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„We shall overcome!“

Änderung der Gewerbeordnung – Gewerbefreiheit in Gefahr?

Von Heinz-Werner Aping

Der Paragraph 34a der Gewerbeordnung soll noch in diesem Jahr geändert werden.
Mit einer Anhebung der Voraussetzungen zur Gründung einer Firma im privaten Sicherheitsbereich und der Qualifikation ihrer Beschäftigten will man zukünftig die Fälle und Bilder verhindern, die gerade in jüngerer Vergangenheit beim Handeln von Sicherheitsdiensten besonders im Rahmen der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik publiziert wurden. Im Ergebnis kann der Zugang zum Markt der privaten Sicherheitsdienstleistung erschwert werden.
Hinter der scheinbar relativ einfachen Frage, ob und wie ein bestehendes Gesetz in einigen seiner Bestimmungen geändert wird, verbergen sich allerdings erhebliche Richtungsfragen.


In den niedrigschwelligen rechtlichen Voraussetzungen zur Gründung einer Firma im privaten Sicherheitsbereich und mangelnden Erfordernissen zur Qualifikation sowie Überprüfungen ihrer Inhaber wie Beschäftigten sehen viele die Gründe für einen nicht akzeptablen Zustand im Bereich privater Sicherheitsdienstleistungen.

Das alte Reichstagsgebäude, Sitz des Deutschen Bundestages
Foto: © Aping
Das ist keine neue Klage. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte bereits im November 2011 einen Beschlussantrag mit dem Titel „Private Sicherheitsfirmen umfassend regulieren und zertifizieren“ in den Deutschen Bundestag eingebracht, dem jedoch von der regierenden Mehrheit des Bundestages nicht zugestimmt wurde. Ausgangspunkt war zwar hauptsächlich die Sorge über unzureichende Kontrolle beim Einsatz privater Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten, doch abgesehen von der Notwendigkeit zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika sahen Bündnis 90/Die Grüne grundsätzlich eine dringende Notwendigkeit von Normen für die Gründung, Registrierung, Zulassung und Überwachung im Bereich privater Sicherheitsdienstleistung.

Die grundsätzliche Problematik sah wohl auch die amtierende Regierungskoalition aus CDU und SPD, hat sie doch die Novellierung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Sicherheitswirtschaft in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Allerdings bedurfte es wohl wie so oft in unserer medial ausgerichteten Welt erschreckender Bilder, um den Druck auf die Politik so groß werden zu lassen, dass es endlich vor allem im vergangenen Jahr 2015 zu einer konkreten Befassung der Politik in Bund und Land mit dem Ziel einer Änderung der Gewerbeordnung gekommen ist. Im Ergebnis liegt nunmehr ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vor, der noch in diesem Sommer in den Deutschen Bundestag eingebracht werden soll.

Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer von BDSW und BDWG, während seiner „Geburtstagsrede“
Foto: © BDSW
Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) und des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) am 14. Dezember 2015 in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin konnte man die Positionen der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien live erfahren.

Anlass war der 60. Geburtstag des Hauptgeschäftsführers der beiden Verbände, Dr. Harald Olschok, der dort die ihm gebührende Würdigung für sein bisheriges Wirken erfuhr.

Verbandschef Gregor Lehnert und die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries während der Podiumsdiskussion
Foto: © BDSW
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die stärkere Regulierung der Sicherheitswirtschaft. BDSW-Präsident Gregor Lehnert machte bereits zu Beginn die Position der Sicherheitswirtschaft deutlich und vertiefte das in der anschließenden Podiumsdiskussion, in der sich außerdem für die SPD MdB Brigitte Zypries, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), für die CDU MdB Günter Baumann, Mitglied des Innenausschusses, für Bündnis 90/Die Grünen die Sprecherin für Innere Sicherheit MdB Irene Mihalic und für Die Linke MdB Thomas Lutze, Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, des Ausschusses für Tourismus und des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur gegenübersaßen.

