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Prostitution in Österreich

Von Helmut Bärtl

Prostitution umfasst alle als gewerbsmäßig und gegen Entgelt erbrachten sexuellen Handlungen mit Körperkontakt. Die Ausübung der Prostitution ist in Österreich durch Bundes- und Landesgesetze geregelt und daher unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen legal. Seit 1984 sind SexdienstleisterInnen einkommenssteuerpflichtig, die Möglichkeit der Sozialversicherung folgte 1998.

 

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.04.2012 sein Urteil aus dem Jahr 1989 revidiert und festgestellt, dass bezahlte Sexdienstleistungen nicht mehr sittenwidrig sind. Wurde die sexuelle Handlung gegen vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen oder geduldet, so begründet diese Vereinbarung eine klagbare Entgeltforderung. Ein klagbarer Anspruch auf Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung besteht nicht. Dennoch besteht nach wie vor eine starke Stigmatisierung dieser Berufsgruppe.

 

Amtsärztliche Untersuchungen vorgeschrieben

In den Bundesgesetzen – AIDSGESETZ, GESCHLECHTSKRANKHEITENGESETZ – sind die entsprechenden amtsärztlichen Untersuchungen vorgeschrieben.  Vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend einmal wöchentlich müssen sich SexdienstleisterInnen einer amtsärztlichen Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten unterziehen. Diese Untersuchungen werden ebenso wie eine alle drei Monate zu erfolgende amtsärztliche Untersuchung auf HIV-Infektionen und eine jährliche Tuberkuloseuntersuchung auf der sog. Gesundheitskarte (im Chargon als „Deckel“ bekannt) vermerkt.

Alle anderen Vorschriften, insbesondere die Voraussetzungen für das Anbieten und die Vornahme sexueller Dienstleistungen, finden sich in der Landesgesetzgebung. Deshalb kommen in Österreich in jedem Bundesland eigene gesetzliche Bestimmungen zum Tragen

 

Formen und Trends der Prostitutionsausübung

In allen Bundesländern ist festzustellen, dass kaum noch österreichische SexdienstleisterInnen –zumindest im legalen Bereich – tätig sind. Etwa 95% der in Bordellbetrieben und am Straßenstrich tätigen SexdienstleisterInnen sind MigrantInnen, davon die Mehrzahl aus den neuen EU-Ländern, insbesondere aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Die Möglichkeit, legal und selbständig in der Sexarbeit tätig zu sein, hängt für diese Personen zunächst von der Frage ab, ob sie das Recht auf Aufenthalt und selbständige Tätigkeit in Österreich haben. Dieses Recht steht StaatsbürgerInnen aus den EU-Staaten grundsätzlich zu, für Drittstaatsangehörige hingegen stellt sich die Rechtslage erheblich schwieriger dar. So berechtigt z.B. ein Aufenthaltstitel aus einem anderen EU-Staat Drittstaatsangehörige noch nicht zur Ausübung der Prostitution in Österreich.

Der Trend der letzten Jahre zur Eröffnung von Großbordellen mit bis zu 60 Sexdienstleisterinnen in Form von FKK Saunaclubs mit Wellnessbereich hält nach wie vor an. Die Objekte werden von eigens gegründeten Errichter-Gesellschaften gebaut bzw. werden auch ehemalige Firmengebäude umgebaut. Für den Bordellbetrieb selbst wird eine eigene Betreibergesellschaft gegründet. Hier wurde festgestellt, dass vermehrt Personen aus dem deutschen Rotlichtmilieu versuchen, in Österreich Fuß zu fassen. Als Inhaber für die jeweiligen Bordellbewilligungen treten jedoch nach wie vor Personen aus Österreich in Erscheinung.  Die klassischen Formen der Prostitutionsausübung – Bordelle, Bars, Saunaclubs, Massagestudios – haben nicht an Bedeutung verloren. In den letzten Jahren gewinnt das Anbieten von Sexdienstleistungen via Internet bzw. Mobiltelefone sowie in Laufhäusern jedoch immer mehr an Bedeutung.

 

Escort-Agenturen

Zudem ist eine Steigerung an SADO MASO (SM)-Studios sowie der Prostitutionsausübung durch Transsexuelle zu verzeichnen.  Die Nachfrage nach diesen beiden Erscheinungsformen steigt ständig und können hier „Höchstpreise“ erzielt werden.

