Skip to main content

Die Waffen der Terroristen in Europa

Von Hans-Ulrich Helfer

Die Waffen der Terroristen in Europa waren früher häufig Flugzeug- und Einzelpersonen-Entführungen oder die geplante Ermordung einer Persönlichkeit aus Politik und Wirtschaft. Dies hat sich verändert, wichtig sind heute spontane Angriffe mit Handfeuerwaffen auf die Allgemeinheit, Sprengstoffanschläge gegen die Öffentlichkeit und zunehmend Angriffe mit Messer (sogenannter Haushalt-Terrorismus) sowie besonders mit Motorfahrzeugen. Künftig ist auch mit Cyber- und Bioterrorismus zu rechnen.

Zur Terrorlage in Europa

Die terroristische Lage in Europa ist gefährlich, komplex und kunterbunt. Als Hauptbedrohung gilt aber der islamistische Terrorismus. Weiterhin wichtig sind die Reisen von Personen, welche sich in Konfliktgebieten im revolutionären Kampf ausbilden lassen. In diesem Zusammenhang dürfte die Bedrohung in Europa weiter zunehmen. Rückkehrer und Konvertiten richten erwiesenermassen in Europa Logistik-Zellen für ihren heiligen Krieg ein. Die allgemeine Lage in Nordafrika und die Flüchtlingsströme tragen ebenfalls zu einer Bedrohungszunahme in Europa bei. Die Terrororganisationen nutzen die EU nicht mehr nur als Basis für Logistik, Finanzierung und Ruheraum, sondern das „ungläubige“ Europa ist heute Angriffsziel. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Einsatz der unterschiedlichen Waffen.

Vermittelbarkeit der Tat

Die Frage über eine mögliche Vermittelbarkeit der Tat kann auch über die Wahl der Waffe mitentscheiden. Die Länder der EU müssen sich nicht erst seit kurzem mit Schreckenstaten befassen, sondern sie verfügen über eine jahrzehntelange Erfahrung mit der Bekämpfung des jeweiligen autochthonen Terrorismus. Wie in der Bild 1: In der Ausgabe drei von Rumiyah wird der Gebrauch eines Lastwagens als Terror-Waffe erklärt und auf die Einfachheit und grosse Wirkung hingewiesen.Vergangenheit vollbringt diese heimische Art von Terrorismus immer noch grossen Schaden und in Einzelfällen auch menschliches Leid. Doch insgesamt ist er für das jeweilige Land volkswirtschaftlich unbedeutend. Dies liegt auch daran, dass die Täter des nationalistisch-separatistischen sowie des links- und rechtspolitischen Terrorismus ihre Taten den Bürgern zu vermitteln versuchen, um sie für ihre Ziele zu gewinnen. Der Einsatz eines Lastwagens als Waffe, um möglichst viele Personen zu töten, erschwert eine Vermittelbarkeit der Tat an eine grosse Masse von Menschen.

Von anderer Brisanz in diesem Zusammenhang ist der islamistische Terrorismus, der kaum Interesse an der Vermittelbarkeit der Tat hat und deshalb unkonventionelle Waffen mit grosser Tragödie einsetzen kann. Die letzten Anschläge islamistischer Einzeltäter und Gruppen haben gezeigt, dass Anschläge von grosser Bedeutung in dem Sinne jederzeit möglich sind. Die Täter wollen bewusst eine hohe Anzahl von Opfer erzielen. Damit ist vordergründig keine detailliert politische Forderung verbunden. Es wird auch nicht versucht, die einzelne Tat als legitim zu vermitteln. Es geht um Massenvernichtung an Mensch und Material mit langfristigen Auswirkungen. Die Anschläge zielen auf die verhasste westliche Volkswirtschaft. Islamistischer Terrorismus kann eine Regierung zu unüberlegten weitreichenden Reaktionen provozieren und einen Staat ins Wanken bringen.

Die Waffen der Jihadisten

Bild 2: Rumiyah heisst eine der Online-Zeitungen des Islamischen Staates (IS). In der Ausgabe vier wird der Gebrauch eines Messers als Terror-Waffe propagiert.Jihadisten, Mitglieder des Islamischen Staates (IS) oder durch den IS beeinflusste „einsame Wölfe“, setzen eine weite Palette von Waffen ein. Dazu gehören in neuerer Zeit automatische Handfeuerwaffen, Sprengstoff, Messer und ähnliche Waffen sowie besonders auch Fahrzeuge.

Entführungen

Flugzeug-Entführungen und Geiselnahmen in Europa haben infolge der strengen weltweiten Sicherheitsvorkehrungen nach den Anschlägen auf die Twin-Tower am 11. September 2001 in den USA stetig abgenommen. Die IS-Täter versuchen seither weltweit in verschiedenster Form Bomben an Bord zu schmuggeln, um Flugzeuge zum Absturz zu bringen.

Sprengstoff

Sprengstoffanschläge aller Art wie Suizidbomber, Autobomben, oder Brief- und Paketbomben unterschiedlichster Form sind nach wie vor aktuell. Die Täter des IS haben bewiesen, dass sie auch in der Lage sind, in Europa komplexe, koordinierte, mehrteilige Anschlagsserien durchzuführen. Die Zuganschläge am 11. März 2004 in der spanischen Hauptstadt Madrid waren eine Serie von zehn durch islamistische Terroristen ausgelösten Bombenexplosionen. 191 Menschen starben und 2051 wurden verletzt, 82 davon schwer. In der Terror-Zeitschrift Inspire wird bis ins kleinste Detail der Bau von unkonventionellen Bomben beschrieben.

