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Rechtsextremismus
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Politisch motivierte Kriminalität in Deutschland – Aktuelle Trends und Akteure

Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie „Querdenker“

Teil 1 von Prof. Dr. Stefan Goertz, Hochschule des Bundes, Bundespolizei

Dieser Beitrag untersucht aktuelle Trends und Akteure in den PMK-Phänomenbereichen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie „Querdenker“. Sowohl Rechtsextremisten als auch „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ haben innerhalb kürzester Zeit strategisch sowie propagandistisch auf die Coronapandemie reagiert und versuchten, die Coronapolitik der Bundesregierung zu delegitimieren. Dazu entstand ein neuer Phänomenbereich von PMK/Extremismus: Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates.

Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus

Rechtsextremisten haben nach Angaben des aktuellen Verfassungsschutzberichtes aus dem Juni 2021 im Jahr 2020 in Deutschland 23.604 Straftaten verübt, im Jahr 2019 waren es noch 22.342 Straftaten. Von diesen 23.694 im Jahr 2020 verübten Straftaten waren 13.659 Propagandadelikte nach §§ 86, 86a StGB und 1.092 Gewalttaten. Im Jahr 2019 waren noch 986 Gewalttaten von Rechtsextremisten verübt worden, womit die Zahl der Gewalttaten im Vergleich zum vorherigen Jahr um gut 10 % angestiegen ist. Neben zwei versuchten Tötungsdelikten zählt hierzu mit dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau ein vollendetes Tötungsdelikt mit neun Todesopfern.

Im Jahr 2020, dem Berichtsjahr des aktuellen Verfassungsschutzberichtes von 2021, verübten Rechtsextremisten in Deutschland 842 Körperverletzungen, 25 Brandstiftungen, daneben 12 gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr, eine Freiheitsberaubung, 12 Erpressungen und 101 Widerstandsdelikte. Sachbeschädigungen wurden durch Rechtsextremisten in Deutschland im Jahr 2020 880 verübt, Nötigungen/Bedrohungen 478, Störung der Totenruhe sechs sowie 6.545 andere Straftaten, vor allem Volksverhetzung und Beleidigung.

Im Jahr 2020 stieg die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindlicher Gewalttaten mit 746 Delikten um 7,3 % an. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund erhöhte sich um 17,8 % auf insgesamt 2.173 Taten (im Jahr 2019 waren es noch 1.844). Im Jahr 2020 stieg die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungen mit fremdenfeindlichem Hintergrund um 10 %.

Die – in absoluten Zahlen – meisten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ereigneten sich mit 168 registrierten Delikten in Berlin. Danach folgen Nordrhein-Westfalen (145) und Sachsen-Anhalt (83).1

Die deutschen Verfassungsschutzbehörden beziffern das Personenpotenzial Rechtsextremismus für das Jahr 2020 – im aktuellen Verfassungsschutzbericht aus dem Juni 2021 – mit 33.300. Davon werden 13.300 als gewaltorientiert eingestuft. Von diesen 33.300 Rechtsextremisten sind nach Angaben der Verfassungsschutzbehörden 13.250 in Parteien organisiert, hierbei 3.500 in der Partei „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD), 550 in der Partei „Die RECHTE“ und 600 in der Partei „Der III. Weg“. In der Kategorie „sonstiges rechtsextremistisches Personenpotenzial in Parteien“ existieren laut den deutschen Verfassungsschutzbehörden aktuell 8.600, darunter werden nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz u.a. die Mitglieder der „Jungen Alternative“ (JA) und des Personenzusammenschlusses „Der Flügel“ subsummiert.

In „parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen“ zählen die deutschen Verfassungsschutzbehörden aktuell 7.800 Rechtsextremisten, in der Kategorie „weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial“ 13.700 Rechtsextremisten.2

Aktuelle Trends

Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus stellen im Augenblick und prognostisch für viele Jahre eine wesentliche Bedrohung für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Aktuelle Belege dafür sind die rechtsterroristischen Anschläge in Hanau und Halle, das rechtsterroristische Attentat auf Walter Lübcke, das rechtsterroristische Attentat auf die damalige Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker, der Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München, sowie das rechtsterroristische Attentat auf den eritreischen Flüchtling Bilal M.

Neben diesen rechtsterroristisch motivierten Anschlägen und Attentaten müssen auch die zahlreichen rechtsextremistisch-rechtsterroristischen Organisationen bzw. Gruppen, wie „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT), „Oldschool Society“ (OSS), „Nordadler“, „Kameradschaft Aryans“, „Gruppe Freital“, „Revolution Chemnitz“, „Combat 18“, Gruppe „Nordkreuz“ sowie „Gruppe S“ der jüngeren Vergangenheit erwähnt werden.3

Antisemitischer Demonstrant auf einer Gaza-Solidaritätsdemonstration in Berlin im Juli 2014 (Anlass Operation Protective Edge), mit Kufiya und der Zahl „88“ als Code für Heil Hitler sowie 9/11 am Unterarm eintätowiert
© Von Boris Niehaus - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34607239

Rechtsterrorismus ist der nachhaltig-strategische Kampf für rechtsextremistische Ziele. Diese Ziele sollen mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer durchgesetzt werden. Die Übergänge von Rechtsextremismus zu Rechtsterrorismus können fließend sein. Ziele bzw. Opfer von Rechtsterroristen können u.a. Ausländer, Asylbewerber, Menschen mit Migrationshintergrund, Juden, Muslime, Politiker, Polizisten, Beamte und Repräsentanten des Staates sein, ebenso Mitglieder von Parteien, die von Rechtsterroristen als Gegner bzw. Feinde empfunden werden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt im aktuellen Verfassungsschutzbericht fest, dass im Zusammenhang mit dem Protestgeschehen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen der Bundesregierung die versuchte Einflussnahme von Rechtsextremisten im Jahr 2020 in der Öffentlichkeit präsent war. So versuchten Rechtsextremisten seit Ende April 2020, mit Kundgebungen und Demonstrationen Aufmerksamkeit zu erlangen und an die gesellschaftlichen Diskussionsprozesse anzuknüpfen. Rechtsextremisten nahmen die gesellschaftliche Corona-Debatte auf und thematisierten fast ausschließlich die staatlichen Schutzmaßnahmen. Zudem wurden Verschwörungsideologien zum Pandemiegeschehen verbreitet. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz versuchten Rechtsextremisten, über das Protestgeschehen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen Anschluss an die weit überwiegend demokratischen Proteste zu finden. Hierbei ging es Rechtsextremisten jedoch nicht um eine sachliche Debatte über den Umgang mit der Pandemie, sondern um die Delegitimierung staatlichen Handelns und demokratischer Institutionen.4

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ verübten im Jahr 2020 772 (im Jahr 2019 noch 675) politisch motivierte Straftaten, davon 125 Gewalttaten (im Jahr 2019 noch 121). Hierzu zählten vor allem Erpressungs- (78) und Widerstandsdelikte (30). Von den „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ zugeordneten Straftaten wurden 37 als antisemitisch eingeordnet, bei welchen es sich im Wesentlichen um Volksverhetzungsdelikte (30), aber auch um eine Gewalttat handelte. Die – in absoluten Zahlen – meisten extremistischen Straftaten begingen „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in Bayern (243, darunter 72 Gewalttaten und 74 Fälle von Nötigung beziehungsweise Bedrohung).5

Die Verfassungsschutzbehörden stufen diese Szene insgesamt als staatsfeindlich ein. Aktuell sind ihr deutschlandweit etwa 20.000 Personen (im Jahr 2019 noch 19.000) zuzurechnen, bei rund 1.000 davon handelt es sich zugleich um Rechtsextremisten. Von diesen 20.000 Personen werden ca. 2.000 als gewaltorientiert bewertet. Darunter fallen gewalttätige Szeneangehörige sowie Personen, die beispielsweise durch Drohungen oder gewaltbefürwortende Äußerungen und entsprechende ideologische Bezüge auffallen. Die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ besteht zu etwa drei Vierteln aus Männern. Bundesweit gibt es rund 28 Gruppierungen, unter anderem den „Staatenbund Deutsches Reich“ mit „Gliedstaaten“, „Bismarcks Erben“ mit der Untergliederung „Vaterländischer Hilfsdienst“ (VHD) und die „Verfassunggebende Versammlung“.6

Aktuelle Trends

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bewerten staatliche Maßnahmen – damit auch diejenigen zur Eindämmung der Corona-Pandemie – als unrechtmäßig und lehnen sie vehement ab. Besonders häufig thematisierte die dem Phänomenbereich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zuzuordnende Gruppierung „Verfassunggebende Versammlung“ (VV) die Coronapandemie und verbreitete vor allem über ihre Internetplattform „ddbnews“ sowie das „ddbradio“ im Jahr 2020 laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz immer wieder Desinformation und Verschwörungsideologien. So brachte die Gruppierung „Verfassunggebende Versammlung“ die Corona-Pandemie zum Beispiel mit der antisemitisch geprägten Verschwörungstheorie einer „Neuen Weltordnung“ (NWO) in Verbindung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz analysiert, dass die Corona-Pandemie für „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als Gegner des Staates eine neue, motivierende Erfahrung darstellt, da andere Kritiker der Corona-Maßnahmen die „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen „nicht ausgrenzen, sondern gemeinsam mit ihnen protestieren“.7 Die deutschen Verfassungsschutzbehörden stellen fest, dass sich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ im Jahr 2020 teilweise nicht mehr darauf beschränkt haben, im Zusammenhang mit „Hygiene-Demonstrationen“ ihren Protest zu äußern, sondern auch körperliche Gewalt angewendet haben, zum Beispiel gegen eingesetzte Polizeikräfte. Beispielsweise beteiligten sich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ am Demonstrationsgeschehen gegen die Corona-Maßnahmen vom 28. bis 30. August 2020 im Umfeld des Reichstagsgebäudes in Berlin. Dabei kam es im Zuge einer Kundgebung am Reichstagsgebäude (Deutscher Bundestag) zu einer Besetzung der Stufen des Parlamentsgebäudes durch mehrere hundert Personen, darunter auch Angehörige der „Reichsbürger“-Szene. Eine mutmaßliche „Reichsbürgerin“ hatte nach Angaben der deutschen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden in einem Redebeitrag auf einer Bühne von „staatenlos.info“ unmittelbar zuvor zu einer Besetzung der Stufen des Parlamentsgebäudes aufgerufen. Bei „staatenlos.info“ handelt es sich um eine „Reichsbürger“-Vereinigung.

Verschiedene bekannte „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“-Gruppierungen beteiligten sich im Jahr 2020 an den Anti-Corona-Demonstrationen. Neben „staatenlos.info“ sind dabei auch Personen aus der „Verfassunggebenden Versammlung“ in Erscheinung getreten. Auch aus dem Milieu derjenigen, die für eine Rückkehr zum Deutschen Kaiserreich eintreten, kam es zu Mobilisierungen für die Proteste. Teilweise erklärten „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ staatliche Verordnungen schlichtweg für ungültig. So veröffentlichte beispielsweise die Gruppierung „Amt für Menschenrecht“ am 11. Juni 2020 eine „Rechtdurchsetzung“, der zufolge alle „Ausnahmetatbestände der biologischen und psychologischen Kriegsführung im ‚Lockdown‘“ aufgehoben seien. Weiter wurde in einem „Öffentliche[n] Aufruf zu rechtewahrendem Miteinander“ der Gruppierung „Bundesstaat Sachsen“ die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 fälschlicherweise als nicht rechtskräftig bezeichnet, da „sie nicht unterschrieben [sei] und somit lediglich einen Entwurf“ darstelle. In diesem Zusammenhang stellt das Bundesamt für Verfassungsschutz fest, dass bei „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ eine hohe Anschlussfähigkeit im Hinblick auf die zahlreichen Verschwörungsnarrative rund um die Corona-Pandemie besteht, was sich in häufigen Thematisierungen einschlägiger Inhalte durch die Szene äußert.8

Hauptredakteur von Staatenlos.info und Ex-NPD-Mann Rüdiger Hoffmann mit Kollege Helmut Buschujew auf einer Reichsbürger-Demo in Berlin. Im Hintergrund sind russische Sankt-Georgs-Flaggen sowie u. a. die Fahne der sogenannten Volksrepublik Donezk zu sehen.
© Von SSLreporter - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=93234436

Neuer Phänomenbereich von PMK: Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates („Querdenker“)

In Bezug auf „Corona-Proteste“, Corona-Kleinkundgebungen, „Corona-Spaziergänge“ sowie Versammlungen stellte das Bundesamt für Verfassungsschutz vor dem medial so bezeichneten „Sturm auf den Reichstag“ Ende August 2020 fest, dass das Teilnehmerfeld bis dahin „äußerst heterogen, in seinem Kern jedoch demokratisch“ war.9 Allerdings konstatierten die deutschen Verfassungsschutzbehörden schon vor diesem „Sturm auf den Reichstag“, dass ab dem Frühjahr 2020 „mehrere rechtsextremistische Protagonisten“ dazu aufgerufen hatten, „sich an den Demonstrationen gegen die Beschränkungsmaßnahmen organisationsübergreifend zu beteiligen und bei Kundgebungen außerhalb des rechtsextremistischen Spektrums Präsenz in der Öffentlichkeit zu zeigen“.10

Die Bundesregierung hatte im Juli 2020 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag erklärt, dass die Corona-Kundgebungen, „Spaziergänge“ und Versammlungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in der großen Mehrzahl von nichtextremistischen Akteuren organisiert und frequentiert würden. Die Heterogenität des Protestmilieus zeige sich insbesondere bei den „Hygienedemos“, die zunächst in Berlin initiiert wurden und später auch Widerhall in anderen größeren Städten erfahren haben. Sie zögen diffus regierungskritisch motivierte Teilnehmer aus verschiedenen politischen Lagern an, die gegen die geltenden Infektionsschutzmaßnahmen und gegen eine vermeintlich ungerechtfertigte Einschränkung von Grundrechten demonstrieren. Weiter führte die Bundesregierung aus, dass sich die große Mehrheit der Teilnehmer an den Demonstrationen im Zusammenhang mit den staatlichen Corona-Beschränkungen aus einem überaus heterogenen, teils regierungskritischen bis systemablehnenden Milieu zusammensetzen. Bei einem Teil von Versammlungen habe sich im Frühjahr 2020 eine Mischung aus Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern bis hin zu bisher unpolitischen Personen etabliert.11

Im Rahmen der Corona-Großkundgebung „Berlin invites Europe – Fest für Freiheit und Frieden“ versammelten sich nach Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden bis zu 40.000 Personen in Berlin-Mitte. Nach der Versammlung einer „Reichsbürger“-Gruppierung auf der Wiese vor dem Reichstag stießen mehrere Hundert Versammlungsteilnehmer die im Bereich der Reichstagswiese aufgestellten Absperrgitter um, liefen zu den Treppenaufgängen des Reichstages und besetzten diese. Dabei schwenkten Versammlungsteilnehmer schwarz-weiß-rote Fahnen (offizielle Nationalflagge des Deutschen Reiches). Zwischenzeitlich befanden sich bis zu 400 Personen auf der Außentreppe des Bundestagsgebäudes. Bei dieser Aktion kam es zu verbalen Anfeindungen gegen Polizeibeamte und zu körperlichen Übergriffen. Dieser medial als „Sturm auf den Reichstag“12 titulierten Aktion war nach Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden ein Redebeitrag einer Frau auf der Bühne einer „Reichsbürger“-Gruppierung vorausgegangen, der das Ereignis offenbar herbeiführte.13

Nach Polizeiangaben vom 30.8.2020 wurden im Rahmen dieser Aktionen 33 Polizeibeamte verletzt, 316 Personen festgenommen sowie 131 Strafanzeigen gestellt, unter anderem wegen Beleidigung, tätlichem Angriff auf Polizeibeamte, Gefangenenbefreiung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung. Insgesamt wurden ebenso 255 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeitsverstößen aufgenommen.14

Im Rahmen der Beobachtung der Organisationsstrukturen von „Querdenken“ als Verdachtsfall Extremismus erklären die Verfassungsschutzbehörden, dass ihre Aufgabe darin besteht, Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder der Länder oder gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, zu identifizieren und aufzuklären. Im Zuge dessen nehmen die Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer und das Bundesamt für Verfassungsschutz Phänomene, Gruppierungen und Einzelpersonen in den Blick, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass ihre Verhaltensweisen darauf gerichtet sind, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Geltung zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen erheblich zu beeinträchtigen.15

Prozess gegen Köšnig von Deutschland
© picture alliance / Jan Woitas/dpa-Zentralbild/ZB | Jan Woitas

Das Bundesministerium des Innern und die deutschen Verfassungsschutzbehörden stellen aktuell fest, dass sich die Freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) sowie staatliche Einrichtungen wie Parlamente und Regierende seit Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 vielfältigen Angriffen ausgesetzt sehen. Demokratische Entscheidungsprozesse und die entsprechenden Institutionen von Legislative, Exekutive und Judikative werden in sicherheitsgefährdender Art und Weise von „Querdenkern“ delegitimiert und verächtlich gemacht. Verschwörungsmythen wie QAnon oder andere antisemitische Ressentiments werden dabei ebenso genutzt, wie weitere aus rechtsextremistischen oder „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Zusammenhängen bekannte Ideologieelemente. Verschwörungstheorien sind dabei ein durchgängig festzustellendes Phänomen und haben eine erhebliche katalysatorische Wirkung.16

Die baden-württembergische Verfassungsschutzpräsidentin Bube gab im Zuge der öffentlichen Erklärung der Erhebung von „Querdenken 711“ zum „Beobachtungsobjekt Extremismus“ am 9.12.2021 an, dass der „legitime Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einer grundsätzlichen Staats- und Politikfeindlichkeit in bedenklichem Ausmaß“ weiche. „Seit Beginn des Protestgeschehens stellen wir bei den zentralen Akteuren der ‚Querdenker‘ eine zunehmende Diffamierung staatlichen Handelns fest, die immer wieder in abwegigen Vergleichen mit der Diktatur des Nationalsozialismus und einer Verharmlosung des Holocaust gipfelt. Sie schüren mit falschen Behauptungen gezielt Hass auf den Staat – das ist demokratiefeindlich“, erklärte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl.17

Auf Telegram wurde der Tankstellenmord in Idar-Oberstein, am 18.9.2021, von verschiedenen Extremisten teilweise verherrlicht. „Kein Mitleid. Die Leute immer mit dem Maskenscheiß nerven. Da dreht irgendwann mal einer durch. Gut so“, hieß es unter anderem.18 Der Politikwissenschaftler Josef Holnburger stellte fest: „Seit Jahren plant das verschwörungsideologische Milieu ,Tribunale‘. Plant den ,Tag X‘. Führt Todeslisten ,für später‘. Spricht von Nürnberg 2.0. Sehnt sich einen Bürgerkrieg herbei. Nicht ,im Internet‘. Sondern unter uns. Jetzt wurde ein Mensch ermordet. In ,der Realität‘.“ Weiter erklärt Holnburger, dass Querdenker immer wieder von „Nürnberg 2.0“, dem „Tag X“ oder „den Tagen danach“ sprächen. „Damit fachen sie Rachephantasien ihrer Anhänger an.“ Rufe nach Tribunalen und insbesondere Nürnberg 2.0 seien auch immer verdeckte Rufe nach der ultimativen Bestrafung der in ihren Augen „Schuldigen“: „Es sind Rufe nach Exekutionen“.19 Aus Sicht des Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer kam der Mord in Idar-Oberstein nicht überraschend. „Der kaltblütige Mord ist furchtbar, aber für mich keine Überraschung angesichts der steten Eskalation der letzten Wochen“, sagte Kramer. „Bedauerlich ist, dass es immer erst Tote geben muss, bevor die Gefahr ernst genommen wird“20. Jedoch wird erst der Gerichtsprozess die genauen Hintergründe des Mordes in der Tankstelle in Idar-Oberstein sowie den Radikalisierungshintergrund des Täters aufklären.

Mediale Hetze, Beleidigungen, enthemmte Sprache, Hasspostings und andere Arten von Herabwürdigungen von Menschen können nach Angaben der Bundesregierung vor allem im Internet und dort auf allen bekannten sozialen Plattformen, Imageboards und Messengerdiensten festgestellt werden. Die Postings werden sowohl offen, also bisweilen auch unter Klarpersonalien der handelnden Personen, als auch anonym veröffentlicht. Aufgrund der strenger gewordenen Handlungsrichtlinien von Plattformen wie z. B. Facebook, Twitter, YouTube und Instagram und deren Löschungsverhalten ist eine Abwanderung hin zu Plattformen und Messengerdiensten mit weniger ausgeprägtem bis gar keinem Löschungsverhalten erkennbar. Hierzu zählen z. B. Telegram, Bitchute und VKontakte sowie Imageboards wie Kohlchan und 4chan. Das Spektrum der im Internet festzustellenden extremistischen Äußerungen mit dem Ziel der Diffamierung und Verunglimpfung bestimmter Personen oder Gruppen ist sehr komplex. Schmähungen und Propaganda mit gewaltverherrlichenden Elementen zählen zum Standardrepertoire diverser extremistischer Akteure im Internet. 21

Fazit

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes
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Holger Münch, Präsident des BKA, kommentierte die Fallzahlen PMK für das Jahr 2020 wie folgt: „Im Jahr 2020 haben die Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität einen neuen Höchststand erreicht. In der Statistik spiegelt sich das Ausmaß der gesellschaftlichen Spannungen und die zunehmende Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung wider. Auch für das Jahr 2021 ist keine Entspannung zu erwarten. Insbesondere in den Bereichen der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- und der Bekämpfung der Hasskriminalität bauen wir deshalb unsere Maßnahmen und Kapazitäten aus. Wir werden aber die anderen Phänomenbereiche nicht aus dem Blick verlieren.“22

-Dieser Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors dar-

 

Quellen:

1  Vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Verfassungsschutzbericht 2020. Berlin, Juni 2021, S. 26-29.
2  Vgl. ebd., S. 53.
3  Vgl. Goertz, Stefan (2021): Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland. Eine analytische Einführung für Polizei und Sicherheitsbehörden, S. 17.
4  Vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Verfassungsschutzbericht 2020. Berlin, Juni 2021, S. 48-49.
5  Vgl. ebd., S. 72.
6  Vgl. ebd., S. 113.
7  Vgl. ebd., S. 114.
8  Vgl. ebd., S. 115.
9  Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz (2020): Extremistische und hybride Einflussnahme auf das Demonstrationsgeschehen im Zuge der Corona-Pandemie. BfV-Newsletter Nr. 1+2/2020 – Thema 1.
10  Vgl. ebd; Goertz, Stefan (2021): „Corona-Proteste“ und der Einfluss von Extremisten, in: Forum Kriminalprävention 2/2021, S. 5; Goertz, Stefan (2021): „Querdenker“ – Der neue Extremismusphänomenbereich: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, in: Polizei Praxis 2/2021, S. 51.
11  Vgl. ebd., http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/211/1921139.pdf , S. 6 (25.11.2021).
12  https://www.dw.com/de/kommentar-streit-um-den-sturm-auf-den-reichstag/a-54846037 (26.11.2021).
13  Vgl. Goertz, Stefan (2021): „Corona-Proteste“ und der Einfluss von Extremisten, in: Forum Kriminalprävention 2/2021, S. 5-6; Goertz, Stefan (2021): „Querdenker“ – Der neue Extremismusphänomenbereich: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, in: Polizei Praxis 2/2021, S. 51-52.
14  Vgl. ebd.
15  Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2021/2021-04-29-querdenker.html (27.11.2021).
16  Vgl. ebd.
17  https://im.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilung/pid/querdenken-711-wird-beobachtet/ (28.11.2021).
18  Zitiert nach: Eder, Sebastian/Staib, Julian: Radikalisierung der Querdenker. „Es sind Rufe nach Exekutionen“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.9.2021.
19  Zitiert nach: Ebd.
20  Zitiert nach: Ebd.
21  Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/19/194/1919408.pdf, S. 5 (29.11.2021).
22  https://www.bka.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Kurzmeldungen/210504_PMK2020.html (29.11.2021).

 

Aerial view of burnt industrial warehouse or logistics center building after big fire with huge smoke from burned roof
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4GENE bietet geruchsbasierte Warn- und Schutzmethoden

Brandgeruch vor dem Feuer

Über Temperatur aktivierte Geruchsstoffe erhöhen die Sicherheit in E-Mobility und Engineering

Feuer ist eine wesentliche Gefahr für technische Anlagen. Die steigende Nutzung von elektrischen Antrieben sorgt für besondere Brisanz, wie der Brand des Stuttgarter Busdepots zeigt: Ein Bus geriet während des Ladevorgangs in Brand – und obwohl die Feuerwehr nur viereinhalb Minuten später vor Ort war, hat das Feuer bereits auf andere Busse übergegriffen. Am Ende ist der Verlust von 25 Bussen sowie der umgebenden Gebäude- und Ladeinfrastruktur zu beklagen.

