des damaligen Bundesgrenzschutzes aus seinem klassischen Grenzschutzauftrag und die Übertragung der neuen Aufgaben im Bereich der Luftsicherheit und der Bahnpolizei als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für eine von der Auflösung bedrohte Bundesexekutive vermuteten. Sie irrten sich in mehrfacher Hinsicht. Im Zusammenhang mit der Migrationskrise und der Zunahme der terroristischen Bedrohungen ist die Bundespolizei einsatzmäßig bis zur Schmerzgrenze strapaziert, zumal Binnengrenzkontrollen und die damit verbundene Schleierfahndung auch in einem Europa des freien Reiseverkehrs auf Dauer ihre Berechtigung haben werden. Die Migrationslage an den Südostgrenzen ist so angespannt, dass die Bundespolizei sogar auf die Unterstützung der bayerischen Landespolizei zurückgreifen muss. Wie virulent die derzeitige Lage ist, beweisen mehrere Faktoren. Die Bundespolizei schiebt einen Überstundenberg in Millionenhöhe vor sich her, die Krankenstände steigen, immer mehr Beamte müssen aus ihren Stammdienststellen abgezogen werden, um die Löcher an den Brennpunkten zu stopfen. Nach Gewerkschaftsangaben wurden bis zu fünfzig Prozent des Personals an den Westgrenzen an die deutsch-österreichische Grenze in Südbayern abgeordnet

BGS Uniformen 1987
Foto: © German Federals Archives, wikimedia
Es irrten sich aber auch diejenigen, die jahrzehntelang gegen eine Umwandlung der ursprünglichen Namensgebung Bundesgrenzschutz in Bundespolizei waren. Die Firmierung Bundespolizei ist heute bereits Selbstverständlichkeit in den Medien und bei der Bevölkerung und selbst Vertreter der reinen Lehre von der Exklusivität der Länderpolizeien haben sich im Sprachgebrauch mit der normativen Kraft des Faktischen abgefunden. Nur das Grundgesetz pflegt noch den Geburtsnamen.

Der damalige Grenzschutz hat nämlich das enge Korsett seine ursprünglich grenzbezogenen Sonderaufgaben schon vor Jahren abgelegt. Nachdem die Funktion des BGS als unverzichtbare Polizeireserve im "Programm für die innere Sicherheit" von 1974 festgeschrieben wurde, vollzog sich schleichend der Wandel von der Grenzpolizei zur Polizei des Bundes, deren Aufgabenbereich ständig wuchs. Durch die normative Kraft des Faktischen wurden Aufgaben auf Hoher Schiff Bredstedt der Bundespolizei / Küstenwache
Foto: © Dankone, wikimedia
See und der Schutz zahlreicher Bundesorgane übernommen. Die geschlossenen Einheiten wurden Dauergast bei allen größeren Anlässen im Zuständigkeitsbereich der Länderpolizeien. Die meisten Länder empfanden es als willkommene Entlastung ihrer Polizeikräfte, als sie die personalintensiven Aufgaben im Bereich der Bahnpolizei und zur Gewährleistung von Luftsicherheit an den Bund abgeben konnten. Der Flugdienst im BGS, ohnehin der weltweit größte private Betreiber in diesem Bereich, entwickelte einen weltweit anerkannten Rettungsdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde im Bereich der Funktechnik unterstützt, die Begehrlichkeit des Bundeskriminalamtes und anderer Einrichtungen, sich durch Personal des BGS zu erweitern, wuchs ständig. Nahezu bei allen großen Naturkatastrophen waren BGS-Beamte unter den ersten Einsatzkräften. Beim Einsatz von Großbooten in Ost- und Nordsee hat er ein Alleinstellungsmerkmal. Aber auch in anderen Bereichen leistete der BGS Pionierarbeit. Lange vor den quälenden verfassungsrechtlichen Diskussionen um den Auslandseinsatz der Bundeswehr und vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 über die Möglichkeiten von Einsätzen der Bundeswehr im Rahmen von Systemen der kollektiven Sicherheit war der BGS bereits im Ausland tätig. War der Einsatz der GSG 9 zur Geiselbefreiung in Mogadischu im Jahre 1978 noch ein singulärer Akt klassischer Staatsnotwehr, wurde der BGS mit Kabinettsbeschluss vom 13. September 1989 am 14.September.1989 mit 50 Beamten für fast zwei Jahre nach Namibia zusammen mit 600 Polizisten aus 21 weiteren Staaten entsandt, um beim Übergang von Namibia zur Unabhängigkeit eingesetzt zu werden. Damit waren die BGS-Beamten die ersten deutschen Uniformierten, die das blaue Barett der UN im Ausland trugen. In schneller Reihenfolge folgten Einsätze in Kambodscha, in der Westsahara und auf dem Balkan. Die Auslandsverwendung wurde zum integralen Bestandteil des Tätigkeitsplafonds der Bundespolizei. Heute sind die Bundespolizisten nahezu in allen polizeilichen Verwendungsbereichen tätig – von der Polizeireiterei über Entschärfer und Haupttor der Bundespolizeiakademie in Lübeck.
Foto. © Der Bischof mit der E-Gitarre at the German language, Wikipedia
Verbindungsbeamte im Ausland bis hin zum Personenschutz im Ausland und im Einsatz von gemeinsamen Ermittlungsgruppen.

