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 (Grafik: i-Stock.com)

Der Kampf gegen den Terror

Nach den Anschlägen in Paris – Europa rüstet auf

Von Peter Königsfeld

„Wir sind wachsam, voller Sorge, aber ohne Angst!“ So umschreibt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Zustand der deutschen  Sicherheitsbehörden. Und um die Wachsamkeit noch zu erhöhen, hat das Kabinett weitere Änderungen, Verschärfungen im Kampf gegen den Terror beschlossen.

 

Viel geht nicht mehr, da das gesetzliche Potenzial schon weitgehend ausgeschöpft ist. Auch haben die neuen Vorschläge direkt nichts mit den Angriffen vom 7. Januar in Paris zu tun. Die Vorhaben stammen aus dem Herbst 2014. Bereits in den Jahren nach 11. September 2001 wurden weitreichende Sicherheitspakete Gesetz in Deutschland verabschiedet. Die unter dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verabschiedeten Pakete – von neuen Kompetenzen für die heutige Bundespolizei, über den Zugriff auf Handy-Daten, biometrischen Merkmalen in den Personalausweisen, der Ergänzung und Spezifizierung des Paragrafen 89a des Strafgesetzbuches – lassen heute wenig Raum für Verschärfungen.

 

Die Pläne der Bundesregierung:

Bundesinnenminister Thomas de Maizière

1. Der Entzug des Personalweises für mindestens sechs Monate.

Bisher durfte nur der Pass entzogen werden, der Personalausweis nicht. Dies soll nun künftig möglich sein; die Betroffenen sollen ein Ersatzdokument erhalten, das aber eine Ausreise nicht erlaubt. Die Kritik: Der Personalausweis gilt, vom Gesetzgeber bestimmt, explizit als Legitimationspapier. Kritiker befürchten eine Stigmatisierung. Darüber hinaus ist die Frage der praktischen Umsetzung strittig. Wie soll der Einzug erfolgen?

 

2. Paragraf 89 c neu Strafgesetzbuch (Terrorfinanzierung)

Finanzierung terroristischer Aktivitäten ist auch schon bisher strafbar. Paragraf 89 a Absatz 2 Nummer 4. Nun arbeitet das Bundesjustizministerium einen einem eigenen Paragraf 89 c. Die Strafhöhe soll bleiben. Dafür soll auf das Tatbestandsmerkmal „nicht unerhebliche“ Vermögenswerte verzichtet werden. Was bisher „nicht unerheblich“ war, darüber streiten sich aber schon jetzt die Experten.

 

3. Paragraf 89 a Abs. 2 Nr. 4 neu Strafgesetzbuch (Reisen zur Beteiligung an Terrorakten)

Bundesjustizminister Heiko Maas (© SPD-Saar/Wikipedia)Bundesjustizminister Heiko Maas
Foto: SPD-Saar, Wikimedia Commons | Lizenz: [CreativeCommons by-sa-3.0, GNU-Lizenz für freie Dokumentation]
Der tätige Aufenthalt in einem Terrorcamp ist bereits nach geltendem Recht strafbar, und zwar als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach Paragraf 89 a (bis zu zehn Jahren Haft) oder als Anleitung zur Begehung einer solchen Gewalttat nach Paragraf 91 (bis drei Jahren Haft). Die Beweisschwierigkeiten machten diese Vorschriften bisher aber wenig praktikabel. Nun soll bereits das Reisen in Länder, in denen es solche Terrorcamps gibt, bestraft werden – bei einschlägigen Absichten des Reisenden. Man setzt damit die UN-  Resolution gegen „Foreign Fighters“ in deutsches Recht um. Ist diese Ausweitung der Strafbarkeit praktikabel? Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte der Süddeutschen Zeitung, dass radikale Islamisten, die ausreisen, sich oft bei ihren Eltern oder bei Freunden entsprechend erklären und ein „Wiedersehen bei Allah“ ankündigen. In solchen Fällen könne man nun künftig schnell, repressiv und präventiv eingreifen. Maas räumt ein, dass damit das Strafrecht noch weiter in die Bereiche bloßer Vorbereitung von Straftaten ausgedehnt wird.

 

4. Vorratsdatenspeicherung

Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel (© Moritz Kosinsky/Wikipedia)Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel
Foto: Moritz Kosinsky | Lizenz: CreativeCommons by-sa-3.0
Maas lehnt, mit Hinweis auf die Entscheidung von 2014 des Europäischen Gerichtshofes, eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ab. Sowohl sein Parteivorsitzender, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel als auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprechen sich für die Einführung unter den Vorgaben einer verfassungsmäßigen Vereinbarung aus.

