Die Sicherheit hinter Gate 25
Ein Situationsbericht von Helmut Brückmann
Nachdem in den 1970er Jahren die PLO (von engl. Palestine Liberation Organization), eine Dachorganisation verschiedener nationalistischer palästinensischer Fraktionen, im Kampf gegen Israel auch die internationale Luftfahrt zum Terrorziel erkor, begann man fast in aller Welt, die Flugreisenden durch besondere Sicherheitsmaßnahmen zu schützen. Davon war natürlich auch die Luftfracht betroffen, denn nichts schien den Terroristen einfacher, als eine Bombe in ein Frachtstück zu schmuggeln, vielleicht mit Zeit- oder Höhenzünder versehen. Manchmal hat es auch geklappt, wie zum Beispiel am 21. Dezember 1988, als eine Boeing 747-100, Pan Am-Flug 103, über der schottischen Ortschaft Lockerbie explodierte. 270 Menschen mussten sterben, davon 11 durch Flugzeugtrümmer am Boden. Als Anstifter und Finanzier des Attentats wurde später Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi persönlich ausgemacht. Von einem schottischen Gericht wurde der libysche Geheimdienstoffizier und Sicherheitschef, der Abdel Basset Ali al-Megrahi als Täter zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Wegen einer unheilbaren Krebserkrankung wurde er 2009 aus der Haft entlassen und starb im Mai 2012 an Prostatakrebs, 24 Jahre nach der Tat. Humanitäre Gründe wurden für die Begnadigung angeführt; daneben gab es aber auch handfeste wirtschaftliche Beweggründe. Mit Öl wird im Orient nicht nur gesalbt, sondern auch geschmiert. Der mutmaßliche Auftraggeber war 2010 noch absoluter Herrscher in Libyen.
Lockerbie ist ein Beispiel für die Wichtigkeit von Luftsicherheitsmaßnahmen. Beim Flug Pan Am 103 waren es übrigens nur 340-450g Plastiksprengstoff in einem Radio, das ein Passagier im Gepäck mit sich führte und das der verurteilte Täter, pikanterweise Sicherheitschef der Libyen Airlines, mit dem Sprengstoff präpariert hatte.
Neben dem Flughafenbetreiber sind natürlich in erster Linie die Luftfrachtführer, die Airlines, für eine sichere Fracht verantwortlich; der Flughafenbetreiber hat grundsätzlich nichts mit der Luftfracht zu tun.
Der größte Carrier in Deutschland ist die Lufthansa, die speziell für Luftfracht die Tochtergesellschaft Lufthansa Cargo AG gegründet hat, mit Hauptsitz in Frankfurt am Main. Genauer: im Lufthansa Cargo-Center am Frankfurter Flughafen. In einer Werbeschrift des Unternehmens heißt es u. a.: „Wir bieten Premium Security Service auf allen Stationen. Darüber hinaus sind die Stationen Frankfurt, München und New York zum Security Hub ausgebaut worden. Der Einsatz modernster Sicherheitstechnologie und IT-Systeme, die Erforschung neuer Technologien in Zusammenarbeit mit führenden Industriepartnern, intensive Mitarbeiterschulungen und zusätzliche, in die Abfertigungsprozesse integrierte Sicherheitsmaßnahmen gehören zu unseren wesentlichen Aktivitäten.“
Und dann noch der markige Hinweis: „Sicherheit ist für Lufthansa Cargo nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein integraler Bestandteil unseres Leistungsversprechens.“
Das Zentrum der Sicherheit befindet sich hinter Gate 25
Ich will es genauer wissen und treffe mich am Frankfurter Flughafen mit Harald Zielinski (55), der bei Lufthansa Cargo AG weltweit für das Sicherheits- und auch für das Umweltmanagement des Unternehmens verantwortlich zeichnet. Gleich nach dem Passieren von Gate 25 befindet sich eine Schranke mit einem kleinen Wachgebäude. Ein Sicherheitsmann kontrolliert meine Ausweispapiere, meldet mich bei Harald Zielinski an und erklärt mir den Weg zum Parkplatz, in dessen unmittelbarer Nähe sich auch das Büro meines Gesprächspartners befindet. Ein spartanisch ausgestatteter Raum im 4. Stock eines kasernenartigen Gebäudes erwartet mich. Geprotzt wird hier wahrhaftig nicht. Aber der Kaffee ist Klasse.
