Spione, Strafen und Skandale

Von Josef W. Lohmann

„Die Prostitution ist ein weites Feld“ stellte kürzlich ein Sexualpsychologe im Rahmen einer abendlichen Talkshow fest. Diese Meinung entspricht einer Realität, deren Facetten so vielfältig sind wie kaum einer anderen Tätigkeit. Sie reichen vom „Hobby“ bis zur knallharten „Geldmaschine“.

 

Die Prostitution ist vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Sie hat Kriege und politische Skandale ausgelöst, ließ Regierungen stürzen und beeinflusste die Entstehung und den Zerfall großer Reiche. Was sich immer wieder veränderte, war die Bewertung der käuflichen Liebe an sich. Diese ist bis heute einem stetigen Wandel unterworfen. War der Verkehr mit Prostituierten im klassischen Altertum keineswegs ehrenrührig, so machte sich bereits im Mittelalter eine Form religiös geprägter Doppelmoral breit.

Öffentliche Bäder mit bereitwilligen Damen wurden immer gerne in Anspruch genommen. Gleichzeitig waren die dort tätigen Frauen im gesellschaftlichen Leben geächtet und strengen Regelungen unterworfen.

Diese waren meist von Stadt zu Stadt verschieden. Da gab es festgelegte Wohnsitze, die Quartiergeber und offiziellen Aufseher waren häufig die „Bader“ und oft auch die städtischen Scharfrichter. Diese sicherten sich damit ein einträgliches Nebeneinkommen und entlasteten damit teilweise auch die Stadtkasse. Darüber hinaus gab es eine strenge Kleiderordnung, welche die Prostituierten gegenüber anderen Frauen kenntlich machte. Über die Einhaltung dieser ziemlich rigiden Vorschriften wachte ein strenger Magistrat.

Mit dem zunehmenden Aufkommen venerischer Erkrankungen veränderte sich auch die Moral. Ansteckungen mit den damals vielfach unheilbaren Krankheiten wurden oft als Strafe Gottes angesehen und erreichten teilweise epidemische Ausmaße. Medizinische und in der Folge auch gesellschaftliche und soziale Auswirkungen solcher Krankheiten sind für den Umgang mit der Prostitution bis heute aktuell.

Ein weiteres Phänomen, welches die Prostitution auch historisch immer begleitete, waren bestimmte Formen der Kriminalität. Sie reichen vom Beischlafdiebstahl bis zur Zuhälterei, vom Betrug bis zur Erpressung und einigen anderen Delikten.

 

Spionage und Prostitution

Mata Hari – Charme im Dienste der SpionageVor allem im Bereich der Spionage spielt die Prostitution bis heute eine nicht unwesentliche Rolle. Wer kennt nicht die Geschichte der niederländischen Tänzerin Margaretha Geertruida Zelle, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Mata Hari. Sie wurde am 25. Juli 1917 wegen Doppelspionage und Hochverrat von den Richtern eines französischen Militärgerichts zum Tode verurteilt und am 15. Oktober 1917 hingerichtet.

Weniger blutrünstig endete die Affäre Profumo. Der englische Kriegsminister John Profumo begann eine seiner Affäre mit dem Mannequin Christine Keeler. Er lernte sie 1961 auf einer Party, kennen. Keeler und ihre Freundin Mandy Rice-Davies waren Mitglieder eines elitären Prostitutionsrings. Die Affäre wurde 1962 öffentlich, als bekannt wurde, dass Keeler eine weitere Beziehung mit dem Marineattaché der sowjetischen Botschaft unterhielt. Rasch kam das Gerücht auf, dass Keeler den Minister im Christine Keeler – Affären mit Geheimnisträgernsowjetischen Auftrag ausspioniert habe. Sie selbst dementierte dies; entsprechende Beweise sind bis heute nicht bekannt. Profumo, der eine Beziehung zu Keeler immer wieder bestritt, bekannte, dass er das Parlament getäuscht habe. Er trat kurze Zeit später zurück. Christine Keeler wurde des Meineids für schuldig befunden und zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.

