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Spezialisten des Entschärfungsdienstes vor der Zentrale des Eko Cobra/DSE in Wiener Neustadt

Brisante Einsätze

Von Thomas Csengel und Werner Sabitzer

Im Schnitt rücken die Entschärfungsspezialisten des Eko Cobra/DSE jeden Tag zu einem Einsatz aus. Eine wesentliche Komponente ihrer Arbeit ist die Prävention.
Explosion einer Handgranate, verdächtige Substanz in einem Hotel, Fund von selbstgebastelten Sprengkörpern, Hauseinsturz nach einer Explosion, Bombenattrappe bei einem Bankraub, sprengstoffverdächtige Pakete, Sprengfallen. In diesen und ähnlichen Fällen rücken die Spezialisten des Entschärfungsdienstes des Einsatzkommandos Cobra/Direktion für Spezialeinheiten (Eko Cobra/DSE) aus, um die Tatorte, Fundorte und Unfallstellen zu sichern, die Gefährdung von Menschen und Sachen zu beseitigen, Explosivstoffe und andere brisante Gegenstände abzutransportieren und zu vernichten. Dazu komen Präventivtätigkeiten bei sensiblen Großveranstaltungen – zeit- und personalintensive „Bomb-Checks“.


Die Zahl der Einsätze für die 18 Mitarbeiter des Entschärfungsdienstes des österreichischen Innenministeriums ist in den letzten Jahren stark angestiegen. 2010 gab es 189 Einsätze, zwei Jahre später waren es 228 und 2014 bereits 329 Einsätze. Von Jänner bis Mitte August 2015 gab es bereits 216 Einsatzanforderungen, im Schnitt ein Einsatz pro Tag. Die meisten Einsätze betrafen Sprengmittel, sprengstoffverdächtige Gegenstände und Selbstlaborate sowie Kriegsmaterial, das nicht vom Entminungsdienst, sondern vom Entschärfungsdienst geborgen wurde, weil ein strafrechtlicher Hintergrund vorlag. Die 71 Sprengstoffsachkunden in den Landespolizeidirektionen erledigten 2014 in Österreich 1.942 Einsätze und die 30 Sprengstoffhundeführerinnen und -führer hatten ca. 900 Einsatzanforderungen.

Den aufsehenerregendsten Sprengstoffanschlag des vergangenen Jahres gab es am 11. Jänner in Wien. In einem Auto wurden zwei tote Männer gefunden, nachdem eine Handgranate explodiert war. Sie fielen einem Mordanschlag zum Opfer.

Einer der gefährlichsten Einsätze seit der Briefbombenserie der 1990er-Jahre war für die Entschärfer die Sicherungs- und Bergearbeit nach der Explosion einer illegalen Pyrotechnik-Produktionsstätte am 17. November 2014 in Kapfenstein, Steiermark. Ein 57-jähriger Mann und sein 29-jähriger Sohn kamen ums Leben. Ein weiterer Sohn, der sich im angrenzenden Haus aufgehalten hatte, erlitt Kopfverletzungen. Benachbarte Wohnhäuser, Wohnungen und Autos wurden beschädigt. In den Explosionstrümmern und im Schutt befanden sich Unmengen an Chemikalien und an sensiblen, fertig gemischten Explosivstoffen, im Gebäude waren Tausende illegal hergestellte Feuerwerkskörper gelagert. Sie wurden von den Entschärfern als nicht handhabungs- und transportsicher beurteilt und wurden vom Entschärfungsdienst in einem nahen Steinbruch vernichtet. Die Arbeit der Entschärfer in diesem Fall blieb intensiv: In den Monaten nach dem schweren Unfall wurden in ganz Österreich 50.000 pyrotechnische Artikel aus der illegalen Produktion sichergestellt und vernichtet.

Vielfältige Aufgaben

Beim Entschärfungsdienst arbeiten 18 Mitarbeiter. Zu ihren Aufgaben zählen unter anderem:
das Erkennen, Untersuchen und Entschärfen von Sprengvorrichtungen, technische Beurteilungen,

  • die Tatortsicherung und Unterstützung bei der Tatortarbeit nach Unfällen oder Anschlägen mit Sprengstoff oder pyrotechnischen Erzeugnissen,
  • der Transport, die Lagerung und unumgängliche Vernichtung von Sprengmitteln, Zündern, Explosivstoffen und gefährlichen sowie von den Sicherheitsbehörden für verfallen erklärten pyrotechnischen Produkten,
  • die Prävention, insbesondere bei Staatsbesuchen und bei Großveranstaltungen („Bomb-Checks“).