Mein Gesprächspartner ist gelernter Polizeibeamter und stellt mir mit knappen Worten seine Arbeit vor: „Lufthansa Cargo ist eine eigene Fluggesellschaft, die 18 eigene Flugzeuge vom Typ MD11 betreibt. In den nächsten Monaten wird eine weitere Flugzeugflotte mit der Boeing 777 aufgebaut. Das ist ein sehr effizientes und auch in der Industrie geschätztes Modell. Mit der Fracht beladen wir nicht nur die 18 eigenen Flugzeuge, vielmehr werden ungefähr 50 Prozent des Frachtaufkommens auf Passagiermaschinen verladen. Unsere Muttergesellschaft, die Deutsche Lufthansa AG, hat mehrere hundert davon im Einsatz, deren Frachträume wir ebenfalls nutzen.“ Gibt es Unterschiede in der Behandlung der Frachtstücke? Harald Zielinski bringt es auf den Punkt: „Unterschiede in der Sicherheit zwischen Fracht, die in Passagierflugzeuge oder in Frachter verladen wird, gibt es nicht. Was sich unterscheidet ist, dass die Fluggastkontrollen nicht von den Airlines verantwortet werden. Fluggastkontrollstellen, die jeder Fluggast passieren muss, bevor er den Transitbereich des Flughafens betritt, werden von Behörden bzw. im Auftrag von Behörden bedient. Die Sicherheitskontrollen für Luftfracht werden in Deutschland immer von der Airline selbst, nicht aber von der Behörde durchgeführt. Das ist so im Luftsicherheitsgesetz verankert. Und so gehört es zu unseren Aufgaben, nicht nur grundsätzliche Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, sondern sie auch in der Praxis zu leben und dafür die geeignete Technologie vorzuhalten wie zum Beispiel Röntgengeräte oder Sprengstoffdetektoren. Darunter fallen auch Verträge mit Sicherheitsunternehmen, die für uns z.B. Sprengstoffspürhunde einsetzen. Wir führen physisch klassische eigene Sicherheitsmaßnahmen durch und durchsuchen, wenn es drauf ankommt, jedes einzelne Frachtstück, bevor es an Bord verladen wird.“ Dabei ist die Sicherheitsabteilung der Lufthansa Cargo für ihre Fracht weltweit verantwortlich. Also auch für Fracht in Johannesburg, Südafrika, in Rio de Janeiro, Südamerika, in New York, Nordamerika oder in Singapur, wo immer sie sich gerade mit einem Lufthansa Flugzeug befindet, wird die Sicherheit hier von Frankfurt aus gesteuert. Mein Gesprächspartner kommt sichtlich in Schwung. Man merkt, er liebt seine, wenn auch stressige, Arbeit: „Wir haben Sicherheitsbüros, in denen LCAG - Mitarbeiter die grundsätzlichen Maßnahmen koordinieren und die unterschiedlichen Anforderungen erfüllen. Wenn ich von unterschiedlichen Anforderungen rede, meine ich zum einen unsere eigenen Luftsicherheitsmaßnahmen an sich, aber auch die Anordnungen der Behörden. Bedauerlicherweise ist es so, dass die Luftfracht-Sicherheitsmaßnahmen weltweit noch nicht harmonisiert sind. Anders ist das beim Passagierflugbetrieb. Da gibt es grundsätzliche Anordnungen, die weltweit mehr oder weniger gleich sind. Bei der Luftfracht kann es durchaus sein, dass die Sicherheitsmaßnahmen in einem asiatischen Land ganz andere Anforderungen stellen als in Afrika oder irgendeinem anderen Land dieser Welt. Etwas einfacher ist es in den Vereinigten Staaten von Amerika; dort sind die Luftfrachtmaßnahmen konsequent durch die TSA, die Transport Security Administration der USA geregelt, ebenso in Europa, wo die Europäische Kommission für alle Mitgliedsstaaten der EU verbindliche Regeln vorschreibt. Es ist zu hoffen, dass bald in aller Welt die gleichen Sicherheitsstandards bzw. Vorschriften gelten und wir nicht verpflichtet sind, besondere Luftsicherheitspläne für z.B. Dubai oder Algier zu entwerfen, um ein zwei Beispiele zu nennen. Das ist sehr aufwändig und es wäre viel einfacher, wenn alle Sicherheitsmaßnahmen nach dem gleichen Standard harmonisiert wären.