Die Funktion der Bundespolizei als einzige umfängliche Manövriermasse im Sicherheitsbereich auf Bundesebene ist Segen und Fluch zugleich. Zum einen entwickelte sich die Bundespolizei zu einer Einrichtung auf Augenhöhe mit den Länderpolizeien und konnte ihre Expertise in vielen Einsatzbereichen beweisen, zum anderen musste sie aber auch als Notnagel für alle Sicherheitsaufgaben herhalten, für die der Bund meinte, zuständig zu sein. So übernahm die Bundespolizei zwischenzeitlich auch die Bewachung des heimgekehrten Goldschatzes der Bundesbank und stellt Flugsicherheitsbegleiter, die sogenannten Air Marshals, bereit. Und schon wird die Aufstellung eines zweiten Verbandes der GSG 9 mit möglichem Standort Berlin diskutiert. Erst kürzlich haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu beschleunigen. Dazu soll innerhalb von drei Monaten ein gemeinsames Zentrum zur Unterstützung der Rückführung (ZUR) eingerichtet werden, dessen Leitung dem Bundesinnenministerium obliegt. Es bedarf keiner sonderlichen Phantasie, auch in diesem Organisationsakt ein neues Betätigungsfeld für die Bundespolizei zu vermuten, zumal selbst die Bundeskanzlerin für mehr Kompetenzen bei Rückführungen plädierte.

Die Konsequenzen im Haushalt

Polizeifahrzeuge am Bataclan-Theater nach den Terroranschlägen, November 2015
Foto: ©Maya-Anaïs Yataghène from Paris, France, wikimedia
Die Konsequenzen aus dem Anschlag auf den Pariser Musikclub Bataclan im November 2015 mit über hundert Toten und über 300 Verletzten unterschieden sich evident von den Folgemaßnahmen bei vorangegangenen Anlässen. Während in der Vergangenheit selbst nach Nine Eleven zwar zunächst die Verwundbarkeit der westlichen Welt gegen terroristische Angriffe breit thematisiert wurde, um dann folgenlos zu Business as usual überzugehen und mit bedingtem Vorsatz auf das Nichteintreten eines ähnlichen GAU zu spekulieren, erkannten nunmehr selbst die Verfechter eines ewigen Landfriedens, dass wohl der Rubikon der Gefährdungen überschritten wurde. Als besonders besorgniserregend wurde registriert, dass die Attentäter nicht nur mit höherer kriminellen Energie vorgingen, sondern auch mit hochklassigen Infanteriewaffen ausgestattet waren.