Das auf glykosylierte Werkstoffe spezialisierte Unternehmen 4GENE hat eine biotechnologische Lösung für solche Risiken entwickelt. Dabei wird künstlicher, intensiver Rauchgeruch glukosidisch in einem speziellen Verfahren gebunden. Zu einem festen Zeitpunkt bei der Überschreitung einer kritischen Temperatur wird der Duftstoff freigesetzt. Dieser Warngeruch meldet einen drohenden Brand bereits lange bevor die Flammen aus der Anlage schlagen. „SNIFF & SAVE“ nennt das Technologieunternehmen 4GENE den Mechanismus, der auf einem erteilten Patent und drei darauf aufbauenden Patentanmeldungen beruht.

Schutz per Aufkleber oder Beschichtung

Die Warngerüche können dabei in Duft und Art variiert werden, die Anbringung auf elektrischen, technischen und mechanischen Anlagen ist einfach: „Die gebundenen Warngerüche können als Aufkleber, mit einem Stift oder schon bei der Herstellung in Form einer Beschichtung auf den zu schützenden Anlagen aufgebracht werden“, sagt Heimo Adamski, Geschäftsführer des entwickelnden Unternehmens 4GENE. Ursprünglich wurde die Technologie für die Kosmetikindustrie spezifiziert – die Anwendungsbereiche reichen jedoch längst auch in den technischen Bereich. „Bei technischen Defekten mit einer damit verbundenen Überhitzung werden die an Glukose gebundenen starken rauchigen Warngerüche über die Sollbruchstelle im Molekül freigesetzt. Das geschieht schon bei Temperaturen, die bereits kritisch sind, aber noch weit entfernt von der Bildung echter Rauchgase sind. Unser System warnt daher wesentlich früher als herkömmliche Rauch- oder Brandmeldesysteme“, erklärt Dr. Isabelle Effenberger aus dem wissenschaftlichen Team von 4GENE. Erste namhafte Industrieunternehmen führen bereits Pilotprojekte mit der Technik durch.

Einbindung von elektronischen Systemen

Die Wirkung von SNIFF & SAVE ist dabei intuitiv: Der Geruch wird wahrgenommen und unmittelbar mit Feuer und Gefahr assoziiert – allerdings lange bevor eine wirkliche Gefahr droht. Katastrophen wie der Brand des Stuttgarter Busdepots hätten damit einen wesentlich glimpflicheren Ausgang genommen als den Totalverlust von Bussen und Gebäuden. Die Warnung vor einem drohenden Brand durch starke Gerüche setzt allerdings voraus, dass ein Mensch als „Sensor“ in der Nähe ist. Bei Industrieanlagen kommen Maschinenbediener in Frage, bei Verkehrsmitteln der Fahrzeugführer. Für geparkte Fahrzeuge wäre auch die Einbindung der Technologie in elektronische Warnsysteme möglich. Eine „elektronische Nase“ ersetzt dabei den Menschen und sorgt für die rechtzeitige Warnung vor dem Katastrophenfall. Rauchmelder ergänzen die gesamte Sicherheitsinfrastruktur weiterhin als relevantes Sicherheitselement. Die Anwendungsbereiche erstrecken sich für 4GENE dabei nicht nur auf Mobilitätslösungen, sondern auch auf zahlreiche Anwendungen im privaten, öffentlichen, gewerblichen und industriellen Bereich.

 

Die Ämter für Verfassungsschutz als Präventionsbehörden

Rechtsfragen zur Stellung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Verfassungsarchitektur

Maximilian Banzhaf,
Berlin 2021,
450 Seiten.
ISBN 978-3-428-18317-3.
Ladenverkaufspreis 99,90 €.
Am Verfassungsschutz scheiden sich seit Jahrzehnten die Geister. Für die einen sind das Bundes- und die Landesämter für Verfassungsschutz auf dem rechten Auge blind, für die anderen versagen sie im Kampf gegen staatsfeindliche Bestrebungen von links.

Anlass zur Kritik liefern auch immer wieder die Zuständigkeiten der Verfassungsschützer. Während sie manchen Betrachtern zu weit gehen, beklagen andere, der Verfassungsschutz sei ein zahnloser Tiger. Besonders hohe Wellen schlugen in den letzten Jahren politisch motivierte spektakuläre Kriminalfälle, allen anderen voran die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds NSU“. Es sei dem Versagen des Verfassungsschutzes geschuldet, dass dessen Mordserie nicht früher gestoppt wurde, konnte man lesen. Diese polarisierte Debatte muss auch in einer wissenschaftlichen Betrachtung zumindest im Hintergrund mitgedacht werden.

Maximilian Banzhaf wurde mit der hier zu besprechenden Arbeit an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg promoviert. Bereits ein flüchtiger Blick auf das zwölf Druckseiten umfassende Inhaltsverzeichnis des Buches lässt die Komplexität des Themas erahnen. Die Ausgangsthese macht dann jedem Leser deutlich, welche Herausforderungen dieses Thema beinhaltet. Der Autor geht von der Überlegung aus, dass sich der Verfassungsschutz in den letzten Jahren grundlegend wandelte. War er in seiner Frühzeit eine Institution, die sich mit der „Aufklärung legaler und nicht konkret gefährlicher politischer, insbesondere nicht strafrechtlich relevanter Bestrebungen“ befasste, so wandelte er sich in den letzten Jahren zu einem „Frühwarnsystem zur allgemeinen Gefahrenabwehr.“ Dies führte zu „Überschneidungen mit den Aufgabenbereichen der Polizei und des Bundesnachrichtendienstes (BND).“

In dieser These steckt die grundsätzliche Entscheidung für ein „möglichst freiheitsschonendes System“. Dies wurde in der Wissenschaft formelhaft cum grano salis so beschrieben, dass die Nachrichtendienste, die fast alles wissen, nicht alles dürfen. Wohingegen die Polizei – die alles darf – nicht alles wissen sollte.

Dass diese Formel nur mit Einschränkungen gilt, bestätigt ein Blick in die frühen Jahre der Bundesrepublik. Diesen Exkurs in die Vergangenheit wagt der Verfasser jedoch nicht. Somit erlaubt er seinen Lesern weder einen Blick auf die Empfänger der Ergebnisse der Funkaufklärung des Bundesgrenzschutzes noch auf die Aufgaben der Sicherungsgruppe des BKA. Dieser waren in den frühen 1950er Jahren Ermittlungen in Fällen des Hoch-, Verfassungs- und Landesverrats übertragen worden. Vielleicht wäre es sogar eine Fußnote wert gewesen, dass den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes Mitte der 1950er Jahre das Recht eingeräumt wurde, ihre Untergebenen nach eigenem Gutdünken mit Waffen und den dazugehörenden Ausweisen auszustatten.

Eindrucksvoll zeichnet der Verfasser die Entwicklung der Aufgaben, besonders der Aufgabenabgrenzung des Verfassungsschutzes nach. Dies führt ihn zur „Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern“, worin er aus guten Gründen eine „verfassungsrechtliche Herausforderung“ sieht. Diese Überlegungen münden in einem der klassischen Themen in jedweder Betrachtung der deutschen Sicherheitsarchitektur: dem Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten. Die allgemeine Frage, ob diese Trennung noch zeitgemäß sei oder die zugespitzte Variante, ob diese Aufgabentrennung im Interesse einer höheren Effizienz noch vertretbar sei, mündete seit Jahrzehnten immer wieder zwischen Praktikern und Theoretikern in zum Teil erbitterte Diskurse. Banzhaf betrachtet das Trennungsgebot indem er zunächst dessen Ursprung, sodann die Nicht-Verankerung in unserer Verfassung und schließlich die inhaltliche Reichweite einzelner Trennungsaspekte betrachtet. Somit reicht sein Blick vom Brief der alliierten Militärgouverneure vom 14. April 1949 über mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bis zu den vier Trennungsgeboten, die er im organisatorischen, funktionalen, kompetenziellen und informationellen Bereich festmacht. Als mögliche Lösung sieht er einen Vorstoß der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahr 2019. Darin wird zur Vermeidung additiver Grundrechtseingriffe vorgeschlagen, für Polizei und Nachrichtendienste „möglichst klar abgegrenzte Aufgabenbereiche zu schaffen.“

Wie schwierig dies in der praktischen Umsetzung ist, wird insbesondere in dem Kapitel deutlich, in dem Banzhaf das Verbot der Tätigkeit des BND auf innenpolitischem Gebiet betrachtet. Hier positioniert er sich klar und eindeutig, indem er feststellt, dass dieses Verbot überkommen ist und eine effektive Spionageabwehr beeinträchtigt. Diesem Mangel wäre vergleichsweise einfach abzuhelfen, da diesem Verbot lediglich eine aus einfachem Gesetzesrecht ableitbare Vorgabe entgegensteht. Anschließend führt er Argumente an, die für eine Konzentration der Spionageabwehr unter dem Dach des BND sprechen, jedoch betont er „dass für den BND mit dieser Aufgabenerweiterung auch eine entsprechende rechtsstaatliche Einhegung einhergehen muss.“

Um die zahlreichen gordischen Knoten zu zerschlagen, schlägt Banzhaf zweierlei vor: Zum einen eine Rückbesinnung der Verfassungsschutzämter auf ihre Ursprünge und zum anderen den Wandel von einer wehrhaften in eine widerstandsfähige Demokratie. Für Aufsehen könnte sein Vorschlag sorgen, das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundeskanzleramt zuzuordnen. Und schließlich bricht der Autor noch eine Lanze dafür, dass alle Bürger sich aktiv am Verfassungsschutz beteiligen, was auch ein Beitrag zur politischen Bildung sei.

Der Rezensent möchte lediglich erwähnen, dass andere Staaten in diesen Fragen andere Antworten finden. So hat die Schweiz mit dem im Jahr 2016 erlassenen neuen Nachrichtendienstgesetz nicht nur eine neue rechtliche Grundlage für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) geschaffen. Vielmehr wurden dessen Kompetenzen und technischen Möglichkeiten deutlich ausgeweitet. Gleichermaßen kann der NDB zum Schutz der verfassungsrechtlichen Grundordnung, der Außenpolitik und auch des Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz eingesetzt werden.

Dr. Reinhard Scholzen

 

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Sind „gegen rechts“ alle Mittel erlaubt? Die neue linke Militanz

Von Florian Hartleb

Nach den Krawallen infolge des gewaltsam herbeigeführten Todes des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis durch einen weißen Polizisten im Mai 2020 sah der damalige US-Präsident Donald Trump in Antifa-Gruppen die Drahtzieher. Sein Plädoyer für deren Verbot schlug hohe Wellen, selbst in Deutschland.

In den sozialen Netzwerken verbreitete sich schlagartig der Slogan „Wir sind Antifa“. Das ist keineswegs ein Einzelfall: „Danke, liebe Antifa“, heißt es oft.1 Der Autor Sebastian Leber schreibt: „Mich beruhigt es, in einer Stadt zu leben, die eine starke Antifa hat. Weil ich dann sicher bin, dass in meinem Kiez keine Nazis die Meinungshoheit übernehmen.“ Die Antifa würde uns ein Leben ermöglichen, in dem Rechtsextreme keine Rolle spielen sollten.2 Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg produzierte im Jahr 2020 einen Werbefilm, in dem unkommentiert das Plakat „Antifa ist Liebe“ gezeigt wird. Doch hinter der schönen Fassade steht die Wirklichkeit zurück. Mitten dort, in der Rigaer Straße 94 – wo ein seit 1990 dauerbesetztes Haus mit Kultcharakter für die Szene setzt – wird die öffentliche Ordnung attackiert. Im Juli 2021 wurden 60 Polizisten, zwei davon schwer, bei einem Hauseinsatz verletzt. Selbst die Süddeutsche Zeitung sprach von „Endkampf-Fantasien eines hermetisch abgeschotteten Zirkels der radikalen Linken“.3 Schon 2016 kam es dort zu einer Gewalteskalation, und zu einer breiten Unterstützung.4

Die „Antifa“ als einzelne Organisation gibt es nicht. Sie bezieht sich, wie auch der Verfassungsschutz einschätzt, auf ein „Aktionsfeld“ aus dem linken politischen Spektrum. Unterstützung und Rückendeckung bekommt sie von denjenigen Kräften, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren. Beim G-20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 wurden bei linksextremen Übergriffen auf Polizisten Hunderte Menschen verletzt, auch durch einen sogenannten „Schwarzen Block“. Auch als Folge davon wurde das linksextremistische Internetportal „Indymedia“ in Deutschland verboten, ein globales Mediennetzwerk mit NGO-Charakter. Autonome nutzen die Plattform z. B. für Bekennerschreiben von Brandanschlägen, etwa auf die SPD-Parteizentrale oder die Hamburger Messe im Vorfeld des G-20-Gipfels 2017. Es fanden sich dort auch Anleitungen zum Bau von Molotowcocktails.

Neue RAF? Die Gruppe um Lina E.

Radikale Linke gebrauchen in der Geschichte des letzten Jahrhunderts und in der Gegenwart das Wort „Antifaschismus“ positiv.5 Doch wie „friedlich“ ist der gelebte Antifaschismus? Immerhin ist „Nazis auf´s Maul“ eine Parole, die seit Jahren auf Gegendemonstrationen gegen rechtsextremistische Kundgebungen auftaucht. T-Shirts und Poster gibt es im Versandhandel. Durch neue Entwicklungen lässt sich daraus eine Gewaltbereitschaft ableiten. Gewalt also als legitimes Mittel im „Kampf gegen rechts“? Immerhin ist im Linksextremismus eine neue Qualität der gewalttätigen Übergriffe zu beobachten, wie der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Thomas Haldenweg im Sommer 2021 bemerkte.6 Vor allem greift das Phänomen der „Nazi-Jagd“ um sich. Am 16. Mai 2020 überfiel eine Antifa-Gruppe von mindestens 20 Jugendlichen eine Handvoll Mitglieder des Vereins Zentrum Automobil, die wohl an einer Querdenkerdemonstration teilnehmen wollten. Einige der Mitglieder hatten Kontakte in die rechtsextreme Szene.7

Besonders drastisch ist ein Fall im thüringischen Erfurt. Verkleidet als Polizisteneinsatzkommandos, brachen Antifaschisten im Morgengrauen des 28. Mai 2021 in die Wohnung eines bekannten Rechtsextremisten ein, droschen auf ihn ein und fesselten seine schwangere Freundin. Ein „Kommando“ bekannte sich zur Tat, die mit Rache begründet wurde.8 Bedenklich ist auch die geringe Aufklärungsrate von 25 %, welche Sicherheitsbehörden bei linksextremen Straftaten intern ausmachen.9 Immerhin ist es zu einer Serie von gewalttätigen Attacken gekommen, die (auch) einen organisatorischen Überbau hatte. Lina E., eine zum Tatzeitpunkt 26-jährige Erziehungswissenschaftlerin, die ihre Bachelorarbeit über den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) schrieb, wird der Prozess gemacht. Ihr untergetauchter Verlobter hat sich den Hass auf Polizisten auf seine Fingerknöchel tätowiert: „Hate Cops“ steht da.10 Die Gruppe hat offenbar zwischen 2018 und 2020 in Leipzig, Wurzen (Sachsen) und Eisenach (Thüringen) sechs schwere Überfälle auf vermeintliche Rechte begangen. Lina E. soll Opfer ausgespäht und bei Attacken das „Kommando übernommen“ haben. Schon Ende 2019 gründete die sächsische CDU-Regierung zur Bekämpfung von „Linksextremismus“ die „Sonderkommission Linx“. Allein im ersten Halbjahr 2020 eröffnete diese Polizeieinheit 335 Ermittlungsverfahren, wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervorgeht. Die meisten davon verliefen aus Mangel an Beweisen im Sand, in einigen Fällen wurde das Vorgehen später für rechtswidrig erklärt.11 In der Tat scheint es zu hochgegriffen, von einer neuen „Roten Armee Fraktion“ (RAF) zu sprechen, wie in der Öffentlichkeit kursierte. Dennoch ist die neue Militanz augenfällig. Dazu gibt es öffentliche Unterstützung – wie einst bei der RAF. Schon die Festnahme von Lina E. löste Solidaritätsaktionen und Straftaten aus, bis zu Brandstiftungen an Fahrzeugen der Bundespolizei. Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) fordert auf ihren Seiten „Freiheit für Lina“12: „Während rechte Corona-Leugner marodierend durch Leipzig ziehen können, werden hier mehre Personen kriminalisiert, um die linke Bewegung einzuschüchtern. An Lina soll dabei offensichtlich ein besonderes Exempel statuiert werden“, heißt es da.

Schild hinterm Fenster Corona Lüge
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Breite Solidarität

Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Partei „Die Linke“ in Sachsen und präsent in Leipzig-Connewitz, organisierte am 18. September 2021 eine Demonstration unter dem Slogan „Wir sind alle LinX“. Rund 3.500 Störerinnen und Störer reisten aus dem ganzen Bundesgebiet an Man forderte „die Entnazifizierung der deutschen Sicherheitsbehörden, die Auflösung der Soko Linx und Freiheit für alle AntifaschistInnen“. Auf einem Banner war ein offener Mordaufruf gegen Dirk Münster, den Leiter der Soko LinX, zu lesen. Später sind auch Polizisten und deren Einsatzfahrzeuge beworfen worden. Sieben Einsatzkräfte trugen dabei leichte Verletzungen davon.13 Generell gilt Leipzig als Hochburg linksextremer Gewalt. Wurde Linksextremismus lange mit Sachbeschädigung wie eingeschlagene Scheiben und brennende Autos assoziiert, findet nun ganz offenbar eine Enthemmung der Gewalt statt. Es zeigt sich eine allgemeine Tendenz: „Gewaltsame Aktionen gegen Sachen und Personen im Umfeld der als ‚rechts‘ definierten Szene finden nahezu täglich statt. Im Fokus steht dabei seit mehreren Jahren die AfD. Auch Identitäre, Reichsbürger, Burschenschaftler u.a. werden gleichsam zum „Abschuss“ freigegeben. Für die linken Gewalttäter sind es antifaschistische und antirassistische Aktionen“.14 So wurde etwa im September 2021 das Auto des AfD-Politikers Vadim Derksen in Berlin, Kandidat für die Abgeordnetenwahl, abgefackelt.15 Schon zuvor wurden der Antifa konkrete Handlungen zugeschrieben, die zum Abbruch der Lehrveranstaltungen des ehemaligen Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD) und Hochschulprofessors, Bernd Lucke, oder zur Blockade einer Lesung des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) führten. Hier handelt es sich um einen linksextremistischen Antifaschismus dergestalt, dass tatsächliche oder vermeintlichen Rechtsextremen die Anerkennung von Grund- und Menschenrechten verweigert wird. Hier geht es etwa um die Veröffentlichung von persönlichen Informationen im Internet, das so genannte „Nazi-Outing“.16 Hier ist etwa die „Künstlergruppe“ namens „Zentrum für Politische Schönheit“ zu nennen. Sie ließ etwa verlautbaren: „Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld. Helfen Sie uns, die entsprechenden Problemdeutschen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu entfernen“.17 So gab es die Aktion, über die Website „Soko Chemnitz“ mehr als 1500 Personen, die angeblich auf rechtsradikalen Demos fotografiert wurden, zu denunzieren. Im September 2021 kam ans Tageslicht, dass 53 namentlich genannte Politiker der AfD über eine Website Morddrohungen erhalten haben. In einem Anhang des Pamphlets standen  alle Wohnadressen der Politiker sowie eine präzise mehrseitige Anleitung zur Herstellung von gefährlichen Sprengsätzen. Die Ermittlungen laufen.18

Antiextremismus ist nicht gleich Antifaschismus

Die Linksextremismusprävention steckt noch in den „Kinderschuhen“, gerade, was Deradikalisierungsprogramme angeht.19 Der offenkundig steigende Bedarf zeigt sich nicht nur in den „Brennpunkten“ Leipzig und Berlin und auch nicht nur am 1. Mai, wo es traditionell zu Krawallen kommt. Ein Film aus dem Jahr 2020, der auch auf Netflix anzusehen ist, „Und morgen die ganze Welt“20, thematisiert das Leben einer Aktivistin der Antifa. Hauptmotiv ist dabei die Militanz gegen Rechtsextreme. Die Regisseurin Julia von Heinz lässt dabei ihre autobiographischen Bezüge einfließen. Mit dem nach der Erstausstrahlung bekannten Fall „Lina E.“ hat der Film eine verblüffend reale Entsprechung gefunden. Dabei kommt es aber immer noch zur Verklärung. Es wird wie einst bei der RAF suggeriert, der Linksextremismus habe etwas Gutes, sind doch wohlhabende „Kinder“ die Agitatoren. Diese Verharmlosung unterschlägt den um sich greifenden Hass auf die Polizei, der sich etwa auch in Anschlägen auf Geschäftsstellen der Gewerkschaft, etwa in Hamburg, entlädt. Deutschland rückt nach rechts, die neue Gefahr droht von „rechtsaußen“. Zudem kommen islamistische Terroranschläge durch vor Jahren eingereiste Flüchtlinge, wie zuletzt in Würzburg und evt. mit der ICE-Attacke bei Regensburg.21 Extremismen sollen aber nicht gegenseitig ausgespielt werden. Wenn Opfer „Rechte“ oder Polizisten durch gut organisierte und orchestrierte Militanz werden, müssen die Alarmglocken schrillen, zumal, wenn die Aufklärungsquote derart gering ausfällt und der Lebensgefährte von Lina E. einfach untertauchen konnte. Die Entwicklung von Präventions- und Bekämpfungsstrategien ist die Kernaufgabe des demokratischen Verfassungsstaates, der auf einen antiextremistischen, eben nicht antifaschistischen Konsens beruht.

 Placard "Hans can also learn what Greta knows" in German language on a global climate strike
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Antifaschismus war der Gründungsmythos der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), Antiextremismus hingegen ist die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Hier gilt es auch, genauer auf die öffentlich sehr gelobte Klimaschutzbewegung „Fridays für Future“ zu schauen. Am 22. Oktober 2021 etwa geriet eine Gruppe schwarz gekleideter Demonstranten in Berlin mit Polizisten aneinander. Die jungen Männer und Frauen gehörten zum „antikapitalistischen Block“. Eine Unterwanderung hält der Extremismusforscher Udo Baron wahrscheinlich, ebenso eine Öffnung für gewaltsame Lösungen.22 Für die polizeiliche Ausbildung bedeutet das, den Linksextremismus stärker einzubeziehen und sich in der Praxis auf komplexe und gefährliche Lagen vorzubereiten.

 

Quellen:

1  Sebastian Leber: Danke, liebe Antifa!, in: Tagesspiegel vom 24. Januar 2014, https://www.tagesspiegel.de/berlin/chaoten-oder-heilsbringer-danke-liebe-antifa/9382378.html (abgerufen am 13. November 2021).
2  Ebd.
3  Vgl. Jan Heidtmann: „Endkampfphantasien radikaler Linker“ (Kommentar), in: Süddeutsche Zeitung vom 17. Juni 2021, https://www.sueddeutsche.de/meinung/berlin-rigaer-strasse-94-hausbesetzer-senat-1.5324925?reduced=true (abgerufen am 14. November 2021).
4  Siehe zum ersten Absatz Florian Hartleb: Wir sind Antifa. Die problematische Neudefinierung des demokratischen Verfassungsstaats, in: VEKO online. Vernetzte Kompetenz im Sicherheitsmanagement, September 2020, https://www.veko-online.de/
5
 Vgl. nun Alexander Deycke u.a. (Hg.), Von der KPD zu den Post-Autonomen. Orientierungen im Feld der radikalen Linken, Göttingen 2021.
6  Zitiert nach n-tv.de vom 3. September 2021, https://www.n-tv.de/politik/Anschlaege-auf-rechte-Szenetreffs-in-Thueringen-article22782957.html (abgerufen am 12. November 2021).
7  Vgl. Benno Stieber „Das waren doch nur Nazis!“, In: die Tageszeitung vom 13. Oktober 2021, https://taz.de/Angriff-vor-Querdenkerdemo-in-Stuttgart/!5807787/ (abgerufen am 12. November 2021).
8  Der Spiegel vom 4. September 2021, S. 62-63.
9  Vgl. ebd.
10  Vgl. ebd.
11  Vgl. mit kritischem Blick aus „Antifaperspektive“ „Wie man sich eine neue RAF bastelt, WOZ, die Wochenzeitung vom 2. September 2021.
12  Rote Fahne News vom 12. November 2020.
13  Henrik Merker: Steinwürfe, brennende Barrikaden und eine Drohung, in: Die Zeit vom 18. September 2021, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-09/leipzig-demonstration-linx-linke-szene-connewitz (abgerufen am 13. November 2021).
14  Vgl. Klaus Schroeder/Monika Deutz Schroeder: Der Kampf ist nicht zu Ende. Geschichte und Aktualität linker Gewalt, Freiburg i. Brsg. 2019, Zentralen für politische Bildung, S. 208.
15  Bz Berlin vom 14. September 2021.
16  Tom Mannewitz/Tom Thieme: Gegen das System. Linker Extremismus in Deutschland, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2020, S. 58.
17  Zitiert nach Deutschlandfunk Kultur vom 3. Dezember 2018, „Eine große Denunzianten-Aktion“, https://www.deutschlandfunkkultur.de/zentrum-fuer-politische-schoenheit-entlarvt-rechtsextreme-100.html (abgerufen am 5. November 2021).
18  „Töten wir die Schweine“: Linksextreme veröffentlichen Mordaufruf gegen AfD-Politiker,
Focus online vom 1. Oktober 2021, https://www.focus.de/politik/deutschland/focus-exklusiv-toeten-wir-die-schweine-linksextreme-veroeffentlichen-mordaufruf-gegen-afd-politiker_id_24294927.html (abgerufen am 10. November 2021).
19  So Tom Mannewitz/Tom Thieme: Gegen das System. Linker Extremismus in Deutschland, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2020, S. 147.
20  Vgl. die offizielle Website des Films https://undmorgendieganzewelt-film.de/ (abgerufen am 14. November 2021).
21  In beiden Fällen verschwimmen offenbar die Grenzen zwischen Wahn und islamistischen Terror.
22  Zit. nach „Radikalisierung bei Fridays für Future“, in: Die Welt vom 11. November 2021.