Seit 1. September 2015 erfolgen aufgrund von EU-Vorgaben verschärfte Sprengstoffkontrollen auf den Flughäfen. Passagiere, Handgepäck sowie Laptops, Tablets und Handys werden auf Spuren von Sprengstoffen untersucht.

Die meisten Entschärfer sind seit vielen Jahren im Team und haben große Erfahrung im Umgang mit Sprengkörpern. Rekrutiert werden die Mitarbeiter hauptsächlich aus dem Kreis der „Sprengstoffsachkundigen“ (SKO). Die 18 Entschärfer bilden Einsatzteams mit zwei Leuten. Jeden Tag sind drei Zweier-Teams im Dienst. Das Team besteht, wie international bei zivilen Entschärfungsdiensten üblich, aus einem „Einser-Entschärfer“ und einem „Zweier-Entschärfer“. Der „Einser“ entscheidet und entschärft; der „Zweier“ unterstützt ihn dabei, hilft ihm in den Bombenschutzanzug und lenkt den Roboter. In der Einsatzphase bleibt er in der sicheren Einsatzbasis, der „Einser“ geht bei Bedarf allein im Schutzanzug vor. Die britischen Entschärfer bezeichnen den Weg zur Bombe als „the long way“. „Dort vorne bist du der einsamste Mensch der Welt und weißt, dass es jederzeit aus sein kann“, sagt Oberst Franz Warisch, Leiter des Entschärfungsdienstes. Sollte dem „Einser“ vorne etwas passieren, fungiert der „Zweier“ als Retter unter hoher Selbstgefährdung. Jeder Entschärfer wird ungefähr gleich oft als „Einser“ und „Zweier“ eingeteilt.

„Die Entschärfer sind Spezialisten, die immer wieder vor neue Einsatzanforderungen gestellt werden“, sagt Brigadier Erwin Strametz, Leiter der DSE-Abteilung 2 (Ausbildung, Sonder- und Spezialeinsatz), dem das Referat Entschärfungsdienst in der DSE unterstellt ist. „Drei Einsatzteams sind österreichweit rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft, 365 Tage im Jahr“, betont Strametz. Reife, Dienst- und Lebenserfahrung, Ruhe unter höchster Anspannung, Teamfähigkeit, Teamgeist und technisches Verständnis sollten Bewerber für den Entschärfungsdienst haben, betont der Abteilungsleiter.

„Das Geheimnis des Entschärfungsdienstes ist die fundierte Ausbildung, die gute Ausrüstung, Respekt vor der Materie und etwas Glück“, sagt Thomas Csengel, Pyrotechniksachverständiger beim Entschärfungsdienst. „Explosivstoffe und Sprengsätze verzeihen keine Fehler“, sagt Csengel.

Der Entschärfungsdienst hat eine Delaboriereinrichtung in Niederösterreich. Dorthin können Explosivstoffe und Kriegsmaterial mit einem speziellen Bombentransportanhänger transportiert und unter höchster Sicherheit entschärft und zerlegt werden. Entschärfungsroboter Die Entschärfung eines Sprengsatzes erfolgt in fast allen Fällen aus sicherer Distanz mit technischen Geräten, wie ferngesteuerte Roboter und andere technische Geräte. Ist das nicht möglich, kann der Sprengkörper etwa mit einem Wassergewehr kontrolliert zerstört werden. „Eine Handentschärfung ist weltweit die Ultima Ratio, das äußerst letzte Mittel, wenn höchste Gefahr droht und andere Entschärfungsmethoden nicht anwendbar sind, etwa wenn es notwendig ist einen Sprengsatz an einer Geisel zu entschärfen“, sagt Csengel.

Internationale Zusammenarbeit

Die internationale Vernetzung werde zunehmend verstärkt, sagt Oberst Warisch. So wie die Antiterrortruppen im europäischen Verbund „Atlas“ zusammenarbeiten, besteht auch für die Entschärfungsdienste ein europäisches Netzwerk. Die Entschärfer sind eingebunden in das European Explosive Ordnance Disposal Network (EEODN). Unter anderem beteiligten sich Entschärfer und Sprengstoffermittler (Tatortleute) aus Österreich, Deutschland, Polen und Russland an der dreijährigen Ausbildungs- und Trainingsinitiative EU EXTRA – Post-Blast Investigation and IEDD.

