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Bruch im Bündnis? Der Tag, an dem Trump Selenskyj fallen ließ

Von Florian Hartleb

Es hätte ein gewöhnliches politisches Treffen sein können. Am 28. Februar 2025 kam es im Weißen Haus zu einem diplomatischen Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump, Vizepräsident JD Vance und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Das ursprünglich geplante Treffen, bei dem ein Abkommen über den Abbau von Rohstoffen in der Ukraine unterzeichnet werden sollte, endete abrupt in einem öffentlichen Streit.1 Dieser Vorfall hatte weitreichende Konsequenzen für die internationalen Beziehungen und die geopolitische Stabilität. Die Ukraine, die sich seit Jahren auf westliche Militärhilfe verlässt, steht plötzlich vor der Möglichkeit, auf sich allein gestellt zu sein. Diese Unsicherheit macht nicht nur Selenskyjs Position schwächer – sie erschüttert auch das gesamte NATO-Bündnis. Die wahre Tragweite des Treffens zwischen Trump und Selenskyj wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. War dies der Moment, in dem der Westen seine Einheit verlor? Wird Europa nun gezwungen, ohne den Rückhalt der USA seine eigene Sicherheitsarchitektur aufzubauen? Oder war es nur eine Machtdemonstration Trumps, ein Testballon, um zu sehen, wie weit er gehen kann?

Hintergrund des Treffens

Das Treffen zwischen Trump und Selenskyj sollte die strategische Partnerschaft zwischen den USA und der Ukraine stärken, insbesondere im Hinblick auf den Abbau seltener Erden in der Ukraine. Diese Rohstoffe sind für die moderne Technologie von entscheidender Bedeutung, und eine Kooperation hätte beiden Ländern wirtschaftliche Vorteile gebracht. Allerdings eskalierte die Situation während einer Pressekonferenz, als Trump und Vance Selenskyj scharf kritisierten und ihm mangelnde Dankbarkeit vorwarfen. Trump unterbrach Selenskyj wiederholt und warf ihm vor, „überhaupt nicht dankbar“ zu sein und „das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel“ zu setzen. Vance unterstützte Trump in diesen Anschuldigungen, was zu einer weiteren Verschärfung der Situation führte. Das Treffen wurde daraufhin abrupt abgebrochen, und das geplante Abkommen nicht unterzeichnet.

Reaktionen und internationale Folgen

Der Eklat löste weltweit unterschiedliche Reaktionen aus:

  • Europäische Union: Die EU-Staaten drückten ihre Unterstützung für Selenskyj aus und kritisierten Trumps Verhalten.
  • Russland: Russische Regierungsvertreter äußerten sich positiv über Trumps Verhalten und griffen Selenskyj verbal an. Präsident Wladimir Putin nutzte die Gelegenheit, um die Position Russlands im Ukraine-Konflikt zu stärken.
  • USA: Innerhalb der USA waren die Reaktionen gespalten. Während Republikaner Trumps Vorgehen unterstützten, verurteilten Demokraten sein Verhalten scharf.

Auswirkungen auf die NATO und die transatlantischen Beziehungen

Der Eklat führte zu Spannungen innerhalb der NATO. Europäische Staaten fühlten sich in ihrer Sicherheitspolitik verunsichert und diskutierten über eine eigenständigere Verteidigungspolitik, unabhängig von den USA. Frankreich bot an, seinen nuklearen Schutzschirm auf andere europäische Länder auszudehnen, was die Verschiebung der Sicherheitsarchitektur in Europa verdeutlichte.

Verhandlungen und Waffenruhe

Trotz des diplomatischen Zwischenfalls kam es zu Fortschritten in den Verhandlungen zwischen den USA und der Ukraine. Die Ukraine erklärte sich bereit zu einer 30-tägigen Waffenruhe, woraufhin die USA ihre Militärhilfen und Geheimdienstinformationen wieder freigaben. US-Unterhändler reisten nach Russland, um weitere Verhandlungen zu führen und Druck auf den Kreml auszuüben, einer Waffenruhe zuzustimmen.