Von der Entwicklung blieb auch Deutschland nicht verschont. Von Hannover, wo ein Bundespolizist von einer Salafistin niedergestochen wurde, über Ansbach, Würzburg, München bis Berlin erstreckte sich die Blutspur terroristischer Anschläge und wurde Initialzündung für ein Umdenken im Sicherheitsbereich. Beim Bund, aber auch in den Ländern begann man, sich deutlich von den Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre zu distanzieren. Der Haushalt des Bundesministeriums des Innern stieg im Haushaltsjahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Milliarden Euro. Insgesamt hatte sich der Haushalt des Bundesministeriums des Innern in einer Legislaturperiode somit nahezu verdoppelt. Der Trend setzte sich im Haushaltsjahr 2017 fort, zu dem der Bundesinnenminister des Innern ausführte: „Mit dem Haushalt 2017 setzten wir die beispiellose Stärkung des BMI-Haushalts der letzten Jahre fort. Diese Entwicklung ist die angemessene Antwort auf die erheblich wachsende Bedeutung der Aufgaben des BMI und seiner Behörden. Wir haben im Jahr 2014 mit einem Haushalt von rd. 5,9 Mrd. Euro die Legislaturperiode begonnen. Der Haushalt 2017 schließt nun ab mit einem Volumen von rd. 8,98 Mrd. Euro für den Einzelplan 06. Das entspricht einer Steigerung von rd. 53 Prozent, die im Wesentlichen dem Sicherheits- und Integrationsbereich zugute kommt. Dieser Aufwuchs ist beispiellos in der Geschichte des Bundesministeriums des Innern. Er ist aufgrund der veränderten Sicherheitslage und den großen Migrationsbewegungen notwendig. Bereits im Regierungsentwurf zum Haushalt 2017 hatten wir ein umfassendes Paket zur Stärkung der Sicherheitsbehörden vorgelegt. Aufgrund der Ereignisse im Sommer und der jüngst aufgedeckten terroristischen Vorbereitungshandlungen in Deutschland habe ich mit dem Bundesfinanzminister dann ein weiteres Sicherheitspaket verabredet, das Einsatzfahrzeuge für die deutsche Bundespolizei
Foto: © Wolfgang Pehlemann, wikimedia
der Haushaltsgesetzgeber nun beschlossen hat. Von 2015 bis 2020 wird die Bundespolizei damit 7.500 zusätzliche Stellen erhalten. Auch das BKA wird in diesem Zeitraum insgesamt um über 1.300 zusätzliche Stellen anwachsen.“

Die Stellenmehrung stellt die Bundespolizei, ohnehin zurzeit in allen Tätigkeitsbereichen bis zur roten Linie gefordert, vor hohen Bewährungsproben insbesondere im Ausbildungsbereich. Innerhalb kürzester Zeit mussten ein neues Ausbildungszentrum in Bamberg aufgebaut werden, ein weiteres ist im hessischen Raum geplant. Und was in manchen Ohren seltsam klingen mag: Die Bundespolizei hat keine Bewerbungssorgen.