“ Heißt das etwa, dass eine Cargo-Maschine aus Frankfurt anderen Sicherheitskriterien unterliegt als z.B in Bolivien? Mein Gesprächspartner macht das Problem an einem Beispiel verständlich: „Ja, vom Start in Frankfurt bis zur Landung in La Paz gelten erst einmal die Deutschen/EU Sicherheitsbestimmungen. Auf dem Rückflug sieht es schon ganz anders aus. Auf der Strecke La Paz – Frankfurt gelten zwar auch die Lufthansa Sicherheitsbestimmungen, daneben aber auch die lokalen. Der Unterschied ist eben der, dass die Sicherheitsbestimmungen in Frankfurt komplett auf die europäischen Anforderungen abgestimmt sind. In diesem Fall habe ich als Sicherheitschef meiner Firma nur einen Gesprächspartner, nämlich die Europäische Kommission bzw. die Luftaufsichtsbehörden. Vor dem Rückflug müssen wir uns aber erst einmal über die lokalen Sicherheitsmaßnahmen in La Paz, die nach ganz anderen Standards geregelt werden, informieren. Zum Beispiel unterscheiden sich die Sicherheitsbestimmungen für Luftfrachtlager am Flughafen in El Alto (La Paz) erheblich von denen in Frankfurt. Und in Lima (Peru) gelten wieder andere Bestimmungen. Das erschwert unsere Arbeit im Gegensatz zu den harmonisierten Bestimmungen in Europa und Nordamerika. In Ländern mit eigenen Maßnahmen sind wir auch verpflichtet, Luftsicherheitspläne vorzuhalten und zu auditieren. Das bringt für uns viel Verantwortung und viele Flugkilometer mit sich.“
Das Sicherheitsbedürfnis ist international – die Sicherheitsmaßnahmen nicht
Immerhin fliegt LH Cargo 90 Stationen an, von denen mindestens 50 eigene Sicherheitsregeln haben. Eine Harmonisierung ist kurzfristig nicht in Sicht, würde aber für alle Beteiligten viel Zeit und Aufwand, also Geld sparen.
Im Vergleich zu den Passagierflugzeugen gibt es bei den Frachtfliegern doch einige gravierende Unterschiede. Staatliche Sicherheit gibt es nur bei Passagierflügen. Harald Zielinski nickt: „Wir müssen alle Sicherheitsmaßnahmen selbst durchführen. Das fängt schon bei der technischen Ausstattung an, Röntgengeräte und Sprengstoffdetektoren sind teuer und die Ausbildung von Sprengstoffspürhunden auch, um einige Beispiele zu nennen. Dabei ist längst nicht gesagt, dass alle Geräte in allen Ländern auch zugelassen sind. Das Wichtigste dabei ist aber die Frage, wie der Prozess aussieht, in den wir diese Sicherheitsmaßnahmen integrieren. Das Schlimmste, was in der Logistik passieren kann, ist eine Prozessstörung durch störend oder unprofessionell genutzte Sicherheitstechnik. D. h., der Logistiker möchte seine Fracht möglichst schnell gesichert haben und dann in verladen. Das Röntgen eines Luftfrachtcontainers durchschnittlicher Größe nimmt aber alleine schon mindestens 15 Minuten in Anspruch, also doch eine erhebliche Zeit, um zu einem qualitativ guten Ergebnis zu kommen. Deswegen machen wir aber auch nicht alles mit dem Röntgengerät, sondern nutzen immer das ‚bestgeeignete Mittel’. Das kann durchaus ein Sprengstoffspürhund sein, je nach Frachtart. Das kann auch ein Sprengstoffdetektor sein. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle bei uns vorhandenen technischen Mittel auch in allen Ländern zugelassen sind.