 

Hochwasser in der Stadt
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Katastrophenschutz braucht dringend ein Update

Zur Bewältigung von Katastrophen wie nach dem Starkregen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen müssen die organisatorischen Strukturen in Deutschland künftig deutlich modifiziert werden. Auch muss das Führungssystem und dessen Ausstattung aktualisiert und internationalen Standards angepasst werden.

Das sind zwei der ersten Ergebnisse der mehr als 60-köpfigen Expertenkommission „Starkregen“, die von der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Feuerwehrverband (DFV) mit der Aufarbeitung des Gesamteinsatzes im Sommer beauftragt wurde. Der Expertenkommission gehören neben Angehörigen von Feuerwehren, Technischem Hilfswerk, Bundeswehr, Polizei, Behörden und Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz und den Johannitern auch Wissenschaftler verschiedener Hochschulen an. In einer ersten Zusammenfassung haben die Kommissionsmitglieder 15 wichtige Punkte als Erkenntnisse aus dem Einsatzverlauf aufgelistet.

„Die Problematik zieht sich, wie die ersten Untersuchungen ergeben, quer durch alle Organisationen und über alle administrativen Ebenen hinweg“, sagt Dr. Ulrich Cimolino, Vorsitzender der Kommission und Branddirektor in Düsseldorf. „Eine detaillierte Umfrage unter allen Einsatzkräften gibt uns schon jetzt erste wertvolle Erkenntnisse.“ Fast 2.500 Helferinnen und Helfer haben an der Erhebung teilgenommen, mit deren Hilfe Schwachstellen analysiert und Verbesserungspotenzial identifiziert werden soll. „Eine weitere wichtige Erkenntnis: 90 Prozent der Einsatzkräfte kommen aus dem Ehrenamt“, berichtet Cimolino. „Obwohl Ausmaß und Komplexität solcher Lage nicht zum ersten Mal aufgetreten sind, waren es für die einzelnen Einsatzkräfte meistens unbekannte Ereignisse, die sie nur sehr selten – oder nie – erleben“, so Cimolino weiter. „Auch deshalb sind solche Ereignisse auch nur selten Gegenstand von Einsatzplanung und Ausbildung. Das aber hat sich jetzt als Fehler erwiesen.“

Laut Umfrage der Expertenkommission hatten rund zwei Drittel der Einsatzkräfte eine derartige Großschadenslage noch nie erlebt. Wer jedoch schon Erfahrungen mit ähnlichen Katastrophen hatte, bemängelte in der Befragung, dass es seit dem letzten Ereignis für die Einsatzkräfte keine durchgängige Verbesserung der Schwachstellen gegeben habe. Als vermutete Gründe wurden mangelnde Mittel und mangelndes Interesse der Politik angegeben. „Das Interesse ist nur temporär vorhanden und nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung verschwunden“, lautete ein Argument.

Schlechte Noten bekamen bei den Einsatzkräften auch die Kommunikationsmittel und -möglichkeiten. Eine eher negative Rolle spielte dabei auch das oft nach kurzer Zeit und dann mitunter für viele Stunden oder mehrere Tage ausgefallene Digitalfunknetz der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Ebenso wurden eine mangelnde Geländegängigkeit mit nicht ausreichender Wasser-Durchfahrtsfähigkeit sowie teils unzureichende Motorisierung von Einsatzfahrzeugen auch des Katastrophenschutzes bemängelt. Dazu kommen immer mehr Probleme mit fehlender Wartungsfreundlichkeit und mangelnder Robustheit insbesondere moderner Fahrgestelle. Kritik gibt es auch am Einsatz der Hubschrauber. Dabei geht es unter anderem um die Verfügbarkeit, Leistungs- und Multirollenfähigkeit. Sowohl bei den Hubschraubern als auch bei den im Schnitt gut bewährten Drohnen müsse es nach Einschätzung der Aktiven Verbesserungen geben.

Neben den zahlreichen Schwachstellen bei dem Einsatz werden aber auch positive Aspekte genannt. Dazu gehört unter anderem die unkomplizierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Hilfsorganisationen und vor allem mit den vielen privaten Helfern und Anwohnern. Allerdings müsse die Einbindung privater Helfer und Firmen noch deutlich optimiert werden.

„Wir werden die Ergebnisse und Erfahrungen in den kommenden Wochen und Monaten sorgfältig auswerten und die detaillierten Ergebnisse im kommenden Jahr präsentieren“, sagt vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner. „Deutlich wird schon jetzt, dass viele Erkenntnisse nicht neu sind. Die Lehren der Vergangenheit wurden nur nicht oder zu wenig umgesetzt.“ Für ein echtes „Lessons Learnt“ gelte es, tragfähige Strukturen zu bilden und zu leben“, so Aschenbrenner. DFV-Präsident Karl-Heinz Banse sieht in der Arbeit der Expertenkommission eine wertvolle Unterstützung und Entscheidungsgrundlage auch für Entscheidungen in der Politik. „Wir haben die Fachleute in unseren Reihen, wir haben das Know-how – leider fehlt neben den technischen Mitteln häufig auch die politische Unterstützung. Sie darf nicht immer erst kommen, wenn etwas passiert ist“, so Banse.

Erste Ergebnisse aus der Befragung von Einsatzkräften

Fast 2.500 Einsatzkräfte haben die rund 60 Fragen zu ihren Erfahrungen, Problemen und Verbesserungsvorschlägen im Zusammenhang mit der Starkregenkatastrophe beantwortet. Die Auswertung zeigt, dass viele Erfahrungen nicht neu sind – die Lehren und Erkenntnisse wurden nur nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Die ausführlichen Ergebnisse werden zur Jahresfachtagung der vfdb in Würzburg im Mai und zur INTERSCHUTZ/29. Deutscher Feuerwehrtag in Hannover im Juni 2022 erwartet. Für die zweite Jahreshälfte 2022 ist außerdem ein Buch zum Umgang mit dynamischen Schadenslagen am Beispiel der Starkregenlage aus dem Juli 2021 geplant.

Hier die 15 „Big Points“:

  1. 90 Prozent der Einsatzkräfte kamen aus dem Ehrenamt Das unterstreicht die Bedeutung ehrenamtlicher Strukturen für eine schnelle, flächendeckende und tief reichende Gefahrenabwehr in Deutschland und stellt die Bedeutung der Ehrenamtsförderung deutlich heraus.
  2. Das Führungssystem und die Führungsausstattung (insbesondere oberhalb der Ebene „Zug“) im operativen Bereich sind zu aktualisieren und internationalen Standards anzupassen.
  3. Ein Führungssystem im administrativen Bereich ist bis auf die Gemeindeebene zu etablieren (vgl. Nordrhein-Westfalen).
  4. Führung verlangt auf allen Ebenen ausreichend viel gut ausgebildetes und trainiertes Personal (auch im Hinblick auf Schichtfähigkeit).
  5. Die Einbindung und Steuerung von Spontanhelfern als auch privater Ressourcen ist zu realisieren und im Vorfeld zu planen und zu üben.
  6. Die technische Kommunikation ist zu härten und es sind Redundanzen zu schaffen. Sie ist dem Kommunikationsbedarf in Quantität (z.B. Datenvolumen) und Qualität (z.B. Messengerdienste) anzupassen.
  7. Die Medienarbeit ist – insbesondere für Feuerwehren und Hilfsorganisationen – zu optimieren.
  8. Die Fahrzeug- und Gerätetechnik ist zu erwartenden Schadenslagen (Überflutungen aber auch Waldbrand etc.) anzupassen, insbesondere in puncto:
    - Bessere Robustheit
    - Bessere Geländegängigkeit, -fähigkeit sowie Wat- bzw. Wasserdurchfahrtsfähigkeit
    - Bessere und mehr Boote und Wasserrettungskomponenten
    - Schmutzwasserpumpen
    - Geeignetere und mehr Persönliche Schutzausrüstung, etc.
  9. Die Versorgungs- und Durchhaltefähigkeit ist zu stärken, und die Konzepte zur Etablierung entsprechender Strukturen im Einsatzraum sind anzupassen.
  10. Der Einsatz von Luftfahrzeugen (inkl. Drohnen) ist einheitlich zu regeln und auszubilden. Es sind leistungsfähige Zivilschutzhubschrauber in ausreichender Anzahl zu beschaffen und vorzuhalten. Die Kostenfrage ist aufgrund häufig organisations- und bundeslandübergreifender Einsätze einheitlich zu klären.
  11. Die Ausbildung in der Abwehr dynamischer Lagen ist insbesondere für Führungskräfte zu verbessern. Einsatzkräfte sind intensiver auf spezifische Lagen (Wassergefahren, Waldbrand etc.) zu trainieren.
  12. Der Umgang mit Spenden muss konzeptionell geregelt und frühzeitig kommuniziert werden
  13. Die Brandschutz-/Rettungsdienstbedarfsplanung ist auf eine allgemeine Gefahrenabwehrbedarfsplanung zu erweitern.
  14. Tragfähige Strukturen für ein echtes „Lessons Learnt“ sind zu bilden und zu leben.
  15. Erkannte Forschungs- und Innovationsbedarfe sind in zukünftigen Förderprogrammen zu berücksichtigen.

-PM vfdb-

 

Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS), 1987
© Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F075997-0011 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5471620

Nichts ist beständiger als der Wandel – 70 Jahre Bundespolizei

Schilys Verdienst

Von Bernd Walter, Präsident eines Grenzschutzpräsidiums a.D.

Die Bundespolizei, im Jahre 1951 mit 10.000 Mann als Bundesgrenzschutz gegründet, hat heute eine Sollstärke von 51. 441 Bediensteten, der Frauenanteil beträgt 12.485 Polizistinnen. Sie ist damit die personalstärkste Polizei der Bundesrepublik und zugleich die personell zweitstärkste Verwaltungsorganisation des Bundes. Für die Jahre 2023 und 2024 sind je 1.000 weitere Stellen vorgesehen.

Kaum über eine andere Polizeiorganisation sind derart kontroverse rechtliche und politische Diskussionen geführt worden wie über diese Bundesexekutive, wobei die Argumentation meistens durch ein fachlich wenig fundiertes Geflecht von Behauptungen, Unterstellungen, Vorurteilen und beliebig austauschbaren Verallgemeinerungen bestimmt wurde. Unterstützt wurde der Prozess durch die Tatsache, dass die Führungsverantwortlichen der Organisation wenig oder gar nichts zur Aufklärung über ihre Biografie und ihre beeindruckende Leistungsbilanz beigetragen haben. Selbst bei den Reden und Veröffentlichungen anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens des BGS Jahre 2001 konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich in dieser Organisation zwischen dem organisatorischen Urknall im Jahre 1951 und den Reformbemühungen der späten neunziger Jahre wenig oder gar nichts ereignet hat, was dem Chronisten der Erwähnung wert war. Diese grobe Folie wird in keiner Weise einer Polizeieinrichtung gerecht, die wie keine andere untrennbar mit der Entwicklung im Nachkriegsdeutschland verbunden war und ist.

Viele Jahre hatte es gedauert, bis sich der Bundesgrenzschutz das nennen durfte, was er nach den Intentionen der Sicherheitspolitik der Gründerjahre immer sein sollte: Bundespolizei. Erst in seiner 172. Sitzung am 21. April 2005 nahm der Deutsche Bundestag aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei mit überwältigender Mehrheit an. Dass es überhaupt zu diesem politischen Kraftakt kam, verdanken die Bediensteten dem Durchsetzungswillen des damaligen Bundesinnenministers Schily, der sich souverän über die Bedenken der eigenen Ministerialen hinwegsetzte, die mangels Rückgrat und um die Länder nicht zu verärgern, selbst dann noch von einer Sonderpolizei mit beschränktem Aufgabengebiet räsonierten, als der Bundesgrenzschutz schon längst auf allen polizeilichen Hochzeiten tanzte und als erste deutsche Polizeiorganisation überhaupt zu polizeilichen Auslandsmissionen der UN eingesetzt wurde. Dass sich in den Medien und in der Öffentlichkeit die neue Organisationsbezeichnung nahezu als Selbstverständlichkeit durchgesetzt hat, spricht für sich.

Dass die FDP und die „Kollegin Pau“ gegen die Umbenennung stimmten und die Gründe für ihre Ablehnung auch nach mehrmaliger Anfrage schuldig blieben und überdies zahlreiche Unions-Länder bis zum Schluss und mit zum Teil befremdlichen Argumenten Vorbehalte anmeldeten und erst in letzter Minute auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichteten, waren bedauerliche Indizien für die befremdliche Tatsache, dass in Fragen der inneren Sicherheit ab Anbeginn in vielen Fällen Sachverstand hinter Ideologie der zweite Sieger blieb.

Von der Last der Geschichte

Die Gründung des Bundesgrenzschutzes als Ziehvater der derzeitigen Bundespolizei ist nur aus der Historie unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erklärbar. Die weitgehend vom damaligen Bundeskanzler Adenauer bestimmte Sicherheitsdiskussion in den Jahren ab 1948 war zunächst weniger von den Überlegungen zur Wiederbewaffnung als vielmehr von dem Wunsch nach Etablierung zentraler Polizeiverbände als Äquivalent zu den zentral gelenkten bewaffneten Organen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands und als Kompensation zur heillos diversifizierten Polizeilandschaft als Folge der Besatzungspolitik in Deutschland zu verstehen. Allerdings fehlten aus vielen Gründen jegliche Voraussetzungen für die Bildung einer zentralen Bundesexekutive. Derartigen Versuchen stand zunächst das Misstrauen der Militärgouverneure entgegen, die mit obsessiver Akribie darüber wachten, dass jeden Versuch der Zentralisierung von Polizeigewalt bereits in der Wurzel erstickt und dem 1951 eingerichteten BGS sämtliche schweren Waffen vorenthalten wurden. Weder bei den Alliierten noch bei der starken Opposition und den Gewerkschaften gab es in der frühen Nachkriegszeit eine erkennbare Bereitschaft, zentrale Polizeieinrichtungen oder gar einen Streitkräftevorläufer zu dulden. So sehr wirkte die Furcht vor dem Erbe des deutschen Militarismus fort. Besonders ausgeprägt war der Widerstand der Bundesländer gegen zentrale Polizeieinheiten des Bundes.

Da Polizeigeschichte in Deutschland von jeher nur im Halbschatten des wissenschaftlichen Interesses stand und die vorliegenden Dokumentationen sich überwiegend mit länder- oder organisationsspezifischen Elementen der deutschen Polizeien beschäftigen, werden grundlegende Entwicklungslinien aus der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nur eher beiläufig erwähnt. So verfestigte sich über die Jahre hinweg der Eindruck, dass Polizei in ihrer Gesamtheit -so wie in der Weimarer Republik- ausschließliche Ländersache sein sollte. Dabei werden wesentliche Initiativen aus der Frühgeschichte des Grundgesetzes unterschlagen. In der großen Polizei-Debatte des Deutschen Bundestages am 7. November 1950 brachte die SPD einen Antrag auf Grundgesetzänderung ein, mit der grundsätzliche Fragen der Polizeivollzugsbeamten wie Ausrüstung, Bewaffnung, Besoldung u.Ä. Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis werden sollten. Weiterhin sollten die Länder verpflichtet werden, ein Zehntel der Polizeivollzugsbeamten zur Verfügung des Bundes zu halten. Die FDP brachte gar einen Antrag ein, dem Bund das Recht auf Aufstellung einer eigenen Bereitschaftspolizei einzuräumen. Alle Anträge fanden nicht die erforderliche Mehrheit und alle Vorhaben scheiterten am Einspruch der CSU, die mit einem Verlassen der Regierungskoalition für den Fall einer Verwirklichung dieser Idee drohte, weil sie wieder einmal die Grundfesten des Föderalismus erschüttert sah. Ähnliche Bemühungen im ersten Kabinett Adenauer hatten das gleiche Schicksal.

Musikkorps des Bundesgrenzschutzes (BGS), 1961
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Die Entstehung des BGS ist eng mit der Entstehung des Grundgesetzes verknüpft. Im Fesselgriff der Vorbehalte der Alliierten und handfester föderaler Länderinteressen wurden die Polizeiangelegenheiten im engeren Sinne unkommentiert den Ländern übertragen und der Bund weitgehend sicherheitspolitisch amputiert. Auf der New Yorker Konferenz Mitte September 1950 sprachen sich die westlichen Außenminister gegen eine Bundespolizei, aber für bewegliche Länderreserven in Stärke von 30 000 Mann aus. Allerdings hatten die Alliierten bereits im Polizeibrief vom 14.4.1949 an den Präsidenten des Parlamentarischen Rates festgelegt, dass es der Bundesregierung gestattet wurde, unverzüglich Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen und Bundespolizeibehörden auf folgenden Gebieten zu errichten:

  1. Überwachung des Personen- und Güterverkehrs bei der Überschreitung der Bundesgrenzen;
  2. Sammlung und Verbreitung von polizeilichen Auskünften und Statistiken;
  3. Koordinierung bei der Untersuchung von Verletzungen der Bundesgesetze und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen hinsichtlich der Rauschgiftkontrolle, des internationalen Reiseverkehrs und von Staatsverträgen über Verbrechensverfolgung.

Als weitsichtige Bundespolitiker verschiedener Parteien durchaus Sympathie für eine Bundesexekutive signalisierten, galt es nun einen Formelkompromiss zu finden, bei dem weniger der Inhalt, mehr jedoch der Name entscheidend war, um eingefleischte Föderalisten nicht von vornherein zu verschrecken. Die Idee, nach Art. 87 GG Bundesgrenzschutzbehörden einzurichten, nahm Gestalt an, zumal dies durch einfaches Bundesgesetz ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgen konnte, wohingegen Verfassungsänderungen bei der bekannten rigiden Haltung der Länder illusorisch waren. Es war wohl der FDP-Abgeordnete Becker, der in der bereits erwähnten Bundestagsdebatte über Polizeifragen die Initialzündung zu diesem Kunstgriff gab, indem er kurzerhand konstatierte, er könne sich vorstellen, dass eine Bundesgrenzpolizei „bereits die Grundlage einer selbstständigen Bundespolizei selbst” sein könnte.

Nach Art. 73 Nr. 5 GG steht dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz zu; nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG können durch Bundesgesetz Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet werden. Nachdem die mehrmaligen Versuche des Bundes, eine eigene Bundesbereitschaftspolizei zu gründen, am Einspruch der Alliierten, aber auch einzelner Bundesländer scheiterten, machte der Bund von diesen Kompetenzen Gebrauch und richtete mit dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden vom 16.3.1951 einen Bundesgrenzschutz in Stärke von zunächst 10 000 Mann ein. Er war überwiegend verbandspolizeilich organisiert und an den Ostgrenzen, aber auch im Landesinneren, jedoch nicht in der französischen Zone disloziert. Integraler Bestandteil war der Seegrenzschutzverband, ferner der Bundespasskontrolldienst, da die Alliierten eine zentrale Passkontrolle für ihren Bereich forderten.

Entgegen späterer immer wieder kolportierter und nicht belegter Behauptungen wurde der BGS jedoch zu diesem Zeitpunkt weder als vorgezogener Verteidigungsbeitrag noch als Streitkräftesurrogat geschaffen. Weder hatte er zu diesem Zeitpunkt schwere Waffen noch den Kombattantenstatus und seine Gliederung und Ausstattung waren weitgehend identisch mit den gleichzeitig aufgestellten Bereitschaftspolizeien der Länder. Nach dem Willen des damaligen Personalreferenten wurden überwiegend Führungskräfte rekrutiert, die Polizeierfahrung besaßen. Bereits wenige Monate nach Gründung des BGS im Jahre 1951 sah sich der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium Dr. von Lex zu folgender Feststellung genötigt: " Obwohl sich aus dem Wortlaut des Bundesgrenzschutzgesetzes eindeutig ergibt, dass es sich beim Bundesgrenzschutz um eine polizeiliche Einrichtung handelt, wird mir aus Kreisen der Öffentlichkeit, insbesondere des Parlaments, immer wieder vorgehalten, dass der Bundesgrenzschutz auch nach Auffassung seiner Angehörigen der Vorläufer militärischer Verbände sei. Ich ersuche, sämtliche Angehörige des Bundesgrenzschutzes anhand des Bundesgrenzschutzgesetzes erneut nachdrücklich darüber zu belehren, dass der Bundesgrenzschutz jetzt und in Zukunft ausschließlich polizeiliche Aufgaben hat." Die Fakten hinderten jedoch die Gewerkschaft der Polizei nicht, jahrelang einen ideologischen Feldzug gegen den BGS zu führen, abwechselnd seine Auflösung oder Überführung in die Länderpolizeien zu fordern oder mit unsinnigen Rechtsbetrachtungen dem BGS den Status einer Polizei abzusprechen. Diese Haltung änderte sich erst, als die Beamten des BGS als zahlungskräftiges Potenzial zur Erhöhung des Mitgliederbestandes entdeckt wurden.

Innerdeutsche Grenze Ende der 1970er Jahre im Bereich nördlicher Harz.
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Aufgrund der zunehmend angespannten Lage an der Zonengrenze zur sowjetischen Besatzungszone und unter Eindruck des Volksaufstandes vom 17.6.1953 in der DDR fasste der Deutsche Bundestag 1953 mit der Mehrheit seiner Mitglieder den von der Bundesregierung in langwierigen Verhandlungen vorbereiteten Beschluss, die Stärke des BGS auf 20 000 Mann zu erhöhen. Nach den ersten fünf Jahren im Dienste der anspruchsvollen Gewährleistung von Grenzsicherheit angesichts der sich immer aggressiver gebärdenden Sicherheitsorgane jenseits der Grenze wurde der BGS dann aber ein Spielball der bundesdeutschen Sicherheitspolitik. Im Jahre 1956 wurde er im Zuge der Wiederbewaffnung in Ermangelung anderer personellen Ressourcen kurzerhand zum Aufbau der Bundeswehr herangezogen, weil die Bundesrepublik ihre ursprünglichen personellen Zusagen an die NATO nicht einhalten konnte, und seine Weiterexistenz zur Disposition gestellt. Mit dem Zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz vom 30.5.1956 erfolgte die Umsetzung, den Beamten wurde lediglich die Option eingeräumt, BGS-Beamter zu verbleiben. Rund die Hälfte des Personalbestandes machte von diesem Angebot aus Karrieregründen nicht Gebrauch und wurde kraft Gesetzes Soldat. Der Seegrenzschutzverband wurde in seiner Gesamtheit in die neugeschaffene Bundeswehr übergeführt. Dass die Blutspende des BGS, ohne die die Bundeswehr ihrem Auftrag in der Gründungsphase hätte gar nicht gerecht werden können, in der Traditionspflege der Bundeswehr heute so gut wie keine Rolle spielt, zeugt erneut von der Geschichtsvergessenheit der Streitkräfte.

Auch mit dem verbliebenen Personal sorgte der BGS jahrelang dafür, dass es an der sensiblen Grenze zwischen den bipolaren Machtblöcken zu keinen ernsthaften Zwischenfällen kam und erwarb sich insbesondere bei der Grenzbevölkerung den Ruf einer untadeligen, pflichtbewussten und verlässlichen Polizeitruppe. Personell ausgeblutet konnte er jedoch bis in siebziger Jahre seine ursprüngliche Stärke nicht wiederherstellen. Der im Jahre 1965 eigentlich als Schutzmaßnahme eingeführte Kombattantenstatus machte ihn zum Außenseiter in der Polizeilandschaft, denn die Länderpolizeien lehnten entgegen eines geheimen Beschlusses der Innenministerkonferenz eine allgemeine Einführung ab.