In Budapest entsteht ein EU-gefördertes Zentrum für die Aus- und Weiterbildung von Entschärfern. Ungarn hat die Federführung, Partnerländer sind Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Polen, Kroatien und Österreich, das nicht nur Teilnehmer, sondern auch Trainer entsenden wird. Das Zentrum wird 2016 eröffnet; bis 2020 erfolgt der Vollausbau. Bei außergewöhnlichen Großlagen ist auch eine grenzüberschreitende Unterstützung denkbar.

Ausbildung

Die Grundausbildung für den Entschärfungsdienst dauert mehrere Jahre, insgesamt sind Ausbildungskurse in der Gesamtdauer von 23 Wochen vorgesehen. Zwischendurch erfolgt das Training „on the Job“, vorerst nur als „Zweier-Entschärfer“. Die Entschärfer nehmen an internationalen Entschärfertagungen des deutschen Bundeskriminalamts (BKA) sowie an anderen Fortbildungsveranstaltungen in anderen EU-Ländern als Teilnehmer, fallweise auch als Vortragende teil. Eine Herausforderung sei die rasante technologische Weiterentwicklung, betont Franz Warisch.

Ausrüstung

Die Entschärfer verfügen über Einsatzfahrzeuge mit Spezialgeräten, Bomben-Anhänger für den Transport explosiver Gegenstände, Schutzanzüge, Manipulierstangen, Beamter und Roboter Wassergewehre, Jammer, digitale Röntgensysteme, Sprenstofftestsets, Videoskop, Transportbehälter, Behälter für flüssigen Stickstoff (Kryotechnik) und ferngesteuerte Roboter, die auch Treppen überwinden. Dazu kommen Sprengmittel und Zünder für kontrollierte Sprengungen sowie eine Transporttasche für Briefbomben. Der Bombenschutzanzug ist 45 Kilogramm schwer.

„Sprengstoffsachkundige“ Polizisten

Unterstützt werden die Entschärfer von den 71 „Sprengstoffsachkundigen“ (SKO) in den Landespolizeidirektionen. Wird ein sprengstoffverdächtiger Gegenstand entdeckt, verständigen die Polizisten einen SKO ihrer Landespolizeidirektion. Die Sprengstoffsachkundigen prüfen den Gegenstand. Stellen sie fest, dass es sich um einen Explosivkörper handelt, sichern sie den Ort und verständigen den Entschärfungsdienst. Die modulartige SKO-Ausbildung dauert zwölf Wochen und wird innerhalb von eineinhalb Jahren absolviert. Jeder SKO hat eine persönliche Splitterschutzausrüstung und einen Einsatzkoffer. Bazookas aus einem versuchten AnschlagIn jedem Bundesland steht für sie ein mobiles Röntgengerät zur Verfügung. Das SKO-System ist in der Form in Europa einzigartig. Einige Nachbarländer planen ein ähnliches System. Die SKO-Tätigkeit beruht auf Freiwilligkeit. Unter den SKOs befindet sich derzeit erst eine Frau.

Sprengstoffspürhunde

Unverzichtbare Partner für den ESD und die SKO sind die 30 Diensthundeführerinnen und -führer mit ihren für das Sprengstoffaufspüren ausgebildeten Hunden. Eingesetzt werden die Diensthunde vor allem bei Hausdurchsuchungen, wenn Explosivstoffe vermutet werden, bei Grenzkontrollen und präventiv bei Staatsbesuchen und Großveranstaltungen. Begleitet wird ein Sprengstoffspürhund nicht nur vom Diensthundeführer, sondern auch von einem Mitarbeiter des Entschärfungsdienstes – außer bei Grenzkontrollen und bei der Suche nach Waffen. Die Hunde werden mit bestimmten Stoffen ausgebildet, die für Sprengstoffe charakteristische chemische Verbindungen enthalten. Zudem werden sie mit echten Sprengstoffen und explosiven Selbstlaboraten konditioniert. So können sie Explosivstoffe aller Art erschnüffeln, auch von Bombenbauern selbst hergestellte. In der zehnwöchigen Ausbildung lernen die Spürhunde, einen erschnüffelten Gegenstand passiv anzuzeigen und nicht zu bellen oder den Gegenstand zu berühren, um nicht eine eventuelle Sprengfalle auszulösen.

