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Manche Reeder handeln noch immer nach dem rheinischen Motto: Et hätt noch emmer joot jejange.

Private Unternehmen zur Pirateriebekämpfung

Ein Situationsbericht von Nils Retkowski

Piraterie ist ein gerade in den letzten Jahren wieder in die Medien geratenes Phänomen. Das liegt vor allem daran, dass nach den Jahren um 2005 die Lösegeldpiraterie vor allem am Horn von Afrika Unterbrechungen der Logistikketten hervorgerufen hat. Dazu kommen die finanziellen Verluste für Sachschäden und Lösegelder. Im Vordergrund  steht auch immer noch das Wohl der Besatzungen, die z.T. verängstigt durch die Fahrtgebiete kreuzen oder gar erhebliche psychische Folgen aufgrund einer Entführungssituation erleiden.

Das Problem der Lösegeldpiraterie und der verschiedenen Erscheinungsformen von Piraterie wird hier nicht weiter dargestellt. Bei der Vielzahl der Publikationen und Berichte kann der Leser sich auch aus öffentlich zugänglichen Quellen ein gutes, abgerundetes Bild verschaffen.

 

Entwicklungen

Ein Trend, der mit der Lösegeldpiraterie einherging, war die größer werdende Anzahl privater Sicherheitsdienstleister, die mit bewaffneten Schutzteams Angriffe auf Handelsschiffe, (Privat-)Jachten und Passagierschiffe abwehren sollten und dies aktuell aktiv tun. Ein privates Unternehmen kann das Problem der Piraterie nicht lösen. Dies wird auch nicht als primäre Aufgabe gesehen, da die Sicherheitsdienstleister konkret im Kundenauftrag aktiv werden. Lösegeldpiraterie als Phänomen kann nur durch eine Ganzheit von koordinierten Maßnahmen, bei der sowohl staatliche als auch private Akteure involviert sind, bekämpft werden.

Die Result Group berät Unternehmen, internationale Organisationen, Regierungen und auch exponierte Privatpersonen bei der Abwehr von kriminellen Angriffen. Der maritime Bereich innerhalb des Unternehmens stellt also einen unter vielen Aufgabenbereichen im Risiko- und Krisenmanagement dar. Einige Unternehmen haben sich nur auf bewaffnete Schiffsbegleitung spezialisiert. Bei präventiven Maßnahmen unterstützt die Result Group z. B. Reedereien beim Aufbau oder der Optimierung eines Notfall- und Krisenmanagements oder übt mit den schon installierten Stäben. Auch die Vorbereitung von zu entsendendem Personal wird durchgeführt und reicht von theoretischen Ländereinweisungen bis hin zu praktischen Trainings, in denen Verhaltensweisen auch auf Reisen eingeübt werden. Gerade in der Schifffahrt ist die „Sicherheits–awareness“ relativ gering. Nicht nur für sicherheitsrelevante, sondern auch medizinische Krisenfälle wird oftmals kaum bis gar nicht vorgesorgt. Unternehmen und Reeder entsenden auch heute noch ihre Mitarbeiter nach dem rheinischen Motto: Et hätt noch emmer joot jejange.

Mit S-Draht gegen PiratenDoch nicht nur präventive Maßnahmen gehören zu den Dienstleistungen, die mit der Piraterie einhergehen. Bei akuten Entführungen stehen dem betroffenen Reeder erfahrene Response Consultants als Krisenberater beiseite. Durch den eingebrachten Erfahrungshintergrund werden Verhandlungen strukturiert und an dem Ziel der Freilassung gearbeitet. Viele Anspruchsgruppen treffen in solch einem Fall aufeinander: Versicherungen, Behörden, Dienstleister, wie z.B. PR-Agenturen etc. – all diese wollen in einer angespannten Situation, in der es um Leib und Leben geht, gut koordiniert sein. Daneben müssen Verhandlungsstrategien bekannt und abgestimmt werden.

Sobald sich die Verhandlungen dem Ende nähern und sich eine Einigung abzeichnet, werden die Vorbereitungen für eine Lösegeldübergabe intensiviert. Zu den oben genannten Anspruchsgruppen treten nun noch alle Beteiligten der Lösegeldübergabe hinzu; das sind nunmehr die ausländischen Behörden, Zollbehörden und ggf. Transportmittel, die zu einer erfolgreichen Übergabe von großen Geldmengen beitragen. Auch hier bedarf es einer erfahrenen und durchdachten Organisation, zumal die vielen verschiedenen „Eigenheiten“ von Ländern, Behörden und Verhandlungsgegnern bekannt sein müssen.