Am schwierigsten unter Kontrolle zu halten ist mit Sicherheit die Ausübung der Prostitution über Escort-Agenturen. In diesem Zweig herrscht auch die größte Vermischung aus legaler und illegaler Prostitution. Hier wird offiziell „Begleitung“ angeboten, tatsächlich umfasst diese in den meisten Fällen auch sexuelle Dienstleistungen.

Die Wohnungsprostitution, also die Ausübung sexueller Dienstleistungen in Privatwohnungen, ist in allen Bundesländern verboten, ausgenommen Hausbesuche.

Eine legale Prostitutionsausübung am „Straßenstrich“ ist derzeit nur in Wien möglich. Die Orte, an denen in Wien die Straßenprostitution legal erfolgen darf, sind durch das Wiener Prostitutionsgesetz sowie darauf basierende Verordnungen festgelegt. Für die derzeit bestehenden Bereiche des Straßenstriches in Wien 23. sowie in Wien 21 wurde per Verordnung eine zeitliche Beschränkung erlassen. Auffallenden illegalen Straßenstrich gibt es ansonsten derzeit nur in Innsbruck und Salzburg, wo seitens der Exekutive umfassende Kontroll- und Strafmaßnahmen zur Eindämmung durchgeführt werden.

 

772 Rotlichtbetriebe gemeldet

Mit Stand 31. Dezember 2014 wurden dem Bundeskriminalamt (BK) – Büro 3.4 von den Landeskriminalämtern insgesamt 772 Rotlichtbetriebe gemeldet. Die Rotlichtlokale in Österreich werden hauptsächlich als Bordelle, Laufhäuser, Saunaclubs, Go-Go-Bars, Bars, Studios, Animierlokale sowie Peep-Shows geführt. In Vorarlberg besteht keine einzige Bordellgenehmigung und handelt es sich bei den gemeldeten Lokalen ausschließlich um Go-Go-Bars. In Tirol ist die Anzahl der Go-Go-Bars mit 42 gegenüber 11 Bordellen im Vergleich zu den östlichen Bundesländern ebenfalls hoch. Der Trend der letzten Jahre zur Eröffnung bzw. Umwidmung von bestehenden Bordellbetrieben in Laufhäuser und Sauna-Clubs sowie die Errichtung von Großbetrieben mit 50 bis 70 Sexdienstleisterinnen hält nach wie vor an.

 

Sexuelle Ausbeutung

Strafrechtlichen Schutz vor sexueller Ausbeutung in der Prostitution bieten vor allem Verbote jeglicher Handlungen, die Personen unter 18 Jahren der Prostitution zuführen, ihre „Dienste“ in Anspruch zu nehmen oder davon zu profitieren (§ 207b StGB „Sexueller Missbrauch von Jugendlichen“ sowie § 215a StGB „Förderung der Prostitution und pornographischer Darbietungen Minderjähriger“), das Verbot jemanden maßgeblich zu beeinflussen in der Prostitution tätig zu werden (§ 215 StGB „Zuführung zur Prostitution“), das Verbot sich aus der Prostitution anderer zu bereichern (§216 StGB „Zuhälterei“), das Verbot (auch bereits in der Prostitution tätige) Personen aus einem anderen Staat anzuwerben (§ 217 StGB „Grenzüberschreitender Prostitutionshandel“) und das Verbot bestimmter Handlungen im Vorfeld der Ausbeutung von Personen (§ 104a StGB „Menschenhandel“).

Internationale Berichte zeigen, dass die sexuelle Ausbeutung einer der Hauptgründe von Menschenhandel ist. Die Opfer des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und des Grenzüberschreitenden Prostitutionshandel sind vorwiegend weiblich, wobei in Österreich in letzter Zeit auch vermehrt männliche Personen betroffen sind.

 

Zwang und körperliche Gewalt

Ermittlungsverfahren in den letzten Jahren zeigen, dass es sich in diesem Deliktsbereich nicht ausschließlich um kriminelle Organisationen, sondern vermehrt auch um Einzeltäter handelt. Diese Einzeltäter akquirieren die Opfer im Heimatland durch Vortäuschen einer Liebesbeziehung und im Zuge eines Auslandsaufenthaltes überreden sie die Frauen, der Prostitution nachzugehen, um sich dadurch einen besseren Lebensstandard ermöglichen zu können. Wenn diese Frauen nach einiger Zeit feststellen, dass sie vom erwirtschafteten Einkommen nichts selbst behalten können bzw. dürfen und auch keine finanziellen Rücklagen für eine spätere gemeinsame Zukunft im Heimatland gebildet werden oder sie mit der Prostitutionsausübung aufhören wollen, kommt es in weiterer Folge wieder zu Zwang und körperlicher Gewalt gegen die Opfer. Dieser Modus Operandi betrifft vor allem Opfer, die in den Heimatländern einer ethnischen Minderheit angehören. Im Milieu hat sich zwischenzeitlich bereits der Terminus „LOVERBOYS“ für diese Täterform gefestigt.

