Attentate auf den Kaiser
Von Werner Sabitzer
Vor 100 Jahren, am 21. November 1916, starb Kaiser Franz Joseph I., der vorletzte Monarch Österreich-Ungarns. Während seiner Regierungszeit wurde mehrmals versucht, ihn zu ermorden.
Kaiser Franz Joseph I. ging am 18. Februar 1853 auf der Kärntnertor-Bastei in Wien spazieren, begleitet von seinem Flügeladjutanten Maximilian O’Donell Graf von Tyrconell. Als der 23-jährige Kaiser von der Brüstung auf exerzierende Soldaten im Stadtgraben blickte, stürzte sich ein Mann mit einem langen, doppelt geschliffenen Küchenmesser von hinten auf Franz Joseph zu und stach auf den Monarchen ein. Das Messer glitt aber am Kragen der Dragoneruniform ab, sodass der Kaiser eine leichte, nicht lebensgefährliche Stichverletzung erlitt. Graf O’Donell stürzte sich auf den Angreifer, riss ihn zu Boden und konnte verhindern, dass der Attentäter ein weiteres Mal zustechen konnte. Der zufällig vorbeikommende Fleischhauermeister Josef Ettenreich warf sich auf den Attentäter und hielt ihn fest. Der 53-jährige Ettenreich hatte ein Fleischergeschäft am Tiefen Grafen, welches er verpachtet hatte, und er besaß ein Haus in der Margaretenstraße 9. Ein Wagen brachte den verletzten Kaiser in die Hofburg, wo sich seine Hofärzte um ihn kümmerten. Die Wunde entzündete sich, sodass die Heilung länger dauerte. Als Folge der Verletzung litt Franz Joseph noch einige Zeit an Schwindelanfällen und Sehstörungen.
Beim Angreifer handelte es sich um János Libényi. 1831 in Csákvár im Komitat Stuhlweißenburg in Ungarn geboren, wurde er wie sein Vater Schneider und arbeitete während der Revolutionsjahre 1848/49 in Arad in einer Uniformschneiderei für die Aufständischen. 1851 zog er nach Wien. Er plante, in den Militärdienst einzutreten und als Rache für die Niederschlagung des Aufstandes und die Hinrichtung der Rädelsführer den Kaiser zu ermorden. In Wien arbeitete Libényi bei verschiedenen Schneidern. Er kaufte sich auf dem Tandelmarkt ein Küchenmesser und ließ es von einem Scherenschleifer schärfen.
János Libényi wurde am 23. Februar 1853 zum Tod verurteilt und bereits drei Tage später bei der Spinnerin am Kreuz in Wien-Favoriten auf dem Galgen hingerichtet. Trotz Schneetreibens hatten sich etwa 50.000 Menschen auf dem Weg zum Richtplatz und an der Hinrichtungsstätte versammelt. Zwei nach dem Attentat festgenommene Arbeitskollegen Libényis wurden zu 30-jähriger Schanzarbeit „in schwerem Eisen“ verurteilt und auf die Festung Temesvár gebracht. Ein weiterer Mitangeklagter kam als Mitwisser mit 15 Jahren Schanzarbeit auf der Festung Peterwardein davon.
Als Dank erhob Kaiser Franz Joseph seinen Retter Ettenreich in den erblichen Ritterstand. Ettenreich zog später mit seiner Familie nach Baden. Er starb 1875 und wurde auf dem Helenenfriedhof in Baden bestattet. 1875 wurde eine Straße in Wien nach ihm benannt.
Erzherzog Ferdinand Maximilian, später Kaiser von Mexiko und von Aufständischen erschossen, rief zu Spenden auf, um eine „Kirche als Votivgabe der Völker der Monarchie für die Errettung des Kaisers“ zu errichten. Unter den Großspendern befand sich die Nationalbank, die 20.000 Gulden zur Verfügung stellte. Die vom Architekten Heinrich Ferstel erbaute Votivkirche wurde am 24. April 1879 geweiht. Johann Strauß komponierte den Rettungs-Jubelmarsch, in den er die Kaiserhymne einarbeitete.