Irene Mihalic
Foto: © Torsten Stecher, Düsseldorf/ Deutscher Bundestag
Diese Zusammensetzung dürfte dem BDSW hinsichtlich einer seiner zentralen Forderungen nicht ungelegen gekommen sein, im Zuge einer Neuordnung der Sicherheitswirtschaft die fachliche Anbindung nicht mehr im Wirtschaftsressort, sondern beim Innen- oder Justizministerium zu erfahren.

Thomas Lutze
Foto: ©: Achim Melde /Deutscher Bundestag
MdB Brigitte Zypries kann diese Frage politisch aus der breitesten Perspektive beurteilen. Sie war von 1997 – 1998 Staatssekretärin für Frauen, Arbeit und Soziales des Landes Niedersachsen, ab 1998 Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern unter Otto Schily, ab 1999 auch Vorsitzende im Staatsekretärsausschuss zur Steuerung des Programms der Bundesregierung „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“, nach der Bundestagswahl 2002 Bundesministerin für Justiz in der Regierung Schröder, 2005 – 2009 auch in der von Angela Merkel geleiteten Bundesregierung einer großen Koalition und seit Dezember 2013 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Seit 2005 ist sie im Wahlkreis Darmstadt direkt gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Die politische Erfahrung aus den genannten Verwendungen war im Rahmen der Podiumsdiskussion deutlich bemerkbar und wies ihr abgesehen vom Gastgeber eine maßgebliche Rolle zu.

An dieser Stelle kann nicht der Diskussionsverlauf wiedergegeben werden. Auch wenn man sich in manchen Detailfragen, speziell zur Verhinderung der schon angesprochenen Vorfälle und Bilder in 2014 und 2015, nicht so weit auseinander zeigte, wurden aber doch erhebliche Unterschiede in grundsätzlichen Positionen deutlich.

Diese gilt es im Auge zu behalten.

Gewerbefreiheit und Gewerbeordnung

Unter Gewerbefreiheit verstehen wir die grundsätzliche Freiheit für jedermann, sich gewerblich zu betätigen. Sie war (und ist) eine zentrale Forderung des Liberalismus. Die Gewerbefreiheit und ihre rechtlichen Einschränkungen sind die bestimmenden Merkmale einer (freien) Wirtschaftsverfassung. Ihre wesentlichen Bausteine sind freie Konkurrenz und möglichst freier Marktzugang. Wie frei der Zugang sein soll und wie weitgehend Konkurrenz möglich ist, kann Gegenstand lebhafter Debatten sein, in anderen Ländern wohl etwas mehr als hier in Deutschland.

Das Recht ergibt sich aus Artikel 12 Grundgesetz (GG): „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“

Allerdings erfahren auch Grundrechte ihre Schranken, und so kann die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Das geschieht beispielsweise durch die Gewerbeordnung (GewO), die in ihrem Paragraph (§) 1 bestimmt, dass der Betrieb eines Gewerbes jedermann gestattet ist, soweit nicht durch Haus der Deutschen Wirtschaft
Foto: © Aping
dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.

Die grundsätzliche Regelung, dass ein Gewerbe nur anzuzeigen ist, ist Ausdruck des freiheitlichen Grundgedankens der Wirtschaftsverfassung.

Die Beschränkungen finden sich unter der Überschrift „Gewerbetreibende, die einer besonderen Genehmigung bedürfen“ für mehr als 18 aufgelistete Gewerbebereiche in den §§ 29 bis 40 der Gewerbeordnung. Das reicht von Privatkrankenanstalten über Makler, Bauträger und Baubetreuer bis zum Immobiliendarlehensvermittler. Darunter befinden sich auch Schaustellungen von Personen in § 33a GewO, Tanzlustbarkeiten in § 33 b GewO, Spielbanken, Lotterien und Glücksspiele in § 33 h GewO oder das Pfandleihgewerbe in § 34 GewO.

Eine der jüngsten Änderungen ergab sich aufgrund der zuvor genannten Notwendigkeit zum Schutz der gewerblichen Schifffahrt gegen Piraterie hauptsächlich am Horn von Afrika (§ 31 GewO).

Das Bewachungsgewerbe ist in § 34 a GewO geregelt.

