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Rede von Greta Thunberg
© Von C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org(Beachte die drei notwendigen Links zu Autor, Lizenz und Bilddatei in der Quellenangabe.), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=127791064

(Militante) Klimaaktivisten –militante Aktionen und Sprache vor und in Lützerath

Prof. Dr. Stefan Goertz, Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei

„Das war nicht legal, aber in den Augen der Demonstration legitim“1, so die Klimaaktivistin Luisa Neubauer in der Talkshow „Anne Will“ am 15.1.2023 zu den verbotenen und sowohl für die Polizeibeamten als auch für die Aktivisten sehr gefährlichen Proteste an der Abbruchkante in Lützerath.

„Fridays for Future ist der Hegemon der Bewegung. Eine soziale Bewegung besteht aber nicht aus einem Akteur, sondern hat verschiedene Flügel. Es gab Martin Luther King, es gab natürlich auch Malcolm X und die Black Panthers“2, äußerte der Klimaaktivist Tadzio Müller in einem Interview für das „ZDF“ am 16.6.2022, er hatte zuvor am 21.11.2021 im „Spiegel“ von einem Entstehen einer „grünen RAF“ gesprochen.3

„Man will die Klimabewegung delegitimieren, indem man ihr vorwirft, sie sei extremistisch. Extremistisch ist die Politik, die im Klimanotstand Gaskraftwerke baut. Der Verfassungsschutz ist eine viel dubiosere Institution als Ende Gelände, lassen Sie uns ihn nicht als objektive Quelle heranziehen“4, behauptete der Klimaaktivist Tadzio Müller in einem Interview für das „ZDF“ am 16.6.2022.

Lützerath – Proteste und Militanz

Zwischen der NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) einerseits und dem Energiekonzern RWE andererseits war 2022 ein Kompromiss zum Kohleausstieg im Rheinischen Revier ausgehandelt worden. Für den Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Braunkohleausstiegs im Rheinischen Revier“ hatten am 1.12.2022 523 Mitglieder des Bundestages gestimmt, in den Fraktionen dieser drei Parteien der Ampelkoalition gab es keine Nein-Stimmen, lediglich zwei Enthaltungen.5

Der Beginn des Kohleabbaus in Lützerath als Teil des von Ministern der Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgehandelten Kompromisses war seit vielen Monaten beschlossen und geplant. Sowohl die Regierung des Landes NRW – nach dem Prinzip der Volkssouveränität von der Mehrheit der Wähler in NRW gewählt –, als auch Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck verwiesen darauf, dass im Gegenzug der Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen worden sei. Klimaaktivisten hatten seit Monaten Widerstand gegen den Kohleabbau in Lützerath angekündigt und den Weiler Lützerath besetzt. Zahlreiche Klimaaktivisten bereiteten über Monate Aktionen und Widerstand gegen die Räumung durch die Polizei vor.

Obwohl ab dem 8.1.2022 keine Aktivisten mehr nach Lützerath kommen sollten und die Polizei Gegenmaßnahmen getroffen hatte, rutschten doch einige von ihnen durch die Raster, Shuttlebusse brachten sie organisiert in das unwegsame Gelände. Auf den Straßen wurden neue Barrikaden errichtet und Autoreifen, die später angezündet wurden, und mit angespitzten Holzpfählen. In den sozialen Netzwerken riefen Klimainitiativen unter anderem mit dem Hashtag #LuetzerathUnraeumbar dazu auf, sich am Widerstand gegen die Räumung zu beteiligen. Auf den Straßen von Lützerath wurden weitere Barrikaden errichtet, unter anderem betonierten militante Klimaaktivisten Gasflaschen in die Fahrbahnen ein, um diese unpassierbar zu machen. Angespitzte Holzpfähle wurden im Boden befestigt als Abwehrmittel gegen Polizeipferde. Diese Holzpfähle stellten eine potenziell tödliche Waffe gegen Polizeipferde dar. Zum Bündnis „Lützerath unräumbar“ hatten sich unter anderem Organisationen und Initiativen wie „Ende Gelände“, „Fridays for Future“, „Alle Dörfer bleiben“ und „Letzte Generation“ zusammengeschlossen. Geplant war auch ein „öffentliches Aktionstraining für die geplanten Aktionen zivilen Ungehorsams“. Zum sogenannten Dorfspaziergang danach wurde auch die medial sehr bekannte Klimaaktivistin Luisa Neubauer erwartet.6

