Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA – Eine aktuelle sicherheitspolitische Analyse
Von Dr. Stefan Goertz, Bundespolizei, Hochschule des Bundes
Der Dezember 2019 und der Januar 2020 waren und sind von einer sicherheitspolitischen Eskalationsspirale zwischen dem Iran und den USA geprägt. Die Übergriffe von proiranischen Milizen auf die US-Botschaft in Bagdad/ Irak wurden von den USA mit der Tötung des iranischen Generals Soleimani, dem Kommandeur der Quds-Einheit, beantwortet. Darauf antwortete der Iran militärisch, indem er US-Basen im Irak mit Raketen beschoss.
Als Antwort darauf reagierten die USA wiederum mit neuen wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran. Dieser Beitrag untersucht den aktuellen Konflikt zwischen dem Iran und den USA auf sicherheitspolitischer Ebene darauf hin, ob zukünftig eine Eskalationsspirale zwischen dem Iran und den USA droht.
Übergriffe von proiranischen Milizen auf die US-Botschaft in Bagdad/ Irak – Hintergründe der Eskalationsspirale
Nachdem die US-Luftwaffe Ende 2019 Angriffe gegen schiitische Milizen im Irak geflogen hatten, griffen Hunderte proiranische Milizen die US-Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad and und versuchten, das Botschaftsgelände zu stürmen. Die 2009 eröffnete US-Botschaft in Bagdad ist die größte Botschaft der USA weltweit, mit 42 Hektar ist der hochgesicherte Botschaftskomplex in etwa so groß wie der Vatikan. Mehrere Wachhäuser am Eingangstor zum Botschaftskomplex standen in Flammen, wie auf Bildern des arabischen Fernsehsenders „Al-Arabija“ zu sehen war, dabei agierten schiitische Milizen, die teilweise militärische Uniformen trugen. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie die Milizen Feuer an den Außenmauern des Botschaftsgeländes legten und Brandsätze über die Mauern warfen. Dazu beschmierten sie Außenmauern mit anti-amerikanischen Parolen. Als sicherheitspolitische Antwort entsandte die US-Regierung schickte zusätzliche Truppen zur Sicherung der US-Botschaft und US-Truppen im Irak und appellierte an den Irak, die Sicherheit der Botschaft zu garantieren und entschied sich, die Botschaft nicht zu evakuieren. Der US-Verteidigungsminister Mark Esper machte keine Angaben dazu, wie viele Soldaten und welches Gerät als Verstärkung geschickt werden sollten.1 Zu Silvester 2019 macht der US-Präsident Donald Trump den Iran für die Übergriffe auf die US-Botschaft in Bagdad verantwortlich und drohte der iranischen Regierung mit Konsequenzen. Dazu twitterte Trump: „Jetzt orchestriert Iran einen Angriff auf die US-Botschaft im Irak“, dafür werden die Iraner „voll zur Verantwortung“ gezogen, erklärte Trump weiter.2 Bereits im Mai 2019 musste das US-Außenministerium aufgrund der angespannten Sicherheitslage Teile des Personals im Irak zeitweise abziehen und im September 2019 waren zwei Raketen in der Nähe des Botschaftsgeländes in Bagdad eingeschlagen.