Danach bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der Auftraggeber erforderlich ist. Voraussetzungen sind die erforderliche Zuverlässigkeit, für den Gewerbebetrieb erforderliche Mittel oder entsprechende Sicherheiten und der Nachweis einer IHK über die Unterrichtung zu für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen Vorschriften. Die Vorschrift nennt zudem Regelbeispiele für das Fehlen der erforderlichen Zuverlässigkeit (z.B. Mitgliedschaft in einer als verfassungswidrig eingestuften Partei).

Außerdem regelt § 34a GewO, dass der Gewerbetreibende mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen beschäftigen darf, die persönliche Voraussetzungen erfüllen. Für die Durchführung bestimmter Tätigkeiten, und zwar Tätigkeiten im Bereich der Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr, beim Schutz vor Ladendieben und bei Bewachungen im Einlassbereich von gastgewerblichen Diskotheken ist ein Sachkundenachweis einer Industrie- und Handelskammer erforderlich. 

Was ist daran „niedrigschwellig“?

Für selbstständige Gewerbetreibende und Betriebsleiter umfasst die Schulung 80 Unterrichtsstunden (a 45 Minuten), für sonstige Beschäftigte 40 Unterrichtsstunden. Dem Unterrichtungsverfahren haben sich zu unterziehen die Personen, die das Bewachungsgewerbe als Selbstständige ausüben wollen, bei juristischen Personen die gesetzlichen Vertreter (nur soweit sie mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben direkt betraut sind) oder die mit der Leitung des Gewerbetriebes beauftragten Personen.

Nicht unterrichtet werden müssen beispielsweise Personen, die über für das Bewachungsgewerbe einschlägige Abschlüsse wie Werkschutzfachkraft, Werkschutzmeister oder Fachkraft für Schutz und Sicherheit verfügen, oder Personen, die Abschlüsse einer Laufbahnprüfung mindestens für den mittleren Dienst bei der Polizei, dem Justizvollzug oder den Feldjägern der Bundeswehr nachweisen.

Der Sachkundenachweis wird über eine schriftliche Prüfung von 120 Minuten und eine mündliche Prüfung von etwa 15 Minuten pro Prüfling bei einer IHK erbracht. Die Vorbereitung ist grundsätzlich frei und kann durch Schulungsmaßnahmen oder auch durch selbstständiges Lernen erfolgen.
Personen mit bestimmten Ausbildungsabschlüssen (z. B. Laufbahnprüfung für den mittleren Polizeidienst, Bundesgrenzschutz, mittlerer Justizvollzugsdienst, Fachkraft für Schutz und Sicherheit etc.) sind von der Sachkundeprüfung befreit. Im Ergebnis entspricht der niedrigschwellige Zugang zum Bewachungsgewerbe par excellence einem liberalen Grundgedanken, den Markt über die Güte der Wettbewerber entscheiden zu lassen und den freien Zugang zur freien Berufs- und Gewerbeausübung nicht durch Restriktionen zu beschränken. Wer nicht die notwendige Leistung erbringt, kann und wird sich am Markt nicht durchsetzen.

Diesem nicht per se falschen Gedanken standen nicht nur in der jüngeren Vergangenheit, sondern auch schon länger zurückliegend eine Fülle von Beispielsfällen sogenannter Schwarzer Schafe gegenüber, die den Ruf der privaten Sicherheitswirtschaft nicht gerade positiv geprägt haben. Die schlichte englische Vokabel „security“ weckt in Verbindung mit Firmen wie Personen nicht zuletzt deshalb bei vielen Menschen spontan eher geringschätzende als wertschätzende Gedanken und Äußerungen.

Der BDSW kämpft seit Jahren für eine Steigerung der Qualität der Dienstleistungen und der Dienstleister im privaten Sicherheitsgewerbe sowie deren Anerkennung und vertritt vehement die Position, dass sich ein führendes Industrieland wie Deutschland zum Erhalt seiner Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit nicht länger eine auf niedrigstem Qualitätsniveau regulierte private Säule innerhalb der Sicherheitsarchitektur Deutschlands erlauben könne.