Den Entzug der Staatsbürgerschaft von gewaltbereiten Islamisten lehntMaas lehnt ab. Aus der Union waren Vorschlägen gekommen, den Eintritt in eine Terrormiliz so zu behandeln wie den Eintritt in die Armee eines ausländischen Staates. Sein Argument: Auf diesem Weg würden Terrororganisationen wie der „Islamische Staat“ zum echten Staat aufgewertet.

 

So kämpft Europa gegen den Terror

In den Mitgliedstaaten der EU ringen die Experten um die Antwort auf die Frage was hilft im Kampf gegen den Terror. Die Vorschläge reichen von strengeren Grenzkontrollen, mehr Macht den Geheimdiensten, Änderungen im Asyl- und Zuwanderungsrecht, mehr Geld für Polizei und Grenzschützer. Eine Tendenz zeichnet sich aber schon jetzt klar ab: Die Forderungen nach härteren Maßnahmen im Anti-Terror-Kampf werden lauter.

 

Ein Überblick:

Frankreich

Bernard Cazeneuve, französischer Innenminister (© Österr. Außenministerium/Wikipedia)Bernard Cazeneuve, französischer Innenminister
Foto: Österreichische Außenministerium, Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-2.0
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve empfahl gegen den internationalen Terror eine „globale Vorgehensweise“. Zudem verlangt der Sozialist eine stärkere Zusammenarbeit in Europa: Dafür brauche es schärfere Kontrollen der EU-Außengrenzen. Mit mehr Geld will er die „Bewegungen fremder Kombattanten vereiteln“. Außerdem soll „der Kampf gegen die Radikalisierung unterstützt werden, zumal im Internet.“

Es sind Sofortmaßnahmen geplant: In Zukunft sollen unter anderem radikale Islamisten, die bereits im Gefängnis sitzen, isoliert werden. Zwei der drei Attentäter von Paris hatten sich in der Haft kennengelernt. Außerdem will Frankreich die Zahl seiner Agenten (z. Zt. 4000) merklich aufstocken.

 

 

 

Großbritannien

Andrew Parker, Director General of the Security Service (© Crown,MI5 gov)Nach den Anschlägen stehen die britischen Geheimdienste im Mittelpunkt der Diskussion. So soll beispielsweise ein bereits zu den Akten gelegtes Überwachungsgesetz wiederbelebt werden. Britische Spione sollen damit mehr Spielraum bei der Terrorbekämpfung erhalten. Innenministerin Theresa May will Internetprovider dazu zwingen, Kundendaten bereitzustellen. Bisher ist das Gesetz am Widerstand der mitregierenden Liberalen gescheitert. Darüber hinaus unterstützt Großbritannien das großflächige Abgreifen von Daten und steht damit auf der Seite der Länder, die die europaweite Flugpassagier-Datenbank einführen wollen, in der Namen, Kreditkarteninformationen, Reisepläne und spezielle Essenswünsche von Reisenden aufgelistet werden sollen.

Laut Sunday Times gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass mindestens 150 Dschihadisten in Großbritannien Attentate durchführen können. Andrew Parker, Chef des Inlandsgeheimdienstes MI5, forderte daher mehr Macht und Geld für seine Behörde.

 

Dänemark

Helle Thorning-Schmidt, dänische Ministerpräsidentin (© Tine Harden / Wikipedia)Helle Thorning-Schmidt, dänische Ministerpräsidentin
Foto: Tine Harden,Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-2.0
Die Angriffe von Paris entfachten in Dänemark erneut die politische Debatte um die Veröffentlichung der Karikaturen. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die in den letzten Wochen immer wieder in Umfragen stärkste Kraft gewesen ist, forderte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt von den Sozialdemokraten auf, alle Parteien zu einem „nationalen Kompromiss“ in der Terrorabwehr zusammenzubringen. Parteichef Kristian Thulesen Dahl forderte ein härteres Vorgehen gegen Islamisten, die aus Dänemark in den Dschihad nach Syrien reisen und zurückkehren. Dänemark hat, gemessen an seiner Einwohnerzahl, überproportional viele Dschihadisten; bislang fährt das Land einen sehr weichen Kurs. Laut Regierungskreisen stehen die nationalen Maßnahmen zur Terrorabwehr auf dem Prüfstand. Die sozialdemokratische Justizministerin Mette Frederiksen erklärte, sollte der polizeiliche Inlandsgeheimdienst PET mehr Gelder brauchen, könnten diese sofort zur Verfügung gestellt werden.