Einsatztaucher

Einige Mitarbeiter des Entschärfungsdienstes sind ausgebildete Einsatztaucher. Unterstützt von den Einsatztauchern des EKO Cobra werden sie eingesetzt, wenn Sprengkörper aus Seen und Flüssen geborgen oder unter Wasser entschärft werden müssen. Bei Sonderschutzmaßnahmen, Staatsbesuchen und bestimmten Großveranstaltungen durchsuchen sie präventiv Gewässer, Schiffsanlegestellen und Schiffsrümpfe. Die ESD-Einsatztaucher sind maßgeblich am Aufbau und an der Weiterbildung von Unterwasserentschärfergruppen im benachbarten Ausland sowie führend an der Entwicklung von Unterwasserentschärfungstechniken beteiligt.

Geschichte des Entschärfungsdienstes

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren ehemalige Wehrmachtspioniere als Entminer eingesetzt (Kampfmittelräumeinheiten). Sie waren dem Innenministerium unterstellt, da es noch kein Bundesheer gab. Ing. Alois Massak baute ab 1946 den Entminungsdienst auf. Nachdem in Kärntner Seen sprengkräftiges Kriegsmaterial gefunden worden war, richtete man 1958 beim Entminungsdienst eine Tauchergruppe ein. Ab Ende der 1960er-Jahre lautete die Bezeichnung „Entschärfungs- und Tatortarbeit und Dokumentation“. Massak bildete einige Polizisten in den Bundesländern zu „Sachkundigen Organen im Erkennen und Behandeln von sprengstoffverdächtigen Gegenständen“ (SKO) aus. Einige von ihnen kamen als Entschärfer in das Team von Massak in die Rossauer Kaserne. Ing. Heribert Ressman leitete von 1980 bis 1989 die nun „Dokumentationszentrum für Sprengstoffanschläge“ genannte Einheit, die 1989 in „Entschärfungsdienst“ (ESD) umbenannt und mit dem „Entminungsdienst“ (EMD) zur Abteilung II/17 im Bundesministerium für Inneres zusammengelegt wurde. Mit Beginn der Briefbombenserie 1993 wurde der ESD personell verstärkt und technisch aufgerüstet. Mitte der 1990er-Jahre übernahm Ing. Willibald Berenda die Leitung des Entschärfungs- und Entminungsdienstes.

1996 wurde in Wernberg in Kärnten eine Außenstelle des Entschärfungsdienstes eingerichtet und 2003 folgte eine Außenstelle in Hall in Tirol. Die Außenstelle in Wernberg ist seit 2010 nicht mehr besetzt. Nach der Gründung des Bundeskriminalamts (BK) 2003 wurden der ESD und der EMD im Büro 6.3 (Entschärfung und Entminung) des BK zusammengefasst. Der Entminungsdienst ist seit 1. Jänner 2013 eine Organisationseinheit im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS).

Mit 1. Juni 2013 wurden die bundesweit agierenden operativen Spezialeinsatzkräfte mit dem Einsatzkommando Cobra in der neuen Organisationseinheit „Einsatzkommando Cobra/Direktion für Spezialeinheiten“ (EKO Cobra/DSE) zusammengeführt. Der Entschärfungsdienst (ESD) bildet das Referat 2.3 in der Abteilung 2 (Ausbildung, Spezialeinsätze). Leiter des Referats ist Oberst Franz Warisch, der schon seit 2006 im Bundeskriminalamt den Bereich Entschärfung als aktiver Entschärfer geleitet hatte. Die Zentrale des ESD befindet sich strategisch in der Rossauer Kaserne mit zwei Einsatzteams für die Einsatzgebiete Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Burgenland und die Steiermark. Das wöchentlich wechselnde Team in der Außenstelle in Hall in Tirol ist für Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten zuständig. 2016 soll in Graz eine Außenstelle für Südösterreich eingerichtet werden. Einsatzanforderungen erfolgen über den zentralen Journaldienst des EKO Cobra/DSE in Wiener Neustadt.

Lebensgefährliche Tätigkeit

„Wenn sich alle zurückziehen, beginnt die Arbeit der Entschärfer“, Betont der Abteilungsleiter. „Sie sind die letzte Instanz und machen ihren Job unter Lebensgefahr.“ Trotz der Gefahr gab es bei den Entschärfern bisher „nur“ einige geringe Verletzungen und keine Toten – im Gegensatz zu den Entminern: Seit der Einrichtung des Entminungsdienstes im Innenministerium 1946 wurden 21 Kollegen bei Explosionen von Minen und Granaten getötet, die meisten in den Nachkriegsjahren. Der letzte schwere Unfall passierte am 17. Juli 2003: Beim Entschärfen eines Fliegerbomben-Blindgängers mit Langzeitzünder auf dem Salzburger Bahnhofsgelände explodierte das Kriegsrelikt. Die erfahrenen Entminer Gerhard Plohar und Thomas Modry waren sofort tot, ihr Kollege Franz Sadecky überlebte mit schweren Verletzungen.