Tatsächlich ist festzuhalten, dass gerade in den letzten zehn Jahren viel auf der Aus- und Fortbildungsseite geschehen ist. Mit der „Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft“, der „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ und dem „Geprüfter Meister für Schutz und Sicherheit“ sind echte Ausbildungen (nicht Unterrichtungen) entwickelt worden, die in der Zahl steigend zu entsprechenden Teilnehmern und deren erfolgreichem Eintritt in das Sicherheitsgewerbe führten. Das wird noch ergänzt durch eine Hochschulausbildung. An mehreren Hochschulen wird nicht nur ein sechssemestriges Bachelorstudium Sicherheitsmanagement, sondern mittlerweile auch ein Masterstudium angeboten. Allen genannten Aus- und Fortbildungen darf man guten Gewissens auch eine inhaltliche Qualität attestieren.

Wer Qualität im privaten Sicherheitsgewerbe wünscht, kann sie somit bereits heute erhalten. Dazu müsste man auf Seiten der Firmen, Institutionen oder Behörden, die Dienstleistungen ausschreiben oder Stellenangebote formulieren, natürlich Bescheid wissen, was an Voraussetzungen gefordert werden könnte und sollte, um die gewünschte Qualität zu bekommen. Die Geister scheiden sich wieder einmal am Preis. Eine gut ausgebildete Fachkraft kann eben nicht für den gesetzlichen Mindestlohn gewonnen werden. Für die meisten Berufe steht das gar nicht zur Diskussion, zur Disposition sowieso nicht. Wenn die Einstellung zu Sicherheitsdienstleistern aber eine eher geringschätzende ist (Stichwort Assoziation „security“), dann fällt es wohl schwer, andere als nur niedrigste Preise zu akzeptieren. Das eröffnet den Markt für Billiganbieter und schwarze Schafe.

So ist es eine natürliche und zwangsläufige Folge, dass der BDSW neben anderen Positionen für seine Mitgliedsfirmen vehement um gerechte Bezahlung der geleisteten Dienstleistung und Honorierung des erforderlichen Aufwands für gute Beschäftigte kämpft. In der entsprechenden Diskussion haben auch schon früher politische Mandatsträger wie ausschreibende Stellen gerne dieser Position zugestimmt. Oft genug ist dann allerdings nicht die gewünschte Qualität, sondern der Preis das entscheidende Kriterium geworden, wer bei einer Auftragsvergabe das Rennen macht. 

Aktivitäten der jüngeren Vergangenheit und Stand der Diskussion

Bündnis 90/Die Grünen hatten nach ihrem Beschlussantrag von 2011 im Dezember 2014 einen weiteren Beschlussantrag im Deutschen Bundestag gestellt. Wieder lautete die Überschrift „Private Sicherheitsfirmen umfassend regulieren und zertifizieren”. Ausgangspunkt waren diesmal nicht mehr die Pirateriefälle am Horn von Afrika, sondern Fälle von Misshandlungen durch Mitarbeiter von Sicherheitsdienstleistern in Notunterkünften für Flüchtlinge. In diesem Beschlussantrag formulierten Bündnis 90/Die Grünen zum Beispiel die Forderungen nach einem sektorspezifischen Gesetz für private Sicherheitsunternehmen, eine Registrierungspflicht, klare Anforderungen an persönliche Zuverlässigkeit, Qualitätsstandards in der Ausbildung des Personals, regelmäßige Aus- Fort- und Weiterbildung, einheitliche Regulierungs- und Zertifizierungsregelungen auf EU-Ebene und mehr. Sie nehmen als Grundlage dafür unter anderem den im August 2013 veröffentlichten Abschlussbericht der länderoffenen Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz zur Zertifizierung privater Sicherheitsunternehmen. Diese Arbeitsgruppe hatte schon in ihrem Bericht für die Aufnahme (weiterer) personenbezogener Anforderungen in § 34a der Gewerbeordnung plädiert.