Private Unternehmen haben hier den großen Vorteil, dass sie auch über Landesgrenzen hinaus schnell und unbürokratisch agieren können. Natürlich geht dies nur mit den jeweils örtlichen Behörden und Entscheidungsträgern. Ganzheitliche Organisation ist so vom In- ins Ausland möglich und nötig.

In diesem Artikel soll die Sicht eines privaten Sicherheitsberatungsunternehmens dargestellt werden, das vor kurzer Zeit das staatliche Zulassungsverfahren durchlaufen hat. Es ist die Sicht eines Unternehmens. Wie so oft werden sich Diskussionsbeiträge finden, die dem entgegensprechen oder eine andere Betrachtung der Dinge vornehmen.

 

 

Wieso eine Zulassung?

Feuerlöschanlage zur PiratenabwehrDie Bundesregierung hat schon Ende 2011/ Anfang 2012 damit angefangen, das Thema „bewaffnete Schiffsbegleitung“ genauer zu betrachten. Zu diesem Zeitpunkt wurde viel über die Forderungen der Reeder diskutiert, die staatlichen Schutz vor Piraterie auf „ihren“ Schiffen einforderten. Die zuständige Bundespolizei hatte (und hat) nicht die personellen und materiellen Mittel, die Marine war (und ist) aus rechtlicher Sicht nicht zur Piratenabwehr befugt. Vielfach wird die Operation Atalanta als „Anti-Piraterie-Mission“ beschrieben, was im Detail betrachtet so nicht ganz den Aufgaben der Mission entspricht. In einer Prioritätenreihenfolge steht an erster Stelle der Schutz von Schiffen des World Food Programes, die Somalia anlaufen. Diese Einschränkung wird vielfach verkannt.

Es sei dazu angemerkt, dass auch die Definition von „deutsches Schiff“ in diesen zum Teil hitzigen Diskussionen variierte. Für die Behörden gilt die aktuelle Kennzeichnung eines deutschen Schiffs durch die dt. Flagge. Die gegenüberstehenden Definitionsversuche bestanden nicht in der Flaggenfrage, sondern darin, wem das Schiff gehört, wer es bereedert, woher die Besatzungen oder das Geld für dieses Schiff kommen.

Da also der Staat „deutsche“ Schiffe nicht schützen konnte oder wollte, kam er den Reedern mit der Änderung der Gewerbeordnung entgegen. Die Reeder verlangten nach mehr Rechtssicherheit, da bewaffnete Schiffsbegleitung nicht verboten, aber auch nicht ausdrücklich erlaubt war. Der § 31 der Gewerbeordnung (GewO) regelt nunmehr das Zulassungsverfahren und untergeordnete Verordnungen („Verordnung über die Zulassung von Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen“ und „Verordnung zur Durchführung der Seeschiffbewachungsverordnung“) und Änderungen in anderen Gesetzen füllen das „Zulassungsverfahren“ mit Leben. Viele sehen in dieser Zulassung eine Abgabe von hoheitlichen Aufgaben an private Unternehmen. Schon ist die Rede von bewaffneten Dienstleistungen nicht nur auf See, sondern auch z.B. zum Schutz von deutschen Botschaften etc. durch private Unternehmen.

 

Was beinhaltet das Zulassungsverfahren?

Das deutsche Zulassungsverfahren ist ein bisher einzigartiges Verfahren, da es erstens eine Unternehmensprüfung vornimmt und zweitens auch Anbieter aus dem Ausland dieses Zulassungsverfahren durchlaufen können. Für die Ausländer gilt dasselbe Verfahren nach § 31 Gewerbeordnung. Waffenrechtlich gehen diese auf die für deutsch beflaggte Schiffe zuständige Waffenbehörde in Hamburg zu. Die erteilte Zulassung führt zum waffenrechtlichen Bedürfnis. Ein deutsches Unternehmen muss sich unabhängig von der Flaggenfrage zulassen lassen.

