Skip to main content

 Die Logik der Tat.

Alexander Horn: Die Logik der Tat. Erkenntnisse eines Profilers. 254 Seiten. Droemer Verlag, München 2014. ISBN 3-426-27626-6. Ladenverkaufspreis 19,99 €.

Alexander Horn ist Fallanalytiker beim Polizeipräsidium München. Würde der in Bad Tölz geborene Kriminalpolizist seine Tätigkeit in den USA ausüben, so wäre er ein Profiler: Ein Polizist, von dem auch der deutsche Fernsehzuschauer weiß, dass er Tag für Tag Monster jagt.

Es ist ein schwieriges Unterfangen, die Operative Fallanalyse (OFA) sachlich zu beschreiben; denn in der breiten Öffentlichkeit und insbesondere in den Medien wird die tägliche Arbeit eines Fallanalytikers von sehr vielen Emotionen begleitet. Der Autor gibt sich demonstrativ Mühe, in seinem Buch den Ball flach zu halten und sich nicht als Superstar der deutschen Polizei darzustellen – der er in den Augen mancher seit Jahren ist.

 

Horn betont daher, dass er und seine Kollegen zunächst einmal ganz normale Polizisten sind, die nach einer Zusatzausbildung als Fallanalytiker arbeiten. Sie unterstützen in dieser Funktion meist Sonderkommissionen bei ihrer Suche nach Serienmördern. Deren Muster bei der Tatbegehung zu erkennen, die eine zielgerichtete Suche nach dem Täter ermöglichen, gehört zu den Kernaufgaben der Profiler.

Die Anfänge dieser Tätigkeit liegen in Deutschland in den frühen 1930er Jahren, als im Rheinland Peter Kürten mehrere Menschen tötete. Dank einer akribischen Polizeiarbeit war es möglich, aus den Tötungen Rückschlüsse zu ziehen, die schließlich zum Täter führten. 1931 konnte der Serienmörder gefasst werden. Im anschließenden Prozess wurde Kürten zum Tode verurteilt.

Als die eigentliche Heimat des Profilings gelten jedoch die USA. Dort baute das FBI, insbesondere John Douglas und Robert Ressler, in den 1970er Jahren die Fallanalyse auf. Diese beiden Bundespolizisten dienten übrigens als literarische Vorlage für den Kinofilm „Das Schweigen der Lämmer“, in dem ein Sexualmörder gejagt wird. Dort hilft Hannibal Lecter, selbst ein Serienmörder, der FBI-Agentin Clarice Starling bei der Suche nach „Buffalo Bill“, der seine weiblichen Opfer häutet. In Deutschland wurde die Fallanalyse in den 1990er Jahren beim Bundeskriminalamt und in der Folgezeit in den Landespolizeien aufgebaut. Seit 2013 gibt es in Deutschland klar definierte Qualitätsstandards für die Fallanalyse.

Es sind die Verbrechen, die die Fallanalyse in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken: Meist werden diese Spezialisten eingesetzt, um Tötungsdelikte aufzuklären, die als widerkehrendes Muster eine wie auch immer geartete sexuelle Komponente enthalten. Zunächst erscheinen diese Fälle hoffnungslos. Licht ins Dunkel bringt dann häufig ein neuer Ansatz. Horn zitiert einen amerikanischen Psychologen: „Sobald man die zentrale Schlussfolgerung versteht, hat es den Anschein, sie wäre von jeher offensichtlich gewesen.“ Das klingt banal, ist es aber nicht. Ziel der Fallanalyse ist es, durch den Vergleich mit einer Vielzahl anderer, ähnlich gelagerter Straftaten, individuelle Merkmale des Täters herauszuarbeiten, um so den Kreis der Verdächtigen möglichst weit einzuengen. Alexander Horn hebt besonders hervor, dass es sehr häufig zum Ziel führt, nach der einfachsten Erklärung zu suchen; denn häufig liegen die Dinge einfach, aber man muss sie erkennen können.

Die Erfolge der Fallanalyse finden in der Regel größte Beachtung in der Öffentlichkeit; denn in den Augen vieler gelang es einem genialen Profiler, einen genialen Täter zu überführen. Auch an dieser Stelle dämpft Alexander Horn die Erwartungen seiner Leser, weder seien die Täter überdurchschnittlich intelligent noch sei die Überführung eines Täters einzig das Resultat der Arbeit eines überragenden Fallanalytikers. Auch er und seine Berufskollegen seien nicht frei von Betriebsblindheit, die mitunter den Blick auf die offensichtlichen Zusammenhänge verstelle. Und Horn gesteht: „Wir hatten mit unseren Analysen, die ja stets nur eine Annäherung an die Wirklichkeit sein können, selbstredend nicht immer recht.“ Jedoch kann der Autor viele Erfolge anführen, so etwa die Fahndung der „Soko Dennis“ nach dem „schwarzen Mann“, der drei Morde und zahlreiche Fälle sexuellen Missbrauchs beging. Auch im Ausland war Alexander Horn erfolgreich, so bei der Suche nach einem Mörder, der in einer irischen Kleinstadt eine aus der Schweiz stammende junge Frau ermordete. An der Suche nach den Mördern des NSU war Alexander Horn ebenfalls beteiligt und brachte recht früh das Motiv ins Spiel, das die Täter zu ihren Morden veranlasste: Ausländerfeindlichkeit.

Es gelingt dem Autor, die Arbeit eines Fallanalytikers für die breite Öffentlichkeit darzustellen. Dabei verzichtet er weitgehend auf Übertreibungen – die eine oder andere Eitelkeit sei Alexander Horn gestattet. Der Hinweis, dass ihn seine Arbeit belastet, insbesondere dann, wenn die Opfer Kinder sind, reicht wohl bei jedem Leser aus, um sich von den besonderen Belastungen, die dieser Beruf mit sich bringt, ein Bild zu machen. Dass Alexander Horn im Untertitel seines Buches als Profiler bezeichnet wird, ist wohl der Werbeabteilung des Verlages zuzuschreiben; denn den nüchternen Begriff Fallanalytiker umweht nun einmal nicht so sehr der Hauch des Todes.

Dr. Reinhard Scholzen

 

nach oben