Ende Dezember 2019 waren bei einem Raketenangriff auf eine US-Militärbasis, mutmaßlich ausgeführt von proiranischen Milizen, nahe der nordirakischen Stadt Kirkuk ein US-Bürger getötet und vier weitere verletzt. Als Antwort darauf beschoss die US-Luftwaffe nach eigenen Angaben Einheiten der Kata'ib Hisbollah im Iran und in Syrien, fünf Ziele wurden dabei getroffen, darunter Waffenlager und Kommandozentren. Die Kata'ib Hisbollah, auch Hisbollah-Brigaden genannt, sind irakisch-schiitische Milizen, die von den iranischen Revolutionsgarden kontrolliert werden, allerdings nicht zu verwechseln mit der libanesischen Hisbollah-Miliz. Die Hisbollah-Brigaden sind Teil der sogenannten Volksmobilisierungseinheiten, einem mächtigen schiitischen Milizenverbund im Irak, der den sunnitischen „Islamischer Staat“ bekämpft und besiegt hatte.3
Die militärische Antwort der USA – Drohnenangriff auf den iranischen General Soleimani
Die Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani durch einen Drohnenangriff stellte einen neuen Höhepunkt des Konflikts zwischen den USA und dem Iran dar. Die USA töteten eine der zentralen Figuren des iranischen Regimes, der mächtige Kommandant der Al-Kuds-Einheiten, der für Operationen im Ausland zuständigen Organisation der iranischen Revolutionswächter. Soleimani war der entscheidende Akteur der iranischen Militäroperationen in Syrien, im Irak und in anderen Ländern der Region. Dazu galt er als Vertrauter des von Ayatollah Ali Khamenei und als möglicher künftiger Präsident Irans. Der Tod Soleimanis stellt einen schweren Schlag für das iranische Regime und einen neuen Höhepunkt im Konflikt zwischen Iran und den USA dar.Das US-Verteidigungsministerium erklärte in einer Stellungnahme, dass die Tötung von Soleimani auf Anordnung von US-Präsident Donald Trump erfolgt sei. So sei Soleimani an Plänen beteiligt gewesen, US-Diplomaten und Militärangehörige im Irak und in anderen Ländern der Region anzugreifen. Darüber hinaus sei General Soleimani und die Kuds-Einheiten für den Tod Hunderter amerikanischer Soldaten und für Angriffe auf US-Stützpunkte im Irak in den vergangenen Monaten verantwortlich gewesen.5 Der Tötung Soleimanis war eine Warnung des US-Verteidigungsministers Mark Esper vorausgegangen. So hatte Esper wenige Stunden vor dem Drohnenangriff erklärt, die USA unternähmen Präventivschläge gegen von Iran unterstützte paramilitärische Kräfte im Irak und in Syrien, wenn es Anzeichen gebe, dass diese neue Attacken gegen amerikanische Stützpunkte und Truppen in der Region planten.
Der iranische Außenminister Javad Zarif bewertete die Tötung von General Soleimani auf Twitter als „extrem gefährtlich und eine törichte Eskalation“. Der iranische Revolutionsführer Khamenei erklärte öffentlich, auf die „Kriminellen“, die Soleimani getötet hätten, warte strenge Rache. Soleimanis Tod werde die Motivation der „Widerstandsbewegung“ gegen die USA und Israel verdoppeln. Die US-Botschaft in Bagdad forderte wenige Stunden nach dem Drohnenangriff sämtliche US-Staatsangehörigen auf, den Irak zu verlassen, davon betroffen waren auch Arbeiter ausländischer Ölfirmen. US-Außenpolitiker begrüßten den Tod Soleimanis, manche von ihnen warnten aber vor unvorhersehbaren sicherheitspolitischen Konsequenzen des Drohnenangriffs. Eliot Engel, der dem außenpolitischen Ausschuss im Repräsentantenhaus vorsteht, erklärte, Soleimani sei der „Drahtzieher hinter immenser Gewalt, immensem Leiden und immenser Instabilität“ gewesen. Allerdings stelle seine Tötung eine massive Eskalation des Konflikts mit Iran mit unabsehbaren Konsequenzen dar. Durch seine Tötung befände sich die USA nun wieder am Rand einer direkten Konfrontation im Nahen Osten.6 Die Tötung des iranischen Generals Soleimani war schon unter den Vorgängern von US-Präsident Trump, George W. Bush und Barack Obama, erwogen worden. Beide Präsidenten hatten diese aber abgelehnt, weil sie fürchteten, der Schritt könnte zu einem Krieg zwischen den USA und Iran führen.