“ Mein Gesprächspartner merkt, dass ich etwas irritiert bin und erläutert: „Das kann auch mal länderspezifische Zulassung erfordern. Während in Amerika z. B. der Sprengstoffdetektor komplett zugelassen ist, gibt es Länder in Südamerika, die den Sprengstoffdetektor nicht zulassen. Andere Länder erteilen für den Einsatz eines Sprengstoffspürhundes keine Erlaubnis. Auch hier muss man darauf hinweisen, dass wir eben tatsächlich sehr genau und sehr professionell darauf achten müssen, wie wir mit der Sicherheitstechnologie umgehen. Denn röntgen kann ich alles, theoretisch. Die Frage ist, was sehe ich eigentlich? Eine Fracht einfach durch ein Röntgengerät zu schieben und dann am Ende zu sagen, ‚Ich habe es ja geröntgt’, ist allzu laienhaft gedacht. Wir müssen in jedem Fall nach dem Screening den Inhalt des Containers definieren können, denn Frachtcontainer sind oftmals inhomogen mit Fracht beladen. Dies erfordert schon sehr hohes, qualitatives Fachwissen der Kontrollkräfte, die entscheiden müssen, welches Gerät sie einsetzen. Das zeigt auch, dass die Mär von der billig bezahlten Sicherheitsfachkraft sich dem Ende nähert. Die Bezahlung im qualifizierten Sicherheitsbereich ist heute deutlich besser als zu der Zeit, als die schwierigste Entscheidung lautete: Mache ich die Schranke auf oder nicht?“
Die Sicherheitstechnik – einfach und zuverlässig
Natürlich bedient man sich bei der Durchführung aller Aufgaben modernster Technik. Bereitwillig erhalte ich auch darüber Auskunft, ohne dass dabei technische Details erläutert werden: „Gebräuchlich ist zunächst einmal die Röntgentechnologie. Da gibt es verschiedene Hersteller weltweit, die von den Luftaufsichtsbehörden zertifiziert sind. Wir benutzen z. B. Geräte von Smith-Heimann. Wir benutzen aber auch US-amerikanische Geräte, je nach Station.
Der Umgang mit diesen Röntgengeräten ist viel schwieriger, als der Laie glaubt. Stellen Sie sich bitte vor, Sie haben einen 2,5 t schweren Container, beladen mit sog. „Mixed Load“, also verschiedenartiger Fracht. Sie brauchen für diesen Container die Ladepapiere, um am Ende beurteilen zu können, ob in diesem Container gefährliche Gegenstände versteckt sind, oder aber Gegenstände untergebracht sind, die eigentlich nicht reingehören. Diese Röntgengeräte gibt es in verschiedener Größe. Man kann nicht alles röntgen. Es gibt sehr dichte Frachtarten, Stahlrohre oder hochwertige Motoren besonders schwerer Bauart, die mit einem Röntgengerät einfach nicht zu durchleuchten sind. Das ist keine Frage der Strahlendosis, sondern das ist schlicht eine Frage der Masse, die es da zu durchleuchten gilt. Manchmal ist es sinnvoller, einen Sprengstoffspürhund einzusetzen. Wir haben mit den Hunden großartige Erfahrungen gemacht und werden das auch weiter vorantreiben. Gute Erfahrungen haben wir auch mit dem Sprengstoffdetektor gemacht, der eine sogenannte Wischprobe nimmt. Das ganze System basiert letztendlich auf einem Gaschromatografen, der ein sehr zuverlässiges Ergebnis gibt, ob sich gefährliche Substanzen oder Anhaftungen an der Fracht befinden oder nicht. Das ist so ein Teil der Sicherheitsmaßnahmen, die wir durchführen.“
Der lebende Gaschromatograf ergänzt die Technik
Sprengstoffspürhunde werden nicht von LH Cargo selbst unterhalten, sondern sind Teil der Ausrüstung von Sicherheitsdienstleistern. Eigentlich sind sie lebende Gaschromatografen. Sie gibt es mittlerweile auch in anderen Ländern, wo sie von Dienstleistern gestellt werden. An vielen Flughäfen der Welt unterhält LH Cargo Repräsentanzen, die mit ausländischen Sicherheitsunternehmen Verträge abgeschlossen haben, um den Sicherheitsaufgaben zu genügen.
