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Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt durch einen Bundespolizeibeauftragten

Malte Seyffarth,
Verlag Duncker & Humblot,
Berlin 2023, 242 Seiten.
ISBN 978-3-428-18764-5.
Ladenverkaufspreis 89,90 €.
Am Polizeibeauftragten scheiden sich die Geister. So ist der (Bundes)polizeibeauftragte für manche Wissenschaftler eine unverzichtbare Institution, um polizeiliches Handeln zu kontrollieren. Für andere ist dieses Amt der personalisierte Beweis eines Misstrauens gegenüber den Polizisten. Ähnlich groß sind die Deutungsunterschiede in den Reihen der Politiker und Polizisten. Zurzeit befindet sich die Schaffung eines Bundespolizeibeauftragten in der parlamentarischen Beratung.

Der Text des hier zu besprechenden Buches wurde im Sommer 2022 von der Deutschen Hochschule der Polizei als verwaltungswissenschaftliche Dissertation angenommen. In der „Problem- und Fragestellung“ skizziert der Autor die vielfältigen Perspektiven seines Themas. Dabei geht er von der Annahme aus, dass die Institution eines Polizeibeauftragten geschaffen wird als Reaktion auf die Brisanz, die aus dem Widerspruch entsteht, dass „der demokratische Staat nicht auf Gewalt verzichten kann, (jedoch) in einem sensiblen Verhältnis zu ihr (steht).“ Folgerichtig befasst sich Seyffarth intensiv mit der Polizeigewalt, wobei er diese sowohl als rechtliches als auch als soziales Phänomen betrachtet, die sich zwischen den beiden Polen der Legalität und der Legitimität bewegt. Bereits in diesen ersten Schritten wird deutlich, dass sich der Verfasser dem Thema nicht nur aus der Perspektive der Verwaltungswissenschaft nähert. Er wählt vielmehr einen interdisziplinären Ansatz, der rechtliche, staatsphilosophische, aber auch soziologische Aspekte berücksichtigt.

Die Kritik an der Schaffung eines Landes- und Bundespolizeibeauftragten nimmt in dieser Darstellung einen hohen Stellenwert ein. In seiner Betrachtung der Polizeien der Länder beschränkt er sich auf Nordrhein-Westfalen. Sowohl im Bund als auch im Land wurde in den Gesetzgebungsverfahren von zahlreichen Kritikern – viele aus den Reihen der Polizeigewerkschaften – herausgestellt, es bedürfe eines Polizeibeauftragten nicht, da es an Kontrollfunktionen innerhalb und außerhalb der Polizei nicht mangele. Lediglich erwähnt wird in diesem Zusammenhang die Remonstrationspflicht der Beamten.

Es ist wiederum folgerichtig, dass der Autor danach ausführlich die „Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt“ betrachtet. Auch hier sind wiederum die kritischen Stimmen zum Gesetzesentwurf, die aus den Reihen der Wissenschaft und der Polizeigewerkschaften kommen, von zentraler Bedeutung. Bemerkenswert ist hier auch, wie sich die Bundespolizei in der Sachverständigenanhörung im Mai 2017 im Innenausschuss des Deutschen Bundestages zu dem damaligen Gesetzesentwurf äußerte. Hierin ging der Behördenleiter, Dieter Romann, ausführlich auf die zwei Jahre zuvor errichtete Vertrauensstelle ein. Die Mitarbeiter seien, „über die Möglichkeit, Missstände intern ohne großes, bisweilen medial begleitetes Aufsehen melden und ohne Reputationsverlust für die Gesamtorganisation klären lassen zu können, dankbar.“ Seyffarth erwähnt nicht, dass Romann in seiner Stellungnahme auch ausführte, die „Angehörigen der Bundespolizei (hätten) insgesamt 18 Stellen, an welche sie sich mit Hinweisen auf mögliches Fehlverhalten wenden können. Neben der Möglichkeit dort entsprechende Hinweise einzureichen, sind alle diese Stellen dazu berufen, den Hinweisgeber zu beraten und ihm die gewünschte Unterstützung zukommen zu lassen.“

Seyffarth fasst zusammen, die bis zum Jahr 2022 vorliegenden Gesetzesentwürfe zur Schaffung des Amtes eines (Bundes-)Polizeibeauftragten wiesen deutliche Schwächen auf und seien aus der Sicht eines Verfassungsrechtlers bedenklich. Er schlägt hingegen vor, den Polizeibeauftragten als „unechten Parlamentsbeauftragten“ zu kreieren und seine Stelle bei der Verwaltung einzurichten. In der verwaltungsinternen Kontrolle sieht der Autor für den Polizeibeauftragten Möglichkeiten. Jedoch fragt er ganz grundsätzlich: „Ob er auch in der Praxis überzeugen kann, ist eine andere Frage.“ Als weitere Kritikpunkte führt er „die mangelhafte Berücksichtigung polizeinahen Wissens (und die) nicht vorgesehene Zusammenarbeit mit den Polizistinnen und Polizisten und den fehlenden demokratischen Dialog, der unter dem Dach des Beauftragten stattfinden sollte.“ In einem eigenen Gesetzesvorschlag orientiert sich Seyffarth zwar an der Vorgabe des Jahres 2015, streicht jedoch den Paragraphen, der den Polizeibeauftragten als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages beschreibt und fügt einen Paragraphen ein, in dem dessen Pflichten geregelt sind. Er soll somit unter anderem auch entlastende Tatsachen erforschen; von einer Vorverurteilung absehen; Gespräche mit allen Beteiligten meditieren und er soll die Stellungnahmen von Polizisten einholen, wenn strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen festgestellt werden.

Nach Abwägen des Für und Wider stellt Seyffarth heraus: „Im Gesamtergebnis ist festzuhalten, dass – gemessen an den Bewertungsmaßstäben und der diesbezüglichen Defizite der Dienst- und Fachaufsicht – durchaus eine Sachrechtfertigung für den Beauftragten besteht.“

Geht es nach dem Willen der Ampel-Koalition, wird Uli Grötsch (SPD) demnächst Bundespolizeibeauftragter werden. Wissen über die Arbeit der Polizei bringt er ein: Bevor er in den Bundestag gewählt wurde, war er 15 Jahre als Landespolizist an der bayerisch-tschechischen Grenze im Einsatz.

-Dr. Reinhard Scholzen-

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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