Von dem personellen Aderlass beim Aufbau der Bundeswehr 1956 hat sich der BGS bis in siebziger Jahre hinein nicht erholt, zumal sein Laufbahngefüge in Abweichung von den Länderpolizeien noch die einfache Laufbahn aufwies und den meisten Beamten nur eine begrenzte Dienstzeit mit anschließendem Übergang in andere Verwendungen und Berufe angeboten werden konnte, da die Verbände „jung gehalten“ werden sollten. Auch die wenigen Planstellen für Lebzeitbeamte waren nicht sonderlich attraktiv, sodass im Zeitalter des immer mehr prosperierenden Wirtschaftswunders der Drang, den grünen Rock anzuziehen, immer mehr nachließ. Der Kunstgriff des Gesetzgebers, durch Schaffung einer Grenzschutzdienstpflicht die personelle Not zu lindern, erwies sich alsbald als Sackgasse, da man es unterließ, stattdessen eine attraktive Polizeilaufbahn zu schaffen.

Jahre des Wandels

Aufgrund seines wenig attraktiven Planstellenangebotes litt der BGS trotz anhaltender Aufgabenvielfalt bis Ende der siebziger Jahre an einem durchgreifenden Personalmangel. An der Personalmisere änderte auch das Personalstrukturgesetz von 1976 nichts, das zwar den einfachen Dienst abschaffte und die Amtsbezeichnungen an die der Nachkriegspolizeien anpasste, aber gleichwohl den Anschluß an das Planstellengefüge der Länderpolizeien versäumte, von der zweigeteilten Laufbahn ganz zu schweigen.

Unmerklich aber stetig änderte sich unter dem Eindruck der Blutspur der linksterroristischen Baader-Meinhof-Bande Aufgabenwahrnehmung und Stellenwert des BGS in der Sicherheitsarchitektur, in der die Länder zunehmend deutlicher die Bedeutung einer bundespolizeilichen Sicherheitsreserve erkannten. Im "Programm für die innere Sicherheit" von 1974 wurde der BGS als unverzichtbare Polizeireserve festgeschrieben und leitete seine Wandlung von einer rein grenzpolizeilich ausgerichteten Sonderpolizei zu einer Polizei des Bundes ein, deren Aufgabenbereich ständig wuchs

Mit dem BGS-Gesetz vom 18.8.1972 wurde ein zukunftsweisendes modernes Polizeigesetz geschaffen, das den zwischenzeitlich eingetretenen sicherheitspolitischen Gegebenheiten Rechnung trug. Mit der Einführung der Notstandsverfassung im Jahre 1968 und durch das 31. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.7.1972 wurden dem BGS zusätzliche Kompetenzen in unterschiedliche Sachgebiete übertragen. Überdies wurde er ausdrücklich in den Artikeln 35 Abs. 2 und 3, 87 Abs. 1, 91 Abs. 1 und 2 und 115 f Abs. 1 GG genannt.

Das Aufgabentableau wurde immer differenzierter. Als nach der Gründung des BGS 1951 der damalige Bundeskanzler Adenauer ein eigenes Begleitkommando und Schutzkräfte im Raum Bonn verlangte, wurde dem BGS diese Aufgabe übertragen. Als sich zunehmend die Notwendigkeit der einheitlichen Steuerung des deutschen Polizeifunks und der Einrichtung von Funkbeobachtungskräften zur Überwachung des Agentenfunks herauskristallisierte, war abermals der BGS derjenige, der mit einer zusätzlichen Aufgabe bedacht wurde. Unter gleichen Vorzeichen entstand der Hubschrauberflugdienst. Als die Länder Unterstützungskräfte beim Katastropheneinsatz benötigten, war der BGS als besonderer Beweis von Bundestreue selbstverständlich zur Dienstleistung bereit.

Tower und Hangars mit Helikoptern der Bundespolizei-Fliegergruppe auf dem Flugplatz Bonn/Hangelar in Sankt Augustin-Hangelar, 2009
© Von Sir James - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7634021

Ähnlich selbstverständlich wurden Kräfte zum Auswärtiges Amt, zum Bundeskriminalamt und zur Deutsche Lufthansa abgestellt, als diesen Einrichtungen Sicherheitskräfte fehlten oder eigenes Vollzugspersonal gar nicht vorhanden war. Der Flugdienst im BGS entwickelte einen weltweit anerkannten Rettungsdienst, die Begehrlichkeit des Bundeskriminalamtes, sich durch Personal des BGS zu erweitern, wuchs ständig. Nahezu bei allen großen Naturkatastrophen waren BGS-Beamte unter den ersten Einsatzkräften. Aber auch in anderen Bereichen leistete der BGS Pionierarbeit. Lange vor den quälenden verfassungsrechtlichen Diskussionen um den Auslandseinsatz der Bundeswehr und vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 über die Möglichkeiten von Einsätzen der Bundeswehr im Rahmen von Systemen der kollektiven Sicherheit war der BGS bereits im Ausland tätig. War der Einsatz der GSG 9 zur Geiselbefreiung in Mogadischu im Jahre 1977 noch ein singulärer Akt klassischer Staatsnotwehr, wurde der BGS mit Kabinettsbeschluss vom 13. September 1989 am 14.9.1989 mit 50 Beamten für fast zwei Jahre nach Namibia zusammen mit 600 Polizisten aus 21 weiteren Staaten entsandt, um beim Übergang des Landes zur Unabhängigkeit eingesetzt werden. Damit waren die BGS-Beamten die ersten deutschen Uniformierten, die das blaue Barett der UN im Ausland trugen. In schneller Reihenfolge folgten Einsätze in Kambodscha, in der Westsahara und auf dem Balkan. Bei einer Organisation mit einem derartigen Belastungsprofil war es dann nahezu zwangsläufig, dass ihr nach dem Desaster anlässlich der Olympischen Spiele in München 1972 die Aufgabe zufiel, unverzüglich einen Sonderverband zur Bekämpfung terroristischer Gewalttäter aufzustellen: die Geburtsstunde der GSG 9.

Zeitenwende

Als die Einheit Deutschlands herauf dämmerte, sah sich der BGS mit der Tatsache konfrontiert, dass sein Kernauftrag an einer ideologisch verfassten Trennungslinie durch einen Wimpernschlag der Geschichte auf dem Müllhaufen der sich überstürzenden Ereignisse landete. Die Folgen waren paradox. Der BGS, dessen Schicksal so eng mit der innerdeutschen Grenze verknüpft schien, wurde nunmehr mit Herausforderungen ganz anderer Art konfrontiert. Durch die Eingliederung des vormaligen Grenzschutzes der DDR nach einer Maßgabevorschrift des Einigungsvertrages wuchs er personell von 20 000 auf 30 000 Bedienstete, andererseits vermehrten sich seine Aufgaben quantitativ und qualitativ überproportional. Zum einen entfielen die alliierten Vorbehaltsrechte in Berlin und die Hauptstadt wurde ein Bundesland wie jedes andere auch. Zum anderen übernahm der BGS als Rechtsfolge aus dem Einigungsvertrag im Beitrittsgebiet neben seinen sonstigen Aufgaben die bahnpolizeilichen Aufgaben und die Aufgaben zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, ab 1992 dann im gesamten Bundesgebiet. Die Unterstützungsanforderungen, insbesondere der Polizeien den neuen Bundesländern, stiegen drastisch.

Die Übernahme der Luftsicherheits- und Bahnpolizeiaufgaben in der gesamten Bundesrepublik wurden im Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz vom 23.1.1992 festgeschrieben, das nach dem Willen des Gesetzgebers die Bahn finanziell entlasten und die Stärkung der Inneren Sicherheit bewirken sollte. Ferner sollte der Bundesgrenzschutz einen weiteren einzeldienstlichen Verwendungszweig bekommen, wovon man sich positive Auswirkungen auf das Berufsbild und die Nachwuchswerbung versprach.

Die meisten Bundesländer gaben sich aus pragmatischen und vordergründigen finanziellen Erwägungen mit dieser Entwicklung zufrieden, lediglich Nordrhein-Westfalen erhob Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht und unterlag. Das Gericht stellte die Verfassungskonformität des Gesetzes fest und billigte dem Bundesgesetzgeber zu, dem BGS über die verfassungsrechtlich geregelten Aufgaben hinaus weitere Verwaltungsaufgaben zuzuweisen, sofern er sich auf eine Kompetenz des Grundgesetzes stützen kann, schrieb dem Bund aber auch ins Stammbuch, dass der BGS nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden und damit sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren darf. Wer sich allerdings die heutige Aufgabenfülle und Verwendungsbreite der Bundespolizei betrachtet, dürfte schwerlich den Eindruck gewinnen, dass es sich um eine Polizei mit „begrenzten Aufgaben“ handelt. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Streifenwagen der Bundespolizei am Bahnhof Berlin Südkreuz.
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Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz vom 19. Oktober 1994 wurden alle zwischenzeitlichen und neu hinzugekommenen Aufgaben und Verwendungen des BGS festgeschrieben. Hauptaufgaben der nunmehrigen Bundespolizei sind der Grenzschutz (§ 2 BPolG), bahnpolizeiliche Aufgaben (§ 3 BPolG), Luftsicherheitsaufgaben (§§ 4, 4a BPolG), Schutz von Bundesorganen (§ 5 BPolG), Aufgaben auf See (§ 6 BPolG), Aufgaben im Notstands- und Verteidigungsfall (§ 7 BPolG), Verwendung im Ausland (§ 8 BPolG), Verwendung zur Unterstützung anderer Bundesbehörden (§ 9 BPolG), Verwendung zur Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik (§ 10 BPolG) und Verwendung zur Unterstützung der Bundesländer (§ 11 BPolG). Für Spezialaufgaben sind die Bundespolizei GSG 9 und der Bundespolizei-Flugdienst vorgesehen. Daneben ist die Bundespolizei in ein dichtes Netz von Sicherheitskooperationen zwischen Länderpolizeien und Bundespolizei eingebunden und hat eine Ordnungspartnerschaft mit der Deutschen Bahn AG eingerichtet. Daneben wirkt die Bundespolizei in den so genannten Gemeinsamen Zentren, in Kontakt- und Überstellungsdienststellen an den Binnengrenzen und zahlreichen internationalen Projekten mit und unterhält ein dichtes Netz an grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten.

Da dem Bürger angesichts der auf Flughäfen, in Ministerien, im Ausland und auf Bahnhöfen und bei allen länderübergreifenden Großeinsätzen eingesetzten BGS-Beamten nicht mehr klar zu machen war, dass es sich hierbei im Ursprung um Grenzbeamte handelte, wurde der Bundesgrenzschutz 2005 in Bundespolizei umbenannt. Das Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21.6.2005 änderte das bisherige Bundesgrenzschutzgesetz sowie eine Vielzahl weiterer Rechtsvorschriften. Nur das Grundgesetz spricht weiter vom Bundesgrenzschutz. Materiell-rechtliche Veränderungen waren mit diesem Gesetz nicht verbunden.

Die letzte Aufgabenerweiterung erfolgte durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9.1.2002 , durch den § 4 a in das BPolG eingefügt wurde, Er ermöglicht den Einsatz der Bundespolizei als Flugsicherheitsbegleiter (Sky oder Air Marshal), um terroristisch Angriffe auf und in deutschen Flugzeugen abzuwehren.

Der Weg in die Moderne

Nach der Millenniumswende wurde die Bundespolizei mehrfach reformiert. Am 1. März 2008 trat das Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetzen in Kraft. Vor dieser Neuorganisation war die Bundespolizei in fünf Bundespolizeipräsidien gegliedert, denen 19 Bundepolizeiämter, 11 Bundespolizeiabteilungen, 5 Bundespolizeiaus- und –fortbildungszentren sowie 5 Bundespolizeifliegerstaffeln nachgeordnet waren. Der Inspekteur des BGS war als Unterabteilungsleiter in die Hierarchie des Bundesinnenministeriums eingebunden und entfaltete daher auch kaum Außenwirkung. In den Bundespolizeipräsidien wurden die Aufgaben der Grenzpolizei, der Bahnpolizei, die Luftsicherheitsaufgaben sowie die Verwaltungsaufgaben integrativ wahrgenommen.

Die veränderte Sicherheitslage und die ständige Erweiterung der Aufgabenstellung hatten letztlich eine Neuorganisation der Einrichtung zur Folge, in der die Polizeiverbände drastisch reduziert und die Ämter des Einzeldienstes ausgebaut wurden. Die Funktionen der ehemaligen fünf regionalen Bundespolizeipräsidien und andere Aufgabenanteile wurden in einem Bundespolizeipräsidium als Oberbehörde zusammengefasst, das seinen Sitz in Potsdam hat und durch einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten geführt wird. Dem Präsidenten unterstehen alle Organisationsteile der Bundespolizei, über die er die Dienst- und Fachaufsicht ausübt. Die Organisation umfasst aktuell neben dem Bundespolizeipräsidium 11 Bundespolizeidirektionen, 10 Bundespolizeiabteilungen, die Bundespolizeiakademie, 6 Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentren, ein Bundespolizeitrainingszentrum, zwei Bundespolizeisportschulen, die Bundespolizei See, acht Regionale Bereichswerkstätten, drei Bundespolizeiorchester, eine Reiterstaffel und zwei Diensthundeschulen. Nachgeordnet, aber ausgelagert sind ferner die bundespolizeilichen Anteile des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums illegale Migration (GASIM), des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) und der für die grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingerichteten Gemeinsamen Zentren.

Die gesetzlichen Aufgaben der Bundespolizei im Bereich der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung werden nunmehr von neun regionalen Bundespolizeidirektionen als Unterbehörden mit Sitz in Bad Bramstedt, Berlin, Hannover, Pirna, Sankt Augustin, Koblenz, Flughafen Frankfurt/Main, Stuttgart und München wahrgenommen, deren Zuständigkeitsbereich sich grundsätzlich an den Grenzen der jeweiligen Bundesländer orientieren. Die Bundespolizeidirektionen verfügen über eine Personalstärke zwischen 2000 und 3000 Polizeivollzugsbeamten. Ihnen unterstehen jeweils eine Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung und eine Mobile Kontroll- und Überwachungseinheit zur Bewältigung besonderer temporärer Einsatzlagen. Den Bundespolizeidirektionen sind 73 Bundespolizeiinspektionen (Personalstärke 200 bis 300 Polizeivollzugsbeamte) und 143 Bundespolizeireviere nachgeordnet. Für die Aufgaben der Bundespolizei auf See wurde in der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt ein Direktionsbereich Bundespolizei See eingerichtet. Eine Sonderrolle bildet die zwischenzeitlich eingerichtete Bundespolizeidirektion 11, der die GSG 9 der Bundespolizei, die Bundespolizei-Fliegergruppe. die Polizeilichen Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei, die Besonderen Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei und die Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei unterstehen.

BP 24 Bad Bramstedt
© Von Ra Boe - selbst fotografiert DigiCam SP-550 UZ, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3678274

Die ehedem dezentral den Bundespolizeipräsidien unterstehenden zehn Bundespolizeiabteilungen mit den Standorten Ratzeburg, Uelzen, Blumberg, Bad Düben, Duderstadt, Sankt Augustin, Hünfeld, Bayreuth, Bad Bergzabern und Deggendorf werden nunmehr zentral von der Direktion Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal geführt, die sowohl die Unterstützung im eigenen Bereich als auch für die fremder Bedarfsträger koordiniert. Die Bundespolizeiakademie in Lübeck als weitere Unterbehörde fungiert weiterhin als zentrale Aus- und Fortbildungsstätte und ist dem Bundespolizeipräsidium unmittelbar nachgeordnet. Ihr wurden zusätzlich die bisherigen dezentralen sechs Bundespolizeiaus- und Fortbildungseinrichtungen, das Bundespolizeitrainingszentrum Kührointhaus sowie die Einrichtungen zur Förderung des Spitzensports (Bundespolizeisportschule in Bad Endorf und Bundesspolizeisportschule Kienbaum) unterstellt und die Aufgabe als zentrale Einstellungsbehörde zugewiesen.

Dass nunmehr die Einrichtung einer eigenständigen Oberbehörde als organisatorische Großtat gefeiert wird, beweist erneut, dass nicht beständiger ist als die menschliche Vergesslichkeit. Denn bereits bei der Gründung des BGS im Jahre 1951 wurde ihm die mit guten Gründen geforderte eigene Oberbehörde vorenthalten, da man die Uniformierten nicht aus der zivilen Obhut entlassen wollte.

Besondere Schwierigkeiten erwarten die Bundespolizei bei ihrer ursprünglich namengebenden Hauptaufgabe, dem Grenzschutz. Aufgrund des Wegfalls der Binnengrenzkontrollen in einem zusammenwachsenden Europa müssen neue, innovative Konzepte der grenzpolizeilichen Kontrolle im grenznahen Raum gefunden werden, die überdies mit dem Schengener Grenzkodex in Übereinstimmung stehen müssen. Die nunmehrige grenzpolizeiliche Praxis fordert ein Höchstmaß an taktischer Flexibilität und Kreativität unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten; ferner wird eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partner gefordert. Flankiert wird dieses Konzept durch eine Vorfeldstrategie zur frühzeitigen Verhinderung der irregulären Migration außerhalb der Grenzen Deutschlands in den Herkunft- und Transitländern. Die Bundespolizei entsendet in ausgewählte Staaten Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte (GVB), Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte Ausland (GUA) und so genannte Dokumenten- und Visumberater (DVB). Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte sollen auf strategischer Ebene die internationale Zusammenarbeit mit den jeweiligen Grenzschutzbehörden im Gastland unterstützen und intensivieren. Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte im Ausland unterstützen die Grenzpolizeibehörden in bestimmten Staaten, wie z. B. Griechenland und Italien bei der Wahrnehmung der dortigen nationalen grenzpolizeilichen Aufgaben; sie nehmen keine hoheitlichen Aufgaben wahr, sondern beraten die national zuständigen Behörden in Einzelfällen. Dokumenten- und Visumberater der Bundespolizei sind besonders geschulte und qualifizierte Polizeibeamte, die ge- und verfälschte Dokumente und Unterlagen professionell erkennen. Sie beraten die deutschen Auslandsvertretungen bei der Vergabe von Aufenthaltstiteln für die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland und prüfen in Einzelfällen unter anderem die mit dem Visumantrag eingereichten Unterlagen. DVB beraten neben den Entscheidern des Auswärtigen Amtes auch bestimmte Fluggesellschaften vor dem Abflug nach Deutschland oder in andere europäische Staaten, denn diese unterliegen nach dem Annex 9 des ICAO-Abkommens als Beförderungsunternehmen bestimmten Pflichten und dürfen nur vorschriftsmäßig ausgewiesene Personen befördern. Weiterhin setzt die Bundespolizei Sicherheitspersonal an den deutschen Auslandsvertretungen oder als Personenschutz ein.

Auch die Europäische Grenzschutzagentur Frontex, die 2016 in die Europäische Grenz- und Küstenwache umgewandelt wurde, fordert ihren personellen Tribut Einen echten Mehrwert stellt die Regelung in Artikel 19 der Einrichtungsverordnung dar, wonach als ständige Reserve ein Soforteinsatzpool von 1.500 Grenzschutzbeamten zu bilden ist, der innerhalb von fünf Tagen nach Vereinbarung des Einsatzplans entsandt werden kann. Die Entsendungsdauer wird vom abstellenden Mitgliedsstaat bestimmt. Deutschland wird aus naheliegenden Gründen das zahlenmäßig größte Kontingent stellen: 225 Grenzpolizisten. An zweiter Stelle rangiert Frankeich mit einem Kontingent von 170 Grenzwächtern.

Besondere Bedeutung kommt dem Stellenwert der Bereitschaftspolizeiabteilungen der Bundespolizei im Sicherheitsgefüge zu, die auch in der aktuellen Fortschreibung des Programms Innere Sicherheit 2008/2009 betont wird. Mit der Neuorganisation der Bundespolizei wurde die bisher den einzelnen Mittelbehörden unterstehenden Bundespolizeiabteilungen in der Bundesbereitschaftspolizeidirektion mit Sitz in Fuldatal bei Kassel zusammengefasst. Die Direktion verfügt über rund 6 500 Mitarbeiter, davon haben rund 5 500 den Status von Polizeivollzugsbeamten, wobei die Stärke der Abteilungen zwischen 498 und 924 Bediensteten schwankt. Damit stellt die Bundespolizei rund 25 % des Potenzials der deutschen Bereitschaftspolizeien, die ihrerseits rund 11 Prozent der deutschen Polizeien umfassen. Der Direktion unterstehen 10 Bundespolizeiabteilungen mit 27 Einsatzhundertschaften, 5 Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften, 5 Technische Einsatzhundertschaften mit Wasserwerfer- und Sonderwageneinheit, 2 Auslandseinsatzhundertschaften, 10 Leichte Technische Einsatzeinheiten, 10 Beweissicherungs- und Dokumentationseinheiten sowie 10 Aufklärungseinheiten.

Obwohl die Bundespolizei bereits schon jetzt den Großteil aller Bereitschaftspolizeikräfte in Deutschland stellt, beweisen die Großeinsätze der jüngeren Zeit immer mehr, dass diese Kräfte die Grenzen ihrer personellen Möglichkeiten erreicht haben; so leistete die Bundesbereitschaftspolizei 2020 2. 514 477 Einsatzstunden. Schwerer noch als die Dauerbelastung bei Großeinsätzen wiegt die Tatsache, dass insbesondere linksautonome Gruppierungen immer gewalttätiger werden. In 2.000 Fällen wurden 2020 Bundespolizisten im Einsatz angegriffen. Die zunehmende Gewaltbereitschaft des polizeilichen Gegenübers -pars pro toto stehen hierfür die bürgerkriegsähnlichen Situationen beim G 20-Gipfel in Hamburg- hat zwischenzeitlich dazu geführt, dass die Ausbildung der Bereitschaftspolizisten um das Modul „Verhalten in lebensbedrohlichen Situationen“ erweitert wurde.

Polizisten der Polizeilichen Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei an der Black Griffin 2018, ein internationales Polizeimanöver
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Einen zusätzlichen Weg bei der Herstellung von Chancengleichheit mit gewaltsamen Störergruppen ging die Bundespolizei mit der Aufstellung der Beweissicherung- und Festnahmeeinheit plus. Hierbei handelt es sich um robuste Einheiten mit spezieller Ausrüstung und einer Zusatzausbildung, die für besondere Lagen unterhalb der GSG 9, aber oberhalb des täglichen Wach- und Streifendienstes vorgesehen sind. Die Einsatzoptionen umfassen u.a. den Schutz besonders gefährdeter Infrastruktur, Fahndung nach Terrorverdächtigen, Bergen von Personen aus einem Gefahrenbereich, Unterstützung von Sondereinheiten in Ausnahmelagen sowie bei nicht zeitgerechtem Eintreffen von Spezialkräften, die Durchführung von Notzugriffen. Die neue Einheit ist als Aufrufeinheit konzipiert und ansonsten in den Regeldienst der Bundespolizei eingebunden. Insgesamt wurden fünf BFE plus aufgestellt.

Unverändert ambivalent scheint die Bewertung von polizeilichen Auslandsmissionen zu sein. Wie jede Erfolgsgeschichte hat auch die Auslandsverwendung zwei Sei¬ten. Zum einen stehen Qualifikation und Professionalität der entsandten Bundespolizisten in aller Regel außer Frage. Mancher Beamter des mittleren Polizeivollzugsdienstes hat Ausnahmelagen auf dem Balkan gemeistert, an denen hochmögende Polizisten aus anderen Ländern trotz akademischen Rüstzeugs gescheitert sind. Sie werden zu Recht anerkannt. Auf der anderen Seite sind die letztlich erzielten Erfolge zum Teil, auch wegen fehlender seriöser Evaluierungen, umstritten. Was besagte eine mehrstellige Zahl mit großem Aufwand ausgebildeter Polizisten in Afghanistan, wenn die Mehrzahl von ihnen Analphabeten war, Korruption in afghanischen Polizeidienststellen eine Konstante des täglichen Dienstbetriebes war und die Mehrzahl der Bewerber nach abgeschlossener Ausbildung wegen besserer Verdienstmöglichkeiten bei einem Rauschgiftclan untertauchten oder sich einem Warlord anschlossen? Der Zusammenbruch der afghanischen Sicherheitskräfte beim Ansturm des Taliban im Sommer 2021 haben die Hohlheit des Systems bewiesen.