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Geplante Proteste, geplante Militanz

„Es wird in #Lützerath zu Militanz kommen. Auf welcher Seite werdet Ihr stehen? Bei #RWE & Pfefferspray? Dann regt Euch gerne über 1 paar Steine auf. Oder bei Lützerath & #Klimagerechtigkeit? Dann steht Ihr auch bei denen, die manchmal Steine schmeißen“7, äußerte Klimaaktivist Tadzio Müller am 10.1.2023, wenige Stunden bevor militante Klimaaktivisten Molotowcocktails und Steine auf Polizeibeamte warfen.

„Bislang gab es zum Glück nur Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten. Lasst es dabei – von beiden Seiten!“8 kommentierte Robert Habeck, Bündnis 90/Die Grünen, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz am 11.1.2023.

„Die Klimakrise ist dramatisch. Ich teile die Hartnäckigkeit, mit der die Demonstrierenden mehr Klimaschutz fordern. Keine Generation kann sich Nichtstun erlauben. #Lützerath“9, Katrin Göring-Eckhardt, Bündnis 90/Die Grünen, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages am 11.1.2023.

Zu Beginn der Räumung von Lützerath brannten in der von Autonomen zur Festung ausgebauten Dorfruine Lützerath Barrikaden, Polizeibeamte mussten über brennende Autoreifen springen, vermummte Autonome griffen Polizeibeamte an. Molotowcocktails (Brandflaschen, Benzinbomben, im zweiten Weltkrieg von finnischen Soldaten gegen russische Besatzungstruppen verwendet, also historisch betrachtet eine Kriegswaffe) und Steine wurden von militanten Klimaaktivisten auf Polizeibeamte geworfen, die demokratische Entscheidungen von gewählten Volksvertretern (Bundesregierung im Bundestag und Landesregierung im Landtag Nordrhein-Westfalen) umsetzen.

Kurz vor Beginn der Räumung von Lützerath hatte BfV-Präsident Thomas Haldenwang in der „taz“ vor gewalttätigen Ausschreitungen gewarnt. Dort erklärte er, friedliche Proteste seien in einer Demokratie legitim, „die Protestbewegung in Lützerath ist allerdings sehr heterogen.“10 Relevant werde der Protest für die Verfassungsschutzbehörden, wenn Linksextremisten versuchten, friedliche demokratische Proteste zu unterwandern und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. „Versuche nehmen wir bereits wahr. Wir sehen, dass bundesweit auch gewaltbereite Linksextremisten gegen die Räumung mobilisieren und sich bereits vor Ort sammeln. Teils wird zu militanten Aktionen aufgerufen“, sagte Haldenwang.11 Er verwies auf frühere militante Proteste von Linksextremisten im Hambacher und Dannenröder Forst, wo es „ein brutales Vorgehen gegen die Räumung“ gegeben habe. „Insofern erwarte ich auch in Lützerath gewalttätige Krawalle.“12

Mitte November 2022, also ca. acht Wochen vorher, hatte der BfV-Präsident Haldenwang in einer Diskussionsveranstaltung des SWR im Hambacher Schloss noch erklärt, er erkenne nicht, dass die Organisation „Letzte Generation“ sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richte. Die Aktivisten von Letzte Generation begingen Straftaten, „aber das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung jetzt nicht extremistisch.“13

Deswegen ist nun ist zu prüfen, ob auch Mitglieder von „Letzte Generation“ Molotowcocktails oder Steine auf Polizeibeamte geworfen bzw. zu Gewalt gegen diese aufgerufen haben.

Militante Sprache, militante Aktionen - extremistische Gewalt?

