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Die rot-weißen Engel vom Steintor

Eine Situationsanalyse von unserem Redaktionsmitglied Klaus Henning Glitza

Benzin liegt in der Luft, wenn sie in dichten Pulks die Fahrbahnen erzittern lassen. So riecht er, der Hauch von Freiheit, Abenteuer – und Illegalität. Wenn sich Hells Angels, Bandidos & Co. auf Deutschlands Straßen zeigen, dann ist immer auch eine Demonstration einer kriminellen Macht. Mafia auf zwei Rädern, das trifft den Kern. „Lupenreine organisierte Kriminalität“, so brachte es Hessens Innenminister Boris Rhein beim jüngsten Verbot von zwei Hells-Angels-Ablegern auf den Punkt. Der Organisierten Kriminalität sind Flügel verliehen worden, die von Höllenengeln und anderen Motorcycle Clubs.

 

Motorradromantik, die pure Freude am unvergleichlichen Harley-Sound, das war einmal. Allenfalls, als die Hells Angels am 17. März 1948 im kalifornischen San Bernardino gegründet wurden, stand noch das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund, vielleicht. Denn schon unter den Gründungsmitgliedern waren überaus raubeinige Gesellen. Kriegsveteranen, denen der Frieden zu langweilig geworden war. Sie wählten den „Deathhead“, den geflügelten Totenkopf, als „Patch“. Der Knochenmann war das Abzeichen der 303. Bomb Group, eines fliegenden Verbandes der U.S. Air Force im Zweiten Weltkrieg. Einsatzziele waren unter anderem Hamburg, Berlin und Dresden gewesen. Da blieb nicht viel übrig bekanntermaßen. Ganz so wie im kleineren Maßstabe nach einem Angel-Besuch der besonderen Art.

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Die Harleys sind heute bei den Ober-Rockern reine Camouflage. Von 0 auf 100 in 3,6 Sekunden, das ist nur noch eine imposante Kulisse. Eine Mogelpackung für Geschäfte der ganz anderen Art. Die Hells Angels und die ihnen sehr ähnlichen „Clubs“ Bandidos, Gremium oder Monguls sind im Grundsatz nichts weiter als Tarnorganisationen der organisierten Kriminalität (OK). Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes hat der Anteil der Rockergruppen an der OK seit 2009 stark zugenommen. „Hauptbetätigungsfelder“: Drogenhandel, Prostitution und Schutzgelderpressung. Gut 70 Prozent der Mitglieder sind vorbestraft, was nicht weiter verwundert.

Es ging niemals ums Motorradfahren oder um die Zusammengehörigkeit, sondern immer nur ums Geschäft", sagt der Aussteiger Ulrich Detrois, eine frühere Rotlichtgröße, die acht Jahre lang unter dem Club-Namen Bad Boy Uli ein „Angel“ war. Und das bedeutet nie, ein Engel gewesen zu sein.

„Ein normaler Biker wird da nie mitmachen, weil er nicht die Zeit und das Geld dafür hat – und nicht jeder will ja kriminell werden“, macht Detrois den Unterschied zwischen Hells Angels & Co. und anderen nicht-kriminellen Clubs deutlich. „Denn jeder normale Familienpapa kauft sich sein Motorrad, geht in einen örtlichen Verein und frönt dort seinem Hobby. Kein Mensch, der einfach nur Motorrad fahren will, geht zu den Hells Angels oder zu vergleichbaren Organisationen“, so der Aussteiger in einem Interview.

„Mit Motorradfahren hatte das alles übrigens gar nichts zu tun“, gab auch ein anderer Aussteiger, Tom P. aus Berlin, zu Protokoll. „Alle für einen, einer für alle, das ist doch nur eine antiquierte Floskel. Jeder macht sein eigenes Ding, es geht nur um den eigenen Nutzen, um Kohle.“

Der Ermittler und stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BdK), Bernd Carstensen, kennt aus den Kreisen der Bandidos sogar Mitglieder, die gar keine Harley besitzen.

