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  Das J. Edgar Hoover FBI Building ist das Hauptquartier des Federal Bureau of Investigation. Das Gebäude wurde nach dem ersten Direktor des FBI in seiner heutigen Form, J. Edgar Hoover benannt. Es befindet sich in Washington D.C. auf der Pennsylvania Avenue. Das Gebäude wurde am 30. September 1975 eingeweiht. Foto: FBI

Die Machenschaften des FBI

Ein Einbruch in ein FBI Büro, der nie geklärt wurde - bis jetzt

Von Peter Sehr, Stellv. Chefredakteur

Am 7. Januar 2014 veröffentlichte die Journalistin Carry Johnson einen News-Beitrag in NPR, Rubrik „U.S. around the nation“, über einen Einbruch in ein kleines Büro des FBI in Media/Pennsylvania, einem ruhigen Vorort Philadelphias. Der Einbruch fand bereits 1971 statt, genau genommen am 8. März 1971. Was den Einbruch bedeutend machte, war die Tatsache, dass durch die Täter Unterlagen über weitreichende Infiltrationen des FBI in die linke Szene und Unterwanderung der schwarzen Bürgerschaft erlangt wurden, und der Umstand, dass sie durch das FBI nie ermittelt werden konnten. Bis sie sich schließlich unlängst outeten.

 

1971 war die Zeit massiver Proteste gegen den von Richard Nixon, damaliger US-Präsident, immer härter und kompromissloser geführter Vietnam-Krieg. Das FBI unter der Leitung von J. Edgar Hoover, legendärer Gründer dieser Behörde, stand schon lange im Verdacht, illegal durch Einbrüche Überwachungsequipment bei allen möglichen Verdächtigen installiert zu haben. Mehr noch: Vietnamprotest- und schwarze Bürgerrechtsgruppen wurden gezielt durch FBI-Mitarbeiter infiltriert. Zwar waren diese Praktiken besonders bei diesen betroffenen Personengruppen bekannt. Es fehlten aber insbesondere in der Öffentlichkeit unwiderlegbare Beweise wie auch der Mut, gegen einen sehr mächtigen Behördenchef wie J. Edgar Hoover öffentlich vorzugehen. Bis sich einige Aktivisten fanden, die sich zutrauten, diesen Zustand zu ändern.

 

Die Tatausführung

Der Einbruch, verübt von Personen, die sich selbst „Citizens Commission to Investigate the FBI“ (Bürgerausschuss Der legendäre FBI-Chef John Edgar Hoover. Foto: Wikipedia/FBIfür Ermittlungen gegen das FBI) nannten, nutzten den Box-Weltmeisterschaftskampf von Muhammad Ali gegen Joe Frazier, um in die Räume des FBI in Media/Pennsylvania einzudringen. Sie kopierten mehr als 800 Dokumente aus „Raum 204“, der noch nicht einmal besonders gesichert war. Am nächsten Morgen wimmelte es von FBI-Agenten, die aber aufgrund der Tatsache, dass es keinerlei Fingerabdrücke oder sonstige Spuren zu sichern gab, nur eine grob geschätzte Anzahl von an die 3000 Tatverdächtigen definieren konnten. Mit diesem Ermittlungsansatz waren und blieben die mehrere hundert FBI-Ermittler überfordert. Eine der Aktivisten, die den Einbruch verübten, war Bonnie Raines. Sie sagte zu ihrer Motivation, dass Irgendjemand Hoover mit diesen illegalen Machenschaften, die in ihrem Umfeld sehr wohl bekannt waren, öffentlich konfrontieren müsse. Hoover, so Bonnie Raines, sei zu der damaligen Zeit unangreifbar gewesen, da sich niemand wagte, gegen ihn ernsthaft etwas zu unternehmen. Und das, obwohl durchaus bekannt war, dass das FBI illegale Praktiken wie Einbrüche zur Installation von Abhörgeräten routinemäßig durchführte.

 

Die Täter

Die Einbrecher waren alle Friedensaktivisten und hatten eine kritische Haltung zu der Rolle der USA im Vietnam-Krieg. Bonnie Raines spähte in der Vorbereitungsphase das FBI-Büro sogar aus, indem sie sich als Studentin verkleidete und vorgab, sich für die Arbeit des FBI zu interessieren. Ein weiterer Mitwirkender, Keith Forsyth, war vorgesehen, das Schloss des Büros zu knacken. Vor dem Einbruch erlebte er eine böse Überraschung: Das Schloss war brandneu und einbruchssicher. Letztlich kam man aber dennoch durch Aufhebeln der Nachbartür über einem Amtsgerichtszugang in den Raum hinein. Eigentlich wollten die Aktivisten sich nur kurz in den Räumen aufhalten. Schließlich benötigten sie doch mehr als eine Stunde, um die Beweise zu sichern. Diese versandten sie an Kongressabgeordnete, so dass die illegalen Praktiken des FBI nicht länger von der Öffentlichkeit ignoriert werden konnten. Einige Zeit danach erhielt die Reporterin Betty Medsger von der „Washington Post“ ein anonymes Päckchen mit Geheimdokumenten zugestellt. Sie veröffentlichte nach Sichtung der brisanten Unterlagen die Geschichte. Betty Medsger: „Das Land musste lernen, dass das FBI unter J. Edgar Hoover fast völlig anders war, als das, was die Leute von ihm annahmen.“