Folgerungen

Der Eklat zwischen Trump, Vance und Selenskyj im Februar 2025 hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen. Er führte zu einer Neubewertung der transatlantischen Partnerschaften, einer verstärkten Eigenständigkeit Europas in Verteidigungsfragen und beeinflusste die Dynamik der Verhandlungen im Ukraine-Konflikt. Der Eklat zwischen Trump, Vance und Selenskyj spielte Wladimir Putin direkt in die Hände, da er die Spaltung innerhalb des Westens weiter vertiefte. Während sich Europa um eine einheitliche Sicherheitsstrategie bemüht, zeigte der Vorfall, dass die Unterstützung der USA für die Ukraine unter Trump wackeln könnte. Für Putin bedeutete dies eine Schwächung der transatlantischen Geschlossenheit und eine mögliche Gelegenheit, seinen Einfluss in der Region weiter auszubauen. Zudem könnte Russland diesen Moment nutzen, um eine diplomatische Initiative oder eine militärische Offensive zu starten, während der Westen mit internen Konflikten beschäftigt ist. Die Tatsache, dass Trump und Vance Selenskyj öffentlich bloßstellten, könnte in Moskau als Signal gewertet werden, dass die Ukraine sich nicht mehr auf uneingeschränkte US-Unterstützung verlassen kann – ein potenzieller Wendepunkt im Krieg.

Für das internationale Sicherheitsmanagement bedeutet der Eklat zwischen Trump, Vance und Selenskyj eine erhebliche Destabilisierung der bisherigen Strategie zur Unterstützung der Ukraine und zur Eindämmung Russlands. Die offene Konfrontation zwischen den USA und der Ukraine zeigt, dass transatlantische Bündnisse nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden können, was neue Unsicherheiten für NATO-Strategien und europäische Verteidigungsinitiativen mit sich bringt. Insbesondere die Möglichkeit, dass die USA unter Trump ihre Ukraine-Hilfen reduzieren oder sogar ganz einstellen könnten, zwingt europäische Staaten dazu, eigene Sicherheitskonzepte unabhängig von Washington zu überdenken. Die strategische Unsicherheit, die aus diesem Eklat resultiert, geht weit über die Ukraine hinaus. Sie wirft grundsätzliche Fragen zur transatlantischen Sicherheitsarchitektur auf. Europa könnte sich gezwungen sehen, eine eigene Verteidigungsstrategie zu entwickeln, die nicht mehr primär auf die USA baut.

Dies könnte zu einer beschleunigten Militarisierung Europas führen, höheren Verteidigungsausgaben und neuen Sicherheitskooperationen jenseits der NATO. Zudem müssen Geheimdienste und militärische Führungsebenen ihre Risikoeinschätzungen neu bewerten, da unklare US-Positionen neue Bedrohungsszenarien eröffnen – sowohl durch russische Offensiven als auch durch mögliche hybride Kriegsführungsstrategien, einschließlich Cyberangriffen und politischer Destabilisierung.

Der Eklat zwischen Trump, Vance und Selenskyj erinnert an historische Fälle, in denen Großmächte ihre Verbündeten fallen ließen oder ihre Unterstützung infrage stellten. Ein prägnantes Beispiel ist das Münchner Abkommen von 1938, bei dem Großbritannien und Frankreich die Tschechoslowakei im Stich ließen und Hitler das Sudetenland überließen – ein Appeasement, das ihn zu weiterer Aggression ermutigte. Ähnlich markierte die Suez-Krise von 1956 einen geopolitischen Wendepunkt, als die USA ihre Verbündeten Großbritannien und Frankreich zwangen, ihre militärische Intervention in Ägypten abzubrechen, was das Ende ihrer Großmachtrolle einleitete. Auch der US-Rückzug aus Vietnam 1973 zeigt Parallelen: Die USA unterstützten Südvietnam jahrelang militärisch, doch als sich die politische Lage in Washington änderte, wurde die Unterstützung abrupt beendet – mit der Folge, dass Saigon 1975 an den kommunistischen Norden fiel. Neben dem Münchner Abkommen und der Suez-Krise zeigt auch das Schicksal Afghanistans nach dem abrupten US-Abzug 2021, wie schnell Verbündete fallen gelassen werden.

