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Sven Lau (links) und Pierre Vogel (rechts) unterhalten sich während einer Kundgebung in Freiburg im Breisgau am 7. Juni 2014
Foto: © ireas/Wikimedia

Wie die Terrormiliz „Islamischer Staat“ deutschen Ermittlern hilft

Die Gräuel-Videos im Internet liefern immer öfter Beweise

Von Horst Zimmermann

Der Gruseleffekt des Fotos war riesig: Offensichtlich stolz posierte da Aria L., deutscher Staatsbürger und 21 Jahre alt, vor zwei auf Metallstangen aufgespießten Köpfen getöteter Feinde. Das Foto gelangte ins Internet und spielte dann als Beweismittel in der Anklage der Bundesanwaltschaft vom 12.Februar eine wichtige Rolle.

Der Fall steht nicht allein da. Die Propaganda der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) entwickelt sich zunehmend zum Helfer für die deutschen Ermittlungsbehörden bei Verfahren gegen Mitglieder, Unterstützer und Kämpfer des „IS“. Weitere Erkenntnisse liefern erste Überläufer und Kronzeugen, so in dem Verfahren gegen den Salafisten-Prediger Sven Lau vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Welche Bedeutung ein im März zu den Behörden gelangter Memory-Stick mit der IS-Personaldatei spielen kann, wird noch geprüft.

Bis Ende August konnte die Bundesanwaltschaft über 17 Verfahren berichten, in denen IS-Unterstützer und Kämpfer festgenommen oder sogar schon angeklagt werden konnten. Davon lieferte in sechs Verfahren die Internet-Propaganda des „IS“ wichtige Hinweise und Beweise.

Die Prahlerei mit Gräueltaten spielt in der „Werbung“ des „IS“ eine zentrale Rolle. Dass dabei wichtige Hinweise für die deutschen Strafverfolgungsbehörden anfallen, nimmt der „IS“ bewusst in Kauf. Ein deutscher Ermittler: „Die IS-Führung geht davon aus, dass Personen, die sich im Internet präsentiert haben, von einer Rückkehr nach Deutschland abgehalten werden, weil sie hier sofort festgenommen werden. Das ist ein Druckmittel, mit dem Absetzbewegungen verhindert werden sollen.“

Bis auf wenige Ausnahmen gelten nach Deutschland zurückgekehrte IS-Dschihadisten als Verräter, die ihre Strafe von der deutschen Justiz erhalten.

Die Ermittlungshilfe durch IS-Propaganda im Internet gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Beispiele aus diesem Jahr:

Am 16.März wurde Tarik S., deutscher Staatsbürger, 22 Jahre alt, bei seiner Rückkehr auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen. Die Anklage vom 15.August wirft ihm vor, im Internet für den „IS“ geworben und zu Gewalttaten gegen „Ungläubige“ aufgerufen zu haben. Tarik S. habe sich zu „einer bekannten Propagandafigur“ entwickelt und in einem Video einen enthaupteten Gegner verhöhnt.

Die Anklage vom 25.April wirft dem Deutschen Harry S., 27, vor, einer Spezialeinheit zum Kampf hinter feindlichen Linien angehört zu haben und als Fahnenträger in Propaganda-Videos aufgetreten zu sein.

Die Anklage vom 31.Mai wirft Abdelkarim B.,30 Jahre alt und deutscher Staatsbürger, Mitgliedschaft im „IS“ vor. Außerdem soll er die Verstümmelung eines Gegners gefilmt haben.

Am 21.Juni wurde der Tadschike Mukhamadsaid S.,30, festgenommen. Er soll Videos zur Anwerbung neuer Kämpfer produziert haben.

Aber auch die IS-Gegner betreiben Propaganda im Internet. So wurde am 26.April Haftbefehl gegen den Iraker Rami K., 27, erlassen. Als Angehöriger der irakischen Armee soll er die abgeschlagenen Köpfe zweier IS-Kämpfer an den Haaren in die Höhe gehalten und davon Fotos ins Internet gestellt haben.
 

Über den Autor
Horst Zimmermann
Horst Zimmermann
Horst Zimmermann, schon während des Studiums (Jura und Politik) an der Uni Bonn Mitarbeit bei mehreren Tageszeitungen, dann Mitglied der Bundespressekonferenz (bis 2010), bis 1999 NRW-Korrespondent der WELT am Sonntag und freier Mitarbeiter von zeitweise bis zu 14 Tageszeitungen. Schwerpunkt: Innere Sicherheit und speziell Terrorismus. In den letzten Jahren Schwerpunkt Sicherheit auf Reisen.
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