Interessant ist sicherlich zu wissen, für welche Bereiche Harald Zielinski mit seinen Leuten zuständig ist: „Also, die Sicherheitsmaßnahmen der Lufthansa Cargo betreffen grundsätzlich alles, was klassische Security mit dem Unternehmen zu tun hat. Das fängt mit der Zugangsregelung für besonders geschützte Bereiche an und hört mit der Parkplatzkontrolle – sehr theoretisch – nicht auf. Selbstverständlich werden auch unsere Warehouses (Lagerhäuser) überwacht. Wir haben weltweit mehrere tausend Kameras in den jeweiligen Lagerhäusern installiert. Wie hat die Technologie auszusehen, wie wird mit den Daten umgegangen? Meine Arbeit ist die Arbeit eines Sicherheitschefs und hat viele Facetten. Da ist ja nicht nur die klassische Security, sondern wir sind ein Unternehmen mit über 4.400 Mitarbeitern. Da müssen wir auch gelegentlich darauf achten, dass sich jeder an Recht und Gesetz hält. Wir sind auch zunächst im Geschäft, wenn ein Mitarbeiter stiehlt, betrügt oder Urkundenfälschung begeht. Natürlich arbeiten wir in solchen Dingen mit der Polizei zusammen. Gottlob sind kriminelle Verfehlungen durch Mitarbeiter sehr selten. Das Personalauswahlverfahren ist wohl richtig strukturiert.“
Wie bereits erwähnt, gibt es in Sachen Sicherheit für das Gepäck eines Passagiers und der Sicherheit von Luftfracht schon Unterschiede, insbesondere bezüglich der Zuständigkeit. Hier staatliche Stellen und dort ein privates Cargo-Unternehmen. Während der Fluggast die Sicherheitsmaßnahmen erst an der Sicherheitsschleuse des Airports erstmals wahrnimmt, obwohl sie viel früher beginnen, ist das bei der Luftfracht anders.
Die Supply Chain der Sicherheit
Hier geht es um eine gesicherte Lieferkette, der Supply Chain. Harald Zielinski erklärt das so: „Die Supply Chain kann bereits beim Hersteller einer Luftfrachtsendung beginnen. Nehmen wir als Beispiel den Hersteller eines hochwertigen Mobiltelefons. Will er seine Produkte per Luftfracht verschicken, so ist er verpflichtet, an seinem Produktionsort - gleich, wo der liegt - bestimmte Sicherheitsstandards einzuhalten. Dafür wird er zertifiziert. Ohne diese Zertifizierung kann er keine sichere Luftfracht produzieren. Hat - wie in unserem Beispiel - der Hersteller des Mobiltelefons keine Luftfrachtsicherheitsmaßnahmen durchgeführt, kann er diese an den Spediteur delegieren. Aber auch der Spediteur kann sagen, ich mache diese Sicherheitsmaßnahmen nicht und liefert die Sendung dann bei Lufthansa Cargo an (oder bei einer anderen Fluggesellschaft). Spätestens hier müssen die Sicherheitsmaßnahmen aber durchgeführt werden. Im umgekehrten Fall kann es so sein, dass der Hersteller des Mobiltelefons umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen macht, das ist häufig der Fall, und dann einen sicheren Transport von seiner Produktionsstelle an den Spediteur herstellt. Auch das wird überprüft, ob das gewährleistet ist, und dann z. B. unter versiegeltem Verschluss seine Sendung beim Spediteur anliefert. Der Spediteur kann dann diese Sendung nehmen und unter genauso sicheren Umständen an die Luftverkehrsgesellschaft, also Lufthansa Cargo, transferieren. Und Lufthansa Cargo ist dann gesetzlich verpflichtet, die Fracht nochmals auf Sicherheit zu überprüfen, zum Beispiel die Plausibilität der gemachten Angaben oder die Unversehrtheit der sog. sicheren Transportkette. Erst dann darf die Fracht an Bord eines Flugzeugs verladen werden. Dies ist die Grundsatzregel für Fracht auf Passagiermaschinen.