„Die Zusammenarbeit mit den Landespolizeidirektionen funktioniert ausgezeichnet“, betont Abteilungsleiter Strametz. Die Entschärfer haben einen Leitfaden für die Gefahrenabwehr von Explosivstoffen (VGE-DSE 2015) verfasst. Er ist in der Informations- und Vorschriftensammlung (IVS) im BMI-Intranet verfügbar und enthält unter anderem Verhaltensregeln und Eigensicherungshinweise für Ersteinschreiter.

Wird ein sprengstoffverdächtiger Gegenstand entdeckt, verständigen die Ersteinschreiter die Landesleitzentrale, die einen SKO und ein Sprengstoffspürhundeteam entsendet. Erhärtet sich der Verdacht, dass es sich um eine „unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung“ (USBV) oder um Explosivstoffe handelt, informiert der SKO den Entschärfungsdienst und unterstützt ihn.

Lehrmittelsammlung

In der Rossauer Kaserne in Wien hat der Entschärfungsdienst brisante Exponate. Sie dokumentieren Sprengstoffanschläge und Unfälle mit Explosivkörpern seit den 1950er-Jahren in Österreich. Die Sammlung enthält unter anderem Gegenstände und Tatmittel, die an die Brief- und Rohrbombenserien in den 1990er-Jahren erinnern – Teile des Blumentopf-Sprengkörpers im Wohnhaus des Attentäters Franz Fuchs, Briefbomben, ein Nachbau der Rohrbombe von Klagenfurt, die dem SKO Theo Kelz beide Hände wegriss, Briefbomben-Nachbauten von „Trittbrettfahrern“ und Reste der Sprengfalle von Oberwart, die vier Angehörigen der Roma-Minderheit am 4. Februar 1995 das Leben kostete.

Aufgebaut wurde die Sammlung in den 1950er-Jahren von Ing. Alois Massak. Im Laufe der Jahrzehnte kamen viele Exponate dazu. Entschärfer Gerald Weis baute die Lehrmittelsammlung aus. Er betreut sie nun im Ruhestand weiter. Die Dokumentation dient der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten, die sich anhand der Exponate über die Vielfalt und Gefährlichkeit von Sprengkörpern informieren können. Zu sehen sind unter anderem die ersten beiden in Österreich eingesetzten Roboter zum Bergen von Sprengkörpern, Bombenschutzanzüge, Entschärfungswerkzeuge und eine umfangreiche Handgranatensammlung. Dazu kommen Reste heimtückischer Sprengfallen und Sprengkörper-Attrappen.

Die beiden auf die irakische Botschaft gerichteten „Bazookas“, die am 21. Juni 1986 beim Stadtpark in Wien entdeckt wurden, gehören ebenso zur Sammlung wie Exponate, die die Anschläge italienischer Extremisten in Österreich als Folge der Attentate der „Südtirol-Bumser“ dokumentieren. Bilder von Unfällen dokumentieren die Gefährlichkeit von Selbstlaboraten; wenige Gramm Sprengstoff genügen, um einen Menschen zu töten. Weitere Ausstellungsstücke sind zu Dokumentationszwecken nachgebaute Sprengkörper sowie Kanister, Gasflaschen und andere Gegenstände, die zu „Höllenmaschinen“ umgebaut wurden, Spezialpatronen, Gewehrgranaten, Hagelabwehrgeschosse und andere Munition. Die Lehrmittelsammlung dient Experten und Auszubildenden und ist öffentlich nicht zugänglich.

Selbstlaborate

Eine große Gefahr geht von Selbstlaboraten aus. Das sind selbst hergestellt Sprengstoffe, die aus Grundstoffen bestehen, die im freien Handel erhältlich oder im Haushalt verfügbar sind. Auf vielen Seiten im Internet werden detaillierte Rezepte und Anleitungen zur Herstellung aller möglichen Sprengstoffe angeboten – bis hin zu Nitroglycerin. Da Selbstlaborate nicht nach Labor- und Industriequalitätsstandards hergestellt werden, sind sie äußerst unsicher in der Handhabung und daher unberechenbar. Das Mischen, Lagern und Transportieren solcher Substanzen ist lebensgefährlich. „Schon Kinder mischen leicht verfügbare Substanzen zu Sprengstoffen zusammen und sind sich oft der hohen Lebensgefahr nicht bewusst“, sagt Csengel.

