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 Foto: © Ralf Roletschek-eigenes Werk CC BY-SA 3.0

„Wer wagt gewinnt!“

Der Intrapreneur in gefährlicher Mission

Von Friedrich Christian Haas

Lehren aus der Dynamik auf sich gestellter militärischer Spezialeinheiten

Als Historiker habe ich die Erfahrung gemacht, dass einem bei so manchem vermeintlich neuen Trend eine dazu passende Begebenheit aus der Geschichte einfällt. Das Neue ist – was nicht dagegenspricht – ein Aufgreifen eines alten Gedankens, einer Idee bzw. einer bewährten Methode, die in Vergessenheit geraten war. Reformation, Renaissance bedeuten ja bereits im Wort selbst, dass sie auf etwas zurückweisen. Und in beiden Fällen waren es äußerst fruchtbare Rückbezüge, die zugleich Auslöser einer epochalen Erneuerung waren.

Flexibilität = Grundvoraussetzung erfolgreichen Unternehmertums

Im Management würde es sich zum Beispiel lohnen, einmal den Einfluss preußischer Arbeitsethik bis nach Japan zu verfolgen, warum sie sich gerade dort in der Industrialisierung kulturell verfing und ob letztlich mit dem Qualitätsmanagement nicht über die USA ein alter, guter Gedanke nach Deutschland zurückkam.

Beim Intrapreneurship dreht es sich im Kern darum, größeren Unternehmen wieder die notwendige Flexibilität und Innovationskraft zu verleihen, die einmal die Gründerjahre ausgemacht haben. Dazu braucht es für geeignete Mitarbeiter den Freiraum, der Anreize und Bedingungen für eigenverantwortliches, innovatives und kreatives Handeln schafft. Hintergrund ist, dass in Organisationen ab einer gewissen Größe oft die Innovationskraft der Funktionalität zum Opfer fällt.

Organigramme komplexer Matrixorganisationen sind häufig Sinnbilder dafür. Solche Organisationen büßen Flexibilität ein und werden fragil. Dabei ist Flexibilität in einem von zunehmender Dynamik und Komplexität geprägten globalen Umfeld Grundvoraussetzung für erfolgreiches unternehmerisches Handeln.

These des Schwarzen Schwans

Nassim Nicholas Taleb beschreibt im Kontext seiner These des Schwarzen Schwans – der These der unvorhersehbaren, unwahrscheinlichen Ereignisse – Anti-Fragilität als eine wichtige Kernkompetenz. Somit gewinnt die Strategie des Intrapreneurships, aus sich selbst heraus die notwendigen Kernkompetenzen für eine unberechenbarer gewordene Welt zu schaffen, existenzielle Bedeutung. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen DHL, wo aus einem internen Projekt heraus ein Entwicklungslabor und dann eine Produktion für Elektrotransporter geschaffen wurden, weil die Größen der deutschen Automobilbranche nicht flexibel, innovativ und schnell genug waren, um diesen Bedarf zu bedienen

Neu erfinden oder auf Erfahrungen zurückgreifen

Ist das nun eine grundsätzlich neue Erkenntnis? Muss man das neu erfinden oder gibt es in Unternehmen oder anderen Organisationen bereits Erfahrungen, die für Intrapreneurship fruchtbar gemacht werden können? Auf die man Bezug nehmen, auf die man rekurrieren könnte? Dazu zwei Überlegungen aus meiner beruflichen Tätigkeit im Risiko- und Krisenmanagement und hier insbesondere im Bereich der Auslands- und Reisesicherheit bei Geschäftsreisen und Entsendungen. Hintergrund sind dabei meine Berufsausbildung als Offizier der Luftwaffe und spätere Auslandseinsätze mit Einblicken in Operationen militärischer Spezialeinheiten im Vergleich zu denen großer Militärverbände und deren Bürokratien.

Bei meinen Kunden gehört es zum Alltag, dass Mitarbeiter in Vertrieb, Montage oder Wartung von Anlagen in Entwicklungs- und Schwellenländern unterwegs sind. Auch Nachkriegsgebiete, wie der Irak und Afghanistan, oder von Seuchen betroffene Länder in Afrika gehören dazu. Nicht zu vergessen das nicht kalkulierbare Risiko von Erdbeben in Ländern wie Chile oder dem Iran und natürlich rasante politische Veränderungen, wie in der Türkei oder der Ukraine, stellen Mitarbeiter vor unvorhersehbare Aufgaben.