Im Positionspapier „Rockerkriminalität“ des BdK wird eine klare Sprache gesprochen: „Polizeirelevante Rockerclubs trifft man heute immer noch in Milieus an, die eine starke Affinität zur Kriminalität haben: Im Rotlichtmilieu oder im Bereich des Drogen- und Waffenhandels. Die Clubs versuchen zugleich parallel, ihren Einfluss auf legale Geschäfts- und Wirtschaftsbereiche wie z.B. das Wach-, Sicherheits- und Speditionsgewerbe, Gastronomie, Tattoo Studios, Schutz von Großveranstaltungen und die Erotikbranche auszubauen. So ist es längst kein Geheimnis mehr, dass große Teile der Türsteherszene in deutschen Großstätten bereits von OMCG's besetzt sind.“

OMCGs, das sind nach internationalem Sprachgebrauch „Outlaw Motorcycle Gangs“. Frei übersetzt „verbrecherische Motorradgruppierungen“. OMCG, das steht für „geschlossene, stark hierarchische Gemeinschaften, wo jeder einzelne sich den Spielregeln wie Befehl und absolutem Gehorsam komplett unterwerfen muss“, wie es im BdK-Positionsspapier heißt. Gute und schlechte Angels, Bandidos, Gremiums oder Mongols gibt es nach dieser Definition nicht. Nur solche, die gehorchen und das tun, was ihre Oberen von ihnen verlangen. Oder das nicht tun - und keine Members sind.

Die Motorradbanden haben ihr eigenes Gesetz, das dem der klassischen Mafia sehr ähnlich ist. Omertà, das Schweigegebot der Sizilianer, gilt auch überall, wo die kriminellen Rocker Fuß gefasst haben. Wer dagegen verstößt, der ist nach diesem ungeschriebenen Gesetz ein toter Mann. Dasselbe Schicksal droht Members, die aussteigen. Im August 2009 wird in Berlin-Hohenschönhausen ein 33-jähriger Rocker erschossen, nachdem er von den Angels zu den Bandidos wechselte.

Besondere Gesetze galten auch fast drei Jahrzehnte lang in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Die Metropole an der Leine war lange Jahre Hells Angels Town. Den Höllenengeln „gehört die Stadt, sie können dort machen, was sie wollen. Politik und Polizei sind im Grunde froh darüber, dass das Milieu in einer Hand ist“, plauderte der Ex-Angel aus dem Nähkästchen.

Am Rande der Schokoladenseite Hannovers liegt das „Steintorviertel“. Mehr ein Rotlichtmeilchen als eine wirkliche Meile. Nicht viel größer als eine der vielen Nebenstraßen der Hamburger Reeperbahn; dennoch in früheren Jahren ein Problembezirk schlimmster Sorte. Eine „kriminogene Zone“, wie es so schön heißt. Hier regierte 28 Jahre lang der „Steintor-König“ Frank Armin Hanebuth. Der „Chef“, wie er sich selbst nennt , „Der Lange“, wie er gerufen wird. Ein fast zwei Meter großer Mann, der bevorzugt mit einem Dodge Pickup umherdüst. 517 PS unter der Haube. Harley? „Erst ab 20 Grad…“. In Bissendorf, einer „1a-Location“ unter den besseren Vororten Hannovers, besitzt er eine schwer gesicherte Villa auf 8.000 Quadratmeter Grund. In seiner Nachbarschaft wohnen Ärzte, Rechtsanwälte, Musiker, Politiker. „Wer etwas zu melden hat in Hannover, der wohnt in Bissendorf“, so wird gesagt.