Einen Monat zuvor im November 2014 hatte ebenfalls unter dem Eindruck der oben geschilderten Fälle der Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“ eine Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Bewachungsrechts unter Vorsitz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eingesetzt. Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Vertreter der Wirtschaftsministerien bzw. des Wirtschaftssenats Baden- Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, des Bundesministeriums des Innern, des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport sowie der Städte Cottbus, Dortmund und München. Diese Arbeitsgruppe sollte bis Ende 2015 ein Eckpunktepapier mit Vorschlägen zur Änderung des Bewachungsrechts, das heißt der Gewerbeordnung und der Bewachungsverordnung, vorlegen.

Die Arbeitsgruppe hat 2015 in vier Sitzungen das geltende Bewachungsrecht und seinen Vollzug geprüft, Experten hinzugezogen und betroffene Verbände sowie Industrie- und Handelskammern angehört. Im Ergebnis wurde am 24./25. November 2015 ein Eckpunktepapier gebilligt. Die Autoren stellten ihren Forderungen allerdings voran, dass die der Einsetzung der Arbeitsgruppe zugrunde liegenden Vorfälle nicht allein auf Versäumnisse im Bewachungsrecht zurückgeführt werden können. Sie betonen, dass die Situation in Flüchtlingsunterkünften alle Beteiligten vor große Herausforderungen stellt. Die daraus teilweise entstehenden Konflikte ließen sich nicht allein mit dem Einsatz von Bewachern lösen.

Dem darf wohl unstrittig zugestimmt werden. Gleichwohl sehen sie Möglichkeiten und Notwendigkeiten für Änderungen der rechtlichen Regelungen. Das Eckpunktepapier weist aber bereits im Vorspann darauf hin, dass das Gewerberecht nur Anforderungen an gewerblich tätige Bewachungsunternehmen und deren Bewachungspersonal stellt. Nicht gewerbliche Bewachung unterfiele eben nicht dem Gewerberecht. Missständen, die in diesen Bereichen auftreten, könne daher aus systematischen Gründen nicht mit den Mitteln des Gewerberechts, sondern nur ergänzend mit anderen Maßnahmen begegnet werden.


Die wesentlichen Vorschläge des Bund-Länder-Ausschusses

„Gewerberechts“ reichen von der Forderung nach einem einheitlichen und konsequenten Vollzug des Bewachungsrechts bei der Beantragung einer Erlaubnis über die Sensibilisierung von Staatsanwaltschaften und Gerichten zu Mitteilungen in Strafsachen an die Gewerbebehörden, der regelmäßigen Überprüfung der Zuverlässigkeit des Bewachungspersonals alle drei Jahre, gesetzliche Regelbeispiele (bindend) für die Unzuverlässigkeit, Nachweis der zum ordentlichen Betrieb erforderlichen Mittel, Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten, Einführung eines Bewacherregisters auf Bundesebene bis zu Vorschlägen bei der Sachkundeprüfung und im Unterrichtungsverfahren. Bei diesem Punkt wird vorgeschlagen, dass auch der Gewerbetreibende künftig die erforderliche Sachkunde durch Ablegung einer Prüfung nachweisen muss. Bisher reicht wie beschrieben die Teilnahme an einer Unterrichtung. Außerdem wird vorgeschlagen, den Kreis der Bewachungsaufgaben, für die eine Sachkundeprüfung erforderlich ist, zu erweitern, gleichfalls die Sachkundeausbildung/-prüfung und die Unterrichtung um praxisbezogene Elemente zu ergänzen. Die besondere Situation bei der Bewachung von Großveranstaltungen oder Flüchtlingsunterkünften sollte als weiterer Gegenstand Eingang finden. Im Ergebnis führte dies wohl zu einer Anhebung des Unterrichtungsumfangs von bisher 40 Stunden um einige Stunden. Entschieden verworfen wird im Eckpunktepapier die Forderung nach einem sektorspezifischen Gesetz für das private Sicherheitsgewerbe. Die klare Trennung zwischen privaten Sicherheitsunternehmen mit Jedermann-Befugnissen und dem staatlichen Gewaltmonopol sollte nicht angetastet werden.