Viele Verwendungen sind einer breiten Öffentlichkeit gar nicht bekannt. Rund 500 Bundespolizisten gehen in aller Welt ihren vielfältigen Auslandsverwendungen nach. Aber auch in heimischen Gefilden wird den Bundespolizisten eine zusätzliche Aufgabe nach der anderen zugeschanzt. Im Nationalen Lage- und Führungszentrum „Sicherheit im Luftraum” in Uedem/Nordrhein-Westfalen wirken sieben Bundespolizisten des gehobenen Dienstes mit Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums und der Deutschen Flugsicherung beim militärischen und polizeilichen Air Policing zusammen. Das Hauptaugenmerk gilt den so genannten Renegade Fällen, bei denen von Terroristen gekaperte Verkehrsmaschinen als Anschlagsmittel für Terroranschläge genutzt werden sollen. Vorläufige Zwischenetappe des langen Marsches der Bundespolizei durch die weiten Gefilde der Aufgabenerweiterung: der Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern, den mythenumwobenen Air Marshals, die Übernahme der Kontrolle der Luftfracht, die Zertifizierung von privaten Sicherheitsdienstleistern, die künftig ihr Glück bei der Pirateriebekämpfung auf hoher See versuchen wollen, der Schutz der Bundesbank, die Übernahme des Personenschutzes Ausland und die Übernahme des Innenschutzes im Bundeskanzleramt. Die leidige Tatsache, dass zunehmend neue Aufgaben übernommen werden müssen, ohne dass das bisherige Portfolio im Grunde nicht bundespolizeitypischer Verwendungen bereinigt wird, dauert an. Dazu gehört insbesondere die Verwendung von Bundespolizisten als Hilfstruppen für fremde Verwaltungen, die nur allzu gern schon aus Gründen der Bequemlichkeit auf diese dienstbaren Geister zurückgreifen. So wurden im August 2013 kurzerhand über 100 Bundespolizisten zur Beschleunigung von Asylverfahren in das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgeordnet.

Abschließende Bewertung: Gleicher unter Gleichen

Das Bundesverfassungsgericht meinte in dem Normenkontrollverfahren zum Aufgabenübertragungsgesetz feststellen zu müssen, dass die Bundespolizei ihr Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben nicht verlieren dürfe. Es war nicht das erste Mal, dass das hohe Gericht in praktischen Sicherheitsfragen irrte. So wies die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme auf die Aufgabenvielfalt des Bundesgrenzschutzes hin, die Grenzschutz, bahnpolizeiliche Aufgaben, auf 14 Großflughäfen den Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, den Einsatz von Air Marshals, den Schutz von Verfassungsorganen, die Verfolgung von Straftaten und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Mitwirkung an polizeilichen Aufgaben im Ausland, den Schutz deutscher diplomatischer und konsularischer Vertretungen im Ausland und von Auslandsstationen der Deutschen Lufthansa, die Unterstützung des BKA bei Wahrnehmung von Aufgaben des Personenschutzes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik, die Erfüllung von Aufgaben in Nord- und Ostsee einschließlich des Umweltschutzes und die Unterstützung der Polizeien der Länder bei Großeinsätzen sowie Katastrophen und besonderen Unglücksfällen umfasst. Wenn überhaupt die Bundespolizei überhaupt Besonderheiten aufweist, ist es der Umstand, dass sich im Gegensatz zu den Landespolizeien ihr Aufgabenbereich auf das gesamte Bundesgebiet, auf die Hohe See und auf das Ausland erstreckt. Im Bereich des Hubschraubereinsatzes und der Einsatzmittel auf hoher See hat sie ein Alleinstellungsmerkmal. Dies hat auch zu der zutreffenden Einschätzung geführt, dass die Bundespolizei unter dem Aspekt der Vernetzung innerer und äußerer Sicherheitsinstitutionen in Deutschland den höchsten Stellenwert hat und nach Meinung von Fachleuten den Status einer Vollpolizei eingenommen hat.

Noch irritierender war der Hinweis des Bundesverfassungsgerichtes auf eine mögliche Konkurrenz zur Landespolizei. Durch die zunehmende Vernetzung der Sicherheitseinrichtungen als Ausdruck der föderalen Sicherheitskooperation bestehen unter den deutschen Sicherheitskräften keine Neiddiskussionen. Kennzeichnend hierfür ist die Rückstellung partikulärer Interessen zugunsten einer verbesserten Zusammenarbeit von Bund und Ländern und der Länder untereinander zum Wohle des Staatsbürgers. Ungeachtet der grundgesetzlichen strikten Trennung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern hat sich gerade im Sicherheitsrecht unter dem Topos „kooperativer Föderalismus“ eine Fülle von Kooperationsformen unter Einbeziehung privater Sicherheitsdienstleister entwickelt, durch die die im Grundgesetz angelegte partikulären Interessen mit den Erfordernissen des Gemeinwohls ausgeglichen werden sollen. So ist die Bundespolizei in ein dichtes Netz von Sicherheitskooperationen zwischen Länderpolizeien und dem Bund eingebunden und hat eine Ordnungspartnerschaft mit der Deutschen Bahn AG eingerichtet. Ferner wirkt die Bundespolizei in den so genannten Gemeinsamen Zentren, in Kontakt- und Überstellungsdienststellen an den Binnengrenzen und zahlreichen internationalen Projekten mit und unterhält ein dichtes Netz an grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten. Die Zahl der Gremien, in denen die Bundespolizei mitwirkt, sowie das Ensemble gemeinsamer Ermittlungs-, Fahndungs- und Einsatzgruppen ist kaum noch überschaubar.

Auch wenn die Bundespolizei damit zur personalstärksten Polizeiorganisation der Bundesrepublik Deutschland angewachsen ist, ist ihre Rolle aufgrund der verfassungsmäßig vorgegebenen Rahmenbedingungen, durch die die Hauptaufgaben der Polizei überwiegend Länderzuständigkeiten sind, nicht unumstritten. Im Juni 2021 fiel im Bundesrat die Neufassung des Bundespolizeigesetzes durch, da einige Länder die maßvolle Erweiterung der Zuständigkeiten der Bundespolizei im Bereich der Strafverfolgung als mit der Verfassung unvereinbar bewerteten. Gleichwohl herrschte bei allen Beteiligten Konsens darüber, dass den zunehmenden globalen und transnationalen Gefährdungen angesichts 16 unterschiedlicher Länderpolizeien nur durch eine starke ausgleichende nationale Polizeireserve begegnet werden kann, deren Hauptaufgabe zudem unverändert die Migrationskontrolle als vorrangiges Weltordnungsproblem ist.

 

Der RT im Oktober 2021 bei der Fachmesse für Mobilität „IMFS – Innovative Mobility for Future Salzburg“. v.l.n.r.: Peter Stadlberger (Leitung Vertrieb Rosenbauer Österreich GmbH), Markus Wieshofer (Geschäftsführer Rosenbauer Österreich GmbH), Leonore Gewessler (Bundesministerin für Klima, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) und Markus Schachner (Geschäftsführer Rosenbauer E-Technology Development GmbH).
© Rosenbauer International

Der RT auf Tour

Rosenbauer fährt mit seinem elektrischen Feuerwehrfahrzeug durch halb Europa

Er läuft und läuft. Seit Mitte August ist Rosenbauer mit zwei Fahrzeugen der „Revolutionary Technology“-Baureihe (RT) in West- und Mitteleuropa unterwegs und zeigt damit die Zuverlässigkeit und Robustheit des elektrischen Tanklöschfahrzeuges.

Insgesamt werden bis Mitte Dezember zehn Länder bereist und mehr als 25.000 Kilometer zurückgelegt, das entspricht in etwa der Fahrleistung dieses Fahrzeugtyps über die gesamte Lebensdauer im urbanen Einsatz.

„Der RT ist keine Weiterentwicklung eines Fahrzeugkonzeptes, das die Feuerwehren schon kennen, sondern eine komplette Neuentwicklung, eine echte technologische Innovation. So etwas muss man physisch vor Augen haben, angreifen und ausprobieren, um beurteilen zu können, welche Vorteile und Nutzen es bringt“, sagt Dieter Siegel, CEO der Rosenbauer International AG. Die Teilnehmer an den Präsentationen und Vorführungen sind überwiegend begeistert von der bis dato einzigartigen Funktionalität und Leistungsfähigkeit des RT.

Wer interessiert sich für den RT

Der RT ist als Tanklöschfahrzeug für den kommunalen Einsatz konzipiert. Das meiste Interesse wird ihm von Feuerwehrorganisationen großer Städte und Metropolregionen entgegengebracht, denn sie wollen bzw. müssen teilweise mit elektrifizierten Einsatzfahrzeugen einen Beitrag zur CO2-Reduktion der städtischen Fuhrparks leisten. In Berlin ist der RT bereits im Regeleinsatz, in Amsterdam wird darauf trainiert, in Basel wird 2023 die erste Flotte (vier Fahrzeuge) in Dienst gestellt.

Im Rahmen der Europa-Tour bereiste ein Rosenbauer Team mit dem RT zahlreiche Metropolen. Allen voran die C40-Städte Barcelona, Kopenhagen, London, Madrid, Paris, Rom und Warschau. Darüber hinaus wollte man das Fahrzeug auch in Aarhus und Roskilde (Dänemark), Stuttgart und Köln (Deutschland), Straßburg und Lyon (Frankreich), Genf und Lausanne (Schweiz) sehen, um nur einige der Stationen zu nennen. Schon im Vorjahr konnten sich die Feuerwehren in Oslo und Stockholm von den Vorzügen des Konzeptfahrzeuges CFT überzeugen. Aktuell ist der RT auf einer mehrwöchigen Tour durch Deutschland und im Frühjahr 2022 wird er in den Benelux-Ländern präsentiert.

Werks- und Flughafenfeuerwehren

Neben kommunalen zeigen auch Werks- und Flughafenfeuerwehren immer größeres Interesse am RT. In der Schweiz zum Beispiel Schutz & Rettung Zürich, die Gebäudeversicherung Zürich und das Forschungszentrum CERN. In Frankreich wollten Entscheider und Anwender von Aeroports de Paris (Betreibergesellschaft der Flughäfen Charles de Gaulle, Orly und Le Bourget) das Fahrzeug kennenlernen. An einer Präsentation in Madrid haben Vertreter von Airbus, dem spanischen Flughafenbetreiber AENA und der Katastrophenschutzorganisation UME (Unidad Militar de Emergencias) teilgenommen. Im Rahmen der Deutschland-Tour wurde das Fahrzeug bei Porsche in Stuttgart präsentiert und es sind weitere Auftritte bei VW in Wolfsburg, Audi in Neckarsulm, Tesla in Grünheide, Evonic in Worms, Pharmaserv in Marburg und auf den Flughäfen Stuttgart, Köln/Bonn und Leipzig geplant.

Messe- und Sonderauftritte

Auch einige Messeauftritte standen im Rahmen der RT-Europa-Tour auf dem Programm. So war das Fahrzeug Ende August auf der dänischen Feuerwehrmesse Danske Beredskabers Årsmøde, im September auf der Emergency Service Show in Birmingham und der Zivil Protect in Bozen und im Oktober auf der REAS im italienischen Montichiari und am Congrés National des Sapeurs-Pompiers de France in Marseille zu sehen. Sonderauftritte hatte der RT unter anderem am Wirtschaftsforum „Green Future Poland & Austria“ in Warschau, anlässlich eines Empfanges des österreichischen Botschafters in Madrid und auf dem Event „Innovative Mobility for Future“ am Salzburgring.

Härtetests bestanden

Alle Reisen und Präsentationen bis auf den Seetransport nach England sowie die Teilstrecke Marseille - Madrid absolvierte der RT auf eigener Achse. Die Überlandstrecken wurden mit Unterstützung des Range Extenders zurückgelegt. Die innerstädtischen Kurzstrecken und Vorführungen wurden rein batterie-elektrisch absolviert. Das Laden der Batterien dauerte an verschiedenen Superchargern zwischen 30 und 45 Minuten (Ladezustand SOC 20 auf 100 %).

Auch einige, spezielle Härtetests musste der RT auf seiner Europa-Tour bestehen. Vor allem in den Feuerwehr-Trainingszentren wurde das Fahrzeug auf Herz und Nieren getestet. Besucht wurden unter anderem das Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen, die größte Feuerwehrausbildungsstätte in Deutschland, das Ausbildungszentrum Riedikon in der Schweiz und das Trainingszentrum des italienischen Innenministeriums in Montelibretti bei Rom. Am meisten herausgefordert wurde der RT bei einer Übung in den Schweizer Bergen, wie Rosenbauer Mitarbeiter Werner Wolfschluckner berichtet: „Nach einer Steilfahrt über mehrere Kilometer und einer gemessenen Steigung von ca. 22%, extrem engen Straßen mit Haarnadelkurven und Baustellen, absolvierten wir auf 1.000 m Seehöhe eine Waldbrandlöschübung. Fazit: Fahrer und Maschine am Limit, aber alles mit Bravour gemeistert!“

RT
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RT Vorführfahrzeug CEEU

  • Chassis: Rosenbauer RT 4x4 Advanced
  • Radstand: 4.100 mm
  • Elektrische Antriebsleistung: 2 x 180 kW (peak)
  • Energiespeicher: 2 x 66 kWh (Hochvoltbatterien)
  • Range Extender: 225 kW (Dieselmotor)
  • Besatzung: 1 + 8
  • Einbaupumpe: N35 (FPN 10-3000 nach EN1028)
  • Wassertank: 2.000 l
  • Schaumtank: 125 l
  • Schaumzumischsystem: RFC Admix Variomatic
  • Beladung: in Anlehnung an DIN 14530-27 (HLF 20)
  • Elektronisches Spiegelersatzsystem
  • Rückfahrkamera
  • Birdview-System
  • Abbiegeassistent
  • LED Verkehrswarneinrichtung im Heck
  • LED Füllstandsanzeige für Wasser/Schaum
  • LED Beleuchtung
  • L x B x H: ca. 7.600 x 2.350 x 2.900 m
  • zul. Gesamtgewicht: 18.000 kg

 

KI
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"Wir müssen die Entscheidungshoheit der Menschen in den Mittelpunkt rücken"

Die Jahreskonferenz des interdisziplinären Forschungsverbunds Forum Privatheit beleuchtete Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz. Zentrales Anliegen dabei war, die Entwicklung von KI kritisch zu reflektieren, um sie sowohl zum Wohle des Individuums als auch der Gesellschaft zu gestalten.

Die Konferenz des Forschungsverbunds Forum Privatheit fand dieses Jahr am 18. und 19. November 2021 in Kooperation mit dem Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) im klassizistischen Musiksaal des Wiesbadener Schlosses statt, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs erster Tagungsort des hessischen Parlaments war. 

Der Hessische Landtag habe eine besondere Bedeutung für die Entwicklung des Datenschutzes, wie Landtagsvizepräsidentin Karin Müller in ihrer Begrüßung betonte. Hier wurde das erste Datenschutzgesetz der Welt beschlossen, das am 13. Oktober 1970 in Kraft trat. Datenschutz sei auch bei Entwicklung und Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) mitzudenken, denn einerseits könne KI die demokratische Willensbildung unterstützen, andererseits könnten KI-Assistenten Bürgerinnen und Bürger in ihren politischen Meinungen beeinflussen. Daher sei es gut, dass die Tagung Chancen und Risiken der KI für die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger und die Demokratie untersuche. 

Frau Professorin Ina Schieferdecker, Leiterin der Abteilung „Forschung für technologische Souveränität und Innovationen“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstrich besonders die Bedeutung eines gesellschaftlichen Diskurses um neue Technologien wie KI: „Künstliche Intelligenz hat sich zu einer Schlüsseltechnologie unserer Zeit entwickelt. Umso wichtiger ist es, die weitere Entwicklung nicht unreflektiert zu gestalten. Wir müssen die Entscheidungshoheit der Menschen in den Mittelpunkt rücken und die weitere Entwicklung zielgerichtet an den gesellschaftlichen Bedarfen ausrichten.“

Automatische Gesichtserkennung birgt problematisches Überwachungspotenzial

Wie wichtig es ist, die Entscheidungshoheit des Menschen im Blick zu behalten, rückten gleich mehrere Vorträge in den Vordergrund. So schilderte Matthias Marx von der Universität Hamburg eindrücklich, wie er zunächst auf sein Foto in der Gesichtsdatenbank des amerikanischen Unternehmens „Clearview AI“ gestoßen sei und im Rahmen eines Auskunftsersuchens an das Unternehmen immer tieferen Einblick in dessen Praxis der Datensammlung und -auswertung bekommen habe. Wie bei einem Eisberg, dessen Spitze zwar erkennbar ist, aber dessen wahres Ausmaß sich nur erahnen lasse, sei er sich erst nach und nach über das verborgene Überwachungspotenzial der automatischen Gesichtserkennung und seiner gesellschaftlich problematischen Wirkung bewusst geworden.

Nikolaus Bauer vom Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) griff diese Beobachtung auf und machte deutlich, dass es sich bei der Gesichtserkennung, wie schon bei der Rasterfahndung und der Online-Durchsuchung, tatsächlich um eine Technologie mit einer erheblichen „Eingriffstiefe“ in die bürgerlichen Freiheiten handele, die vermutlich die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreite. Er plädierte deshalb - bis zum Abschluss der gesellschaftlich notwendigen Diskussion - für ein Moratorium für den Einsatz biometrischer Gesichtserkennung in Deutschland.

-PM Forschungsverbunds Forum Privatheit-

 

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Von vorne geführt.

50 Jahre Anti-Terror-Einheit GSG 9

Von Dr. Reinhard Scholzen

Im Herbst 1972 wurde die deutsche Anti-Terror-Spezialeinheit GSG 9 gegründet. Vieles hat sich seither verändert, das Führungsprinzip nicht.

Die Akademie des Deutschen Fußball Bundes befragt in dem Format „#everydayleadership“ Führungskräfte aus unterschiedlichen Bereichen. Unter den Interviewten finden sich viele Sportler, Schauspieler und Politiker. Im Mai 2020 stellte sich der aktuelle Kommandeur der GSG 9, Jerome Fuchs, den Fragen. Es mag vielleicht manchen überrascht haben, was er zu den Grundlagen der Führungslehre in seinem Verband sagte: Einsätze der GSG 9 würden nicht von A bis Z durchgeplant. Vielmehr gehe man sehr bewusst von planabweichenden Verläufen aus. Darin liege die Stärke der Auftragstaktik, bei der zwar ein klares Ziel vorgegeben werde, dessen Umsetzung aber in den Händen der Einsatzkräfte liege. Zu den weiteren Merkmalen des Führens mit Auftrag gehöre es, dass jeder wissen müsse, was zu tun sei, denn für Rückfragen bleibe im Einsatz keine Zeit. In der GSG 9 werde seit jeher von vorne geführt. Das bedeute, dass der Führer des Einsatzes ganz nahe dabei sei, weit vorne. Diese Führungsphilosophie setze ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen voraus und der Kommandeur spitzt zu: „Ohne Vertrauen in die Einsatzkräfte funktioniert die gesamte GSG 9 nicht. … Wir lassen den Männern hier große Freiheiten, auch bewusst, wie sie an Einsatzlagen herangehen, wie sie ihre Planung machen, weil wir als Vorgesetzte wissen, was sie können. Wir kennen sie über viele Jahre, in denen sich Vertrauen aufbauen kann. … Ohne Vertrauen ist kein erfolgreicher Einsatz möglich.“ Fuchs beantwortet auch die Frage des DFB-Moderators, was für ihn Führen bedeutet: „Mich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, sondern das Team in den Vordergrund zu stellen, ihm zu vertrauen und es bestmöglich zu unterstützen.“

Erinnerungsort im Olympiapark München (2017)
© Von Katja Brenner - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62256791

Das Olympia-Attentat

Die Olympischen Spiele in München sollten „heitere Spiele“ werden. Dafür wurde viel getan, aber im Bereich der Sicherheit manches unterlassen. Am 5. September 1972 überfielen palästinensische Terroristen das olympische Dorf, töteten zwei Israelis und nahmen Sportler als Geiseln. Einen Tag später starteten bayerische Polizisten auf dem Flughafen von Fürstenfeldbruck einen Befreiungsversuch, der aber nach einer wilden Schießerei tragisch endete: Alle neun israelischen Geiseln und ein deutscher Polizeibeamter kamen dabei ums Leben.

Eine erste Aufarbeitung der Geschehnisse ergab, dass es der Polizei unter anderem an ausgebildeten Präzisionsschützen und Spezialkräften zur Geiselbefreiung mangelte. Daher entschied Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, eine Anti-Terror-Einheit unter dem Dach des Bundesgrenzschutzes (BGS) aufzubauen. Dieser wies damals eine Gesamtstärke von 22.000 Grenzschützern auf und bot somit einen großen Personalpool, aus dem die Spezialeinheit rekrutiert werden konnte. Nützlich war auch die reichlich vorhandene Infrastruktur des BGS. Als Standort der Einheit wurde die kurze Zeit zuvor fertiggestellte Kaserne in Sankt Augustin bei Bonn ausgewählt. Dort war auch eine gut ausgestattete Hubschrauberabteilung stationiert. Damals war der BGS in acht Grenzschutzgruppen gegliedert. Um den hohen Stellenwert des neuen Verbandes zu unterstreichen, erhielt er den Namen Grenzschutzgruppe 9, abgekürzt: GSG 9.

Olympia '72: Scharfschützen im Olympischen Dorf
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Bei der Suche nach der geeigneten Führungspersönlichkeit wurde der Minister in seiner direkten Umgebung fündig: Ulrich Wegener war 1929 in Jüterbog geboren, 1952 aus der DDR in die Bundesrepublik geflohen und 1958 von der baden-württembergischen Landespolizei in den Bundesgrenzschutz gewechselt, wo er rasch aufstieg. 1970 wurde er Verbindungsoffizier des BGS bei Minister Genscher.

Für den Aufbau der GSG 9 stellte der Deutsche Bundestag mehr als sechs Millionen D-Mark bereit. Man baute bürokratische Hürden ab und ging auch neue Wege. So band man externe Psychologen in die Auswahl der GSG 9-Bewerber ein und Wegener etablierte einen in der Polizei nicht üblichen Führungsstil. Es wurde von Beginn an „von vorne“ geführt und die Auftragstaktik gelebt. Bereits sieben Monate später standen zwei Einheiten bereit. Der erste große Einsatz fand 1974 in Frankfurt statt, wo die GSG 9 mehrere Mitglieder einer international operierenden Bande festnahm. In der Folgezeit wurden die Männer immer wieder zur Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes abgeordnet, die für Personenschutzeinsätze zuständig ist. Die breite Öffentlichkeit jedoch kannte die Truppe nicht und in den Augen mancher Journalisten war die GSG 9 nur „Trainingsweltmeister“.

Der Mythos Mogadischu

Im Oktober 1977 kamen Konzept, Personalauswahl, Ausbildung und auch Ausrüstung der Anti-Terror-Einheit auf den Prüfstand. Vier palästinensische Terroristen hatten die Lufthansamaschine „Landshut“ entführt. Nach einem mehrtägigen Irrflug ermordete der Anführer der Luftpiraten den Kapitän, Jürgen Schumann. Am 18. Oktober kam es auf dem Flughafen der somalischen Hauptstadt Mogadischu zum Showdown.

Mitglieder der GSG 9 des BGS auf dem Flughafen Köln/Bonn beim Verlassen der Lufthansa-Sondermaschine „Stuttgart“ am 18. Oktober 1977
© Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F051866-0010 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5457536

Die GSG 9 befreite alle Geiseln und tötete im Verlauf der „Operation Feuerzauber“ drei der vier Hijacker.
Mogadischu brachte der GSG 9 und ihrem Kommandeur weltweite Anerkennung. Auch und gerade unter den befreundeten Spezialeinheiten. Der damalige stellvertretende Kommandeur der GSG 9, Klaus Blätte, beschrieb in einer Publikation, dass es kein Erfolgsgeheimnis gab, vielmehr war entscheidend: „… der Wille eines gut trainierten, in sich homogenen, leistungsorientierten und in der Aufgabenerfüllung fast besessenen Teams, Gefahren von der Gemeinschaft abzuwenden.“

Die in den Folgejahren durchgeführten Einsätze gegen Terroristen und Schwerstkriminelle blieben der Öffentlichkeit meist verborgen. Nur der Zugriff in Bad Kleinen sorgte im Juni 1993 für Schlagzeilen. Auf dem Bahnhof der Stadt in Mecklenburg-Vorpommern nahm die GSG 9 die Terroristin Birgit Hogefeld fest, aber im anschließenden Schusswechsel starb der Polizeibeamte Michael Newrzella und der RAF-Terrorist Wolfgang Grams nahm sich schwer verletzt im Gleisbett das Leben.

Im Jahr 2009 kam die GSG 9 erneut in die Schlagzeilen. Piraten kaperten vor der Küste Somalias das Handelsschiff „Hansa Stavanger“. Die GSG 9 – und auch das KSK der Bundeswehr – standen zur Geiselbefreiung auf hoher See bereit, aber der Krisenstab der Bundesregierung gab den Zugriffsbefehl nicht.

Immer wieder meldete sich der Gründer der GSG 9 öffentlich zu Wort. Auch nach Misserfolgen. Mehrfach forderte er eine engere Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten und der Polizei und brach auch eine Lanze für eine punktuelle Kooperation zwischen der Polizei und der Bundeswehr. Im Frühjahr 2013 betonte Ulrich Wegener in einem Interview: „Ich halte eine engere Zusammenarbeit zwischen GSG 9 und KSK für absolut notwendig.“

Neuer Standort und neue Struktur

Der Gründer der GSG 9 starb im Dezember 2017. In einem Nachruf hob der damalige Bundesinnenminister, Thomas de Maizière, hervor, Deutschland verliere mit Wegener „einen hervorragenden Polizisten, der enorm viel für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geleistet“ habe.

