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Das Live Gespräch:

ZWEI...die es erleben

Das Gespräch mit den beiden Sexarbeiterinnen fand in den Räumlichkeiten der LEFÖ / Migrantinnenunterstützung in Wien 5., im Beisein von zwei Mitarbeiterinnen dieser Organisation statt. Um die Anonymität der beiden Frauen zu wahren, wurden sie mit „Anna / A“ und „Maria / M“ bezeichnet.
Das Gespräch führte Oberst Willibald Plenk.

 

Willibald Plenk: Woher kommen Sie beide und wie lange sind Sie schon in Österreich ?

A: Ich komme aus Transsylvanien (Rumänien) und bin nach einem Streit mit meinem Freund in Rumänien, jetzt ca. sechs Jahren hier.

M: Ich stamme aus Moldawien, bin ebenso rumänische Staatsbürgerin, ca. sieben Jahre lang hier und bin mit einem Zuhälter per Zug nach Wien gekommen.

 

Wie nahmen Sie Kontakt mit den hier üblichen Arbeitsverhältnissen und Lebensumständen auf ?

A und M: Unsere Kontakte wurden meistens über Agenturen und Büros hergestellt bzw. abgewickelt; d.h. wir erhalten von dort die Anschriften unserer Kunden, besuchen sie und je nach Konditionen rechnen wir dann ab.

 

Wie waren Ihre damaligen Verhältnisse in Wien ?

A: Ich bin durch Vermittlung eines Freundes zu einer Agentur gegangen und von mir wurden Fotos angefertigt und meine persönlichen Daten vermerkt. Dort wurde auch besprochen, wie ich mich gegenüber den einzelnen Kunden zu verhalten habe. Der jeweilige Betrag wurde von der Agentur festgelegt, per Chauffeur wurde ich zur Anschrift gebracht und ich musste beim Eintreffen beim Kunden das Geld verlangen. Je nach Umstand wurden per telefonischem Rückruf auch zeitliche und preisliche Abänderungen vorgenommen. Durchschnittlich hatte ich am Anfang zwei bis fünf Kunden pro Tag. Später waren es nur ca. zwei Kunden pro Tag.

M: Als ich damals nach Wien gekommen bin, hat mich mein Freund in die Szene eingeführt, und ich habe auch gewusst, welche Tätigkeit ich hier ausüben soll. Schon am zweiten Tag bin ich über Vermittlung einer Agentur meiner Beschäftigung nachgegangen. Der jeweilige Kunde erfährt aus den einschlägigen Zeitungen, Magazinen und vor allem aus dem Internet, die Telefonnummern der „Agenturen“ und nimmt mit diesen dann Kontakt auf. Wir sind ca., gleich alt, nämlich 25 Jahre und kamen mit 18 Jahren nach Wien.

 

Wie leben Sie derzeit, bzw. in welchen Verhältnissen ?

A: Ich habe in unterschiedlichen Wohnverhältnissen gelebt. Derzeit lebe ich mich mit Maria in einer gemütlichen 86 Quadratmeter großen Mietwohnung seit ca. fünf Jahren. Vorher wohnte ich in einer Pension. Die Wohnung ist Teil einer größeren Wohnanlage. Auf unserer Stiege sind ca. dreißig – überwiegend ältere Personen – wohnhaft. Zu dieser Zeit wollte mein Freund jedoch nicht, dass ich die „grüne Karte“ beantrage. Deswegen, damit ich gegen ihn eventuell keine Anzeigen erstatten könne, da ich mich zu diesem Zeitpunkt  selbst gegenüber der Polizei und dem Magistrat strafbar gemacht habe.

 

Wie viele sexuelle Kontakte haben Sie derzeit durchschnittlich pro Tag ?

A: Das ist sehr verschieden, aber man könnte sagen, ca. zwei pro Tag. Wobei ich selbst manchmal eine Woche oder länger meiner Tätigkeit nicht nachgehe. Ich betreibe noch zusätzlich eine eigene Web-Seite. Dies hat für mich den Vorteil, dass ich mit der Agentur nicht teilen muss. Manche Agenturen reagieren darauf gar nicht, andere wiederum haben dies in ihren Verträgen ausdrücklich untersagt.

M: Auch ich habe ähnliche Kontaktzahlen; diese laufen wie bei „Anna“ über eine Agentur. Die Mieter auf unserer Stiege – so nehme ich an – wissen nicht, welcher Tätigkeit wir nachgehen. Wir haben fast keinen Kontakt mit ihnen. Es ist ja so, dass ich eben zu den einzelnen Kunden – deren Anschriften ich vorher von der Agentur erhalte – komme.