Taliban auf einem erbeuteten Humvee; die USA ließen nach Angaben des Pentagons militärische Ausrüstung im Wert von sieben Milliarden US-Dollar in Afghanistan zurück.[171]
© Voice of America News - YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=nAg7egiXClU – Archivierte Versionen ansehen/speichern auf archive.org und archive.today, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=108841284
 

Diese Entwicklung könnte Putin ermutigen, weiter zu eskalieren, während Europa strategische Alternativen prüft. Sollte die Ukraine das Vertrauen in die USA als Schutzmacht verlieren, könnte dies Putin ebenso ermutigen, weiter zu expandieren, während Europa seine Sicherheitsstrategie überdenken müsste.

Was in wenigen Minuten in Washington passierte, könnte den Lauf der Geschichte verändern– wobei man einschränken muss, dass Trump sowohl mit Putin als auch mit Selenskyj im telefonischen Austausch steht. Die Ukraine steht vor einer ungewissen Zukunft, Europa muss seine Sicherheitsarchitektur überdenken, und Russland könnte eine neue Gelegenheit sehen, seine Macht auszuweiten. Das Treffen zwischen Trump und Selenskyj war kein bloßer politischer Schlagabtausch – es war ein geopolitischer Erdrutsch, dessen Nachbeben die Welt(un)ordnung noch lange erschüttern wird. Manche politischen Eklats sind mehr als nur Schlagzeilen – sie sind Vorboten eines neuen Zeitalters. Am 14. Februar 2025 hielt der US-Vizepräsident J.D. Vance auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz bereits eine Rede, die für erhebliche Aufmerksamkeit und Kontroversen sorgte. In seiner Ansprache kritisierte er die europäischen Staaten scharf und betonte, dass die größten Bedrohungen für Europas Sicherheit nicht von externen Akteuren wie Russland oder China ausgingen, sondern von internen Entwicklungen. Vance äußerte Bedenken hinsichtlich der Einschränkung der Meinungsfreiheit und demokratischer Prozesse in Europa und warnte vor einem möglichen “zivilisatorischen Selbstmord” des Kontinents.2 Russland nutzt das Machtvakuum und startet eine großangelegte Offensive in der Ostukraine, während China parallel seine Macht im Pazifik ausbaut und Taiwan bedroht. In Europa bricht mittlerweile politische Panik aus – Frankreich drängt auf eine nukleare Abschreckung unter europäischer Führung, Deutschland erhöht seine Verteidigungsausgaben drastisch, doch ohne die USA steht die westliche Welt vor ihrer größten sicherheitspolitischen Zerreißprobe seit dem Zweiten Weltkrieg.

 

Quellen:

1 Vgl. das Video in voller Länge https://www.youtube.com/watch?v=kEOv4x_FIsc (abgerufen am 19. März 2025
2 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=pCOsgfINdKg (abgerufen am 19. März 2025).

 

Über den Autor
Dr. Florian Hartleb
Dr. Florian Hartleb
Hartleb, Florian, Dr. phil., ist seit August 2023 als Forschungsdirektor beim Europäisches Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention (EICTP) in Wien tätig. Er lehrt derzeit an der Katholischen Universität Eichstätt, der Universität Passau und der Fachhochschule des bfi in Wien. Gerade hat er mit Gustav Gustenau dass Buch „Antisemitismus auf dem Vormarsch. Neue ideologische Dynamiken“ beim Nomos-Verlag (Baden-Baden) herausgegeben
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