Die militärische Antwort des Irans – Iranische Raketenangriffe auf US-Basen im Irak
Wenige Tage nach dem US-Drohnenangriff auf General Soleimani attackierte der Iran die US-Truppen im Irak: Von einem „Schlag ins Gesicht der USA“ sprach Ajatollah Khamenei. Trump sieht das offensichtlich anders. „Mehr als ein Dutzend“ ballistische Raketen seien vom Iran aus auf Stützpunkte abgefeuert worden, die von US-Truppen genutzt würden, teilte ein Sprecher des US-Verteidigungsminister mit. Das iranische Staatsfernsehen meldete, insgesamt seien 16 Geschosse abgefeuert worden, sie seien nicht abgefangen worden. Dabei sei der US-Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad „vollständig zerstört“ worden. Der Angriff mit ballistischen Boden-Boden-Raketen auf die „von den Amerikanern besetzte Basis“ sei in jeder Hinsicht „ein voller Erfolg“. Das geistliche und staatliche Oberhaupt des Irans, Ajatollah Ali Khamenei, erklärte die Raketenangriffe auf die US-Basen als einen „Schlag ins Gesicht“ der USA. Die US-Truppen müssten die Region verlassen: „Die USA sind der Feind des Irans“. Ähnlich hatte sich zuvor auch der iranische Generalstabschef Mohammad Bakeri im iranischen Staatsfernsehen geäußert. Umgesetzt wurde die Operation „Märtyrer Soleiman“ von einer Einheit der iranischen Revolutionsgarde, die das iranische Raketenprogramm verantwortet.7 Der US-Stützpunkt Ain al-Assad befindet sich in der westirakischen Provinz Anbar und wurde von den US-Streitkräften nach der Invasion im Jahr 2003 genutzt, bei der der irakische Diktator Saddam Hussein gestürzt wurde. Später wurden dort US-Truppen für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ stationiert. Aktuell sind 1500 Soldaten in der US-Basis Ain al-Assad untergebracht, darunter internationale Kräfte der Anti-IS-Koalition.8
Die iranischen Revolutionsgarden warnten die USA vor Vergeltung für die Raketenangriffe. Und auch Verbündete der USA in der Region sollten wissen, dass jegliches Territorium, das sie den USA als Ausgangspunkt für aggressive Akte gegen den Iran überließen, im Visier Teherans stehe, teilte die Eliteeinheit der Streitkräfte der Islamischen Republik über die amtliche Nachrichtenagentur Irna mit. Drohungen richtete die iranische Revolutionsgarde auch an Israel. Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif bezeichnete die Raketenangriffe auf die US-Stützpunkte im Irak auf Twitter als „angemessene Maßnahmen der Selbstverteidigung“. Zusätzlich schrieb er: „Wir streben keine Eskalation oder einen Krieg an, aber wir werden uns gegen jegliche Aggression zur Wehr setzen.“ Als Reaktion sperrte die US-Luftfahrtbehörde FAA für US-Fluggesellschaften den Luftraum über dem Irak, dem Iran, dem Persischen Golf und dem Golf von Oman. Kurze Zeit später schossen iranische Einheiten eine ukrainische Passagiermaschine mit 176 Menschen an Bord nahe Teheran ab.
Die Antwort der USA auf die iranischen Raketenangriffe – neue Sanktionen gegen den Iran
Als Folge iranischer Angriffe auf US-Truppen im Irak verhängten die USA wenige Tage später weitere Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Dies teilten US-Außenminister Mike Pompeo und US-Finanzminister Steven Mnuchin im Rahmen einer Pressekonferenz in Washington mit.9 Die neuen Sanktionen richten sich gegen iranische Unternehmen aus der Stahlbranche und anderen Wirtschaftsbereichen sowie gegen acht hochrangige Vertreter des iranischen Regimes. Nach Angaben von Pompeo und Mnuchin diese iranischen Regierungs- und Militärverantwortlichen an den Bemühungen Teherans zur Destabilisierung des Nahen Ostens beteiligt. Ihnen wird auch eine Beteiligung oder Komplizenschaft an den Raketenangriffen von der Nacht zum Mittwoch vorgeworfen. Mögliches Vermögen dieser Iraner in den USA wird eingefroren, Transaktionen mit ihnen werden untersagt.10 Mit den Sanktionen gegen 17 iranische Stahl-, Aluminium-, Kupfer- und Eisenunternehmen würden der Führung in Teheran Finanzmittel in Milliardenhöhe entzogen, erklärte der US-Finanzminister. Verhängt wurden US-Sanktionen auch gegen drei in China und auf den Seychellen ansässige Unternehmen, die mit dem Iran Handel betrieben haben sollen. Diese Sanktionen hatte US-Präsident unmittelbar nach den iranischen Raketenangriffen auf US-Militärbasen angekündigt. Nach Angaben des US-Außenministers hatte der iranische General eine „groß angelegte Attacke“, die unmittelbar bevorgestanden habe, geplant. Die iranischen Angriffe hätte sich gegen „US-Botschaften, Stützpunkte, US-Einrichtungen in der Region“ richten sollen. Die iranische Führung bewertet die US-Sanktionen als „Krieg gegen die Wirtschaft“ ihres Landes.11
