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 © iStock.com/Ivan Rodić;

Schutz und Betreuung der Menschenhandelsopfer

Dr. Monika Lemmerer

Zwangsprostituierte haben als Opfer einer Menschenrechtsverletzung Anspruch auf Schutz und Betreuung. Bei der Unterstützung der Opfer gibt es Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland.

 

Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Nach der Definition im „Palermo-Protokoll“ der Vereinten Nationen werden drei Formen unterschieden – Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung der Arbeitskraft und der Organentnahme. Bei Menschenhandel wird das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen verletzt; sie werden physisch und psychisch misshandelt und ausgebeutet. Als Opfer einer Menschenrechtsverletzung haben sie Anspruch auf Schutz und Unterstützung. In der Betreuung von Opfern gibt es große Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland.

In Österreich gibt es mit der Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel (LEFÖ-IBF) eine staatlich anerkannte Opferschutzeinrichtung. Der Verein kümmert sich um die Beratung, Betreuung und Begleitung von Opfern. Bei Bedarf werden die Frauen in Notwohnungen untergebracht, sie erhalten medizinische und psychologische Betreuung, sie werden über das Aufenthalts- und Arbeitsrecht beraten sowie zu polizeilichen Einvernahmen und Gerichtsterminen begleitet. Die Mitarbeiterinnen vermitteln Deutschkurse und bereiten auf Wunsch der Betroffenen in Zusammenarbeit mit Organisationen in den Herkunftsländern die Rückkehr in die Heimat vor.

„Die professionelle Betreuung ist notwendig, um die oft schwer traumatisierten Frauen zu stabilisieren und ihnen die Entwicklung einer neuen Lebensperspektive zu ermöglichen“, sagt LEFÖ-IBF-Leiterin Evelyn Probst. 2013 wurden von den Mitarbeiterinnen von LEFÖ-IBF bundesweit 261 Frauen betreut. Etwa die Hälfte der Betroffenen wird von der Polizei an den Verein verwiesen. Die übrigen Frauen treten entweder in direkten Kontakt mit ­LEFÖ-IBF oder werden über andere NGOs vermittelt. Ein Großteil der Betreuten kommt aus Rumänien und Bulgarien. Für seine Tätigkeit bekommt der Verein finanzielle Zuwendungen vom Österreichischen Innenministerium und vom Bundeskanzleramt.

Grundlage der rechtlichen Zusammenarbeit zwischen Innenministerium und LEFÖ-IBF ist das Sicherheitspolizeigesetz (SPG). Nach § 25 Abs. 3 SPG können Opferschutzeinrichtungen vertraglich mit der Beratung von Menschen beauftragt werden, die von Gewalt einschließlich beharrlicher Verfolgung bedroht sind. Im SPG ist die Datenweitergabe der Sicherheitsbehörde an die Interventionsstellen geregelt, sofern es für den Schutz, die Beratung und die Betreuung der Betroffenen erforderlich ist.

 

Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels

Der Verein Lateinamerikanische exilierte Frauen in Österreich (LEFÖ) wurde 1985 von Migrantinnen aus Lateinamerika gegründet und setzt sich gegen die Verletzung und Missachtung von Frauenrechten ein. Seit 1998 ist LEFÖ bundesweit als Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ-IBF) eine staatlich anerkannte Opferschutzeinrichtung. Bei Bedarf werden Betroffene von Menschenhandel in Notwohnungen mit muttersprachlicher Betreuung untergebracht. Sie bekommen psychosoziale, psychologische, soziale, Gesundheits- und Lebensberatung, werden zu polizeilichen Einvernahmen begleitet sowie in aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Fragen beraten. Ziel der LEFÖ-IBF ist es, „mittels unterstützender Interventionen die Handlungsfähigkeit der betroffenen Frauen und Mädchen zu stärken und zu erweitern. Dies basiert auf dem Wissen, dass Frauenhandel eine Frauen- und Menschenrechtsverletzung ist“.

 

Situation in Deutschland

In Deutschland gibt es keine bundesweit tätige staatlich anerkannte Opferschutzeinrichtung. In den sechzehn Bundesländern gibt es knapp 40 Opferschutzeinrichtungen, die sich mit der Betreuung von Betroffenen des Menschenhandels beschäftigen. Die „Fachberatungsstellen“ sind in einem Dachverband organisiert, dem „Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess“ (KOK). Aufgabe des KOK ist es, die Interessen seiner Mitgliedsorganisationen auf bundespolitischer Ebene und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Er ist Schnittstelle zwischen der Praxis der Fachberatungsstellen und der Politik und Öffentlichkeit. Die Umsetzung der praktischen Opferhilfe erfolgt von den Mitgliedsorganisationen auf regionaler Ebene.

In Baden-Württemberg gibt es drei Fachberatungsstellen, die Betroffene von Menschenhandel betreuen. In der Regel kümmern sich die Fachberatungsstellen um jene Opfer, die im Bundesland aufgegriffen werden. In Ausnahmefällen werden auch Betroffene anderer Bundesländer betreut. In der Fachberatungsstelle der Mitternachtsmission Heilbronn in Baden-Württemberg kümmern sich die Mitarbeiterinnen seit mehr als zehn Jahren um Betroffene des Menschenhandels. Opfer werden beraten, über ihre Rechte informiert, in einer sicheren Unterkunft untergebracht und bei Behördenwegen unterstützt. Sie werden für den Fall des Verbleibs in Deutschland unterstützt; auf Wunsch wird ihre Rückkehr ins Herkunftsland vorbereitet. 2012 wurden von den Mitarbeiterinnen 35 Opfer begleitet. Die Hälfte davon wurde von anderen Stellen an die Fachberatungsstelle vermittelt, mit sieben Frauen wurde von der Polizei der Erstkontakt hergestellt. Wie in Österreich kam der überwiegende Teil der Betroffenen aus Bulgarien und Rumänien.

Für staatliche Zuschüsse zur Unterstützung der Fachberatungsstellen sind die Länder zuständig. Dabei gibt es Unterschiede in der Höhe der Finanzierung. Die Fachberatungsstelle der Mitternachtsmisson Heilbronn versucht, eine möglichst breite Finanzierung mit staatlichen und kirchlichen Geldern sowie mit Privatspenden sicherzustellen, um von keinem Geldgeber abhängig zu sein.

Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Fachberatungsstellen in Deutschland gestaltet sich anders als in Österreich: In Deutschland gibt es keine mit den einschlägigen Bestimmungen des österreichischen Sicherheitspolizeigesetzes vergleichbare rechtliche Basis. Die Fachberatungsstellen haben daher in den meisten deutschen Bundesländern Leitfäden zur Zusammenarbeit zwischen Behörden und Fachberatungsstellen erarbeitet. Im Leitfaden Baden-Württembergs werden zum Beispiel standardisierte Abläufe festgeschrieben, wie vorgegangen wird, wenn die Polizei oder die Fachberatungsstelle in Erstkontakt mit einem mutmaßlichen Opfer von Menschenhandel kommt. Ziel des Leitfadens ist es, die Zuständigkeiten zwischen den staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zu regeln und sicherzustellen, dass Betroffene von Menschenhandel rasch Hilfe bekommen. Der Leitfaden Baden-Württembergs beschränkt sich jedoch auf Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Er hat keine rechtliche Verbindlichkeit.

 

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