Wenige Wochen später stellte der aktuelle Kommandeur der GSG 9 die Zukunftspläne seines Verbandes vor. Angesichts der anhaltenden Bedrohung durch den Terrorismus sei geplant, dessen Personalstärke, um ein Drittel zu erhöhen und einen zweiten Standort in Berlin aufzubauen. Jerome Fuchs beklagte jedoch, es sei „die große Herausforderung für die Einheit, den geeigneten Nachwuchs zu bekommen.“

Über die aktuelle Zahl der Einsatzkräfte der GSG 9 gibt es keine für die Öffentlichkeit bestimmten näheren Angaben. Bekannt ist lediglich, dass die kleinste Einheit der Spezialeinsatztrupp ist. In den ersten Jahren bestand dieser aus fünf, später dann aus sieben Männern. Jeweils mehrere SETs bilden eine der vier Einheiten, denen jeweils ein besonderes Fähigkeitsmerkmal zugeordnet ist.

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In der „Ersten“ sind die Präzisionsschützen zusammengefasst. Die GSG 9 stellt auf ihrer Internetseite heraus, dass hier „das gesamte Spektrum des polizeilichen Präzisionsschützenwesens abgedeckt“ wird. Breiten Raum nimmt dabei die Aufklärung ein, ebenso moderne und herkömmliche Möglichkeiten der Tarnung. Die Ausbildung findet in mehreren Standorten statt und ebenso in enger Kooperation mit Spezialeinheiten im In- und Ausland.

Taucher und Bootsführer formen die 2. Einheit, deren Wurzeln in den frühen 1980er Jahren liegen. Das Knowhow erlernen sie unter anderem in einem fordernden Arbeitstaucherlehrgang bei der Bundespolizei, aber auch in einer dreiwöchigen Schulung bei den Kampfschwimmern der Bundeswehr. Daran schließt sich eine einjährige Ausbildung innerhalb der maritimen Einheit der GSG 9 an.

Die „Dritte“ charakterisiert die besondere Art der Verbringung, das Fallschirmspringen. Die Gründer dieser Einheit waren fünf GSG 9 Beamte, die im Jahr 1981 erste Erfahrungen bei den amerikanischen Special Forces sammelten. Danach erlernten sie die Grundlagen des Fallschirmspringens an der Luftlande-/Lufttransportschule der Bundeswehr in Altenstadt. Zum breiten Spektrum des taktischen Springens zählen unter anderem Sprünge aus sehr großer Höhe und bei völliger Dunkelheit. Dafür wird eine spezielle, umfangreiche Ausrüstung benötigt.

Mit dem Aufbau der 4. Einheit wurde im Jahr 2018 in Sankt Augustin begonnen. Ihren Schwerpunkt bilden die „Grundtaktiken polizeilicher Zugriffe und Einsatzverfahren“. Die „Vierte“ soll den Kern der Einsatzeinheit am geplanten zweiten Standort der GSG 9 in Berlin ausmachen. Einsatzfähig ist sie bereits, die angepeilte Sollstärke der Dependance soll Mitte der 2020er Jahre erreicht werden.

Seit der Gründung verfügt die GSG 9 über eine Unterstützungseinheit, die im Laufe der Jahre immer personalstärker wurde. Im Gegensatz zu den Einsatzeinheiten sind dort seit den 1990er Jahren auch Frauen tätig. Zu den Unterstützern zählen unter anderem hoch spezialisierte Aufklärer in allen möglichen Bereichen, Entschärfer sowie Spezialisten für Türöffnungen aller Art. Sanitäter und einen eigenen Arzt hat die GSG 9 auch. Erst seit dem Jahr 2015 gibt es in der GSG 9 auch speziell ausgebildete Zugriffshunde.

© Bundespolizei

Bekannt ist ebenso, dass die GSG 9 seit dem August 2017 ein Teil der neu geschaffenen Bundespolizeidirektion 11 ist, an deren Spitze Olaf Lindner steht, der von 2005 bis 2014 Kommandeur der GSG 9 war. Damit reagierte das Bundesinnenministerium auf die neuen Herausforderungen, die eine Bündelung der Spezialkräfte der Bundespolizei sinnvoll erscheinen ließen. Seither sind am Schöneberger Ufer 1 in Berlin die Leitungen der GSG 9, der Flugdienst der Bundespolizei, die Polizeilichen Schutzaufgaben im Ausland und im Luftverkehr, die Einsatz- und Ermittlungsunterstützung und die Weiterentwicklung des Entschärfungswesens angesiedelt. Das Ziel ist es, „zukünftig in speziellen Lagen erforderliche Fähigkeiten aus einer Hand für Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern zur Verfügung zu stellen.“

Die Ausbildung der GSG 9 Beamten wurde unlängst um fast zwei Monate verlängert. Mag sein, dass dies eine Reaktion auf die veränderten und neuen Herausforderungen an eine Anti-Terror-Einheit ist. Ob die GSG 9 als eigenständige Einheit erhalten bleibt, ist ungewiss. Manches spricht für, manches gegen ein Verschmelzen mit dem KSK der Bundeswehr. Das ist aber eine politische Entscheidung, ganz so wie ihre Gründung vor 50 Jahren.

 

Elektronischer Beschlag XS4 Original+ mit modernster Technik und bewährter Mechanik

SALTO stellt mit dem XS4 Original+ das erste Produkt der nächsten Generation seiner Zutrittskontrollhardware vor. Der neue elektronische Beschlag basiert auf der bewährten Produktfamilie des XS4 Original, arbeitet jedoch deutlich schneller und energieeffizienter, stellt mehr Funktionen bereit und enthält eine neue Sicherheitsarchitektur.

Der neue elektronische Beschlag XS4 Original+ von SALTO kombiniert modernste Technik mit bewährten mechanischen Eigenschaften.
© SALTO Systems
Der XS4 Original+ ist vollständig mit der On-Premise-Plattform SALTO Space Data-on-Card, der Cloud-Zutrittslösung SALTO KS Keys as a Service und der JustIN Mobile Technologie für digitale Schlüssel kompatibel. Der Beschlag arbeitet nahtlos mit den drei Technologien SALTO Virtual Network (SVN) mit patentierter Schreib-Lese-Funktionalität, mit der auf Bluetooth basierenden Funkvernetzung SALTO BLUEnet für eine kabellose Echtzeit-Zutrittskontrolle sowie der mobilen Zutrittslösung JustIN Mobile für die Türöffnung mit dem Smartphone. Dank der standardmäßigen Ausstattung mit SALTO BLUEnet und SVN-Flex-Funktionalität kann er auch als kabelloser Updater von Zutrittsrechten im virtuellen Netzwerk fungieren.

Die neue Sicherheitsarchitektur mit Hardware Secure Element (HSE) schützt den Beschlag gegen interne und externe Angriffe, beschleunigt die Datenverarbeitung und verbessert die Art und Weise, wie Informationen innerhalb der Zutrittslösungen übermittelt werden, Betreiber diese verwalten und Errichter sie konfigurieren.

Der XS4 Original+ sieht dank eines Design-Updates besser aus als je zuvor. Der Leser ist jetzt flacher und in den Farben Schwarz und Weiß erhältlich. Beim Breitschildbeschlag ist der Leser etwas breiter geworden, sodass ein harmonischeres Gesamtbild für diese Version entsteht. Beim DIN-Beschlag sind die Abmessungen des Außen- und Innenschildes nun identisch.

Vielseitigkeit ist eines der hervorstechendsten Merkmale der Zutrittslösungen von SALTO und der XS4 Original+ fügt sich hier nahtlos ein. Der elektronische Beschlag ist in diversen Modellen lieferbar, u.a. mit oder ohne Zylinderlochungen, mechanischer oder elektronischer „Bitte nicht stören“-Funktion und protokollierter Notöffnung. Er ist kompatibel mit einer großen Bandbreite von Einsteckschlössern und Türdrückern, auch von Drittherstellern.

Das intelligente Produktdesign ermöglicht die Installation und Nachrüstung an einer Vielzahl von Türen – die umfangreichen Gestaltungsoptionen stellen sicher, dass sich der elektronische Beschlag harmonisch in die Umgebung einfügt. Er ersetzt bestehende Türhardware und lässt sich an Türen mit Euro-, DIN-, ANSI- und skandinavischen Standards montieren. Über die breite Palette von Modellen, Oberflächen und Funktionen erfüllt er die unterschiedlichsten Anforderungen an eine intelligente Zutrittskontrolle in praktisch jeder Anwendungssituation.

Die XS4 Original+ Modelle verwenden den gleichen Beschlagskörper, verfügen über die gleichen mechanischen Eigenschaften und werden auf denselben Bohrungen installiert wie die entsprechenden XS4 Original Modelle. Daher eignen sie sich auch für die Erweiterung oder Umrüstung von Bestandsanlagen.

Der neue elektronische Beschlag passt sich mit einer Vielzahl von Farben, Funktionen, Türdrückern und Oberflächen, einschließlich der neuen Oberfläche „Bronze dunkel“, den individuellen Anforderungen eines Projekts an. Mit dem Online-Konfigurator SALTO MyLock (https://mylock.saltosystems.com/de) lassen sich die jeweiligen Optionen auswählen und an einer großen Auswahl von Türmodellen visualisieren.

Der XS4 Original+ ist so konzipiert, dass er die Umwelt so wenig wie möglich belastet. Die Fertigung von SALTO arbeitet bereits seit einigen Jahren CO2-neutral. Das Unternehmen hat sich darüber hinaus verpflichtet, für seine gesamten geschäftlichen Aktivitäten klimaneutral zu werden, was die Lieferketten und sämtliche Produktlebenszyklen einschließt. Der XS4 Original+ trägt dazu bei, indem er CO2-neutral an Kunden ausgeliefert wird. Dabei kompensiert SALTO die CO2-Emissionen, die während der Herstellung und der Logistik bis zum Versand an den Kunden entstehen.

-PM SALTO-

 

Silhouette of drone flying above city at sunset
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Dedrone schützt Metropole in Südeuropa vor Drohnen 

Dedrone, der Marktführer für Smart Airspace Security, hat sein städteweites System für einen sicheren Luftraum erfolgreich im Süden Europas installiert. Dedrone schützt Menschen, Einrichtungen und Informationen vor Bedrohungen durch Drohnen in Bereichen wie Städten, Flughäfen und Kraftwerken. 

Eine der größten Metropolen Europas hat fast ein Dutzend DedroneSensoren installiert, um illegale Drohnenaktivitäten über dem Zentrum der Stadt zu erkennen, zu verfolgen und zu lokalisieren. Das von Dedrone geschützte Areal umfasst 50 Quadratkilometer mit international bekannten Tourismuszielen, Geschäfts- und Einkaufspassagen sowie Wohngebieten und einem Hafen.  

Der Schutz der zivilen Bevölkerung sowie der Infrastruktur vor unautorisierten Drohnen ist für Städte immens wichtig. Deshalb hat Dedrone ein Sicherheitssystem für den Luftraum über urbanen Gebieten entwickelt und bietet Strafverfolgungsbehörden und lokalen Regierungen idealen Schutz vor Drohnen. Nach mehreren Testläufen in den Hauptstädten Europas, darunter auch Berlin, bietet Dedrone der Stadt im Süden des Kontinents eine präzise und wirkungsvolle Drohnenerkennung sowie einen vollständigen Überblick über die Luftraumaktivitäten und Methoden zur Bedrohungsprävention. 

Die Dedrone-Lösung wurde im November 2020 in der Metropole installiert und detektiert täglich zwischen 120 und 200 unerlaubte Drohnen. In den vergangenen sechs Monaten ist die Zahl der illegalen Drohnenaktivitäten um 60% gestiegen. 

„Drohnen spielen eine große Rolle in der Zukunftsplanung von Städten und sollen z.B. für Lieferungen, Inspektionen oder auch für die öffentliche Sicherheit eingesetzt werden. Dabei stehen die Verantwortlichen vor der Frage wie sie autorisierte von nicht autorisierten oder gar feindlichen Drohnen unterscheiden können“, erklärt Aaditya Devarakonda, CEO von Dedrone. „Die öffentliche Sicherheit hat für Dedrone oberste Priorität und deshalb bieten wir Städten und Strafverfolgungsbehörden eine komplette Überwachung ihres Luftraums, einschließlich Bereichen mit einem besonderen Schutzbedürfnis wie kritische Infrastrukturen, Flughäfen, Justizvollzugsanstalten und stark frequentierte Einkaufspassagen.“  

Dedrone arbeitet mit lokalen Behörden zusammen, um ein zentrales Sicherheitsnetzwerk zu entwickeln, das den Verkehr von autorisierten und illegalen Drohnenflügen überwacht. Das Airspace Security-as-a-Service-Modell von Dedrone ermöglicht es Stadtverwaltungen, die sich im geschützten Gebiet befinden, jederzeit auf Daten und Informationen der Aktivitäten im Luftraum zuzugreifen. Das Smart-City-Angebot von Dedrone wird 2021 und 2022 auf weitere Städte in Europa und den USA ausgeweitet. 

Dedrones KI/Machine-Learning System DedroneTracker fusioniert Daten verschiedener Sensoren, um wichtige Informationen über Drohnenaktivitäten zu erstellen. Diese Informationen geben Städten und Strafverfolgungsbehörden einen vollständigen Überblick über die Drohnenflüge, sodass das Sicherheitspersonal besonders betroffene Bereiche gezielt kontrollieren kann. Im Februar 2021 hat Dedrone sein Remote ID-Angebot angekündigt, mit dem Kunden Remote ID-Daten sowohl nach europäischen als auch nach US-Vorschriften empfangen können, sobald die Regularien in Kraft treten. Aktuell umfasst die Datenbank von DedroneTracker fast 300 unterschiedliche Drohnenmodelle verschiedener Hersteller und wird ständig erweitert. DedroneTracker erkennt Drohnen aller Art, unabhängig davon, ob sie den geltenden Vorschriften wie z.B. Remote ID entsprechen. 

Dedrone nutzt ein Open-Source-System, das eine problemlose Integration verschiedener Sensoren, Command & Control (C2)-Systeme, Alarmierungslösungen und Abwehrmaßnahmen ermöglicht. Mittlerweile verfügt Dedrone über dutzende genehmigte Technologien, die in das System integriert werden können, um die individuellen Anforderungen von Unternehmen und Organisationen zu erfüllen. 

-PM Dedrone-

 

Touristenmagnet Wenzelsplatz: Dallmeier Panomera® Kameras sorgen hier für den Schutz der Bürger
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Sicherheit auf über 50.000 qm Fläche

Die Stadt Prag vertraut auf Dallmeier Videosicherheitssysteme

Prager Wenzelsplatz und Altstädter Ring: Das Multifocal-Sensorsystem Panomera® von Dallmeier behält das Geschehen im Blick

Sowohl am Prager Wenzelsplatz, mit 45.000 qm einer der größten städtischen Plätze in Europa, als auch am Altstädter Ring vertraut die Prager Stadtverwaltung zusammen mit der Kriminalpolizei auch auf Sicherheitstechnik des Regensburger Unternehmens Dallmeier.
Der Prager Wenzelsplatz und der Altstädter Ring blicken auf eine lange Geschichte zurück, und damals wie heute bilden sie wichtige Touristen- und Verkehrsknotenpunkte. Um für die Sicherheit der täglichen Menschen- und Verkehrsströme zu sorgen, vertraut die Prager Stadtverwaltung in Sachen Sicherheitstechnik neben herkömmlichen Kameras auch auf eine Lösung des Regensburger Unternehmens Dallmeier.

Die patentierten Multifocal-Sensorsysteme Panomera® von Dallmeier kombinieren bis zu acht Sensoren unterschiedlicher Brennweite in einem Kameragehäuse. Der Nutzen entspricht dabei der Kombination einer hochauflösenden Megapixel-Kamera mit beliebig vielen „virtuellen“ PTZ-Kameras (hier zu sehen: die aktuelle Panomera® Produktgeneration)
© Bildunterschrift „Dallmeier Panomera S-Serie“

Vom Rossmarkt zum Geschäftsboulevard

Der Prager Wenzelsplatz wurde im 14. Jahrhundert angelegt und diente ursprünglich als Rossmarkt mit gleichnamiger Bezeichnung. Den heutigen Namen Wenzelsplatz erhielt er 1848 nach dem Heiligen Wenzel von Böhmen. Seit dem 19. Jahrhundert wandelte sich die Nutzung des Platzes vom Pferdemarkt zum belebten Geschäftsboulevard. Genutzt wird er gleichermaßen von Fußgängern, Fahrradfahrern, Autofahrern und dem öffentlichen Nahverkehr, und stellt somit einen wichtigen Knotenpunkt in der Prager Neustadt dar. Für die Stadtverwaltung ist ein konfliktfreies Miteinander aller Verkehrsteilnehmer von hoher Wichtigkeit. Um eine Übersicht des allgemeinen Geschehens zu erhalten, setzt die Stadtverwaltung gemeinsam mit der Kriminalpolizei auf das scharfe „Auge“ der Panomera®.

Touristenmagnet Altstädter Ring

Auch auf dem 9.000 qm großen Prager Altstädter Ring sorgt die Panomera® für Sicherheit. Der Altstädter Ring ist das historische Herz der Stadt und zieht mit seiner Atmosphäre, Sehenswürdigkeiten und Märkten jährlich Tausende von Touristen an. Seine Geschichte reicht bis ins 11. Jahrhundert zurück und er war schon immer Kreuzungspunkt für den Handel und Marktplatz. Heute ist er ein Touristenmagnet und gesäumt von Restaurants, Museen, Galerien und Geschäften. Die astronomische Uhr am Rathausturm ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Europas.

Vorteile der Panomera® Technologie bei über 45.000 qm zu überwachender Fläche

Die Lösung sowohl für den Wenzelsplatz als auch den Altstädter Ring besteht aus Panomera®-Modellen der Topline Serie. Mit dem Multifocal-Sensorsystem Panomera® können enorme Weiten und Flächen erfasst werden. Der Vorteil: Die Kombination von Gesamtübersicht bei gleichzeitig höchster Detailauflösung ist gerade für große Plätze von hoher Wichtigkeit und mit dieser Kamera-Technologie können auch weiter entfernte Objekte mit derselben Auflösung dargestellt werden wie Objekte im vorderen Bildbereich. Mehrere Operatoren können in das gleiche Bild hineinzoomen. Dabei bleibt das Gesamtgeschehen stets im Blick und wird weiter aufgezeichnet. Wo bislang mehrere Megapixel-Kameras notwendig gewesen wären, ergeben sich deutlich geringere Anforderungen an die Benutzer, da sie weniger Bilder erfassen müssen. Ebenso sinken die Kosten für die Infrastruktur, da eine einzige Panomera® einen weitaus größeren Bereich erfasst und weniger Installationspunkte notwendig sind. Das sorgt kundenseitig für Einsparungen sowohl in der Infrastruktur als auch beim Betrieb und Management und verringert somit die Gesamtbetriebskosten.

Planung, die überzeugt: „What We Plan is What You Get“

In der Projektplanungsphase erstellte das Dallmeier 3D-Spezialistenteam, zusammengesetzt aus Ingenieuren und Grafikern, eine dreidimensionale Simulation der Kundenumgebung. In dem 3D-Modell simulierte das Team die realen Kameramodelle und -standorte sowie Installationspunkte und somit Blickwinkel und Reichweiten. Das fertige 3D-Modell wurde dem Kunden gemeinsam mit Integrationspartner KH Servis in Prag präsentiert und umfasste die komplette Lösung inklusive Kameras und weiterer notwendiger Komponenten. Die Stadtverwaltung und die Polizei zeigten sich von dieser Art der Projektvisualisierung begeistert, zumal durch diese Vorgehensweise auch eine exakte Kalkulation der Kosten erfolgen konnte, die dem Kunden Sicherheit in Aufwand und Umfang des Projektes gab. Die 3D-Planung gewährleistet weiterhin, dass sich während oder nach der Installation keine Überraschungen einstellen, weder im technischen noch im wirtschaftlichen Bereich. „What we plan is what you get” nennt Dallmeier diesen Ansatz. Neben den technischen Vorteilen, die Panomera® bietet, überzeugten den Kunden die durch die 3D-Visualisierung erreichte Planungssicherheit und Dallmeier erhielt Ende 2017 den Zuschlag für die Umsetzung des Projektes.

Testlauf im Echtbetrieb im Dallmeier FAT-Centre

Vor der Installation durchlief die geplante Lösung den Dallmeier Factory Acceptance Test im Regensburger FAT-Centre. Sämtliche Komponenten wurden dort zusammengestellt und die finale Umgebung im Live-Betrieb getestet. Zum FAT-Centre Test war auch KH Servis zur Schulung in Regensburg, um für die Vor-Ort-Installation vorbereitet zu sein und sich gleichzeitig vom reibungslosen Betrieb des Systems zu überzeugen.

Beobachtung und Intervention

Mit der Installation der Multifocal-Sensorsysteme wurde der Wunsch nach erhöhter Sicherheit und Interventionsmöglichkeiten umgesetzt. Die Kameras dienen zur Beobachtung von Situationen und sorgen im Bedarfsfall für ein schnelles Eingreifen, aber auch für eine schnelle Aufklärung von Vorkommnissen. Im Falle von Straftaten kann das Videomaterial separat als Beweismittel abgespeichert werden.

Besondere Herausforderung: Der Denkmalschutz

Beide Plätze sind gesäumt von denkmalgeschützten Gebäuden, nicht immer war die Anbringung der Panomera® Kameras dort möglich, wo vorher Single-Sensor Kameras hingen und somit „alte“ Montagepunkte genutzt werden konnten. Die Zustimmung von Immobilieninhabern für die Montage der Kameras war notwendig, konnte aber für alle neuen Installationspunkte erfolgreich erreicht werden.

Fazit

Das Fazit des Dallmeier Integrationspartners KH Servis in Prag: „Wir haben hochprofessionell zusammengearbeitet, nicht nur die Qualität der Systeme und des Bildmaterials, sondern auch die überzeugende Planungsphase mit der damit einhergehenden Planungssicherheit hat die Stadtverwaltung und die Kriminalpolizei letztendlich von der Dallmeier-Lösung überzeugt.“

-PM Dallmeier-

 

© Genetec Inc., 2021

Genetec: Neue Airport Badging Solution für Security Center automatisiert Ausweisverwaltung

Genetec, führender Technologie-Anbieter für vereinheitlichtes Sicherheitsmanagement, öffentliche Sicherheit und Business Intelligence, präsentiert mit der Genetec™ Airport Badging Solution (ABS) für Security Center ein schlüsselfertiges System, um die Erstellung und Verwaltung von Ausweisen für Mitarbeiter von Flughäfen oder Fluglinien sowie externen Dienstleistern zu automatisieren.
Darüber hinaus unterstützt die Lösung Flughäfen jeder Größe dabei, die Vorschriften bei der Ausweiserstellung einzuhalten und sich vor hohen Geldstrafen zu schützen.

Schlüsselfertige Lösung für individuelle Anforderungen

Die Security Center Airport Badging Solution ist ein Novum in der Branche. Sie ist einfach zu installieren, sofort einsetzbar und entlastet die für die Ausweiserstellung und -verwaltung zuständigen Abteilungen von Beginn an. Als Teil der vereinheitlichten Sicherheitsplattform Genetec Security Center muss ABS nicht mit mehreren verschiedenen Systemen arbeiten, was mögliche Inkompatibilitätsprobleme minimiert und vor menschlichen Fehlern schützt, die beim Arbeiten mit unterschiedlichen Systemen und manueller Verarbeitung einhergehen.

„Um ihren Badging-Prozess und die Überprüfung von Mitarbeitern intern zu verwalten, mussten einige Flughäfen auf eine Vielzahl verschiedener Systeme zurückgreifen. Andere entschieden sich für komplexe Identity-Management-Systeme (IDMS), die allerdings vorwiegend für größere Flughäfen konzipiert wurden“, sagt David Lenot, Critical Infrastructure Practice Lead bei Genetec. „Zwar ermöglichen beide Lösungen die Einhaltung von Vorschriften, führen aber zu ineffizienten Prozessen. ABS trägt dazu bei, menschliche Fehler zu reduzieren, die durch die Verwaltung mehrerer, autark arbeitender Systeme auftreten können. Gleichzeitig verzichtet unsere Lösung auf die Komplexität großer Identitätsmanagementsysteme.“

Kosten sparen, Fehler vermeiden

ABS rationalisiert und automatisiert Ausweiskontrollverfahren innerhalb der vereinheitlichten physischen Sicherheitsplattform Genetec ™ Security Center. Das Design des Systems ist speziell auf die behördlichen Regulierungen des jeweiligen Landes ausgerichtet. Zudem erfüllt es alle Voraussetzungen für Standards und Besonderheiten von Sicherheitsüberprüfungsdiensten sowie Clearingstellen. Alle Daten und Informationen werden direkt im richtigen Format bereitgestellt, um Anträge von Mitarbeitern einzureichen, zu bearbeiten und so die Audit- und Compliance-Vorgaben von Behörden und Institutionen wie eine regelmäßige Identitiätsprüfung mittels Repback-Prozess zu erfüllen. 
Alle relevanten Daten auf dem Ausweis des Antragstellers werden im System gesammelt und gespeichert. Zur besseren Übersicht bietet Security Center benutzerdefinierte Dashboards an. Sie ermöglichen Einblicke in den Status von Antragstellern in Echtzeit sowie den Prozentsatz der nicht abgeholten Ausweise. Damit erhalten Flughafenverantwortliche alle Informationen, um schnelle und fundierte Entscheidungen in Bezug auf die Einhaltung von Prüfungs- und Compliance-Vorschriften treffen zu können.