Bomben in Triest
1882 entging Kaiser Franz Joseph bei einem Besuch in der Hafenstadt Triest einem weiteren Mordanschlag. Wilhelm Oberdank (Guglielmo Oberdan), ein Deserteur und Mitglied der irredentistischen Bewegung in Italien, hatte mit dem Apotheker Donato Ragosa zwei Bombenanschläge auf den Kaiser geplant. Mitwisser informierten aber die österreichische Polizei über den Attentatsplan. Oberdank wurde am 16. September 1882 in Ronchi verhaftet. Die Polizisten stellten bei ihm zwei Sprengkörper sicher. Als der Kaiser am nächsten Tag in Triest eintraf, explodierte eine Bombe in der Nähe des Monarchen, der aber unverletzt blieb. Zwei Menschen starben beim Anschlag. Donato Ragosa wurde festgenommen, aber von einem Geschworenengericht in Udine freigesprochen. Oberdank hingegen wurde wegen Mordversuchs zum Tod verurteilt und am 20. Dezember 1882 am Galgen hingerichtet. Die Irredentisten verehrten ihn als Märtyrer; in Italien sind Straßen und Plätze nach ihm benannt. In Triest entging 1882 auch Erzherzog Carl Ludwig einem Attentat.
Mordplan in Mostar
Vier Jahre vor dem verhängnisvollen Besuch des Thronfolgers Franz Ferdinand reiste Kaiser Franz Joseph am 3. Juni 1910 in die annektierten Provinzen Bosnien und Sarajevo. Im Unterschied zum Besuch Franz Ferdinands waren die Sicherheitsvorkehrungen in den beiden Hauptstädten Sarajevo und Mostar rigoros, denn es wurden Anschläge auf den greisen Kaiser befürchtet.
Bogdan Žerajić, ein bosnischer Serbe, plante, den Kaiser in Mostar zu erschießen. Aber die strengen Sicherheitsvorkehrungen verhinderten, dass er in die Nähe des Monarchen gelangen konnte. Der Nationalist suchte deshalb ein Ersatzopfer: Feldzeugmeister Marijan Freiherr Varešanin von Vareš, den Gouverneur von Bosnien und Herzegowina. Am 15. Juni 1910, dem Tag der Eröffnung des österreichisch-ungarischen Parlaments von Bosnien und Herzegowina, schoss Žerajić aus einem Revolver fünf Projektile auf Varešanin. Mit der sechsten Kugel erschoss sich der Attentäter. Varešanin überlebte die Schussverletzungen.
Bogdan Žerajić, geboren am 1. Februar 1886 in Miljevići im Osten der Herzegowina, studierte Rechtswissenschaften an der Universität in Zagreb. Mit Špiro Soldo leitete er die um 1905/06 gegründete Geheimbewegung „Freiheit“. Der Anschlag inspirierte den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip zum Anschlag auf Thronfolger Franz Ferdinand 1914 in Sarajevo. Princip besuchte Žerajićs Grab und schwor, ihn zu rächen.
