Nach der Krise ist vor der Krise
Wie Sie sich mit professioneller Krisenkommunikation sogar einen Namen machen
Von Marco Cortesi und Stefan Häseli
Der Krisenfall kommt genau dann, wenn man ihn nicht erwartet, aber in jedem Fall ungelegen ist. Er hält sich weder an eine Sitzungsagenda noch an Ferienpläne. Unternehmen, Behörden und Institutionen müssen sehr schnell und im Bestfall richtig reagieren. Mit den richtigen Vorkehrungen lässt sich das ein gutes Stück schon vorbereiten. Dann muss eine Krise eben keine Überraschung in der Kommunikation mehr sein.
In der chinesischen Kalligrafie beinhaltet das Wort „Krise“ zwei Schriftzeichen: Das eine bedeutet „Gefahr“, das andere „Gelegenheit“. Darin steckt eine wichtige Botschaft, denn jede Krise birgt sowohl als auch in sich. Wer es richtig anstellt, kann sich sogar durch professionelles Krisenmanagement einen Namen machen. Wie ein Unternehmen oder eine Behörde in einer Krise agiert und diese erfolgreich überwinden oder sogar für sich nutzen kann, hängt von der Vorbereitung auf vermeintlich unvorhersehbare Situationen ab.
Gute Quartalszahlen, neu geschaffene Arbeitsplätze und positive Unternehmensnachrichten sind regelmäßig Ingredienzen in Pressekonferenzen. Solche Inhalte sind einfach zu transportieren und bieten wenig Anlass zur Kritik. Wer also in guten Zeiten gut kommuniziert, ist noch lange kein Held. Erst eine Krise zeigt, ob Profis und clevere Strategen am Werk sind.
Krisen sind niemals „normal“
Ob Produktfehler oder Katstrophe in einer Produktionsstätte, ob Wirtschaftsflaute oder Stellenabbau, ob Werksschließung oder Unfälle, ob Gesetzesüberschreitungen oder Terrorismus: Die Ursachen für Krisen sind mannigfaltig. Für solche Situationen gibt es kein „normal“, sie können überraschend oder schleichend kommen, nach wenigen Tagen vorbei sein oder mehrere Wochen dauern.
Jede Unternehmenskrise beschäftigt die Öffentlichkeit und löst daher mediale Interaktionen aus. In der Kommunikation ist oft nicht nur der Wahrheitsgehalt oder die objektive Gefahr entscheidend, sondern der Wirkungsgrad in der Öffentlichkeit. Durch eine Krise können in kürzester Zeit die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in Unternehmen genau wie in Behörden oder Institutionen verloren gehen. Die Auswirkungen einer Krise hängen deshalb nicht nur von der Krise selbst ab. Gute Krisenstatements beispielsweise sind das Resultat eines gelebten Krisenmanagements und einer entsprechend funktionierenden Krisenkommunikation.
Von daher macht es Sinn, sich frühzeitig mit den verschiedenen Szenarien auseinander zu setzen, sich im Krisenfall entsprechend zu verhalten und im Nachgang die Learnings wieder in neue Vorbereitungen zu investieren. Wer sich immer wieder eingehend Gedanken über das Krisenmanagement und die Krisenkommunikation macht, geht mit einer Krise anders um. Zur Vorbereitung gehören daher Krisenhandbücher und Pläne, klare Rollenaufteilungen und Zuständigkeiten, Übungen und Medientrainings genau wie entsprechende Infrastruktur (Meeting-Raum, Technik) und ein regelmäßiger Kontakt zu den Medien. Die Journalisten sind im Ernstfall die eigentlichen Übermittler – jede existierende Vertrauensbasis ist dabei nützlich.
Zeitnah, wahr und bloß nichts vertuschen
Glaubwürdigkeit vor Tempo – das gilt in der akuten Phase. Zwar sind in Zeiten von Social Media und Onlinekanälen schnelle Reaktionen wichtig. Doch nicht nur zeitnahe, sondern vor allem wahrheitsgetreu Inhalte sind entscheidend. Es gilt das zu kommunizieren, was man weiß – in genau dem Moment. Ohnehin kommen laufend neue Details dazu. Abwarten, bis alle Details oder Sachverhalte erst geklärt sind, ist eine unpassende Strategie. Denn das regt zu Spekulationen und Interpretationen an.
Wer lieber etwas vertuschen möchte, ist im Zeitalter der neuen Medien auf dem Holzweg. Alles das, was nicht kommuniziert wird, entsteht parallel und wird im schlimmsten Fall auf Basis von Gerüchten von irgendwem unkontrolliert erfunden und verbreitet. Solche Lücken sollten erst gar nicht entstehen. Wer zu gewissen Punkten noch keine Antwort parat, darf das so auch sagen.
Krisenkommunikation ist Chefsache. Zwar wird die Kommunikation im Krisenfall von der Kommunikationsabteilung organisiert und orchestriert, doch ans Mikrofon und vor die Kamera muss der Chef. Kein Auslandsaufenthalt, kein Meeting und kein Urlaub gelten hier als Ausrede. Übrigens: Nach der Krise ist vor der Krise. Daher ist eine zeitnahe Nachbearbeitung wichtig, die bestenfalls in aller Ruhe und Tiefe stattfinden sollte. Eine klare Auswertung hilft, die Handbücher zu ergänzen, anzupassen und mit einer Erfahrung mehr im Rucksack etwas entspannter dem nächsten Ereignis entgegen zu treten.