Der iranische Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine
Nach tagelangem Leugnen Mitte Januar 2020 gestand der Iran letztlich doch ein, für den Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine mit 176 Todesopfern verantwortlich zu sein. Das iranische Militär habe das Flugzeug „unbeabsichtigt“ abgeschossen, es handele sich um „menschliches Versagen“, hieß es in einer Presseerklärung.12 Die Iranischen Revolutionsgarden räumten die Schuld ein. Luftwaffenkommandeur General Amirali Hadschisadeh erklärte, er übernehme „die volle Verantwortung“. Ein Fehler im militärischen Kommunikationssystem habe zu dem fatalen Abschuss geführt. General Hadschisadeh erklärte, am Tag des Abschusses seien die iranischen Streitkräfte wegen der Drohungen der USA, 52 Ziele im Iran anzugreifen, in höchster Alarmbereitschaft gewesen. Nach seinen Worten wurde die ukrainische Maschine als potenzielle Gefahr eingestuft, man habe sie fälschlicherweise für einen Marschflugkörper im Anflug auf eine Militärbasis gehalten. Der zuständige Offizier wollte demnach der Zentrale die Gefahr melden, aber genau zu dem Zeitpunkt habe es einen Defekt im Kommunikationssystem gegeben. Der Offizier hatte laut Hadschisadeh nur wenige Sekunden, um zu entscheiden, ob er eine Luftabwehrrakete abfeuert oder nicht. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif wies den USA allerdings eine Teilschuld zu. Die USA seien für die aufgeheizte Atmosphäre verantwortlich, die zu dem menschlichen Fehler geführt habe, twitterte Sarif: „Human error at time of crisis caused by US adventurism led to disaster“.13
Fazit – Die Eskalationsspirale dreht sich immer schneller
Nach iranischen Angaben blockieren die USA seit Ende Januar 2020 den internationalen Zugang zu den Servern der iranischen Nachrichtenagentur Fars. Der Zugang sei „seit ein paar Stunden“ gesperrt, berichtete ein Fars-Sprecher am 25.1.2020. Fars sei per E-Mail mitgeteilt worden, dass die Kontrollbehörde des US-Finanzministeriums OFAC die iranische Agentur Fars in die Sanktionsliste aufgenommen und den Zugang gesperrt habe.14
Ebenfalls Ende Januar 2020 drohten die USA damit, auch den Nachfolger des iranischen Topgenerals Qassim Soleimani zu töten: „Sollte (Esmail) Chaani den Weg weitergehen, Amerikaner zu töten, dann wird ihn das gleiche Schicksal treffen“, sagte der US-Sondergesandte für den Iran, Brian Hook, der arabischsprachigen Tageszeitung Ascharq al-Aswat. Kurz nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani Anfang Januar ernannte die iranische Führung Chaani zum neuen Kommandeur der Quds-Brigaden. Die Eliteeinheit der Revolutionsgarden ist für verdeckte Militäreinsätze im Ausland zuständig. Chaani kündigte an, den Kurs seines getöteten Vorgängers weiterzuverfolgen.15
Zusammengefasst: Die Ereignisse im Januar 2020, Drohnen- und Raketenangriffe, sowohl von den USA als auch vom Iran, haben der Welt verdeutlicht, wie fragil die aktuelle sicherheitspolitische Situation zwischen den USA und dem Iran ist. Sollte der Iran die Strategie des getöteten Generals Soleimani fortsetzen, US-Truppen und US-Einrichtungen im Irak anzugreifen, werden die USA sehr wahrscheinlich ähnlich militärisch antworten, wie sie mit der Tötung General Soleimanis bewiesen haben.
Quellen:
1 https://www.nzz.ch/international/angespannte-lage-nach-sturm-auf-us-botschaft-im-irak-ld.1531491 (26.1.2020).
2 Ebd.
3 https://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-sturm-auf-us-botschaft-in-bagdad-drahtzieher-ist-iran-a-1303278.html (26.1.2020).
4 https://www.nzz.ch/international/konflikt-mit-iran-usa-toeten-maechtigen-general-kassem-soleimani-ld.1531695 (26.1.2020).
5 Ebd.
6 Ebd.
7 https://www.tagesschau.de/ausland/iran-raketen-irak-us-truppen-103.html (26.1.2020).
8 Ebd.
9 https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/iran-usa-verhaengen-neue-sanktionen-nach-raketenangriffen (26.1.2020).
10 Ebd.
11 Ebd.
12 https://www.dw.com/de/iran-räumt-unbeabsichtigten-flugzeug-abschuss-ein/a-50866315 (26.1.2020).
13 Ebd.
14 https://www.handelsblatt.com/politik/international/iran-iranische-nachrichtenagentur-fars-server-blockade-durch-die-usa/25472344.html?ticket=ST-2058175-daeqsSNJdmniV3aZCAGe-ap3 (26.1.2020).
15 https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-usa-drohen-kommandeur-1.4768681 (26.1.2020).