 

 

Die Bloßstellung des FBI

Betty Medsger veröffentlichte in ihrem Buch „The Burglary: The Discovery of J. Edgar Hoover´s Secret FBI“ (Der Einbruch: Die Aufdeckung von J. Edgar Hoovers geheimen FBI) die Story über den Einbruch und das, was die Dokumente enthüllten. Zum einen wurden Akten über so genannte „Subversive“ geführt, wobei sich darunter auch Bürger befanden, die lediglich Briefe über ihre Ansichten zum Vietnam-Krieg geäußert hatten. Zum anderen Das FBI-Siegel. Foto: Wikipedia/FBIfanden sich aber auch Dokumente über Praktiken, dass das FBI Schulen und Kirchen der schwarzen Bürgerschaft durch Agenten infiltrierte, indem diese Informanten führten, um Unruhe unter den Betroffenen auszulösen. So sagt Medsger, ein ganz wichtiges Dokument in den entwendeten Unterlagen sei eine Aussage über eine Philosophie bzw. Strategie des FBI, dass die Agenten die Paranoia von Bürgern dahingehend verstärken sollten, dass diese hinter jeden Briefkasten einen FBI-Agenten vermuteten. John Raines, ein Friedensaktivist und ebenfalls „Einbrecher“, sagt wörtlich: “Der Unterschied, ein Krimineller zu sein oder Gesetze zu brechen, ist sehr wichtig. Wenn Strafverfolgungsbehörden, die Recht anwenden oder interpretieren, Täter werden, wie in J. Edgar Hoovers FBI geschehen, dann ist die einzige Möglichkeit dies zu stoppen, zu veröffentlichen, was geschehen ist“. Jedenfalls wurden die entwendeten Akten aus dem FBI Büro damals von einigen weiteren Reportern veröffentlicht. Es dauerte aber noch Jahre und es bedurfte weiterer Enthüllungen, bis sich der Kongress der Sache annahm und die Kompetenzen des FBI und der CIA begrenzte. Die Aktivisten selbst atmeten erst auf, als die Verjährungsfrist nach fünf Jahren einsetzte. Trotzdem verloren sie über die Angelegenheit nie ein Wort, bis sich Betty Medsger zu einem Abendessen zuhause bei der Familie Raines befand. Dort offenbarte sich John Raines als einer der Einbrecher. Auch die anderen Aktivisten gaben sich mehrheitlich zu erkennen und brachen ihr Schweigen.

 

Schlussbetrachtung

Der Leser sollte, was das FBI angeht, wissen, dass es sich nicht um eine reine Kriminalbehörde handelt, wie es zum Tim Weiner beschreibt die dunkle Geschichte des FBIBeispiel das deutsche Bundeskriminalamt ist. Vielmehr gehörten von Anfang Aufgaben, die in Deutschland den Geheimdiensten Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst zugeordnet werden, zum Portfolio der Behörde. Neben der extremen Nähe zum politischen Geschehen auf höchster (Präsidenten-)Ebene existierte aber tatsächlich ein illegales Eigenleben der Behörde, die vor fast gar nichts zurückschreckte. Die Geschichte dieser Behörde nachzuvollziehen, ergibt eine zutreffende Sichtweise auf das Funktionieren amerikanischer Politik, insbesondere der offensichtlich erfolgreichen Paranoisierung weiter Bevölkerungsteile. Davon ist die Politik gerade in den USA nicht ausgenommen. Und dieses Thema ist gerade durch die jüngsten Offenlegungen von Insidern wie Snowden nach wie vor brisant und wird es auch, trotz allen Versuchen des Ignorierens und Kleinredens, noch einige Zeit bleiben. Wer sich mehr über die  Machenschaften, die Geschichte des FBI erfahren will, dem empfehle ich das über 600 Seiten dicke Buch „FBI - Die wahre Geschichte einer legendären Organisation“ von Tim Weiner. Dieses Buch kommt im Übrigen ohne Vermutungen und Spekulationen aus. Eine umfassende Quellenangabe ermöglicht weitere Recherchen, so man will. Natürlich ist dort auch dieser Vorfall beschrieben, auf zwei Seiten. Sie können nun erahnen, was sich in diesem Buch über das FBI noch finden lässt.