Dies geschieht oft an Orten, wo höchstens noch mit Satellitentelefonen die Verbindung zum Unternehmen in Deutschland sichergestellt werden kann. Die vielfach hochgradig volatile und schwer prognostizierbare Lage erfordert dann eigenverantwortliche Entscheidungen vor Ort, von denen die eigene Unversehrtheit und hohe finanzielle Risiken für das Unternehmen abhängen.

 


Extreme Umstände machen eine enge Führung unmöglich

Eine enge Führung aus einer Unternehmenszentrale heraus ist dort unmöglich. Es kommt vielmehr darauf an, schon in der Personalgewinnung und -entwicklung die fachlich, körperlich sowie menschlich geeigneten Personen zu finden und mit adäquaten Mitteln in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich im Ausland zu arbeiten.

Solche Facharbeiter in Vertrieb, Montage und Wartung sind neben Patenten die Kronjuwelen deutscher Unternehmen, die auch den Ruf einer Marke „Made in Germany“ ausmachen. Nicht nur aus Gründen der gesetzlichen Fürsorgepflicht bemühen sich weitsichtige Unternehmer, alles zu tun, um die Risiken für diese Mitarbeiter so weit als möglich zu minimieren. Die Situationen, in denen sich solche Mitarbeiter „fern der Heimat“ oft wiederfinden, ähneln nicht selten denen von militärischen Spezialkräften. Warum? Militärische Spezialeinheiten, im Gegensatz zu normalen Streitkräften, sind abseits der Infrastruktur der Truppe räumlich wie organisatorisch eigenständig auf sich gestellte operierende Teams, die in einem fremden bzw. feindlichen Umfeld agieren müssen. Von der Lösungskompetenz des Teams hängt sowohl in hohem Maße die Unversehrtheit des Einzelnen als auch das Gelingen des Auftrags ab; d. h. in der Regel sind Einsatz und Auftrag mit hohem finanziellen Einsatz bzw. großen Risiken verbunden. Einige grundsätzliche Lehren und Erfahrungen von Spezialeinheiten lassen sich daher für den Mitarbeitereinsatz von Unternehmen im Ausland fruchtbar machen. Dies betrifft aber nicht nur Arbeiten in einem schwierigen Umfeld, sondern auch die Themen Kreativität und Innovationskraft. Dazu sei ein militärhistorischer Rückblick erlaubt.

Die erfolgskritischen Faktoren im Verlauf des zweiten Weltkriegs waren seltener Generäle, die große Verbände in Schlachten kommandierten, sondern mit Auftragstaktik geführte, phasenweise völlig autonom operierende Spezialeinheiten.

In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1940 landete ein Kommando deutscher Fallschirmjäger auf dem Dach des strategisch wichtigen belgischen Forts Eben-Emael und zwang die Besatzung der als uneinnehmbar geltenden Festung zur Aufgabe.

Erkenntnisse aus der Militärhistorie

Diese Organisationsform von kleineren Kommandoeinheiten wurde immer bestimmender. Damien Lewis beschreibt in seinem Buch „Churchill’s Secret Warriors“ wie dieser nach den verheerenden Niederlagen der Alliierten zu Beginn des zweiten Weltkriegs die Entwicklung britischer Kommandotruppen initiierte: Die Geburtsstunde des legendäre britischen „Special Air Service“, des SAS. Churchill erkannte, dass die grundlegend veränderte politische und militärische Lage ein Um- und Neudenken des Militärs erforderte. Nach anfänglichen kurzen britischen Kommandoaktionen entlang der französischen Kanalküste folgte von England aus ein mehrwöchiger verdeckter Einsatz mit einem Schiff auf der spanischen Insel Fernando Pó, heute Bioko, im Golf von Guinea. Später waren fast alle wichtigen alliierten Operationen im Mittelmeerraum und Asien zwischen 1943 und 1945 von britischen Kommandokräften vorbereitet und begleitet worden. Allerdings, so erfolgreich diese Kommandotruppen waren, so sehr wurden sie auch von den Militärs der traditionell geführten Verbände hinterfragt.

Diese Abweichung von der Norm, von der Uniform über flache Hierarchien, von Stabsabteilungen hin zu interdisziplinären Teams und spontanes eigenständiges Handeln ohne Rückversicherung auf dem Dienstweg, all das war vielen britischen Offizieren und auch Politikern zutiefst suspekt. Leitspruch im Wappen des SAS wurde nicht von ungefähr „Who dares wins“ (Wer wagt, gewinnt).