Handfeuerwaffen

Am 13. November 2015 ermordeten IS-Täter in Paris 139 Menschen mit Handfeuerwaffen, beim Angriff auf die Konzerthalle Bataclan starben davon 89. Zum Einsatz kam auch eine M92, eine vom serbischen Waffenhersteller Zastava hergestellte Maschinenpistole. Solche und die berühmte russische AK-47 können auf dem Schwarzmarkt als „rückgebaute Version“ für zirka 200 Euro gekauft werden. Kleinere und grössere Handfeuerwaffen werden auch künftig zum Einsatz kommen, es wird den Behörden nicht gelingen, den Schwarzhandel in Europa mit über sechs Millionen Waffen einzudämmen.

Haushalt Terrorismus

Die Propagandisten des IS rufen seit längerer Zeit dazu auf alltägliche (Haushalts-) Gegenstände wie Küchenmesser, Äxte, usw. als Waffen zu benutzen. In Anleitungen wird sogar im Detail darauf hingewiesen, welche Körperteile mit einem Messer am effektivsten anzugreifen sind, um das Opfer schnellstmöglich zu töten. Mehrere Angriffe auf Menschen, darunter auch auf Polizisten, wurden auf diese Art erfolgreich umgesetzt. Beispielsweise am 3. Juni 2017, als drei Täter in London mit einem Lieferwagen Personen umfuhren, schliesslich ausstiegen und mit Messer auf die Anwesenden losgingen. Dabei starben sieben Menschen, 48 wurden verletzt, 21 davon lebensgefährlich. Ein 18-jähriger marokkanischer Asylant tötete am 18. August 2017 mit einem Messer im finnischen Turku zwei Personen und verletzte acht weitere schwer.

Fahrzeuge als Waffen

Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, fuhr in Nizza (F) ein Lastwagen in die Menschenmenge, dabei wurden 86 Personen getötet. Am 19. Dezember 2016 fuhr in Berlin (D) am Weihnachtsmarkt ein Lastwagen in die Menge, 12 Personen wurden getötet. Am 22. März 2017 überfuhr in London (GB) ein Kleinbus mehrere Personen, dabei wurden vier Menschen getötet. Als der Fahrer den Wagen verliess erstach er mit einem Messer einen Polizisten. Am 7. April 2017 fuhr in Stockholm (S) ein Lastwagen in ein Kaufhaus, dabei wurden vier Personen getötet. Am 3. Juni 2017, fuhr in London (GB) auf der London-Bridge ein Lieferwagen mehrere Personen um. Am 17. August 2017 raste ein Lieferwagen in Barcelona durch die Flaniermeile Las Ramblas und tötete 13 Menschen, über achtzig Menschen wurden teilweise schwer verletzt. Dies ist nur eine Auswahl der letzten Monate!

Ist das die aktuelle Angriffsart und künftige Waffe der Terroristen in Europa? Ja, unter anderem weil die Vermittelbarkeit der Tat nicht nötig ist. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als viele Ungläubige zu töten. Zu solchen terroristischen Mordanschlägen wird in Online-Schriften des IS gezielt aufgerufen. Diese Waffen und Methoden sind sehr kostengünstig, benötigen kaum Planung, verursachen keine verräterische Kommunikation und sind sehr wirkungsvoll. Zudem sind dergleichen Anschläge in einem demokratischen Staat kaum zu verhindern.

Waffen der Zukunft

Cyber-Terrorismus meint, dass Terroristen für ihre Ziele Computersysteme nutzen. Dabei ist ganz besonders zwischen zwei Anwendungen zu unterscheiden. Erstens Terroristen, welche die Computertechnologie als Logistik- und Agitationsmittel für ihre Ziele nutzen, was inzwischen in sehr umfangreichen Maße alltäglich geschieht. Und zweitens Akteure, die mit einem Computer einen terroristischen Angriff auf beispielsweise Flugsysteme, Kernkraftwerke, Stromversorgungen oder ähnliche Strukturen durchführen, was bisher kaum erfolgreich der Fall war. Wenn es Terroristen aber möglich ist, den Computer als eigentliche Waffe einzusetzen, so werden sie dies auch tun. Aus diesen Überlegungen ergeben sich tatsächlich Schreckensszenarien, denn die westlichen Gesellschaften nutzen in einem äusserst starken Ausmass die Systeme, die mit einem einfachen Computer oder sonst wie online angreifbar sind.

Terroristen sind grundsätzlich in der Lage, einen atomaren (Schmutzige Bombe), biologischen (Anthrax) oder chemischen (Sarin) Anschlag auszuführen. Beschlagnahmte Pläne und Utensilien belegen das. Die Frage ist also nicht ob Terroristen einen ABC-Anschlag ausführen können, sondern es ist nur eine Frage wann und wo es geschehen wird. Als am wahrscheinlichsten gilt ein biologischer Anschlag. Bioterror ist geeignet, innerhalb kürzester Zeit Verunsicherung und Panik bei der Bevölkerung auszulösen, auch wenn es sich nur um einen kleineren Anschlag handelt. Die Angst des Bürgers, selbst betroffen zu sein, führt zu Überbewertungen und falschen Interpretationen, die wiederum zu unzähligen unnötigen Reaktionen führen, welche die Wirtschaft sehr schwer schädigen können.

 

Über den Autor
Hans-Ulrich Helfer
Hans-Ulrich Helfer
Hans-Ulrich Helfer, von 1976 bis 1983 Staatschutzbeamter in der Schweiz, 1983 Gründer der Presdok AG, von 1995 bis 2000 FDP-Gemeinderat von Zürich. Geschäftsführer der Presdok AG, im Besonderen Berater von staatlichen Institutionen, Firmen, Anwaltskanzleien sowie namhaften Persönlichkeiten.
Weitere Artikel des Autoren