Das Eckpunktepapier bildete gleich anschließend die Grundlage für einen Referentenentwurf des BMWi zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften“ noch im Januar 2016. Der Gesetzentwurf enthält Vorschläge zur Verschärfung des gewerblichen Bewachungsrechts und zur Verbesserung des Vollzugs in diesem Bereich. Danach soll der Sachkundenachweis für den Bewachungsunternehmer und für Bewachungspersonal, das in leitender Funktion bei der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften eingesetzt ist eingeführt werden, der Nachweis geordneter Vermögensverhältnisse, gesetzliche Regelbeispiele für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers und des Personals, Abfragemöglichkeiten der Behörden bei den Landesbehörden für Verfassungsschutz, unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister genauso wie eine regelmäßige Zuverlässigkeitsüberprüfung. Dieser Referentenentwurf wurde mit relativ kurzer Fristsetzung wie üblich den relevanten bzw. vorgeschriebenen Stellen bzw. Institutionen und Verbänden zur Stellungnahme übermittelt. Was diese in Summe kritisiert oder ergänzt haben, bleibt einer öffentlichen Darstellung zu späterem Zeitpunkt vorbehalten. Jedenfalls konnte das BMWi den Gesetzentwurf in die Kabinettsrunde der Bundesregierung einbringen, wo er am 22. März 2016 beschlossen wurde und Anfang Juni in die Lesung im Deutschen Bundestag eingebracht werden soll.

Im Vorfeld dieses Artikels hat der Verfasser die im Bundestag angeschriebenen Parteien zu einer Stellungnahme angefragt. Während von der SPD und der Partei Die Linke gar keine Reaktion erfolgte, bestätigte die CDU die Befassung im Kabinett sowie die beabsichtigte Einbringung in den Deutschen Bundestag ergänzt um den Hinweis, sich für weitere Fragen an die Berichterstatterin Dr. Christina Schröder zu wenden. Dieses Angebot nimmt Veko-online für den weiteren Verlauf gerne auf.

Bündnis 90/Die Grünen standen noch im März mit Frau MdB Katja Keul, rechtspolitische Sprecherin und Parlamentarische Geschäftsführerin und ihrem Referenten für Katja Keul
Foto: © Rainer Kurzeder / Deutscher Bundestag
ein einstündiges inhaltsreiches und sachliches Interview im Deutschen Bundestag zur Verfügung. Natürlich empfinden Bündnis 90/Die Grünen eine gewisse Genugtuung, dass sie sich schon sehr zeitgerecht um eine Änderung der rechtlichen Bestimmungen zum privaten Sicherheitsbereich bemüht haben, leider ohne Erfolg gegen die bisherigen Mehrheiten im Deutschen Bundestag. Zwar war der Antrag in 2011 vorrangig außenpolitisch begründet in der Sorge um den ungeregelten Einsatz bewaffneter privater Sicherheitskräfte auf deutschen Schiffen, doch behalte man auch in der jetzigen Situation vergleichbare wichtige Forderungen bei. Für Bündnis 90/Die Grünen steht grundsätzlich die Sorge im Raum, dass nicht staatliche Akteure durch das steigende Angebot an privaten Sicherheitsdienstleistern ihre Interessen häufiger mit Gewalt durchsetzen können. Zitat aus der Begründung des Antrags vom Dezember 2014: „Indem er Teilbereiche der öffentlichen Sicherheit in die Hände privater Unternehmen legt, macht sich der Staat von diesen zunehmend abhängig, da er selbst im Krisenfall die notwendigen Fähigkeiten nicht mehr generieren kann.“ Das betrifft in erster Linie den Einsatz ausländischer Firmen im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr, kann aber beispielsweise im inländischen Rotlichtmilieu eine Rolle spielen, wie der Fall Hanebuth gezeigt hat.

Bündnis 90/Die Grünen als Bewahrer des staatlichen Gewaltmonopols.