 

Vaterländische Gesinnung erwünscht

Auch der erste sozialistische Bauernstaat, die DDR, welche immer wieder gerne darauf hinwies, dass es sich bei der Prostitution um Überbleibsel Zu DDR-Zeiten war die Messe Leipzig ein Tummelplatz von Prostituierten, die im Auftrag der Staatssicherheit arbeiteten.kapitalistischer Ausbeutung handle, bediente sich gerne der Hilfe von Sexarbeiterinnen im staatlichen Auftrag. Obwohl die Prostitution offiziell verboten war, wurden durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sowohl männliche als auch weibliche Prostituierte zur Informationsgewinnung eingesetzt. Bekannt wurden die zahlreichen „Romeos“. Sie wurden meist auf alleinstehende Beamtinnen, von der Sekretärin bis zur Regierungsrätin, eingesetzt und dienten der „Abschöpfung“ besonderer Informationen. Aber auch westliche Besucher der DDR gerieten immer wieder in die Sexfalle. Gerade der Umstand, dass die Prostitution offiziell verboten war, wurde von der Staatssicherheit zum Anlass genommen, um ausländische Besucher zur Zusammenarbeit zu erpressen.

Die dafür angeheuerten Frauen entsprachen dabei keineswegs dem gängigen Klischee. Sie waren meist zwischen 20 und 30 Jahren, unverheiratet und hatten keine Kinder. Fremdsprachenkenntnisse, gutes Aussehen, Bildung, analytische Fähigkeiten und „vaterländische Gesinnung“ waren für die Einstellung Bedingung.

 

Geschlossene Gesellschaften

Wenig bekannt sind Formen der Prostitution, welche in geschlossenen Gesellschaften stattfinden. Hier verbindet sich oft tatsächliche Ambition mit der Freude am Geldverdienen. Die Akteurinnen (aber auch Akteure) haben meist gutbürgerliche Berufe und sind gesellschaftlich mehr oder minder gut integriert. Auffällig werden die Akteure meist nur beim Auftreten einer einschlägigen Krankheit, Drogenkonsum oder Beziehungsproblemen, die zu Auseinandersetzungen führen.

Die wohl bekannteste Gruppe von Prostituierten sind jene, die auch im Straßenbild in Erscheinung treten. Vor allem aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks stammend, hat ihre Zahl sich in den letzten Jahren gewaltig zugenommen. Oft kommen sie aus unmittelbarer wirtschaftlicher Not. Vielfach stehen sie aber unter dem Druck Krimineller und werden als lebende „Geldmaschinen“ eingesetzt.

In den letzten Jahren haben sich vor allem Bordelle die Bezeichnung „Club“ oder „Laufhaus“ zugelegt. In diese Kategorie gehört auch die Wohnungsprostitution, die vor allem in der Bundeshauptstadt mit relativ strengen Auflagen belegt wurde.

 

Drakonische Strafen

In einigen Ländern Westeuropas gibt es Überlegungen, die Prostitution gänzlich zu verbieten. Schweden, Island, Norwegen und Frankreich haben hier eine Vorreiterrolle übernommen und drohen mit nahezu drakonischen Strafen. (Interessant ist, dass Frankreich als erstes Land in Europa bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die Prostitution legalisierte und entsprechend gesetzlich regelte.) Über den Erfolg solcher Maßnahmen herrscht unter anderen europäischen Staaten keine Einigkeit. Vielfach wird befürchtet, dass die Prostitution durch die Kriminalisierung nicht verschwindet, sondern in den Untergrund gedrängt wird.

Auch unter Feministinnen gibt es in dieser Frage keine Einigkeit. Während die einen meinen, die Würde der Frauen gesetzlich schützen zu müssen, betonen andere die Freiheit, über den eigenen Körper verfügen zu können. Die deutsche Philosophin Elisabeth Badinter bringt es auf den Punkt, sie meint: "Wenn eine Frau binnen drei Tagen genauso viel verdienen will wie andere in einem Monat an einer Supermarktkasse, dann ist das ihr Recht".

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