Badging Solution auch für andere Branchen verfügbar

Die neue Lösung von Genetec eignets sich neben dem Einsatz in Flughäfen auch für andere Branchen. Besonders kritische Infrastrukturen, Behörden und Organisationen für öffentliche Sicherheit, Finanzinstitutionen sowie Unternehmen mit hochsensibler Forschungs- und Entwicklungsarbeit profitieren von einer Lösung für vereinheitlichtes und effizientes Ausweismanagement.

-PM Genetec-

 

Tägliche Kommunikation via Chat mit dem Handy
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Statement zur geplanten „Chatkontrolle“ der EU-Kommission

Die EU-Kommission arbeitet aktuell an einem Gesetzespaket zur anlasslosen Massenüberwachung, das vorgeblich der Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch und der Verbreitung von Kinderpornographie im Internet dienen soll.*

Demnach sollen alle Anbieter von Kommunikationsdiensten verpflichtet werden, den Inhalt sämtlicher Nachrichten aller Bürger:innen anlasslos zu überwachen und zu scannen, selbst wenn die Kommunikation bisher sicher Ende-zu-Ende verschlüsselt ist. Laut EU soll hierfür der Einsatz von Tools zur Nachrichten- und Chatkontrolle verpflichtend werden. 

Peer Heinlein, Geschäftsführer des sicheren E-Mail-Anbieters mailbox.org, sieht diese Form der Massenüberwachung als Gefahr für die Privatsphäre und Meinungsfreiheit:

Es ist erschreckend, wie der an sich notwendige und richtige Kampf gegen Kinderpornographie missbraucht wird, um unter diesem Deckmantel ein viel weitergehendes, allgemeineres Ziel zu verfolgen. Die aktuelle Gesetzesinitiative hat in Wirklichkeit nichts weniger im Sinn, als die grundgesetzlich geschützte, private und sichere Kommunikation weiter auszuhöhlen und die Tür hin zu Massenüberwachung per künstlicher Intelligenz wieder einmal weiter aufzustoßen. 

Und erneut wird im Windschatten der aufgeregt geführten Diskussion versucht, die Abschaffung der sicheren, vollverschlüsselten Kommunikation voranzutreiben. Getreu dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein. Kein Wunder, dass IT-Fachleute wie Opferverbände einig vor dem vorliegenden Gesetzesentwurf warnen und ihn als gefährlich und kontraproduktiv brandmarken.

 

 *Quellen:

https://ec.europa.eu/home-affairs/policies/internal-security/child-sexual-abuse_de
https://ec.europa.eu/commission/commissioners/2019-2024/johansson/blog/fighting-child-sexual-abuse-have-your-say_en

 

THW-Präsident Gerd Friedsam (links) und BBK-Präsident Armin Schuster (rechts) während der Pressekonferenz in Bonn.
© Jachewicz/THW

BBK und THW bieten Bundesländern Unterstützung in Pandemie 

Die Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster, und des Technisches Hilfswerks, Gerd Friedsam, haben heute den Bundesländern gemeinsam angeboten, in der sich aktuell zuspitzenden Lage in der Pandemie zur Bewältigung auch die Unterstützungsmöglichkeiten des Bundes anzufordern. 

Armin Schuster: „Wir sind der tiefen Überzeugung, dass die Krisenbewältigung eine gemeinschaftliche Aufgabe zwischen Bund und Ländern ist. Deshalb bieten wir den Ländern nun alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Bewältigung der 4. Welle der Corona-Pandemie an. Das BBK tut das vor allem über die Einsatzkoordination von Engpassressourcen bei der Verlegung von Intensivpatienten und mit Bundesressourcen für mobile Einheiten wie etwa Großraumzelte oder Impfcontainer, die für Betreuung und medizinische Hilfe im Kriegsfall vorgehalten werden. Sofern wir nun alle gemeinsam unsere zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel gezielt und planvoll zum Einsatz bringen, können gerade die Bevölkerungsschützer, die Hilfsorganisationen, das THW, aber auch die Feuerwehren einen weiteren existentiellen Beitrag zur Bewältigung dieser riesigen Herausforderung leisten.“

Einsatzkoordination von Engpassressourcen 

Bund und Länder haben das Konzept der Kleeblätter entwickelt. Innerhalb dieser Gebiete verlegen sie bei Bedarf Intensivpatienten. Das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) von Bund und Ländern im BBK unterstützt bei der bundesweiten Verlegung von Intensivpatienten über die Grenzen der Kleeblattbereiche hinaus. Auf Anfrage vermittelt das Lagezentrum Intensivtransporthubschrauber, Ambulanzflugzeuge und MedEvak-Flugzeuge. Das System hat sich etabliert und ist bereits im vergangenen Winter zum Einsatz gekommen. 

Um Lastspitzen bei der Bereitstellung von Infrastruktur zum Impfen kurzfristig abdecken zu können, kann der Bund mobile Betreuungsmodule des Pilotprojektes „Labor Betreuung 5000“ bereitstellen. Das BBK entwickelte das Projekt nach der Flüchtlingskrise gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz als Hauptprojektpartner und den weiteren Hilfsorganisationen entwickelt. Dazu gehören etwa Großraumzelte, mobile Arztpraxen und Multifunktionszellen (Container mit kompletter Infrastruktur wie Strom). 

Auch die Geräte und Materialien der 61 Medizinischen Task Forces (MTF) des Bundes stehen für den Einsatz gegen die Pandemie zur Verfügung. Krankenwagen und Gerätewagen Sanität der MTF des Bundes können durch Länder und Kreise beispielsweise eingesetzt werden für den Aufbau von mobilen Impf- und Teststellen.  Insgesamt sind es rund 966 Krankenwagen und 464 Gerätewagen Sanität, die den Ländern für den Einsatz bereitstehen.

THW stellt Logistik und Personal zur Verfügung

Das Technische Hilfswerk bietet Unterstützungsleistung für den (Wieder-)Aufbau von Impfzentren, Corona-Teststationen und Hygienestationen. Außerdem werden mobile Impfstationen durch das THW aufgebaut, um die Impfkapazitäten wieder hochzufahren. Krankenstationen, Alten- und Pflegeheime sollen aus- und umgebaut werden.

-PM BBK-

 

Innentüren und Büros werden an den Denner Verwaltungsstandorten mit dem elektronischen Kurzbeschlag XS4 Mini gesichert.
© SALTO Systems

Einheitliche SALTO Zutrittslösung für die Verwaltungsstandorte der Denner AG

Die Denner AG, drittgrößter Einzelhändler der Schweiz, hat ihre mechanischen Schließsysteme abgelöst und setzt nun eine über alle Verwaltungsstandorte einheitliche Zutrittslösung von SALTO ein.

Derzeit sind bei der Denner AG rund 350 Zutrittspunkte mit der neuen Zutrittskontrolle ausgestattet. An Außentüren und sicherheitsrelevanten Türen kommen über BLUEnet funkvernetzte XS4 One Langschildbeschläge zum Einsatz. Innentüren und Büros werden von XS4 Mini Kurzbeschlägen gesichert. SALTO Online-Wandleser samt Steuerungen verrichten an Haupteingängen und automatischen Türsystemen ihren Dienst. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und generellen physischen IT-Sicherheit verwendet Denner elektronische SALTO Neo Zylinder an Server-Racks und bindet sie auf diese Weise in das einheitliche Zutrittsmanagement ein. An den Zufahrten zu den Tiefgaragen sind Weitbereichsleser installiert.

Die Systemarchitektur bei der Denner AG besteht aus Funkvernetzung (SALTO BLUEnet) und virtuellem Netzwerk (SALTO Virtual Network, SVN), die nahtlos ineinandergreifen. Die momentan ca. 2.000 Nutzer verwaltet der Einzelhändler mit der Managementsoftware ProAccess SPACE von SALTO. Damit die Verteilzentren und Niederlassungen die Standortberechtigungen eigenständig vergeben können, setzt Denner die Mandantenfunktion (Partitions) für mehrere Standorte und Personengruppen ein.

Elektronischer SALTO Neo Zylinder sichert den Kassenbereich in einer Denner-Filiale.
© SALTO Systems

Entscheidend für die Wahl von SALTO war die einwandfreie Funktion des virtuellen Netzwerks. Ferner hat die Software überzeugt, die dank der klar strukturierten Oberflächen einfach zu bedienen ist und damit den Aufwand der Zutrittsverwaltung erheblich verringert. Außerdem unterstützt die ID-Technologie MIFARE DESFire EV2 die gewünschte Multiapplikation.

Insgesamt verbessert die neue Zutrittslösung spürbar die Sicherheit und steigert die Effizienz, sodass Schlüsselverluste praktisch keine Bedeutung mehr haben und keine Sicherheitslücke mehr darstellen. Überdies konnte der Einzelhändler dank des Lizenzmodells der Software, des geringeren Verwaltungsaufwands und des Wegfalls der Folgekosten der Mechanik die Lebenszykluskosten des Zutrittsmanagements deutlich senken.

Denner blickt auf eine über 150-jährige Geschichte zurück. Was 1860 mit einem kleinen Laden begonnen hat, ist heute der führende Discounter und drittgrößte Einzelhändler der Schweiz. In rund 838 Denner Verkaufsstellen erwartet die Kunden ein ausgewogenes und frisches Sortiment an Lebensmitteln, Artikeln für den täglichen Bedarf und ein wöchentlich wechselndes Aktionsangebot. Auch Weinliebhaber kommen auf ihre Kosten mit einem Sortiment mit mehr als 350 Weinen aus den verschiedensten Provenienzen.

-PM SALTO-

 

Leonardo DiCaprio and the real Frank Abagnale Jr.
© By DreamWorks - [1] From the production of US American movie Catch Me If You Can, Fair use, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=8271538

Sicherheit durch Biometrie - Eine neue Perspektive

Von Oliver Krist

Erinnern Sie sich an den jungen Leonardo DiCaprio, der 2002 in Stephen Spielbergs Gaunerkomödie als Betrüger Frank Abagnale gejagt vom FBI in schicker Pilotenuniform die Welt bereiste?

Tatsächlich hat Frank Abagnale im zarten Alter von 16 Jahren seine Identität verändert. Er datierte das Geburtsdatum in seinem Führerschein um zehn Jahre zurück, um glaubwürdiger zu wirken. Dann fälschte er mit zunehmendem Aufwand Schecks und bestritt so seinen Lebensunterhalt. Als ihm das FBI auf die Schliche kam, wurde es in seinem Wirkungskreis New York eng. Er musste also seinen Aktionsradius vergrößern, was ihm mit einer weiteren Manipulation seiner Identität gelang. Eine Pilotenuniform verschaffte ihm weitere Glaubwürdigkeit. Er konnte damit leicht sogenannte Dead-Head-Flüge dazu nutzen, seinen Häschern zu entkommen. Gleichzeitig nutzte er die „optimierte“ Identität um sein Kerngeschäft, den Scheckbetrug, zu optimieren und zu vergrößern. Bis er 1969 in Frankreich gefasst wurde, hatte er in allen 50 Bundesstaaten der USA sowie in 26 weiteren Ländern einen Schaden von insgesamt rund 2,5 Millionen US-Dollar verursacht.

Sein Straferlass in 1974 ging einher mit einem Deal mit dem FBI. Er sollte sein Wissen bis zum eigentlichen Ende seiner Haftzeit dem Dienst zur Verfügung stellen. Tatsächlich tut er das bis heute und warnt dabei eindringlich, dass die Fälschungen, die er in den 60ern getan hat, heute viele tausend Mail einfacher durchzuführen sind. Die wenigsten von uns werden das bezweifeln.

Blicken wir nun in die Gegenwart. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) befindet in seinem jüngsten Bericht zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschland diese als "angespannt bis kritisch". Dabei ist die Informationstechnologie für unsere moderne Gesellschaft so elementar wie etwa die Strom- oder medizinische Versorgung. Die Tragweite der Angriffe und Bedrohung ist also imens. Ein Beispiel:

Am 18. Oktober 2021 wurde öffentlich, dass Hacker in die IT der Argentinischen Regierung eingebrochen waren. Sie stahlen die Identitätsdetails der gesamten Bevölkerung. Zum Beweis des Erfolges der Aktion wurden die Ausweisfotos und persönlichen Daten von Lionel Messi und 43 weiteren Persönlichkeiten unter @AnibalLeaks auf Twitter veröffentlicht.

Besondere Dramatik: Der typische Angriff auf Unternehmensdaten findet oft zweistufig statt. Zunächst werden umfangreich unternehmenskritische Daten verschlüsselt und die Entschlüsselung gegen eine Lösegeldzahlung erpresst. Fruchtet dies nicht, drohen die Cyberkriminellen anschließend mit der Veröffentlichung der Daten. So legte Anfang November ein Verschlüsselungstrojaner angeblich Tausende Server bei MediaMarkt und Saturn lahm. Zum Glück für das Unternehmen meldete Europol unmittelbar nach dem Erpressungsversuch die Festnahme mehrerer Täter.

Und beinahe täglich erreichen uns Schlagzeilen über gefälschte Impfzertifikate, die für ein paar hundert Euro im Internet angeboten werden. Dies stellt freilich eine komplett neue Bedrohung dar, nämlich die eingeschränkte Wirksamkeit der Pandemiebekämpfung und daher schlichtweg ein Risiko für unser aller Gesundheit.

Aber auch die klassischen Datendiebstähle betreffen jeden Einzelnen. Diebe von Massendaten verwahren diese üblicherweise drei bis vier Jahre, bevor sie zur Nutzung kommen. Gestohlene Kreditkartendaten sind dabei eine harmlose Bedrohung. Ist der Diebstahl dem Benutzer bekannt, kann er die Karte einfach sperren. Es verbleiben überschaubarer Ärger und Aufwand. Eine gestohlene Identität hingegen, eventuell angereichert mit einem Frontfoto aus einer anderen Goldgrube für Hacker, den sozialen Netzwerken, ist weit schwerwiegender. Vermögensschäden jeder Art sind Folgerisiken. Zumal die Betroffenen nicht wissen, wann und wo die Daten missbräuchlich zum Einsatz kommen. Und die Möglichkeiten für die Diebe sind vielfältig, ist unsere Identität doch der primäre Schlüssel zu unseren Bankkonten und Depots, Onlinediensten, Versorgungsunternehmen, Behördenleistungen uvm. Wir haben also genügend Anlass und hoffentlich auch Motivation, uns über den Schutz unserer Daten und Applikationen nachhaltig Gedanken zu machen.

Nun ist das populärste Mittel hierfür nach wie vor die Kombination aus Benutzername und Passwort, idealerweise individuell für jeden Dienst und zusätzlich komplex, also aus einer beliebigen Mischung aus Sonderzeichen, Buchstaben und Ziffern. Um sich die Vielzahl der nun notwendigen Kombinationen aus Benutzernamen und Passwort nicht merken zu müssen, eignen sich der Einsatz von Passwort-Safes wie 1Password, LastPass, SafeInCloud, DashLane, etc.. Und dennoch, Passwörter werden gestohlen und missbräuchlich genutzt. Laut World Economic Forum sind schwache oder gestohlene Passwörter weltweit für etwa vier von fünf Datenlecks verantwortlich. Kein Wunder, handelt es sich doch um eine Methode, die die alten Römer bereits kannten. Als technisches Werkzeug gibt es das Passwort bereits seit 1964.

Wie wäre es nun, Benutzername und Passwort komplett zu ersetzen, also stattdessen passwortlose Technologien einzusetzen? Alleine aus Sicht der IT-Betriebskosten scheint die Idee sinnvoll. Laut Forester Research betragen die Personalkosten für ein einzelnes Passwort-Zurücksetzen 70 US-Dollar. Der Pioneer in der passwortlosen Authentifizierung Trusona bietet beispielsweise Lösungen für den App-gestützten sicheren Zugang zu zahlreichen Anwendungen und Diensten ohne Verwendung von Benutzername und Passwort an.

Businessman hand chooses IT wording on interface screen. internet technology service concept. can used for cover page presentation and web banner.
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Die Hersteller von Smartphones und Tablets begegnen dieser Herausforderung mit dem Einbau von Fingerabdruck-, Gesicht- oder Stimmerkennung zur Entsperrung von Gerät und installierten Apps. Microsoft baut hierzu Hello in sein Windows-Betriebssystem ein. Doch wiederum stellt sich die Frage nach der Sicherheit. Diese gilt es aus diversen Blickwinkeln kritisch zu betrachten. Kann die Gesichtserkennung mit einem Foto überlistet werden? Wissen Sie, ob Ihr Smartphone eine 2D- oder eine 3D-Gesichtserkennung verwendet? Kommt zusätzlich eine Infrarot-Unterstützung für schlechte Lichtverhältnisse zum Tragen? Kann mit einem von einem anderweitig berührten Gegenstand "gestohlener" Fingerabdruck der Fingerabdrucksensor des Gerätes ausgetrickst werden? Und was nutzt die ausgereifteste dieser Methoden, wenn als Rückfall wieder eine Entsperrung per PIN, Muster oder eben auch per Passwort dient, die allesamt eben ausgespäht werden können?

Eine weitere Schwachstelle der zuvor genannten Lösungen ist die Tatsache, dass sie auf Geräte laufen, die mehr oder weniger dauerhaft online sind. Und genau diesen Kanal machen sich Cyberkriminelle für Ihre Angriffe zunutze und stehlen - während eines vom Besitzer unbemerkten Zugriffs aus dem Netz - die auf dem Gerät typischerweise schlecht geschützten Zugangsschlüssel.

Überraschend unbekannt und doch ein weit verbreitetes Angriffsszenario ist das SIM-Swapping. Hierbei verwendet der Hacker die Mobiltelefonnummer des Opfers, um dessen Online-Identität anzunehmen. Konkret verschafft sich der Betrüger zunächst persönliche Daten seines Opfers, um sich als dieses beim Mobilfunkprovider eine Ersatz-SIM-Karte zu erschleichen. Mit der auf diese Weise gekaperten Mobiltelefonnummer des Opfers kann der Betrüger nun an diese Nummer gekoppelte Applikationen (z.B. Banking-Apps) verwenden oder Passwortrücksetzungen vornehmen, die Einmal-Passworte per SMS verwenden. Für Crypto Assets scheint diese Betrugsmethode besonders lukrativ. Der Crypto-Investor Michael Terpin wurde um 24 Millionen US Dollar durch einen SIM-Swapping Angriff bestohlen, mittlerweile jedoch per Gerichtsurteil von seinem Provider AT&T entschädigt. In einem anderen Fall übernahmen Hacker den Twitter-Account des (kürzlich zurückgetretenen) Twitter-Chefs JackDorsey und posteten in seinem Namen beleidigende Kommentare.

SIM swapping
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Wir kommen wir also nicht umhin, über den Einsatz eines getrennten Gerätes nachzudenken. Ein Gerät, das ausschließlich der Sicherheit dient und keine Daten enthält, zudem offline, also nicht mit dem Internet verbunden ist. Dies könnte ein USB-Stick oder eine Smartcard zur Erzeugung von Einmalpasswörtern sein, idealerweise biometrisch durch einen Fingerabdruckleser geschützt. Beispiele hierfür sind manche Modelle des YubiKey oder die Smartcards von TrustSec oder Quardlock, die per Fingerabdruck passwortlose Authentifizierungen ermöglichen. Entweder batterielos als USB-Stick für den PC (YubiKey) oder flexibel per Smartcard mit NFC (TruSec) oder gar zusätzlich per Einmalpasswort auf dem Display mit wiederaufladbarem Akku (Quardlock), idealerweise abgesichert durch serverseitige Mechanismen zur sicheren Verfizierung der erzeugten Einmalcodes, wie durch den Quardlock Authentication Server.

Nun sind jedoch die Methoden der biometrischen Absicherung von persönlichen Daten höchst unterschiedlich. Hierzu zwei Beispiele:
Für Ihren Personalausweis ist seit August 2021 die Abgabe von Fingerabdrücken verpflichtend. Spätestens wenn sie also einen neuen Personalausweis beantragen müssen, sind Sie von dieser Neuregelung betroffen. Die biometrischen Daten sind im Personalausweis vollständig gespeichert. Das Auslesen derselben dient offiziell ausschließlich der Identitätsfeststellung und soll nur einigen staatlichen Behörden (Polizeivollzugsbehörden, Zollverwaltung, Steuerfahndungsstellen sowie Personalausweis-, Pass- und Meldebehörden) erlaubt sein. Für andere Anwendungen, z.B. beim Online-Shopping wird der Fingerabdruck die automatische Bereitstellung von persönlichen Daten absichern.

Biometric FIDO 2 SmartCard
© TrustSec

Quardlock geht mit seiner Advanced Card hier einen komplett anderen Weg. Ein paar geometrische Merkmale der Fingerabdrücke im Secure Element der Karte werden dazu verwendet, noch in diesem Chip einen dynamischen Schlüssel zu erzeugen. Dieser wird erneut verschlüsselt, bevor er das Secure Element verlässt, um dann einmalig verwendet zu werden. Weder biometrische noch andere persönliche Daten verlassen jemals die Karte, sie sind nicht einmal vollständig darauf hinterlegt.

Biometrische Quardlock Advanced Card mit OTP-Display
© Quardlock ApS

Dieser Ansatz scheint aktuell der sicherste zu sein. Mit der geringen Komforteinbuße, ein weiteres Gerät einsetzen zu müssen. Das liebgewonnene Smartphone alleine reicht nicht mehr aus. Das sollte uns der Zugewinn an Sicherheit wert sein! Die Anwendungsfälle sind jedenfalls zahlreich. Im Unternehmen kann die Lösung als Mitarbeiterausweis dienen, der morgens die Tür öffnet, die Anmeldung am PC und Unternehmensanwendungen ermöglicht, digitale Freigaben gestattet, die Bezahlung in der Kantine authorisiert uvm.. Für Online-Banking-Kunden wird der Zugang zum Konto und die Authorisierung von Transaktionen deutlich sicherer. Das Risiko des Verlustes von Crypto-Assets wird deutlich reduziert. Sicherheitspersonal kann effektiver und dennoch schnell überprüft werden. Zugänge zu kritische Infrastrukturen im zivilen und militärischen Bereich lassen sich besser absichern. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

 

Größere illegale Indoor-Plantage, die von der Polizei entdeckt wurde
© Von West Midlands Police - https://www.flickr.com/photos/westmidlandspolice/6732302175/, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23206938

Kiffen gegen Corona

Von Steffen Meltzer

Eines schönen Tages erreichte mich der Anruf einer Lehrerin, ob ich organisieren könnte, dass polizeiliche Drogenspürhunde vor den versammelten Schülern und Lehrern auf dem Schulhof einige Ausbildungselemente vorführen.

„Kann ich absprechen, machen die bestimmt gern“, so meine zustimmende Antwort am Telefon. Wir unterhielten uns noch eine kleine Weile über den möglichen Ablauf, bis die Pädagogin plötzlich stockte und mit hoher Stimme fragte: Was machen wir eigentlich, wenn einer der Hunde bei einem der Schüler Drogen feststellt? Meine Antwort war: Die Polizei ist dann von Amtswegen verpflichtet, alle strafprozessualen Maßnahmen einzuleiten. Kurzum, das Gespräch fand ein schnelles Ende, sie hat sich nie mehr bezüglich der Suchtmittelspürhunde gemeldet. Nicht nur in Brandenburg pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass es an vielen Schulen mehr oder minder geduldete Treffpunkte gibt, an denen die Schüler in den Pausen ihre Tüten rauchen.

Dem will jetzt die Ampel-Koalition mit einer Legalisierungsinitiative Abhilfe schaffen. Raus aus dem ambivalenten Drogen-Schlamassel. Nur das könne den Kinder- und Jugendschutz betreffend Cannabis-“Konsum“ garantieren.

Ich bin kein Mediziner, und mir persönlich ist es egal, ob ein gesunder und stabiler Erwachsener zum Beispiel zweimal in der Woche irgendwo seinen Joint raucht, wenn es denn erlaubt ist. Bei der Einnahme von legalen und illegalen Drogen trifft man auf eine merkwürdige Moral: Die Kettenraucher schauen abschätzig auf die Alkoholiker und diese wiederum auf die Personen, die sich illegale Drogen antun. Dabei kann jede Art von Sucht lebensgefährlich sein und sich vorzüglich dazu eignen, sein Leben zu ruinieren oder gar einen Suizid auf Raten zu begehen. Das gelingt jedoch beispielsweise auch durch Medikamentenmissbrauch, regelmäßiges Schnüffeln von Lacken oder den Verzehr von Teilen einheimischer Wildgewächse, die ganz legal in unseren Breitengraden gedeihen. Verbotsverfügungen wären hier sinnlos, da sich zum Beispiel die Tollkirsche oder der Stechapfel nicht daran halten würden. Da wir aber in Deutschland sind, weiß man nie, wie sich die Lage noch entwickelt.