Neue Einsatzqualitäten – BFE plus und Direktion Spezialkräfte

Unschwer kann seit geraumer Zeit den Medien ein Tendenzwandel entnommen werden: „Polizei rüstet auf“ , „Elektroschockpistolen für alle Streifenbeamte“, „Mit Panzerwagen gegen Terroristen“, „Waffen wie beim Militär“, „Polizei bekommt Panzerwagen und Gewehre“. Neue Gefahren benötigen neue Antworten. Benötigt werden nicht nur neue Schutzhelmen und Schutzwaffen oder gepanzerte Kraftfahrzeuge, mit denen Polizeibeamte ohne Gefährdung bis in den Nahbereich eines Schusswechsels vorrücken können, sondern auch Infanteriegewehre, die einen präzisen Schuss über höhere Distanzen als die bisher überwiegend bei den Polizeien eingeführte Maschinenpistole MP 5 abgeben können. Auch hatte man erkannt, dass die Ausstattung lediglich der Sondereinsatzverbände mit einem Zwei Polizeibeamte des BGS (Vordergrund) in der 1976 eingeführten Uniform, dahinter zwei Zollhundeführer, 1980
Foto: © Willy Pragher, wikimedia
derartigen Inventar nicht der Weisheit letzter Schluss war, denn normalerweise sind es die Streifenbeamten, die als Erste am Ort einer Amoklage oder eines terroristischen Anschlages eintreffen. Bis jetzt galt die Devise „SEK oder GSG 9 vor“!

Einen zusätzlichen Weg ging die Bundespolizei mit der Aufstellung der Beweissicherung- und Festnahmeeinheit plus. Hierbei handelt es sich um robuste Einheiten mit spezieller Ausrüstung und einer Zusatzausbildung, die für besondere Lagen unterhalb der GSG 9, aber oberhalb des täglichen Wach- und Streifendienst vorgesehen sind. Die Einsatzoptionen umfassen unter anderem. den Schutz besonders gefährdeter Infrastruktur, Fahndung nach Terrorverdächtigen, Bergen von Personen aus einem Gefahrenbereich, Unterstützung von Sondereinheiten in Ausnahmelagen sowie bei nicht zeitgerechten Eintreffen von Spezialkräften die Durchführung von Notzugriffen. Die neue Einheit ist als Aufrufeinheit konzipiert und ansonsten in den Regeldienst der Bundespolizei eingebunden. Insgesamt werden fünf BFE plus mit den Standorten Blumberg bei Berlin, St. Augustin, Uelzen, Hünfeld und Bayreuth aufgestellt. Die Aufstellung soll bis August 2018 abgeschlossen sein.

Was lange währt, wird gut. Bereits seit längerer Zeit diskutierten Fachleute die Bündelung von Spezialkräften, von der sie sich einen deutlichen Mehrwert bei der Gewährleistung von Sicherheit bei hohen Gefährdungslagen versprechen. Zwischenzeitlich gab der Bundesinnenminister grünes Licht für die Aufstellung einer Bundespolizeidirektion Spezialkräfte. Ein Aufstellungsstab ist bereits zusammengetreten. In dieser Spezialeinheit sollen die GSG 9, der Bundespolizei-Flugdienst, der Personenschutz Ausland, die Sicherheitsberater an deutschen Auslandsvertretungen, die Flugsicherheitsbegleiter, die Entschärfungsdienste und bestimmte Sondertechnik zusammengefasst werden.

Wie ernst die Gefährdungslage in Deutschland geworden ist, mag auch die Tatsache verdeutlichen, dass der junge Polizist nunmehr neben bürgerfreundlichem Verhalten und Deeskalationstechniken auch Einsatzmaßnahmen zur Bewältigung dynamischer und lebensbedrohender Einsatzlagen lernt. Der Wind hat sich gedreht…

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Internationale Einsatzeinheiten – nur bedingt eine Erfolgsstory

Seit Jahren gehört der Auslandseinsatz von Polizeivollzugsbeamten in multinationalen Polizeikontingenten oder in Extremlagen zur Rettung von Menschen aus gegenwärtigen Gefahren für Leib oder Leben zur Staatspraxis der Bundesrepublik. Bereits im September 1989 wurden erstmals nach Beschluss der Bundesregierung Polizeivollzugsbeamte des damaligen BGS in das multinationale Polizeikontingent UNTAG (United Nations Transition Authority Group) nach Namibia zur Vorbereitung und Durchführung freier Wahlen entsandt. Für die Flexibilität der Organisation zeugt die Tatsache, dass zwischen dem Ersuchen des Generalsekretärs der UNO und dem Abmarsch des Kontingentes lediglich sechs Monate lagen, weil in den geschlossenen Einheiten genügend Bewerber vorhanden waren. Von den quälenden parlamentarischen Diskussionen, die die Auslandseinsätze der Bundeswehr begleiten, blieb die Organisation verschont, da für den Entsendungsbeschluss keine parlamentarische Beteiligung vorgesehen ist.