Am 16.2.2022 sprach die „Letzte Generation“ auf Twitter vom Systemwechsel: „Unsere Forderung: Der Systemwechsel, den wir fordern, beinhaltet deshalb auch Maßnahmen für stärkere Mitspracherechte der Bevölkerung, insbesondere solche, die geeignet sind, Entscheidungen ohne den Einfluss von Lobbyisten zu fällen und längerfristige, verbindliche Perspektiven zu entwickeln. Unser Angebot: Unsere Aktionen können ausgesetzt werden, wenn Sie sich bis Sonntagabend zu unseren hier vorgetragenen Forderungen verlässlich & überprüfbar erklären. Beim Ausbleiben einer solchen Reaktion werden wir zusätzlich anfällige Infrastruktur in diesem Land stören und zum Innehalten bringen. Häfen und Flughäfen sind für uns Ausdruck eines unveränderten fossilen Alltags, den wir aus Liebe zu unseren Familien, Freund:innen und allen Mitmenschen nicht hinnehmen können.“14

Dr. Udo Baron, seit 2008 als Referent für den Bereich Linksextremismus im Niedersächsischen Verfassungsschutz zuständig, erklärte im Juni 2020 in seinem Artikel „System Change not Climate Change – Die Klimaschutzbewegung und der Linksextremismus“, dass die Partei DKP „die Aufrufe zu den globalen Klimastreiktagen“ und den „Klimaschutz mit ihrer generellen Systemkritik und ihrem antikapitalistischen Kampf“ verbinde. Weiter führte Baron aus, dass Akteure der „Interventionistischen Linke“ an einer Demonstration in Hannover unter dem Motto „Systemwandel statt Klimawandel“ teilgenommen und damit deutlich gemacht haben, „dass für sie konsequenter Klimaschutz nur möglich ist, wenn der Kapitalismus und der ihn schützende demokratische Rechtsstaat überwunden sind“.15 Weiter erklärt der Referent für Linksextremismus im Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen (LfV), Udo Baron, dass linksextremistische Parteien wie „die MLPD und die DKP und postautonome Gruppierungen wie die ‚Interventionistische Linke‘ im Rahmen ihrer Bündnis- und Kampagnenpolitik unübersehbar den Umwelt- und Klimaschutz“ aufgriffen und versuchten, „über dieses Thema an den demokratischen Protest anschlussfähig zu werden, um ihn langfristig für ihre systemüberwindenden Ziele zu instrumentalisieren“.16 Zusammengefasst: Der Referent für Linksextremismus des LfV Niedersachsen erklärte im Sommer 2020, dass die Begriffe „System überwinden“, „System Change“, „Systemwechsel“ im Kontext von Klimaaktivismus darauf abzielen, das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden. Übertragen auf die Wortwahl der „Letzten Generation“, „der Systemwechsel, den wir fordern“17, rückt diese Formulierung die Wortwahl und Ziele der „Letzten Generation“ in den Bereich der Extremismusdefinition der Verfassungsschutzbehörden.

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Die Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes unterscheiden zwischen „Extremismus“ und „Radikalismus“. Diese beiden Begriffe werden medial und von Teilen der Politik jedoch häufig synonym gebraucht. Die Verfassungsschutzbehörden stellen aber fest, dass es sich bei „Radikalismus“ zwar „um eine überspitzte, zum Extremen neigende Denk- und Handlungsweise, die gesellschaftliche Probleme und Konflikte bereits ‚von der Wurzel (lat. radix) her‘ anpacken will“ handele, im „Unterschied zum Extremismus jedoch weder der demokratische Verfassungsstaat noch die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt werden“ sollen.18

Als extremistisch werden dagegen die Aktivitäten bezeichnet, die darauf abzielen, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Extremistische Bestrebungen im Sinne der Verfassungsschutzgesetze sind „Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Dazu gehören Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte. Extremistische Verhaltensweisen eines Personenzusammenschlusses oder von Einzelpersonen sind Bestrebungen, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder eines Landesverfassungsschutzgesetzes erheblich zu beschädigen“, so die deutschen Verfassungsschutzbehörden.19

Fazit

Der Referent für Linksextremismus des LfV Niedersachsen, Dr. Udo Baron, erklärte bereits im Sommer 2020, dass die Begriffe „System überwinden“, „System Change“, „Systemwechsel“ im Kontext Klimaaktivismus darauf abzielen, das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden. Übertragen auf die Wortwahl der „Letzten Generation“, „der Systemwechsel, den wir fordern“20, rückt diese öffentlich getätigte Formulierung die Wortwahl und Ziele der „Letzten Generation“ in den Bereich der Extremismusdefinition der Verfassungsschutzbehörden. Diese sollten nun prüfen, ob Formulierungen und Aktionen von Teilen der Organisation „Letzte Generation“ und anderen Klimaaktivisten extremistisch sind.