Das für die Zulassung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Exportkontrolle (BAFA) prüft dabei sehr detailliert Unternehmensprozesse und -strukturen. Kritik wird häufig dahin gehend geäußert, dass nunmehr keine Einzelprüfung für eingesetztes Personal stattfindet, wie es für das inländische Bewachungsgewerbe nach § 34 Gewerbeordnung der Fall ist. Eine Prüfung einzelner Individuen durch das BAFA wird beim „Leitenden Angestellten“, der dem BAFA als Ansprechpartner und Verantwortlicher dient, durchgeführt. Der Kritik der fehlenden Individuumüberprüfung kann hier widersprochen werden, da erstens das Unternehmen dem BAFA gegenüber die Sicherherstellung der notwendigen Sachkunde sowie Zuverlässigkeit nachweisen muss. Hinzu kommt aber spätestens bei waffenrechtlichen Prüfungen, die ja nach wie vor durchgeführt werden, eine behördliche Prüfung einzelner Mitarbeiter.

Das Zulassungsverfahren schreibt dem Unternehmen neben einer Sachkunde für die Mitarbeiter auch eine Ausstattungsliste vor. Diese Liste gibt detailliert mitzuführende Gegenstände auf, sagt jedoch nichts über die Güte oder Qualität aus. Für neue Unternehmen, die sich für dieses Aufgabengebiet interessieren, ist eine Formulierung dass die Teams mit: „… geeigneten, funktionsfähigen Ausrüstung zur Erfüllung ihrer Bewachungsaufgaben ausgestattet sind“ wenig hilfreich. Hier kommen den Erfahrungsträgern, die bewaffnete Schiffsbegleitung schon anbieten, ihre Erfahrungen zugute. Das BAFA entscheidet in Abstimmung mit der Bundespolizei als technischen Ratgeber, ob die Eigenschaften des Materials grundsätzlich gegeben sind.

Neben diesen zwei wesentlichen Säulen sind viele Verfahren und Prozesse sowohl für die Teams an Bord als auch das Unternehmen als administrative bzw. Organisationsinstanz nachzuweisen.

 

 

Dreiklang für deutsche Unternehmen

Neben der Zulassung und der Genehmigung der Waffenbehörde Hamburg für dt. beflaggte Schiffe hat ein deutscher Sicherheitsdienstleister noch weitere Anforderungen zu erfüllen. So bleibt die am Hauptsitz des Unternehmens zuständige Waffenbehörde weiterhin zuständig. Nur wenn zusätzlich zu außerdeutschen Flaggen auch dt. Flaggen begleitet werden sollen, geht der dt. Sicherheitsdienstleister auch den Weg über die Waffenbehörde Hamburgs. Die beiden Waffenbehörden sollen sich sodann abstimmen und eine vereinfachte Erlaubnis für die schon beantragten Waffen erteilen.

Darüber hinaus kommt auf den dt. Sicherheitsdienstleister die sogenannte Sammelausfuhrgenehmigung zu. Ein Verfahren, welches eine vereinfachte Ein- und Ausfuhr (im Sinne von Reisen) darstellen soll, damit der Sicherheitsdienstleister mit seinem Material auch die Bundesrepublik in Länder wie z. B. Oman oder Sri Lanka verlassen und wiederkehren darf. In der Diskussion um den § 31 bzw. der gesamten Zulassung wird gern nur auf die Waffen abgehoben, die jedoch nicht das einzige exportrelevante Material darstellen. Der Gesetzgeber fordert u. a. auch Ausrüstungsgegenstände wie ballistischen Körperschutz und ein Nachtsichtgerät pro Teamausstattung. Die Sammelausfuhrgenehmigung stellt ein ebenbürtiges Verfahren zu der gesamten Unternehmensprüfung nach § 31 dar. Dieser Dreiklang, also die Prüfung nach den Verordnungen des § 31 GewO, der Sammelausfuhrgenehmigung und die Prüfungen der Waffenbehörden, stellen damit für deutsche Sicherheitsdienstleister eine sehr detaillierte und tiefgründige Gesamtprüfung des Unternehmens und einzelner Mitarbeiter bzw. auch z. B. Agenten vor Ort dar.

Ausländische Unternehmen werden durch das BAFA nach den Verordnungen des § 31 GewO geprüft und können ihre Waffen in Hamburg anmelden. Weitere Genehmigungen und Prüfungen werden für ausländische Unternehmen seitens deutscher Behörden nicht vorgenommen. Das ausländische Unternehmen erhält damit also die Möglichkeit, eine deutsche Zulassung vorweisen zu können und unterliegt damit denselben Vorschriften wie das deutsche Unternehmen auch. Inwieweit ein ausländisches Unternehmen jedoch Auftragsdaten im Rahmen der geforderten Meldepflichten an das BAFA meldet, wenn diese nicht deutsch beflaggte Schiffe betreffen, bleibt offen.