Die Chance für eigene Ideen Gehör zu finden, entsprechend besonderer eigener Fähigkeiten und Begabungen eingesetzt zu werden und eigenverantwortlich handeln zu können, zog begabte junge Männer magisch an. Die Stimmung kann man vielleicht mit den Anfängen im Silicon Valley oder der Start-up Community in Berlin vergleichen. Hinter dem Erfolg der britischen Kommandos standen aber auch mutige Politiker und Offiziere, die den unkonventionellen jungen Soldaten Freiraum ließen und nicht unerhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellten.

Heute gelten die britischen Kommandos als Vorbild für die meisten nach ihnen aufgestellten Spezialeinheiten weltweit. Das Grundkonzept von Spezialeinheiten ist dabei ein an den gestellten Aufgaben orientierter Minimalismus, eine Konzentration auf das Wesentliche, gepaart mit höchstmöglicher Kompetenz in Fachgebieten und dem Freiraum, diese eigenverantwortlich zu entfalten, um einen Auftrag umzusetzen. Man spricht hier im Militär auch von Auftragstaktik. Ein kleines interdisziplinäres Team bekommt einen Auftrag und dazu erforderliche Mittel. Weil militärische Operationen aber in der Regel in einem nicht vorhersehbaren Umfeld stattfinden, ist neben Auftrag und Mitteln ein Höchstmaß an Freiheit zur Erledigung des Auftrags erforderlich.

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Gefragt sind teamfähige Spezialisten mit der Fähigkeit zum Multitasking, zu interkultureller Kompetenz und kreativem Querdenken. Dies setzt tiefes Fachwissen, große Motivation und Einsatzbereitschaft jedes Einzelnen voraus und das Bewusstsein, welche Bedeutung das erfolgreiche Handeln des eigenen Teams hat. Dass diese interdisziplinären Teams innovativ sind, belegen Erfindungen in der Medizintechnik, die von Angehörigen des SAS gemacht wurden.

Übertragen auf ein Unternehmen heißt das: Ein Mitarbeiter lernt (besonders) im Ausland, dass sein Einsatz nicht nur der Funktion einer Maschine, sondern dem ganzen Unternehmen dient und dass er hierbei ständig das Unternehmen repräsentiert. Voraussetzung für eine gute fachliche Arbeit ist zugleich, dass er Risiken und Gefahren kennt und diese zu seinem eigenen Schutz, wie dem des Unternehmens (finanzieller Schaden bis Reputation), vermeidet bzw. minimiert. Um das leisten zu können, benötigt er von der Unternehmensführung die Mittel, den Freiraum und das spürbare Vertrauen in seine eigenständig zu treffenden Entscheidungen.

Vertrauensvorschuss statt Sanktionsdrohung

Nicht zu vergessen die Sicherheit, dass gewissenhaft getroffene Entscheidungen, die nicht zum Erfolg führen, nicht negativ sanktioniert werden. Der Mitarbeiter muss die Chance haben, wie der Unternehmer verantwortbare Risiken einzugehen und in diesem Rahmen Fehler zu machen. Insofern lohnt der Blick für erfolgreiches Intrapreneurship auf militärische Spezialeinheiten oder auch auf Monteure, die im Rahmen bestimmter Tätigkeiten eigenverantwortlich im Ausland tätig werden müssen.

Veröffentlichung des Beitrags mit freundlicher Genehmigung:
©  HLP Management-Diskurs
Intrapreneurship - top-down or bottom-up

HLP Management Connex, Frankfurt a. M. 2017
152 Seiten, 9,50 EURO, ISBN 978-3-00-056877-0
http://www.hlp-connex.de/index.php/aktuelles-blog/287-intrapreneurship-top-down-or-bottom-up-2

Über den Autor
Friedrich Christian Haas
Friedrich Christian Haas
Friedrich Christian Haas, MA, Jahrgang 1968, nach seiner Tätigkeit als Zeitsoldat im Objektschutz der Luftwaffe studierte er Internationale Beziehungen in Köln und Simferopol (Krim, Ukraine) und absolvierte Lehrgänge in Verhandlungsführung (Harvard Program on Negotiation) sowie Change-Management (SYMA). Als Berater deutscher Kommandeure in Auslandseinsätzen befaßte er sich zunehmend mit Terrorismus und gewaltbereiten traumatisierten Einzeltätern. Als Geschäftsführender Gesellschaft der AKE | SKABE GmbH berät er Kunden v.a. wie Risiken wie Krieg, Terrorismus, u.a. Gefahren für Unternehmensstandorte im In- und Ausland sowie von Mitarbeitern auf Reisen gemeistert werden können.
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