Nach weiteren Einsätzen 1992 in Kambodscha (UNTAC) sowie 1993 auf der Donau (WEU Danube) und in der West-Sahara (Minurso) beteiligten sich auch die Bundesländer mit ihren Polizeien an allen folgenden Auslandseinsätzen, wobei der Balkan das Haupteinsatzgebiet war. Die ursprünglichen Einsätze erfolgten zunächst ohne Rechtsgrundlage, denn erst mit dem BGS-Gesetz von 1994 wurden mit § 8 die Rechtsgrundlagen für einen Einsatz im Ausland eingeführt. So erfolgte der spektakuläre Einsatz der GSG 9 zur Geiselbefreiung in Mogadischu im Jahre 1978 lediglich auf der Grundlage von staatlichen Nothilfebestimmungen. Nunmehr setzt sich das deutsche Kontingent zu einem Drittel aus Bundespolizisten und zu zwei Dritteln aus Länderpolizisten zusammen. Die Verteilung erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel. Die Rahmenbedingungen für polizeiliche Auslandsverwendungen sind in den „Leitlinien für den Einsatz deutscher Polizeibeamtinnen und -beamter im Rahmen internationaler Friedensmissionen“ durch Bund und Länder festgelegt.

Aktuell werden Bundespolizisten als Einzelbeamte bzw. geschlossen in folgenden Bereichen eingesetzt:

  • Im Rahmen der Vorverlagerungsstrategie als Dokumenten- und Visumberater, Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte, Luftsicherheitsverbindungsbeamte und Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte Ausland,
  • bei FRONTEX-Maßnahmen, in bilateralen Projekten und in Projekten im Rahmen des europäischen Rückkehrfonds (ERF),
  • bei Maßnahmen der Friedenssicherung in Internationalen Polizeimissionen
  • im Sicherheitsmanagement an deutschen Auslandsvertretungen als Sicherheitsbeamte, im Hausordnungs- und Objektschutzdienst sowie zu Schutzaufgaben in Krisengebieten.

Nachdem sich bei gewaltsamen Auseinandersetzungen im Kosovo und in Bosnien schnell herausstellte, dass weder die für diese Szenarien nicht ausgebildete Bundeswehr, aber auch die eigenen Polizeikräfte aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Lagebereinigung in der Lage waren, wurde 2008 im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei die Aufstellung von zwei Internationalen Einsatzeinheiten (IEE) für robuste geschlossene Auslandseinsätze in Sankt Augustin bei Bonn angeordnet. Das Unternehmen scheiterte aus zwei Gründen. Die erste IEE erreichte mangels Bewerbernachfrage nur einen Auffüllungsgrad von 80 Prozent, die zweite IEE erblickte noch nicht einmal das Licht der Welt. Die Gründe lagen wohl neben der Immobilität des heutigen Durchschnittsbeamten an den hohen Anforderungen und an der Tatsache, dass im postheroischen Zeitalter robuste Einsätze in fernen Ländern nicht sonderliche Attraktivität entfalten. Als sich zwischenzeitlich Einsätze in unsicherer Umgebung oder zur Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika abzeichneten, beschworen unisono die Berufsvertretungen nicht vertretbare Risiken. Das ursprüngliche Vorhaben wurde 2011 aufgegeben und die Bildung von drei Hundertschaften und einem Technischen Zug als Aufrufeinheiten für einen kurzfristigen Einsatz im Ausland angeordnet.