Im Unterschied zu nicht zugelassenen ausländischen Unternehmen sind die Regelungen, was z.B. die Teamstärke von vier Mann oder die Ausrüstungsliste betrifft, für deutsche Unternehmen bindend, gleich unter welcher Flagge sie fahren. Um es vereinfacht darzustellen, wird ein durchaus realistisches Fallbeispiel genannt:

Ein Reeder, der ein als deutsches KG-Modell fahrendes Schiff mit liberianischer Flagge bereedert, möchte eine Sicherheitsbegleitung von Oman nach Südafrika buchen. Die zuvor erfolgte Risikoeinschätzung (eine Summe aus z.B. Wettereinflüssen, schiffbaulichen Rahmendaten wie Geschwindigkeit, Freibord und Bauweise des Schiffes) und der Kostendruck in der Reederkrise veranlassen den Reeder dazu, ein Drei-Mann Team als ausreichend zu betrachten.

Der Reeder fragt bei zwei Unternehmen an. Das eine ist z. B. ein britisches Unternehmen, das andere ist aus Deutschland und nach dem Zulassungsverfahren zugelassen. Das britische Unternehmen kann auf diese Anfrage quotieren, da die Flagge des Schiffes nicht Deutsch ist. Es hat sich damit den Vorschriften Liberias zu unterwerfen, wie ein zugelassenes Unternehmen aus Deutschland auch. Das deutsche Unternehmen kann nur unter den Auflagen der deutschen Verordnungen auf diese Anfrage reagieren und damit lediglich mit dem Gebot eines Vier-Mann Teams. Der Leser kann sich denken, dass ein Viertel mehr an Personal auch mit Mehrkosten verbunden ist und das deutsche Angebot unattraktiv werden lässt.

Dieses Beispiel verdeutlicht die Nachteile für deutsche Unternehmen in einem sich schnell bewegenden Markt.

Trotz dieses Nachteils befürwortet die Result Group das Zulassungsverfahren und die detaillierte Prüfung des Unternehmens. Dass nicht alle Unternehmen diesem Verfahren und der einhergehenden Prüfung gewachsen sind, zeigt die Anzahl der zugelassenen Unternehmen von sechs (Stand 23.12.13). Die Result Group wurde als erstes Unternehmen am 01.November zugelassen, also einen Monat vor der Umsetzungsfrist für die Unternehmen und Reeder und damit vier Monate nach der ersten Möglichkeit der Zulassung. Als Unternehmen verspricht sich die Result Group davon eine Anerkennung von den Kunden und eine Rückbesinnung auf Qualität und die Sicherheit der Besatzungen auf den Weltmeeren.

Inwieweit das mehrere zehntausend Euro teure Zulassungsverfahren diese Erwartungen erfüllt, bleibt abzuwarten. Dafür spricht das Sicherheitsempfinden der Reeder, dagegen der internationale Kostendruck.

Zusammenfassen bleibt festzuhalten, dass durch das Verfahren ein „Wildwuchs“ in diesem sensiblen Bereich verhindert wird. Es gibt darüber hinaus weitere, international anerkannte Zertifizierungsprogramme, wie z.B. die ISO 28007. Diese druckfrische ISO-Norm regelt im Bereich der Sicherheit von Logistikketten relevante Anforderungen an Personal und die Unternehmen.

Für Unternehmen wird sich zeigen, welche der Normen, Akkreditierungen oder Zulassungen sich am Ende bei den Kunden durchsetzen und welche als Qualitätsmerkmal anerkannt werden. Fakt bleibt, dass zahlreiche Nutzer dieser Dienstleistungen zusätzlich ihre ganz eigenen internen Verfahren und Prozesse haben, die ein Sicherheitsdienstleister durchlaufen muss. Viele vertrauen auf diese Prozesse, weil auch ihnen die Vielzahl von „Stempeln“ zu undurchsichtig erscheint. Ein staatlich unabhängiges Verfahren wie das Deutsche ist demnach willkommen, und andere Staaten werden folgen.