Schulung und Information

Die Spezialisten des Entschärfungsdienstes halten Vorträge zu internationalen Sprengstofftrends und organisieren Schulungen, darunter Informationstagungen für die Sprengstoffsachkundigen der Polizei, für Sprengstoffspürhundeführer und für Teilnehmer der Grundausbildungslehrgänge der Sicherheitsakademie. Dazu kommen Präsentationen bei internationalen Polizei-Workshops und bei anderen Anlässen.

Geschult werden unter anderem Bedienstete des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismus (BVT) und der Landesämter Verfassungsschutz (LV), die Haussicherheitsverantwortlichen des BMI, szenekundige Beamte der Landespolizeidirektionen, Brandermittler, Tatortleute und Spurensicherer, Einsatzbeamte des EKO Cobra und der WEGA, Trainer für Flughafensicherheit, Sicherheitskontrollbedienstete und Ausbilder der Flughäfen. Dazu kommen Schulungen und Vorführungen über die Gefahren von pyrotechnischen Gegenständen.

Derzeit befinden sich zum zweiten Mal sechs Angehörige der jordanischen Royal Guard im EKO-Cobra/DSE-Zentrum in Wiener Neustadt, wo sie eine Ausbildung zum Erkennen, Sichern und Entschärfen von Sprengkörpern erhalten. „Wir bilden die jordanischen Kollegen zu vollwertigen Entschärfern aus“, sagt Oberst Warisch.

Sichere Verwendung

In Österreich stirbt im Durchschnitt jedes Jahr ein Mensch bei einem Unfall mit Böllern, Pyrotechnikprodukten oder Selbstlaboraten. Etwa 600 Menschen werden verletzt. Unfallursachen sind hauptsächlich Unachtsamkeit, ein fehlendes Gefahrenbewusstsein, „Halbwissen“, die missbräuchliche Verwendung sowie die Verwendung von illegalen und nicht den Prüfnormen entsprechenden Produkten. Gefährlich sind vor allem billige und nicht zugelassene Erzeugnisse aus Asien, die zumeist im benachbarten Ausland angeboten werden.

Feuerwerkskörper, die im seriösen Pyrotechnikfachhandel angeboten werden, haben ein CE-Kennzeichen oder die BAM-Nummer (Pyrotechnik-Zulassungszeichen in Deutschland bis 2017).

Beim Umgang mit pyrotechnischen Produkten sind folgende Hinweise zu beachten:

  • Pyrotechnische Produkte nur bei Fachhändlern kaufen, die zugelassene Qualitätsfeuerwerkskörper, Fachberatung und Serviceleistungen anbieten. Erzeugnisse, die im Ausland oder im Internet erworben werden, entsprechen oft nicht den geforderten Qualitäts- und Zulassungskriterien.
  • Gebrauchsanweisung sorgfältig lesen und strikt einhalten. Im Zweifel sich von einem Fachhändler beraten lassen oder auf die Verwendung verzichten.
  • Feuerwerkskörper niemals manipulieren, daran herumbasteln oder bündeln.
  • Feuerwerkskörper mit Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein für andere und die Umwelt verwenden.
  • Sicherheitsabstand einhalten.
  • Beim Entzünden der Feuerwerkskörper nicht rauchen.
  • Sich niemals über den Feuerwerkskörper beugen.
  • Feuerwerksraketen nur aus umkippsicheren oder fixierten Vorrichtungen verfeuern.
  • Einen „Versager“ keinesfalls ein zweites Mal anzünden.
  • Auf Feuerwerkskörper mit Knallwirkung verzichten, insbesondere im Stadtgebiet. Lärmempfindliche Menschen und Tiere leiden darunter.

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Über den Autor
Werner Sabitzer
Werner Sabitzer
Werner Sabitzer, MSc, 63, war 30 Jahre lang Pressereferent im österreichischen Bundesministerium für Inneres (BMI) und Chefredakteur der Fachzeitschrift „Öffentliche Sicherheit“. Er ist seit 2018 Referent für Polizeigeschichte und Traditionspflege im BMI und leitet das Polizeimuseum Wien.
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