Hanebuth stammt aus gutem Haus. Der Vater Rektor, die Mutter Sekretärin. In einen geistigen Beruf verschlägt es aber den 1964 in Garbsen-Osterwald geborenen Hünen nicht. Nach einer Lehre wird er Profi-Boxer. Schwergewicht, wie sich versteht. Auf St. Pauli trainiert er im legendären Boxkeller unterhalb der Bar „Zur Ritze. Schon in jungen Jahren, mit 18, steht er im hannoverschen Steintorquartier vor Rot beleuchteten Vergnügungseinrichtungen. Er „macht die Tür“, wie es milieutypisch heißt. „Wer die Tür macht, hat die Macht“, das lernte er schon früh, damals im Steintor.

Doch die wirkliche Macht hatten damals andere. Ende der 1990er Jahre wird das Steintor zu einer kaum noch beherrschbaren Zone. Die Polizei verliert immer mehr an Einfluss. Russen, Jugoslawen, Kurden und Albaner lieferten sich Kämpfe bis aufs Messer. Ein gnadenloses Ringen um Marktanteile in der damals noch schmuddeligen „Meile“. Blutige Verteilungskämpfe um die enormen Gewinne, die mit Drogenhandel und Prostitution oder mit Schutzgelderpressung und Menschenhandel zu machen waren.

Zum Schluss blieben vor allem Albaner und Kurden übrig. Und die liefern sich Schlachten wie im Chicago des Herrn Al Capone. Allein in zehn Monaten der Jahre 1996 und 1997 kommt es zu vier Mordtaten. Kurden und Albaner wechseln sich in der Täter-Opfer-Rolle ab. Es gab wohl kaum einen normal denkenden Hannoveraner, der nicht sagte, so kann es nicht weitergehen.

Doch es konnte, es musste weitergehen. Politiker versprechen zwar nimmermüde hartes Durchgreifen, ohne dass Taten folgen. Immer wieder kündigen die Ordnungshüter an, das hannoversche Rotlicht stärker unter die Lupe zu nehmen. Doch gegen die Spirale der Gewalt können die Beamten nicht wirklich etwas ausrichten. Immer stärker wird der öffentliche Druck. Die ungezügelten kriminellen Machenschaften im Steintor sind Gift für das Sicherheitsempfinden der Bürger. Doch mehr Kräfte und höhere Mittel, die gibt es im nennenswerten Maße für die Beamten vor Ort nicht. Die Geschehnisse im Steintor drohen zu einer Chronik des Versagens, zu einer Kapitulation des Rechtsstaates, zu geraten. „Hannover verkommt zur Drehscheibe für Organisierte Kriminalität“, titelte der Focus. Schon macht das Gleichnis von dem kleineren und dem größeren Übel die Runde.

Das kleinere Übel trug einen Namen: Frank Hanebuth. Damals noch der Chef der Rockergruppierung „Bones“, die später in die Hells Angels aufging. Ein Mann mit vielfältigen Kontakten, die weit über das Rotlicht- und Türstehermilieu hinausgehen.

Einer dieser Kontakte war Götz von Fromberg, damals mit 26 Jahren der jüngste Rechtsanwalt in der Landeshauptstadt Hannover. Der Jurist hatte sich auf die rechtliche Vertretung von Kiez-Größen spezialisiert. Mandate, die sich als überaus lohnenswert erwiesen. Die Bordellbetreiber hatten recht häufig einen juristischen Strauß auszufechten, und es kam auf den damals noch gültigen Pfennig nicht an. Als Hanebuth das erste Mal rechtlichen Beistand braucht, für ein „typisches Türsteherdelikt“, engagieren die Eltern den szenekundigen Juristen.

„Staranwalt“ von Fromberg gilt als genialer Netzwerker. Ein Mann, der Zugang zu höchsten Kreisen hat. „Bis 01.09.2010 war Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder in Bürogemeinschaft mit der Kanzlei von Fromberg verbunden“, ist auf seiner Internetseite www.fromberg.de zu lesen. Wenn er einen Rat brauche, dann rufe er „den Bodo“ an, sagt der Jurist. „Bodo“, das ist Bodo Hombach, früher Chef des Bundeskanzleramtes und heutiger Boss der WAZ-Verlagsgruppe.