Anarchistenprozess in Graz
Der Schuhmacher Franz Pronegg aus Graz wurde am 15. November 1883 wegen des Verdachts des Hochverrats festgenommen. Einen Tag später kam Nikolaus Podboy in Haft. Beide Männer hatten Flugblätter mit dem Titel „Arbeiter“ verbreitet – mit umstürzlerischem Inhalt. In der Untersuchungshaft behauptete Pronegg Anfang 1884, Sozialdemokraten und Anarchisten hätten bei einem Treffen am 19. April 1883 im Gasthaus „Zum Königstiger“ in Graz beschlossen, ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph zu verüben. Der Monarch hätte am 8. Juli 1883 bei einem Volksfest auf der Fischerau in Graz mit einer Bombe ermordet werden sollen. Der Anschlag sei nicht ausgeführt worden, weil Pronegg am 26. April 1883 wegen Vorschubleistung verhaftet worden sei und die Männer befürchtet hätten, er könnte den Mordplan verraten haben. Aufgrund der Aussagen Proneggs wurden am 5. Februar 1884 insgesamt 22 Männer verhaftet. Bei den monatelangen Erhebungen konnte der Attentatsvorwurf nicht erhärtet werden. Franz Pronegg dürfte bei seinen Aussagen zum Mordkomplott auf den Kaiser übertrieben haben, um selbst zu einer milderen Strafe verurteilt zu werden. Er wurde Ende Januar 1884 wegen Hochverrats und anderen Delikten zu acht Jahren Kerker verurteilt, der Mitangeklagte Nikolaus Podboy zu zwölf Jahren Kerker. Über die von Pronegg des Mordversuchs beschuldigten Sozialisten und Anarchisten wurde nach zwei Wochen Prozessdauer am 25. Juni 1884 die Urteile gefällt. Der Vorwurf des Mordversuchs wurde aber fallen gelassen. Michael Kappauf erhielt dreieinhalb Jahre Kerker, Franz Lindner drei Jahre, Johann Kreiner und Anton Schrank je zweieinhalb Jahre und Josef Schneider zwei Jahre. Fünf Männer wurden zu geringeren Haftstrafen verurteilt, und die zwölf restlichen Angeklagten wurden freigesprochen. Die Verurteilten wurden zur Strafverbüßung nach Suben gebracht.
Tod in Genf
Kaiser Franz Joseph blieb nichts erspart: Nachdem sein Bruder Maximilian am 19. Juni 1867 als Kaiser von Mexiko von Aufständischen standrechtlich erschossen worden war und sich sein einziger Sohn Kronprinz Rudolf 1889 in Mayerling umgebracht hatte, starb auch seine Frau Elisabeth gewaltsam. Als Kaiserin „Sisi“ während eines Kuraufenthalts in Genf am 10. September 1898 vom Hotel „Beau Rivage“ zur Schiffsstation am Genfer See ging, stürzte sich der Anarchist Luigi Lucheni auf sie und stach ihr mit einer zugeschliffenen Dreikantfeile in die Brust. Kurz darauf war die Kaiserin tot; der Stich hatte ihr Herz durchbohrt. Lucheni, ein in der Schweiz lebender Italiener, wollte eigentlich den italienischen König Umberto I. ermorden, aus Rache für die blutige Niederschlagung eines Arbeiteraufstandes im Mai 1898 in Mailand; er konnte sich aber die Reise nach Italien nicht leisten. Als nächstes Anschlagsziel hatte er den französischen Prinz Henri d'Orléans im Visier. Dieser hatte aber seine Reise nach Genf kurzfristig abgesagt. Die Kaiserin reiste inkognito unter dem Namen „Gräfin Hohenembs“. Als eine Tageszeitung durch eine Indiskretion vom Aufenthalt der Kaiserin in Genf erfuhr und darüber berichtete, änderte Lucheni seinen Attentatsplan. Er beobachte Elisabeth und ihre Hofdame Irma Gräfin Sztáray einige Zeit und lauerte seinem Opfer an der Seepromenade auf. Der Mörder brachte sich 1910 im Genfer Kantonsgefängnis um.
Quellen/Literatur:
Bachhiesl, Christian; Kocher, Gernot; Mühlbacher, Thomas (Hg.): Hans Gross – ein „Vater“ der Kriminalwissenschaft. Zum 100. Wiederkehr seines Todestages. LIT-Verlag, Wien, 2015.
Daniek, Edmund: Der Mordversuch Johann Libényis an Kaiser Franz Joseph I. In: Unsere Heimat. Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich 34, 1963, S. 17 ff.
Grazer Volksblatt, 21. Juni 1884.
Hansen, Walter (Hg.): Das Attentat auf Se. Majestät Kaiser Franz Josef I. am 18. Februar 1853. Vollständige und authentische Schilderung des entsetzlichen Ereignisses und der darüber gepflogenen Untersuchungen. Nachdruck der Ausgabe Wien 1853, Ludwig, Pfaffenhofen, 1978.
Kovarik, Martina: Das Attentat Johann Libényis auf Kaiser Franz Joseph 1853 und die Gründung der Votivkirche. Eine Studie zur Ära des österreichischen Neoabsolutismus. Phil. Diss., Universität Wien, 1976.