Bei den Protesten in Lützerath muss nüchtern differenziert und unterschieden werden in legitimen, friedlichen Protest von Klimaaktivisten einerseits sowie Aufrufe zu Gewalt gegen Polizeibeamte und Militanz von verschiedenen Klimaaktivisten gegen Polizeibeamte andererseits.

Das Radikalisierungspotenzial verschiedener Klimaaktivisten in Deutschland ist seit Monaten offensichtlich, klar erkennbar für die Bundesregierung und die Landesregierungen, die Sicherheitsbehörden, die Wissenschaft und die Medien. In einer Demokratie darf niemand über dem Gesetz stehen. Straftaten „im Namen des Guten“ dürfen nicht verübt werden. Nun sind die Bundesregierung und die Landesregierungen, die Sicherheitsbehörden, aber auch die Medien und die gesellschaftliche Mitte gefragt.

- Dieser Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors dar-

 

Quellen:

1 https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/anne-will-in-der-tv-kritik-luisa-neubauer-zu-raeumung-von-luetzerath-18604867.html (29.1.2023).
2 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klimabewegung-protest-radikalisierung-tadzio-mueller-100.html (29.1.2023).
3 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/tadzio-mueller-wer-klimaschutz-verhindert-schafft-die-gruene-raf-a-5e42de95-eaf2-4bc1-ab23-45dfb0d2db89 (29.1.2023).
4 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klimabewegung-protest-radikalisierung-tadzio-mueller-100.html (29.1.2023).
5 https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung/?id=826 (29.1.2023).
6 Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article243084975/Luetzerath-Blockierer-betonieren-Gasflaschen-ein-Und-jetzt-kommt-Luisa-Neubauer.html (29.1.2023).
7 https://climatejustice.social/@muellertadzio/109665200416712070">https://climatejustice.social/@muellertadzio/109665200416712070 (29.1.2023).
8 https://www.welt.de/politik/deutschland/article243152527/Luetzerath-Falsches-Symbol-sagt-Habeck-Bundesregierung-verurteilt-Gewalt-scharf.html (29.1.2023).
9 https://twitter.com/goeringeckardt/status/1613110743175413761 (29.1.2023).
10 Vgl. https://www.rnd.de/politik/luetzerath-verfassungsschutz-praesident-warnt-vor-gewalt-MSSD2XSYI5ANZBQHFKR2RATQWQ.html (29.1.2023).
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. ebd.
13 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/haldenwang-stuft-letzte-generation-als-nicht-extremistisch-ein-18467352.html (29.1.2023).
14 https://twitter.com/aufstandlastgen/status/1493963246184935425 (29.1.2023).
15 https://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2020/juni/detailansicht-juni/artikel/system-change-not-climate-change.html?tx_web2pdf_pi1%5Baction%5D=&tx_web2pdf_pi1%5Bargument%5D=printPage&tx_web2pdf_pi1%5Bcontroller%5D=Pdf&cHash=40189d08b965f1425cffad55cc12e2f6 (29.1.2023).
16 Vgl. ebd.
17 https://twitter.com/aufstandlastgen/status/1493963246184935425 (29.1.2023).
18 Vgl. https://www.verfassungsschutz.bremen.de/oeffentlichkeitsarbeit/glossar-11578?begriff=E&lang=de (29.1.2023).
19 Vgl. ebd.
20 https://twitter.com/aufstandlastgen/status/1493963246184935425 (29.1.2023).

 

Über den Autor
Prof. Dr. Stefan Goertz
Prof. Dr. Stefan Goertz
Prof. Dr. Stefan Goertz, Professor für Sicherheitspolitik, Schwerpunkt Extremismus- und Terrorismusforschung, Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei
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