Bei Frombergs legendären, traditionell nur von Herren besuchten Geburtstagsfeiern, geben sich Spitzenpolitiker, Konzernlenker sowie ein Ex-Großunternehmer und heutiger Berater für Entscheidungsträger und Finanzkonzerne ein Stelldichein. Auch der ehemalige Wetten-dass-Moderator, ein „Scorpion“ und ein Komiker mit hängendem Auge vergnügten sich bei Tatar, Bouillonwürstchen und „Nudelsalat von meiner Frau“ im Frombergschen Partykeller. Ein hannoverscher Journalist, der einmal auf der Gästeliste stand, kriegt sich bis heute nicht über die Gnade des Dabeiseins ein. Da ist Hanebuth gelassener. Er war fast immer mit von der Partie, ohne Jubelarien anzustimmen.

Eine Pause machte der Steintor-König nur in jenen Jahren, in denen der Fromberg-Kollege Gerhard Schröder am Spreeufer die Richtlinien der Politik vorgab. Da kam der Chef-Rocker später oder gar nicht. Der Fotografen wegen. Der Mann hat eben Stil, so sieht es Anwalt von Fromberg.

Missgünstige Naturen sprechen im Zusammenhang mit den exklusiven Herrenabenden von der Hannover-Connection oder gar der Maschsee-Mafia. Götz von Fromberg schätzt solche Schmähbegriffe ganz und gar nicht. „Es ist in Hannover so: Man kennt viele Leute, man trifft viele Leute. Das liegt daran, dass Hannover überschaubar ist“, stellte er Anfang dieses Jahres in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung klar. Und: „Da ist nichts Geheimes, nichts Spannendes, nichts, was hinter Cohiba-Zigarren-Wolken besprochen wird. Da haben einfach alle ihren Spaß.“

Doch auch Hanebuth selbst wob sein eigenes „Spinnennetz“, das – wie es ein Ermittler formulierte - „offensichtlich in alle Gesellschaftsschichten“ reicht. Wie ein V-Mann berichtete, sollen im Konferenzraum einer Bank im nahen Langenhagen Rocker, Unternehmer und Rechtsanwälte an einem Tisch gesessen haben. Um Deals zu verabreden. Unter den Teilnehmern soll ein einflussreicher niedersächsischer Bauunternehmer, ein vermögender ehemaliger Müllentsorger sowie der Inhaber einer renommierten Autorepräsentanz gewesen sein.

Auch in diesen Kreisen wusste sich Hanebuth zu bewegen.  Den heute kahlköpfigen Hünen darf man sich trotz seines gewollten Raubein-Images nicht als dumpfen „Proll“ vorstellen. „Er ist aus meiner Sicht intelligent, kommt aus gutem Hause und kann sich prima benehmen. Meine Freunde, die ihn kennen, sagen mir jedes Mal: Das ist ein taffer Typ, der hat Humor“, so beschreibt ihn Duzfreund Fromberg in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Gute Manieren hin und her: Hanebuth und seine Rocker, die damals noch „Bones“ hießen, räumten auf in dem hannoverschen Rotlichtbezirk. Die bisher dominierenden Ethnien wurden, sofern sie männlichen Geschlechts waren, verdrängt. Die Damen hingegen durften liebend gerne bleiben. Er habe diplomatische Gespräche mit Kurden und Albanern geführt, so beschreibt Hanebuth die damalige Methodik. Jeder, der ihn sieht, glaubt ihm dies aufs Wort.

Schon bald standen „Angels“ vor vielen der Etablissements. In ihrer „Kutte“ oder in Security-Dienstkleidung. „Boxer-Frank“ initiierte einen Sicherheitsdienst im Zeichen eines geflügelten Rosses aus der griechischen Sagenwelt. Geflügelt, wie der „Deathhead“ auf dem Patch der Angels.