 

Wie ist Ihr Verhältnis zu den anderen Frauen, die auf der Straße arbeiten?

A: Für mich sind diese keine Konkurrenz, weil ich ohne Zuhälter bin und meine finanziellen Umstände allein bestimme; d.h., ich verlange von meinen Kunden, von Fall zu Fall, jenen Betrag, der mir angebracht erscheint.

M: Es gibt aber auch Differenzen und Auseinandersetzungen; beispielsweise war ich mit einer zweiten Frau bei zwei Männern und es ist deswegen zu einem Streit gekommen, weil ich einen höheren Preis gefordert habe als sie.“

 

Wie ist Ihre Beziehung zu Ihrer Familie und Bekannten in Rumänien ?

A: Mit ihnen bin ich über Telefon, Internet und Facebook verbunden. Über meine Tätigkeit hier spreche ich bewusst nicht mit meiner Familie und ich weiche solchen Fragen sehr aus. Bei mir weiß meine Familie, was ich hier tue, aber es wird nichts Genaueres darüber geredet.

M: Meine Familie weiß nichts von meiner Tätigkeit hier, und ich will mir es gar nicht vorstellen, wenn z.B. meine Mutter dies wüsste.

Wie ist Verhältnis zur Polizei, zu Ämtern und Behörden ?

M: Abgesehen von Anzeigen, die mit Geldstrafen verbunden waren, wurde ich z.B. von einem Kunden wegen Körperverletzung angezeigt; dies deshalb, weil er mich im Zuge von sexuellen Handlungen schlagen wollte. Ich lehnte dies ab und habe mich körperlich gewehrt, was mir eben diese Anzeige einbrachte, da mir noch zusätzlich ein Gelddiebstahl unterstellt wurde.

A: Besonders bei der medizinischen Untersuchung bezüglich der grünen Karte, spürt man die sehr unpersönliche Art des Personals. Es sollte dort mehr Informationen über den gynäkologischen Bereich geben.

 

Wie ist ihr Verhältnis zum Verein LEFÖ (Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen) ?

A: Als ich einmal mit einer Agentur Schwierigkeiten hatte, kam ich mit LEFÖ in Berührung. Hier war man mir auch unter anderem wegen meiner Anmeldung bei der Steuerbehörde behilflich. Für mich ist dies auch ein Schritt in die Legalität. Auch als ich einmal schwanger war, hat mir der Verein bei der Schwangerschaftsunterbrechung geholfen.

M: Auch ich werde dies tun, den entsprechenden Antrag beim zuständigen Finanzamt habe ich schon eingebracht. Auch habe ich bei LEFÖ einen Deutschkurs gemacht. So ein Kurs dauert fünf Monate und hat pro Woche zwei Unterrichtstage mit je drei Stunden.

 

Denken Sie manchmal an einen Aus- oder Umstieg aus Ihren jetzigen Verhältnissen ?

A: Wenn ich den Deutschkurs beendet habe, werde ich versuchen, einen ganz normalen Beruf – wie etwa in der Gastronomie – auszuüben. Aber ich werde jedoch – beispielsweise – meine jetzige Tätigkeit eventuell am Wochenende beibehalten.

M: Meine Vorstellungen wären, vielleicht als Krankenschwester oder Kellnerin zu arbeiten. Aber ich will das noch nicht jetzt tun. Meine Deutschkurse will ich noch abschließen und – ich will noch mein Leben leben!

 

Wie sind Ihre finanziellen Verhältnisse ?

M: Ich habe keine Ersparnisse und Rücklagen; ich lebe von meinen Einnahmen. Gleichzeitig unterstützte ich meine Eltern in Rumänien so gut ich kann; das Leben in Österreich ist aber sehr teuer!

A: Auch ich habe kein Geld ersparen können. In unseren Verhältnissen sind die Einnahmen eben nicht vorhersehbar, und es gibt eben ca. viertausend Frauen in Wien, die eine große Konkurrenz darstellen.

 

Welche sanitären Verhältnisse sind für Sie wichtig ?

A: Ich gehe mit einer Mitarbeiterin von LEFÖ als Streetworker-Praktikantin in verschiedene einschlägige Lokale und spreche mit den dort beschäftigten Frauen. Sie erhalten von uns Informationen und z. B. auch Kondome; als Frau, die sich in ihren Verhältnissen auskennt, ist es für mich leichter, mit ihnen zu sprechen. Ich war noch nie venerisch erkrankt.

M: Im Zuge meiner Tätigkeit bin ich sehr wohl im Alter von zwanzig Jahren einmal mit Syphilis angesteckt worden. Ich wurde damals vollständig ausgeheilt. Wir beide üben Sex nur geschützt aus und lehnen andere Wünsche ab.

 

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