Auch wenn der Referentenentwurf noch nicht offiziell in den parlamentarischen Betrieb eingebracht war, so konnte Frau MdB Keul dennoch signalisieren, dass er auch aus Sicht ihrer Partei in die richtige Richtung gehe. Es finde sich Einiges wieder, das man als eigene Position bereits formuliert habe. Letztlich beurteilen könne man dies aber erst, wenn der Gesetzentwurf mit Begründung förmlich in den Deutschen Bundestag eingebracht werde. Vorab vermisse man auf jeden Fall eine Regelung zur bundesweiten Registrierung (die ja bereits im Eckpunktepapier erörtert wurde, s.o.). Es bereite Bündnis 90/Die Grünen auch keine Schwierigkeiten, dass ggf. (vor allem kleine) Firmen Probleme in der Erfüllung der geplanten Erfordernisse hätten. Im Hinblick auf die Sorge zu ungeeigneten Firmen und Beschäftigten sei eine Marktbereinigung durchaus Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung. Insofern zeigt sich die Partei gleichermaßen grundsätzlich wie pragmatisch und wird sich vernünftigen Lösungen nicht verschließen, auch wenn jetzt nicht das letzte „grüne“ Ziel dabei erreicht werden kann.

Das dürfte den BDSW freuen, der nicht nur im Sommer letzten Jahres im Rahmen der 5. Konferenz der Confederation of European Security Services in Berlin (Veko-online berichtete), sondern auch aktuell die Zukunft der Sicherheitsunternehmen in besserer Qualität ihrer Angebote, ihrer Beschäftigten und deren angemessener Bezahlung sieht. Dieser Weg dürfte zwangsläufig eine Gefahr der Verdrängung der kleinen Betriebe durch die großen beinhalten.

Der BDSW dürfte sich auch freuen, dass Bündnis 90/die Grünen für ein Sektorengesetz votieren, eine ganz zentrale Forderung des BDSW. Diese Forderung hatte ihr Präsident Gregor Lehnert auch in der Podiumsdiskussion im November 2015 erhoben. Als ein wesentliches Argument hatte er vorgetragen, dass die Regelungen nach § 34a GewO gar nicht griffen, wenn Firmen Sicherheitsdienstleistungen nicht an Dienstleister vergäben, sondern durch eigene Beschäftigte erledigen ließen. Also brauche Brigitte Zypries
© Foto: Gerd Seidel (Own work), Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-3.0-de
man Regelungen über den § 34 a GewO hinaus. Ins Spiel gebracht wurde in diesem Zusammenhang der § 39 GewO, der zurzeit nur als leere Hülse in der Gewerbeordnung enthalten ist.

MdB Zypries erteilte der Forderung nach einem Sektorengesetz während der Podiumsdiskussion im November allerdings eine klare Absage. Sie setzte diese Forderung in Beziehung zum Wunsch des BDSW, fachlich künftig besser beim Innenressort als beim Wirtschaftsressort angesiedelt zu sein und unterstellte dem BDSW das Ziel, die private Sicherheitswirtschaft in Richtung Polizei zu rücken. Diese Sorge um den uneingeschränkten Fortbestand des staatlichen Gewaltmonopols dürfte stattdessen dann SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf einer Seite sehen. Auch Bündnis 90/Die Grünen stehen einer Verortung des privaten Sicherheitsgewerbes beim BMI ablehnend gegenüber.

Günter Baumann
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Selbst der Vertreter der Partei Die Linke, MdB Lutze sah auf eine entsprechende Frage des Moderators in genannter Podiumsdiskussion keine grundsätzlichen Probleme einer Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben durch private Unternehmen, wenn das dort in der Sache besser angesiedelt sei oder erledigt würde. Das gelte aber auf gar keinen Fall, wenn eine Verlagerung nur erfolge, um es durch die Verlagerung in den privatwirtschaftlichen Bereich billiger zu machen. Einer seiner Kritikpunkte war der Hinweis auf die deutsche Kleinstaaterei, die selbst die simple Forderung nach einem einheitlichen Ausweis für das Sicherheitsgewerbe zum Scheitern verurteile. Hier war es wieder MdB Zypries, die bei allem Wissen um die mühsame Arbeit den Föderalismus als wesentliche Errungenschaft deutscher Verfassungswirklichkeit und Politik verteidigte.