 

Italien

Der italienische Präsident Matteo Renzi bei der Bekanntgabe seines Kabinetts 2014 (© Presidenza della Repubblica)Italiens Rechtspopulisten von der "Lega Nord" wollen mit lautem Gebrüll gegen den Terrorismus weiter punkten und rufen deshalb nach der Todesstrafe, mehr Abschiebungen, dichten Grenzen. "Wir sind im Krieg", konstatiert Lega-Veteran Roberto Calderoli, Vizepräsident des römischen Senats.

Roms Regierung sieht Handlungsbedarf. Die Internet-Propagandaseiten der Islamisten sollen abgeschaltet werden. Eine Superstaatsanwaltschaft, wie es sie für Mafiaverbrechen gibt, werde sich künftig um Terroristen kümmern. Potenzielle Dschihadisten sollen Tag und Nacht überwacht werden. Regierungschef Matteo Renzi fordert darüber hinaus einen gemeinsamen EU-Sicherheitsgeheimdienst.

 

 

Spanien

Jorge Fernández Díaz, spanischer Innenminister (© Izquierdojv – flickr/wikimedia)Jorge Fernández Díaz, spanischer Innenminister
Foto: Izquierdojv (flickr), Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-2.0
Spanien ist noch immer von den Erinnerungen an die 2004 verübten Bombenanschläge auf vier Pendlerzüge in Madrid geprägt. Islamisten töteten damals 191 Menschen. Spanien hat seine Sicherheitswarnstufe erhöht. Der konservative spanische Innenminister Jorge Fernández Díaz drängt auf neue Grenzkontrollen im Schengen-Raum. Die 3000 Dschihadisten aus Europa, die in den Irak oder nach Syrien gereist sind, stellten bei einer Rückkehr in die Europäische Union eine große Bedrohung dar – und bei der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit sei der Schutz von Menschenleben vorrangig, so Díaz weiter.

 

 

 

 

Brüssel / EU

Jean-Claude Juncker (©Factio popularis Europaea/Wikipedia)Jean-Claude Juncker
Foto: Factio popularis Europaea, Wikimedia Commons | Lizenz: CreativeCommons by-sa-2.0
Für EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war die Reaktion auf die Terroranschläge von Paris ein schwieriger Balanceakt. Denn er kann zwar als führender Europäer sein Entsetzen ausdrücken oder am Solidaritätsmarsch in Paris teilnehmen – aber die nationale Sicherheit ist nicht seine Angelegenheit.

Innenminister Thomas de Maizière fordert einen engeren Informationsaustausch  zwischen den Geheimdiensten. De Maizière fordert auch, dass das Europaparlament die Blockade des europäischen Fluggastdatenabkommens beendet. Darin soll Sicherheitsbehörden der Zugriff auf Daten von Fluggästen erlaubt sein, die in die EU hinein- oder aus der Union ausreisen. Im Herbst 2013 wurde dieser Vorschlag allerdings von einer Mehrheit aus Sozialdemokraten, Liberalen, Linken und Grünen im EU-Parlament zurückgewiesen. Seither liegt der Vorschlag auf Eis.

Kommissionspräsident Juncker plant, die Zusammenarbeit von Europol und nationalen Agenturen zu optimieren. Im Februar sollen Vorschläge erörtert werden.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales in NRW (© Wikipedia)Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales in NRW
Foto: SPD-Landtagsfraktion NRW, Wikimedia Commons | Lizenz:Public domain / CC0
Als erste Konsequenz aus den Anschlägen sollen jetzt aber die Reisebewegungen von Dschihadisten besser erfasst und der Austausch dieser Daten zwischen den europäischen Behörden verbessert werden. So soll im Schengener Informationssystem etwa künftig eingetragen werden, wenn ein mutmaßlicher islamistischer Kämpfer aus Europa die Außengrenzen überschreitet und aus Syrien und den Irak zurückkehrt. Dies geht aus einer Erklärung der Innenminister vom Sonntag hervor. Ebenso soll die Zusammenarbeit mit Ziel- und Transitländern verbessert werden.

Ralf Jäger (SPD), NRW-Innenminister, will aber erst gar nicht auf die EU warten und will bereits jetzt die Maßnahmen gegen den islamischen Terror verstärken. Jäger erklärte bei einer Anhörung vor dem parlamentarischen Kontrollgremium des Landtages in Düsseldorf, dass salafistische Extremisten noch intensiver beobachtet werden sollen. Jäger: „Die extremistische Szene agiert zunehmend professioneller!“

Bundesweit seien nach Erkenntnis der Behörden mehr als 600 Islamisten Richtung Syrien und Irak ausgereist, 160 davon stammten aus NRW. Knapp 40 dieser aus NRW Ausgereisten seien inzwischen zurückgekehrt. Weiteren 50 sei die Ausreise aus NRW verweigert worden.

 

 

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