Die in Österreich festgestellten Opfer stammen überwiegend aus den sogenannten „neuen EU-Ländern“, und hier vorwiegend aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Das Topherkunftsland betreffend Opfer aus Drittstaaten im Bereich der sexuellen Ausbeutung ist Nigeria. Die Ermittlungen gegen nigerianische Tätergruppen gestalten sich äußerst schwierig, da die Opfer meist zu keiner Kooperation mit den Exekutiv- bzw. Justizbehörden bereit sind. Des Weiteren bedarf es hier noch intensiver Schulungsmaßnahmen für die einschreitenden Beamten/Innen, um das Verständnis für die eindeutig vorhandenen kulturellen, religiösen und ethnischen Besonderheiten der afrikanischen Volksgruppen zu fördern.

Überdies ist jedoch auch eine Verbesserung der Kooperation mit den nigerianischen Behörden erforderlich, da die Führungsebene dieser kriminellen Organisationen meist in Nigeria aufhältig ist und somit eine wirkungsvolle Zerschlagung der Gruppierungen nur durch gemeinsame internationale Ermittlungen möglich ist. Aufgrund der bisher in Österreich geführten Ermittlungsverfahren wegen Verdacht des Menschenhandels aus Nigeria nach Österreich bzw. Europa zum Zweck der sexuellen Ausbeutung wurde immer der gleiche Modus Operandi festgestellt, der einige Besonderheiten in sich birgt und daher hier auszugsweise angeführt wird:

Typischerweise werden die Frauen in Nigeria – hier vor allem in Regionen wie Edo State – zumeist durch Bekannte oder Familienangehörige angesprochen und eine legale Beschäftigung in Europa im Haushalt, Restaurants, Friseur usw. bei lukrativer Bezahlung in Aussicht gestellt. Danach erfolgt die Zuführung an lokale „Madams“ bzw. „Agents“. „Madams“ sind Frauen, zumeist älter als die Opfer, welche in Nigeria als Erstkontakt dienen, um die Frauen der/den Schlepperorganisation(en) zuzuführen und den Kontakt zu „Madams“ in Europa herzustellen. „Madams“ in Europa sind die finalen „Abnehmer“, welche die Frauen gleichermaßen in Nigeria bestellen und dann in den Ländern gegen Bezahlung an die Schlepperorganisation kaufen. Die auf diese Weise geschleppten Frauen müssen den „Madams“ Juju-Schrein, in dem die Rituale vollzogen werden (Foto: Verfasser)hohe Geldbeträge in Form von Prostitutionsausübung abarbeiten, es werden Summen von über € 50.000.- genannt. „Agents“ sind Schlepper, vorwiegend Männer, welche die Opfer in Nigeria mit ge- oder verfälschten Dokumenten versorgen, die Opfer instruieren, die Reise nach Europa organisieren und auch den Kontakt in Europa herstellen, um die Opfer den „Madams“ zuzuführen. In Nigeria existiert eine örtliche Form des Voodoo – Juju genannt. Nach den bisherigen Erkenntnissen muss sich jedes Opfer einem Ritual unterziehen, in welchem animistische Handlungen an den Opfern vollzogen werden, die für den europäischen Kulturkreis nur sehr schwer nachvollziehbar sind. Vor allem, da sich die Opfer zutiefst an diese Schwüre/Rituale gebunden sehen und wirklich enorme Angst haben, bei Eidbrüchigkeit zu sterben bzw. den Wahnsinn anheimzufallen. Hinzu kommt, dass Opfer in Europa zusätzlich auch häufig mit Gewalt gegen ihre Familien in Nigeria bedroht werden. Weiters wurde bemerkt, dass Opfer nigerianischer Herkunft nach Ableisten ihrer Schuld oftmals zu Täterinnen werden, selbst als „Madams“ fungieren und ihrerseits junge nigerianische Mädchen der Prostitution zuführen und diese ausbeuten.

Helmut.bäDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

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