Hanebuth selbst bezeichnet sich als Sicherheitskoordinator. Niemand widerspricht ihm, obwohl er sich selbst diesen Titel verleiht. Denn das Steintor wird tatsächlich sicherer. Kapitalverbrechen gibt es zwar auch weiterhin. Aber das alles ist nichts im Vergleich mit den wilden Bandenkämpfen um die Vormacht auf der Erotik-Meile.

Doch die Sicherheit hat auch eine Schattenseite. Allzu oft erklärten Angels in Security-Dienstkleidung, dass sie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig seien. Eine „Schönwetterpolizei“, die das Rotlichtquartier bestreife, gerne. Aber ohne Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Hells Angels, gefälligst. Das Gewaltmonopol des Staates - im Steintor drohte es zu einer Frage der Beliebigkeit zu werden. Mitte der 1990er Jahre zeigten die Ordnungshüter, wer den Hut aufhatte. Sie patrouillierten mit Maschinenpistolen durch das Rotlichtmeilchen. Alles andere als eine „Schönwetterpolizei“, die sich die Angels wünschten.

Boxer-Frank profilierte sich derweil als knallharter Geschäftsmann. Das Steintor ist nicht nur sein Revier, es ist quasi auch sein Eigentum. Ihm gehören Freudenhäuser, Bars („Sansibar“, „Havanna Club“), Discos, Sicherheitsdienste. Die „Angels“ gründen eine eigene Vertriebsfirma, die vor allem Produkte unter dem Label „Original 81 Support“ vermarktet. Darunter Bier, Prosecco und der im Steintor besonders beliebte „Pussy-Driver-Likör“. Eine Immobiliengesellschaft, die offiziell von der Mutter Hanebuths geleitet wird, ist auch im Geschäft. Laut Polizeierkenntnissen vermietet sie Bordellbetreibern eigene Häuser - oder aber sie „verwaltet“ die Gebäude „gegen ein beachtliches Entgelt für deren Eigentümer“. Kurzum ein Imperium. Insider prognostizieren, dass den Angels das Steintor allein nicht mehr reicht. Es werden Versuche festgestellt, in der legalen Wirtschaft Fuß zu fassen. Um sie danach umzufunktionieren? Kriminalisten sind sich jedenfalls sicher, dass im Steintor stets die Geldwäsche florierte.

Mit der Sicherheit will es derweil nicht immer so recht klappen. Allein in den Jahren 2009 und 2010 wurden nach Berichten der "Neuen Presse" rund „300 Straftaten in der Reitwallstraße“ (Steintor) registriert. Die Kapitalverbrechen nehmen wieder deutlich zu. Auch Kurden und Kosovaren spielen in dieser Statistik wieder eine Rolle.

Hanebuth selbst gerät unter immer stärkeren Druck. In einem Kieler Verfahren werden Vorwürfe laut, er persönlich habe die Anweisung zur Ermordung des türkischen Zuhälters Tekin B. gegeben. „Erstunken und erlogen“, grollt „Staranwalt“ von Fromberg. Dennoch, das Image des ehemaligen Profi-Boxers scheint angekratzt. Wenig später schwebt ein Helikopter mit GSG 9 Beamten auf seinem Anwesen ein. Ein Einsatz wie in einem Actionfilm. „Die hätten doch nur bei mir zu klingeln brauchen“, so Hanebuths Kommentar.

Auch in Hannover positioniert sich die Polizei gegen ihn. Thomas Rochell, Vizepräsident der Polizeidirektion Hannover, appelliert an die Bürger, sie sollten sich gut überlegen, ob sie ihr Geld in Etablissements der Hells Angels ausgeben wollten. Hanebuth wertet das als Boykottaufruf und „Hetzkampagne gegen mich und meine Sicherheitsfirma“.

Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, folgt 2011. Christian Grahl, Chef der Zentralen Polizeidirektion Hannover (ZPD), feiert in der Nacht vom 18. auf den 19. August gemeinsam mit diversen Kollegen ausgelassen in der „Sansibar“. Mitgesellschafter dieser größten Bar im Steintor- ist zum damaligen Zeitpunkt Frank Hanebuth. „Einmal nicht richtig nachgedacht“, bekennt Grahl.

In der Tat ein Skandal. Das Steintor ist Tabuzone für private Vergnügungen von Polizeibeamten. Andere Beamte, die dort in den zurückliegenden Jahren gefeiert hatten, waren strafversetzt worden. Grahl musste als Polizeipräsident seinen aktuellen Hut nehmen. Doch ein anderer, vielleicht besserer, wurde ihm dargereicht.

Obwohl Hanebuth nichts für seine Gäste kann, wird er zunehmend zum Politikum. Eine gefährliche Entwicklung in einem Bundesland, das vom nächsten Wahlkampf nicht allzu weit entfernt ist. Der Steintor-König kann den Ermittlungsdruck fast physisch spüren. Da zieht er die Reißleine und startet öffentlichkeitswirksam den geordneten Rückzug aus dem Steintorviertel. „Ich beende meine Tätigkeit als Sicherheitskoordinator“, erklärte er. Die „beiden Puffs“ aber will er behalten.

Als der Druck nicht nachlässt, geht Hanebuth noch einen Schritt weiter. Er löst auch das hannoversche Chapter der Hells Angels auf. Diese regionale Gliederung der Höllenengel war die größte ihrer Art in ganz Europa. Und Boxer-Frank als ihr Präsident galt als der mächtigste Angel auf dem gesamten Kontinent.

Mit der Selbstauflösung kam Hanebuth einem durchaus wahrscheinlichen Verbot des Chapters zuvor. Bei dieser Gelegenheit wäre ganz sicher auch das Vereinsvermögen beschlagnahmt worden. Das wollte der ehemalige Steintorkönig verhindern.

Eine raffinierte Taktik? Insider sind sich nicht so sicher, dass der ellenlange Hanebuth die Hände in den Schoss legen wird. Vielleicht gibt es bald alten Wein in neuen Schläuchen? Neue Vereinsgründungen, die dann nicht mehr den Namen Hells Angels tragen werden? Die Höllenengel selbst denken über eine bundesweite Gruppierung nach.

In anderen Städten hat selbst ein kategorisches Hells-Angel-Verbot wenig bewirkt. In Hamburg ist der Club seit 1986 verboten, ohne dass sein Einfluss auf St. Pauli nennenswert gesunken ist. In der Hansestadt spricht von „Rot-Weiß“, wer die Angels meint. „Rot-Weiß“ das sind die Colours der Höllenengel. Die hat niemand verbieten können.

Das Grundproblem aller Verbote ist, dass sie nur für Verbände, Vereine, Organisationen gelten können. Die handelnden Personen aber sind hinterher immer noch da. Ein Hells Angel von der Spree kann sogar zwischen „verboten“ und „erlaubt“ wählen. Wenn er ein paar Schritte von Berlin nach Brandenburg geht, lässt er die Verbotsverfügung einfach hinter sich. So wie es die „verbotenen“ Hamburger mit Niedersachsen halten. Auch die Hanseaten haben einen „Staranwalt“ an ihrer Seite.

Die handelnden Personen haben zudem auch nach einem Verbot geschäftliche Interessen, die sie kaum zu den Akten legen werden. Ein Steintor-„Geschäftsmann“ weiß genau, dass , er sich demnächst mit anderen Leuten über das zu zahlende Schutzgeld einigen muss, wenn er sein rot beleuchtetes Umfeld nicht „sauber“ hält.

Die Angels sind gegangen, „Rot-Weiß“ wird bleiben, das ist auch für Hannover eine realistische Prognose. Und: Was auch immer passiert, der Name Frank Hanebuth wird auch in Zukunft kein Name von gestern sein. Wer heute etwas tun will, kommt vielleicht 28 Jahre zu spät.

 

 

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