Fracht auf Frachtflugzeugen kann ein etwas geringeres Sicherheitsniveau haben. Der „Urversender“ der Fracht muss nicht zwingend auditiert sein.Diese gesetzliche Mindestanforderung wird von uns aber nicht akzeptiert. Wir lassen nur das strengste Verfahren zu. Das ist in der Zusammenfassung, wie Luftfrachtsicherheit bei LH Cargo funktioniert. Das klingt einfach im Grundsatz, im Detail sind jedoch noch viele Aufgaben damit verbunden. All die hier erwähnten Verfahren müssen beschrieben und regelmäßig auditiert werden. Sie sind ständigen Änderungen unterworfen, weil viele Länder eben ihre Sicherheitsmaßnahmen oft ändern und weiterentwickeln. Auch die Behörden ändern häufig ihre Sicherheitsvorgaben. Das erfordert auch eine ständige Schulung der Mitarbeiter, buchstäblich in aller Welt.“
Ständige Wachsamkeit zahlt sich aus.
Neben den mehr oder minder theoretischen Ausführungen will ich natürlich auch wissen, ob zum Beispiel in Frankfurt schon tatsächlich Bomben gefunden oder andere schwere Verstöße gegen die geschilderten Sicherheitsmaßnahmen festgestellt wurden. Mein Gesprächspartner verneint. Natürlich wurden hie und da Frachtstücke nicht angenommen, weil sie den Bestimmungen nicht entsprachen. Doch wurde bis jetzt die Luftsicherheit nicht bedroht. Offenbar erfüllen alle Sicherheitsmaßnahmen ihren Zweck. Bleibt noch die Frage nach der Zahl der Kontrollen; als Beispiel schlage ich Frankfurt vor. Kein Problem: „Hunderte, wenn nicht Tausende pro Tag. Wenn ich die Luftfrachtbriefe hinzuzähle, sind es mehrere Tausend. Unsere Mitarbeiter bewältigen z.B. alleine in Frankfurt pro Woche rund 18.000 t Fracht. Manchmal geht es sehr stressig zu. Aber die Luftfracht lebt davon, schnell zu sein. Und gibt es einmal wirklich Verdacht auf Gefahren, dann wird die Bundespolizei gerufen. Um das an dieser Stelle auch mal klar zu sagen: Wir sind keine Polizei. Wir sind ein privates Unternehmen, welches im eigenen Betrieb für Sicherheit sorgt.“
Es gibt auch Fälle, dass sich ein Flugzeugführer weigert, die Fracht mitzunehmen. Der Kapitän hat immer die letzte Entscheidung in diesen Dingen, was auch respektiert wird. Bisher waren Safetygründe für Zurückweisungen ausschlaggebend. „Aber ich habe auch schon den einen oder anderen Fall gehabt, wo der Kapitän gesagt hat: ‚Ich weiß es nicht genau, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass die Sicherheitsmaßnahmen gründlich durchgeführt worden sind.’ Da der Kapitän das ja nicht aus Spaß sagt, wird die Untersuchung nochmals durchgeführt. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die zu einer Zurückweisung führen: Da alles schnell gehen muss, ist auch schnell mal ein Siegel verletzt – und der Kapitän verweigert den Transport.“
Werden bei der Arbeit neben den Spürhunden auch Fremdfirmen für die Gewährleistung der Sicherheit eingesetzt, will ich noch wissen. Mein Gesprächspartner gibt auch hier bereitwillig Auskunft und überrascht etwas: „Wir haben weltweit rund 50 verschiedene Sicherheitsunternehmen, die für uns nach unseren Maßstäben arbeiten. Und wir haben eigene Mitarbeiter, die in Frankfurt, New York, Johannesburg und Singapur sitzen. Für die physischen Maßnahmen bedienen wir uns fremder Sicherheitsunternehmen. Die suchen wir aber sehr, sehr genau aus. Wir trennen uns auch im Zweifelsfall mal von dem einen oder anderen. Das funktioniert ganz gut. Eines ist klar: Wenn wir uns bei unseren weltweiten Aktivitäten eines Handling-Agenten zur Abfertigung der Fracht bedienen, so bleibt die Sicherheit selbst trotzdem immer unter unserer Verantwortung. Ich bin deshalb viel in der Welt unterwegs und fliege viele Kilometer übers Jahr.“
Ich verstehe, was mein Gesprächspartner mir damit sagen will und frage nach der Mitarbeiterzahl. Die Antwort ist kurz: „Ich habe in meiner Abteilung noch 10 Mitarbeiter, fünfzig Prozent sind Damen“.
Ich bin sprachlos.