Für die Gefährlichkeit derartiger Auslandseinsätze zeugt im Übrigen der Angriff afghanische Taliban auf das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif im November 2016. Die meisten Mitglieder des Konsulats suchten Sicherheit im Panikraum und das Schutzteam der Bundespolizei lieferte sich im Gebäudeinneren ein heftiges Feuergefecht mit den Angreifern. Erst nach anderthalb Stunden traf Entsatz durch ein Kommando der Quick Reaction Force ein.
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Und schon warten andere Aufgaben. Im Rahmen des Neukonzeptes der EU zur Bekämpfung der irregulären Migration ist die bisherige Grenzschutzagentur in eine Europäische Grenz- und Küstenwache umgewandelt worden, der insbesondere die Bewachung der EU-Außengrenzen obliegt. Für Feuerwehreinsätze bei besonderen Gefährdungslagen ist ein Soforteinsatzpool von 1.500 Grenzpolizisten gebildet worden, für den Deutschland 225 Exekutivkräfte stellen muss. Diese Aufgabe wird letztendlich von der Bundespolizei zu stemmen sein, die mit Ablösungskräften mithin 450 Beamten in einem Personalpool bereithalten muss. Der Präsident der Bundespolizei hat bereits in einem Brief an das Bundesinnenministerium deutlich gemacht, dass die nunmehrigen Auslandsverwendungen die Kräfte der Bundespolizei übersteigen und das Schwerpunkte gebildet werden müssen. Außerdem wies er auf die Möglichkeit hin, auch Kräfte vom Bundeskriminalamt und der Bundeszollverwaltung für derartige Einsätze vorzusehen. Zwischenzeitlich sind bereits zwei Boote der Bundespolizei See in den griechischen Seegewässern vor Samos eingesetzt.

…und der Zukunft zugewandt

Es mehren sich im politischen Raum die Stimmen, die eine Überprüfung der Aufgabenwahrnehmung der Bundespolizei und eine Konzentration auf ihre Kernaufgaben ins Gespräch bringen. Sicherlich sind Überlegungen den Schweiß des Edlen wert, ob voll ausgebildete Polizeivollzugsbeamte, in absehbarer Zeit auch im gehobenen Kontrollstelle der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen (bei der Eröffnung),
Foto: © Kamerakinder, wikimedia
Dienst, jahrelang zum Objektschutz eingesetzt werden müssen, zum Bundeskriminalamt abgeordnet werden, weil dort der mittlere Dienst abgeschafft wurde oder das Personal in deutschen Auslandsvertretungen verstärken müssen. Der jungen Bundespolizei ist zu wünschen, dass sie trotz der zusätzlichen Belastungen und Herausforderungen die Reputation, die der BGS jahrzehntelang genossen hat, nicht nur bewahrt, sondern auch mehrt. Alle Zeichen sprechen dafür. Allerdings sollte sie auch nicht unbedingt falschen Propheten hinterherlaufen, denn der Wandel kann nämlich auch zum Fluch werden, wenn im permanenten Prozess der Neubestimmung und unter dem Eindruck ständiger Zäsuren Geschichts- und Gesichtsverlust drohen, weil der Nullpunkt ständig neu definiert wird und keine größere Phase der Kontinuität zum Atemholen eingeräumt wird. Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob die Bundespolizei aus einem veränderten Aufgabenverständnis Berufszufriedenheit und Identität bezieht und nicht in Gefahr läuft, durch unkritische Anpassung jede Kontur und Besonderheit zu verlieren.

 

Über den Autor
Bernd Walter
Bernd Walter
Bernd Walter, nach vierzigjähriger Dienstzeit in der Bundespolizei mit unterschiedlichen Verwendungen im Führungs-, Einsatz-, Ausbildungs- und Ministerialbereich als Präsident des Grenzschutzpräsidiums Ost in den Ruhestand getreten. Anschließend Vorbeitrittsberater* der EU bei unterschiedlichen Sicherheitsbehörden in Ungarn. Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Fragen der inneren und äußeren Sicherheit.
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