Ahnungslose Lehrer

Mit Drogen ist es im Prinzip einfach. Was erlaubt ist, darf konsumiert werden, die Menge ist individuell eigenverantwortlich festzulegen. Das ist wie mit scharfen Schusswaffen oder schnellen Autos: In den richtigen Händen richten sie keine Schäden an, in den falschen sind sie tödlich.

Eine gewisse Sehnsucht nach dem Rausch scheint dem Homo sapiens seit vielen tausend Jahren als Grundbedürfnis immanent zu sein, wie die Geschichte uns lehrt. Völlige Alkoholabstinenz soll dagegen lebensverkürzend sein. Viele Erwachsene kennen sich bestens mit den verbotenen Früchten vom Baum der psychedelischen Erkenntnis und deren kunterbunter Farbwelt aus.

Illegale Drogen werden in allen Gesellschaftsschichten eingenommen, vom Herrn Staatssekretär und seinem Polizeiführer angefangen (die sich auch noch erwischen lassen), bis hin zu denen, die schon länger hier leben und/oder dazugekommen sind und ihr Wissen gleich mitgebracht haben. Nicht nur im Görlitzer Park von Berlin.

Immer wieder war mir selbst aufgefallen: Auch in den Schulen hat man spätestens ab dem sechsten Schuljahr mindestens einen Schüler in jeder Klasse sitzen, der als „anerkannter Experte“ Ansprechpartner für die anderen Schüler ist. Die Ahnungslosen sind hier eher die Lehrer.

Hungern oder Kiffen für die „neue Freiheit“?

Wenn in Zeiten strengster Corona-Maßnahmen, die bekanntermaßen mit massiven Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten verbunden sind, plötzlich von einer geplanten Cannabis-Legalisierung die Rede ist, muss zu Recht aufgehorcht werden. In anderen Bereichen ist man nicht mehr ganz so freiheitsliebend. Die Hessische Landesregierung – mit grüner Beteiligung! – hat bereits die optionale 2G-Regel für die Lebensmittelmärkte ermöglicht. Keine Sorge! Es soll Drogen geben, die auch den Hunger gut zügeln können. „Abnehmen mit Ecstasy!“ klärte mich einst auf einer Veranstaltung eine junge Frau aus dem Hintergrund auf. Liebe Kinder, bitte nicht nachmachen! Prävention soll keine Animation sein.

1 g MDMA
© Von Bsteinmann - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2759843

Bündnis90/Grüne führen folgende Gründe für eine Cannabislegalisierung ins Feld:
Durch ein „Cannabiskontrollgesetz“ will man den Verkauf der psychoaktiven Substanz in geordnete Bahnen lenken. In lizenzierten Fachgeschäften sollen an „mündige Erwachsene“ ab 18 Jahren durch geschultes Personal Mengen bis zu 30 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf abgegeben werden. Alternativ wird es Einzelpersonen erlaubt, drei Cannabispflanzen zu besitzen. Dadurch soll die bisherige Kriminalisierung entfallen, die Polizei müsste nicht die gesamte Klaviatur der Strafprozessordnung abarbeiten. Auch die Staatsanwaltschaft erhielte damit zusätzliche freie Ressourcen. Weil die Erwachsenen ab sofort alle brav im Cannabisshop einkaufen würden, gelänge es endlich, den Kinder- und Jugendschutz zu garantieren. Der Schwarzmarkt und die Organisierte Kriminalität (OK) für illegale Drogen wären beseitigt. Die Jugendlichen hätten keine Gelegenheit, sich illegale Drogen zu verschaffen – soweit der grüne Plan. Außerdem würde auf diese Weise verhindert, dass der THC-Gehalt durch Beimischungen von Blei, Glas oder Mehl verfälscht wird.

Es ist nicht alles schlecht, es wird trotzdem nicht funktionieren

Katharina Schulze geht im BR noch einen Schritt weiter. Über die Frage der Fernseh-Moderatorin, „Wenn der 18-Jährige für die ganze minderjährige Partytruppe Cannabis einkauft, wer kontrolliert das?“ geht sie locker im Schnellsprech hinweg und verweist auf die notwendige Drogenprävention. (Die gab es aber schon immer an den Schulen, und dort wo es sie bisher nicht gegeben hat, wird es sie auch dann nicht geben.) Außerdem will sie die Polizei stärken. Bitte was? Die Grüne Jugend würde diese am liebsten entwaffnen oder gleich ganz abschaffen. Man traut seinen Ohren kaum: Eine Grüne verlangt in Deutschland gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, die bei der Organisierten Kriminalität genau hinschauen und die international eng zusammenarbeiten. Das wäre jetzt die To-do-Liste, sagt sie.

Persönlich stehe ich einer Legalisierung gelassen gegenüber. Wir haben es mit einer Parallelwelt zu tun, die nicht einmal mehr im Verborgenen existiert. Sie ist vorhanden, ob erlaubt oder nicht. Rein praktisch gesehen, haben wir heute schon eine faktische Straffreiheit, wenn die Polizei „geringe Mengen zum Eigenbedarf“ feststellt, die von Bundesland zu Bundesland variieren. Man kann sogar „konsumieren“, ohne im Besitz eines Joints zu sein. Eher eine Spielwiese für wendige Advokaten. Drogendelikte sind in der Mehrzahl typische Kontrolldelikte. Die Polizei ist verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben umfangreich abzuarbeiten, die Staatsanwaltschaft hat die Möglichkeit, das Verfahren wegen „Geringfügigkeit“ einzustellen. Davon macht sie oft Gebrauch.

Wer einen Joint gut verträgt, warum soll der keinen rauchen? Ob verboten oder nicht, das Leben hat die Gesetzgebung längst überholt. Ob das gut ist oder nicht, will ich nicht bewerten. Die Ärzte in den Krankenhäusern, die suchtkranke Menschen, darunter auch Opfer von Cannabismissbrauch behandeln, lasse ich hier aus Umfangsgründen nicht zu Wort kommen. Dennoch: Die möglichen Gefahren – zum Beispiel einer Psychose – zur Kenntnis zu nehmen, kann nicht schaden. Drei Bier in der Woche zu trinken, ist auch kein Problem, fünf große täglich ganz bestimmt. Außer Betracht muss leider auch die medizinische Anwendung von Cannabis bleiben, deren Erforschung noch in den Kinderschuhen steckt. Eine ärztliche Verschreibung wäre ohnehin legal.

Es ist allerdings naiv, von den Grünen anzunehmen, mit einer Legalisierung könne man den Schwarzmarkt und die OK trocken legen. Die Niederlande, in denen Cannabisprodukte seit vielen Jahren an Einheimische verkauft werden, beweisen punktgenau das Gegenteil. Die Legalisierung zieht viele Touristen an. Da wird nicht nur der bekannte Kriminalreporter Peter de Vries erschossen, sondern auch der Anwalt eines Belastungszeugen. „Schusswaffen, Handgranaten oder Folter“ sind an der Tagesordnung. Wo sich das Drogenmilieu breit macht, blühen auch Geldwäsche sowie Waffen- und Menschenhandel. Antwerpen, Rotterdam, aber auch Hamburg sind schon jetzt in Europa herausragende Drogenumschlagsplätze. Die antiquierten Zuschreibungen von „harten“ oder „weichen“ Drogen haben sich schon seit vielen Jahren erledigt. Ebenso die Annahme, Cannabis wäre eine Einstiegsdroge. Diverse legale und illegale Drogen ziehen immer andere Drogen und Drogendealer an.

„Kaum kontrollierbares Monster“

Gerrit van de Kamp, der Vorsitzende der (niederländischen) Polizeigewerkschaft, nennt das organisierte Verbrechen in seiner Heimat ein „Monster, das kaum noch kontrolliert werden kann“.
Warum soll das ausgerechnet in Deutschland als klassischem Transitland für die OK anders werden? Zwar könnte man durch Legalisierung Ressourcen freischaufeln, die für die Bekämpfung schwerer Banden- und Drogenkriminalität nötig wäre. Nur wäre das nicht einmal der Tropfen auf den heißen Stein.

Homescreen of EncroChat OS
© By EncroChat - http://www.eurojust.europa.eu/press/PressReleases/Pages/2020/2020-07-02b.aspx, Fair use, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=64505290
Als es Polizeibehörden in den Niederlanden und Frankreich gelang, ein Netzwerk organisierter Drogenbanden mit dem Namen „EnchroChat“ zu knacken, hatte das erhebliche Auswirkungen auf Deutschland. Eine Anfrage von Springers „Welt“ an die Justizministerien der Länder ergab: Allein in Berlin rechnet die Justizverwaltung aktuell mit 650 neuen Verfahren, die in den kommenden Jahren bearbeitet werden müssen. In Hamburg sind es 200 Ermittlungsverfahren mit insgesamt 300 Beschuldigten, in Bremen 143. Auf Schleswig-Holstein kommen 116 Ermittlungsverfahren zu, auf Bayern 38, auf Rheinland-Pfalz 77 und auf Sachsen etwa 70. In Berlin müssen die Behörden 1,6 Millionen Datensätze zusätzlich auswerten.

Aus welchem Land, meinen die Grünen, wird der illegale Cannabis-Bedarf für Deutschland abgedeckt? Zu einem sehr großen Teil aus den Niederlanden. Dorther also, wo man diese Droge legal erwerben kann. Na dann liebe Grüne, rüstet mal die Polizei für die Zukunft auf! Ich bin gespannt.

Kommen wir zur vielgepriesenen „Drogenprävention“. Wer tatsächlich verhindern will, dass Kinder und Jugendliche nicht nur aus Neugierde, sondern zur Frustbewältigung Drogen nehmen, muss deren Gegenwart wieder lebenswert gestalten. Stundenlanges braves Sitzen mit einer behindernden Gesichtsmaske in der Schule, regelmäßige Corona-Tests, monatelange Isolierung von Schule, Freunden und Sportkameraden haben zu einem hohen Anstieg an psychischen Störungen und Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen geführt. Die einzigen tatsächlichen Triagen gab es in den Krankenhäusern der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Cannabiserfahrung hatten im Jahr 2019 bei den 12- bis 17-jährige Jungen: 11 Prozent, bei den 18- bis 25-jährigen Mädchen 18,5 Prozent und bei den 18- bis 25-jährigen Jungs 29 Prozent. Tendenz stark steigend.

Dein Körper gehört Dir!

Jahrelang habe ich beruflich und in meiner Freizeit in Kinder- und Jugendschutzorganisationen den Heranwachsenden beigebracht: „Nur du bestimmst über deinen Körper“. Als die Corona-Krise kam, war mit einem Schlag alles dahin. Kindern musste gesagt werden, sie wären eine Gefahr für ihre Großeltern, diese könnten an Corona sterben, falls sie nicht den Anweisungen der Erwachsenen, der Schule und des Staates Folge leisteten. Kinder sollten und sollen sich impfen lassen, damit sie Erwachsene nicht gefährden, und andere Ungereimtheiten. Eine angstmachende Sau nach der anderen wurde hysterisch in pädagogisch völlig unverantwortlicher Art und Weise durchs Dorf getrieben. So wurden selbst Kinder und Jugendliche bereits sehr frühzeitig motiviert und konditioniert, ihren dysfunktionalen Stress, ihre Ängste und Depressionen auch durch Cannabis o.a. illegale Drogen zu „kompensieren“. Nach einem Bericht des UNO-Kinderhilfswerkes UNICEF, sind Suizide die zweithäufigste Todesursache unter den jungen Menschen in Europa. 19 Prozent der Befragten zwischen 15 und 25 Jahren fühlen sich häufig deprimiert und antriebslos. Die Beendigung der Pandemie wäre deutlich wichtiger als die Legalisierung einer Droge, die sowieso schon im Alltag präsent ist.

Ein sinnvoller Kompromiss wäre es aus meiner Sicht dagegen, den Verfolgungszwang der Polizei bei sogenannten „geringen Mengen zum Eigenbedarf“ aufzuheben. Das würde wertvolle Ressourcen im Öffentlichen Dienst sparen und Kleinstverbraucher nicht unnötig kriminalisieren.

 

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E-ID: So funktioniert der Ausweis auf dem Handy

Die Idee klingt gut: Mit einem einzigen Login online shoppen, Steuererklärungen ausfüllen oder auch Volksinitiativen unterschreiben. Das soll in der Schweiz dank der elektronischen Identität, kurz E-ID, in Zukunft möglich sein.

Doch im März 2021 stoppte ein Volksentscheid das Vorhaben vorläufig; entscheidend hierfür waren insbesondere Bedenken zum Datenschutz. Seither werden Alternativen diskutiert, bei denen die Bedenken der Schweizer stärker berücksichtigt werden sollen. Auch in Deutschland tut sich etwas in puncto digitaler Ausweis: Ab Dezember sollen sich Bürgerinnen und Bürger mithilfe der sogenannten Smart-eID direkt über ihr Smartphone ausweisen können. Wird diesem Konzept mehr Erfolg beschieden sein als dem bisherigen digitalen Personalausweis, dessen Online-Funktionen von gerade einmal sieben Prozent der Bundesbürger genutzt werden? Der Security-Anbieter Nevis geht auf die Thematik rund um die E-ID ein und erläutert, wo der digitale Personalausweis angewendet werden kann.

In Deutschland geht die Einführung der neuen elektronischen Identität gerade in die heiße Phase: Am 1. September ist das Gesetz zur Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises mit einem mobilen Endgerät (Smart-eID-Gesetz) in Kraft getreten. Damit ist die gesetzliche Grundlage geschaffen, sodass der Online-Ausweis – anders als bisher – direkt im Smartphone gespeichert werden kann. Die dafür notwendigen Daten werden einmalig vom Chip des Ausweisdokuments auf das Mobilfunkgerät übertragen und sind fortan in Sekundenschnelle verfügbar. Während es fürs Ausweisen im Internet bisher nötig war, die Ausweis-Chipkarte jedes Mal aufs Neue mit dem Smartphone oder einem Kartenlesegerät auszulesen, entfällt diese Hürde zukünftig; der gesamte Prozess dauert damit nur noch etwa halb so lang.

Die Datensicherheit wird dabei großgeschrieben – dafür sorgt der Anforderungskatalog des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Im Fokus steht die Hardware der Smartphones, denn insbesondere ältere Modelle erfüllen nicht die notwendigen Voraussetzungen zum Schutz der Identitätsdaten. Als Projektpartner des BSI begleitet Samsung die Einführung der Smart-eID; Nutzer des Modells Galaxy S haben schon ab Dezember die Möglichkeit, den neuen Login zu nutzen. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 soll die Mehrzahl der im Handel verfügbaren Smartphones die Funktion ebenfalls unterstützen.

Der Stand in der Schweiz

Ursprünglich sollten in der Schweiz Privatunternehmen im Auftrag des Staats die Herausgabe der E-ID übernehmen. Dieses Konzept ist aber nach dem negativen Votum in der am 7. März 2021 abgehaltenen Volksabstimmung vom Tisch. Die Gegner der Lösung hatten vor allem kritisiert, dass der Staat damit ohne Not eine hoheitliche Aufgabe in private Hände abgeben wolle. Künftig soll die Vergabe der E-ID in der Zuständigkeit des Staates verbleiben.

Die Diskussion um eine alternative Lösung soll bis Ende 2021 abgeschlossen sein. Der Bundesrat hat am 26. Mai 2021 ein Fachgremium aus Vertretern des Justiz- und Polizeidepartements, des Finanzdepartements und der Bundeskanzlei damit beauftragt, ein Grobkonzept für den zukünftigen elektronischen Identitätsnachweis auszuarbeiten. Als Grundlage für eine öffentliche Konsultation am 14. Oktober hat das Bundesamt für Justiz das Dokument „Zielbild E-ID“ vorgelegt. Dieses zeigt auf, welche technischen und internationalen Diskussionen zurzeit im Gang sind und welcher Systemumfang denkbar ist.

Staatliche E-ID oder staatlicher Aufbewahrungsort?

Das Dokument „E-ID-Zielbild“ unterscheidet zwischen verschiedenen möglichen Ambitionsniveaus eines E-ID-„Ökosystems“. Sie sind nicht mit jeder Technologie zu erreichen; deshalb sollte schon zu Beginn geklärt werden, welches Ambitionsniveau angestrebt wird.

Das Ambitionsniveau 1 ist ein rein digital nutzbarer Identitätsausweis mit Login-Funktionalität, welcher vom Bund ausgestellt wird. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen jedoch, dass sich diese limitierte Funktionalität in der Praxis nur schwer etablieren lässt.

Im Ambitionsniveau 2 bildet die E-ID darüber hinaus die Basis für viele weitere staatlich regulierte Ausweise, etwa den Führerausweis.

Das Ambitionsniveau 3 umfasst eine Vielzahl digitaler Nachweise, die sich mit der E-ID verknüpfen lassen, aber auch unabhängig von ihr sein könnten. Aufbewahrt werden diese Nachweise dezentral in einer „elektronischen Wallet“ auf dem Smartphone des Nutzers. Als Instanz zur Beglaubigung der Nachweise dient eine staatliche Stelle, sodass die Vertrauenswürdigkeit der geteilten Informationen stets gesichert ist.

Zur Umsetzung dieser Ambitionsniveaus stehen derzeit im Wesentlichen drei Modelle zur Diskussion, die sowohl bei ihren Grundvoraussetzungen (etwa der zentralen oder dezentralen Datenspeicherung) als auch in der technischen Umsetzung jeweils anderen Ansätzen folgen:

1. Variante: Public-Key-Infrastruktur (PKI)

Im Rahmen der PKI-Lösung stellt der Staat ein signiertes Zertifikat als E-ID aus, welches anschließend von den Benutzerinnen und Benutzern in einer Zertifikats-App verwaltet wird. Das Verfahren basiert auf asymmetrischer Verschlüsselung und bietet einen sicheren und vertraulichen Datenaustausch mithilfe eines kryptographischen Schlüsselpaars. Der User hat bei diesem Ansatz die volle Kontrolle darüber, wo sich seine E-ID-Daten befinden und wem er sie zur Verfügung stellt. Darüber hinaus lässt sich das Verfahren mit langjährig erprobten und stark verbreiteten Technologien umsetzen, ist also sowohl sicher als auch mit geringen technischen Hürden für die Anwender verbunden. Im Vergleich zum SSI-Ansatz (siehe Punkt 3) ist PKI aber weniger datensparsam, da zur Identitätsbestätigung jedes Mal die gesamte E-ID an den Prüfer übergeben werden muss.

2. Variante: Der zentrale IdP-Ansatz

Eine zweite Variante besteht darin, dass der Staat einen Identitätsprovider (IdP) zur Verfügung stellt. Die elektronischen Identitäten werden hierbei in einer zentralen Datenbank gespeichert. Anwender können auf diese Identität mit einem gesicherten Login zugreifen und sich so ausweisen. Dieser Ansatz war in der Schweiz zunächst favorisiert worden, wurde aber von der Bevölkerung abgelehnt, da sie die Mitwirkung staatlich anerkannter, aber privatwirtschaftlicher Identitätsprovider mehrheitlich kritisch sah.

3. Variante: Die selbstbestimmte digitale Identität (SSI)

Bei der dritten möglichen Variante handelt es sich um die sogenannte Self-Sovereign Identity (SSI), also eine selbstbestimmte digitale Identität. Wie der Name bereits andeutet, verwalten die Nutzer bei diesem Modell ihre digitalen Identitäten eigenverantwortlich. Persönliche Daten wie Name, Vorname oder Geburtsdatum werden in einer elektronischen Brieftasche, der sogenannten Wallet, auf dem Mobiltelefon hinterlegt. Beglaubigt sind diese „Verified Credentials“ von einer vertrauenswürdigen Institution – im SSI-Modell wird dafür eine staatliche Stelle zwischengeschaltet. Damit diese Bestätigung reibungslos funktioniert, muss der Staat eine entsprechende digitale Infrastruktur aufbauen – dies könnte der Bund beispielsweise in Zusammenarbeit mit den einzelnen Kantonen umsetzen.

SSI bietet für den Nutzer den Vorteil, dass er jedes Mal aufs Neue entscheiden kann, welche seiner Verified Credentials er zur Verfügung stellt. Übersendet werden dann nur diejenigen Daten, die zum Abschluss der jeweiligen geschäftlichen oder behördlichen Transaktion notwendig sind – so wird auch der Forderung von Datenschützern nach Datensparsamkeit Genüge getan.

Welches Verfahren in der Schweiz zum Zuge kommt, muss im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zwar noch geklärt werden – doch dass eine E-ID-Lösung kommen wird, steht für Stephan Schweizer außer Frage. „Wer beispielsweise heute online ein Bankkonto eröffnet, muss seine Identität mit einem ID-Scan oder einem Videochat beweisen. Aus Benutzersicht müssen diese Prozesse mehrfach, beispielsweise für jede Bankbeziehung, durchlaufen werden. Außerdem sind solche Prozesse auch aus Sicht des Bankinstituts relativ teuer“, so Schweizer. „Deshalb wäre eine staatliche E-ID basierend auf SSI für Banken attraktiv. Sie liefert eine gesetzeskonforme Basisidentität und bietet dadurch ein sehr großes Sparpotenzial. Zudem ist die elektronische Identität auch für den Bürger schneller und einfacher zu handhaben als etwa eine Video-Identifikation. Grundsätzlich lassen sich diese Überlegungen auf viele Wirtschaftsbereiche sowie auf die Verwaltung übertragen.“

-PM Nevis-

 

häusliche Gewalt
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Gewaltschutz in der Pandemie – Frauenhausstatistik 2020

Frauenhauskoordinierung e.V. veröffentlicht bundesweite Frauenhausstatistik

Anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November gab Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) mit der Statistik „Frauenhäuser und ihre Bewohner_innen“ Einblick in die Lage der deutschen Frauenhäuser im Pandemiejahr 2020.

Diese hielten ihre Unterstützungsangebote 2020 auch über Lockdowns hinweg weitgehend aufrecht. So fanden in den 182 teilnehmenden Frauenhäusern 6614 Frauen sowie 7676 Kinder Schutz. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen leichten Rückgang um 431 Frauen.

„Das ist besorgniserregend, weil wir wissen, dass in den Lockdowns das Risiko häuslicher Gewalt erhöht war, und gleichzeitig wichtige Außenkontakte und Frühwarnsysteme weggefallen sind“, erklärt FHK-Geschäftsführerin Heike Herold. Neben dem erschwerten Zugang zu Unterstützung spielen für die Entwicklung u.a. auch Platzreduzierungen zur Einhaltung von Hygieneregeln sowie Aufnahmestopps bei Corona-Verdachtsfällen eine Rolle.
Die Frauenhaus-Statistik 2020 bestätigt außerdem das Fortbestehen vielzähliger Probleme im Gewaltschutz, die sich im Pandemiekontext z.T. weiter zuspitzten: Wie in den Vorjahren fanden mehr Kinder als Frauen in den Einrichtungen Zuflucht, etwa 3000 davon im schulfähigen Alter mit Home-Schooling-Bedarf. Auch jenseits von Corona sind jedoch viele Frauenhäuser nicht mit ausreichend Mitteln für Kinderbetreuung ausgestattet. Weiterhin setzt sich die seit Jahren zunehmende Verweildauer von Frauen u.a. aufgrund schwieriger Wohnungsmarktlagen fort. Und nach wie vor müssen 25% aller Bewohner_innen die Kosten für ihren Schutzplatz ganz oder teilweise selbst tragen.

„Das Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen ist seit Jahrzehnten auf Kante genäht. Entsprechend darf die öffentliche Aufmerksamkeit, die häusliche Gewalt seit Pandemiebeginn erfahren hat, nicht einfach wieder abebben“, so Herold. „Gewalt gegen Frauen ist nicht durch den Corona-Virus entstanden und wird nicht mit ihm verschwinden. Unsere Statistik belegt Jahr um Jahr: Das ist eine eigene, menschen-gemachte Pandemie, die bleibt, solange wir nicht konsequent dagegen vorgehen.“

Die Frauenhausstatistik von FHK erfasst als einzige Erhebung jährlich Daten zu Nutzung und Leistungen von Frauenhäusern bundesweit. An der Erhebung beteiligt sich derzeit etwa die Hälfte der Frauenhäuser in Deutschland. Die aktuelle Frauenhaus-Statistik beinhaltet eine Sonderauswertung zu Frauen mit Beeinträchtigungen und steht als Kurzversion sowie als Langfassung kostenfrei zum Download bereit.

-PM Frauenhauskoordinierung e.V.-