MdB Baumann von der CDU beschränkte sich in der Podiumsdiskussion auf den Hinweis, dass man gegenwärtig eine Verengung auf die Flüchtlingsdiskussion erfahre. Es wäre aber zu bedenken, den Schwung der Diskussion für andere Regelungen zu nutzen und brachte die Begleitung von Schwerlasttransporten durch private Sicherheit anstelle der Polizei ins Spiel....

Ausblick

Insgesamt zeigen alle bisherigen Verlautbarungen einzelner Politiker sowie der Parteien eher pragmatisch in Richtung einer Politik der kleinen Schritte und überschaubarer gesetzlicher Änderungen, als in Richtung eines sogenannten großen Entwurfes. Insofern dürften alle soweit aufeinander zugehen, dass eine zügige Befassung im Deutschen Bundestag erwartet werden kann. Über in der Praxis unverzichtbare Änderungen und den kleinsten Nenner lässt sich eben schneller entscheiden als über die großen grundsätzlichen Fragen.
Auch wenn es zu gesteigerten Anforderungen an die private Sicherheitswirtschaft kommt, und in der Hoffnung aller Beteiligten zu einer Marktbereinigung zu Lasten ungeeigneter Unternehmen, so ist doch die Gewerbefreiheit nicht in Gefahr. Noch immer handelt es sich beim privaten Sicherheitsbereich nicht nur aus der Sicht von Bündnis 90/Die Grünen um einen zu gering regulierten Bereich.

Die Nagelprobe für das beabsichtigte Gesetz kommt sowieso erst später. Der Gesetzentwurf bürdet den Verwaltungen und den Industrie- und Handelskammern einige Aufgaben mit nicht geringem Arbeitsaufwand auf. Das kostet Zeit, Geld und Personal. Zwar geht der Gesetzentwurf darauf ein, beschreibt es aber als leistbar. Die Praxis wird es später zeigen. Skepsis ist angebracht.

Auf Zukunft setzte auch der Präsident des BDSW Gregor Lehnert bezüglich der weiteren Forderungen des Verbandes und versprach, nicht nachzulassen. Sein Schlusswort: „We shall overcome!“

Wir von Veko-online werden die im Sommer 2016 anstehende Lesung des Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag journalistisch begleiten und zu gegebener Zeit darüber berichten, zu welchen Ergebnissen der Entwurf geführt hat. Wie sagte doch ein zu früh verstorbener erfahrener und beliebter Politiker: „Aus dem Bundestag kommt nichts so heraus, wie es herein gekommen ist!“

Über den Autor
Heinz-Werner Aping
Heinz-Werner Aping
Heinz-Werner Aping, Direktor beim Bundeskriminalamt a.D., Jahrgang 1953, war bis zu seiner Pensionierung Ende Mai 2014 fast vierzig Jahre im kriminalpolizeilichen Dienst in Land und Bund tätig. Von 1975 bis 1999 diente er bei der Berliner Polizei vom Kommissar bis zum Kriminaldirektor in vielen Feldern klassischer und schwerer Kriminalität und zuletzt fünf Jahre als Leiter des kriminalpolizeilichen Stabes des Polizeipräsidenten. Mit dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin wechselte Aping zum Bundeskriminalamt und verantwortete als Leitender Kriminaldirektor und Gruppenleiter in der Abteilung Sicherungsgruppe Grundsatz, Haushalt, Ausbildung, Lagebeurteilung, Staatsbesuche, Observation und Technikeinsatz des Personenschutzes für die Verfassungsorgane des Bundes und seiner ausländischen Gäste. Im Jahre 2001 wurde ihm die Leitung der gesamten Abteilung übertragen, die er bis zu seiner Pensionierung innehatte. Von 2001 bis zu seiner Pensionierung war Aping mit mehrmaliger Wiederwahl Chairman der Association of Personal Protection Services (APPS), des internationalen Netzwerkes von 50 staatlichen Personenschutzdienststellen von China bis zu den USA einschließlich Europol, Interpol, EU und UN mit Konferenzen weltweit. Heinz-Werner Aping ist als selbstständiger Berater tätig. Er ist Mitglied der Redaktion VeKo-online und zuständig für den Bereich Sicherheitspolitik.
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