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Der erste Fuhrpark der Sicherungsgruppe zu Beginn der 1950er Jahre. Von links nach rechts, Mercedes 300, Porsche 356, zwei Mercedes 170er.
© Sicherungsgruppe BKA

Die Frühzeit der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes (1951-1976)

Teil 1

Von Dr. Reinhard Scholzen

In der Gegenwart begleiten Personenschützer die höchsten Repräsentanten des deutschen Staates rund um die Uhr. Dass die Männer – und Frauen –, die in diesem Bereich eingesetzt werden, über eine hochmoderne Ausrüstung und Ausbildung verfügen, ist eine Selbstverständlichkeit. Vor 70 Jahren, als die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes gegründet wurde, war vieles ganz anders.

Die ersten Jahre der Bundesrepublik Deutschland prägte eine in der Öffentlichkeit zum Teil erbittert geführte Debatte über die Wiederbewaffnung. Außenpolitische Bedrohungen – allem anderen voran der Ausbruch des Korea-Krieges Ende Juni 1950 – heizten die Demonstrationen weiter an. Immer öfter kam es zu gewalttätigen Protesten, die sich an der Politik der Führungsriege des jungen deutschen Staates entzündeten. Trotzdem war der Schutz für die hochrangigen Politiker dürftig. In den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland sorgten wenige Beamte des 5. Kommissariats der Bonner Polizei für die Sicherheit des Bundeskanzlers Konrad Adenauer1.

Berater mahnten, die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen seien unzureichend. Bundeskanzler Konrad Adenauer war zwar kein besonders ängstlicher Mann und sein rheinisches Naturell ließ ihn vieles gelassen betrachten, aber nachdem Anfang September irgendjemand seinen Aktenkoffer entwendete, erschienen auch ihm die Vorkehrungen zu seinem Schutz unzureichend. In einer „strengen Weisung“ wurde am 16. September 1950 die Aufstellung eines etwa 100 Mann starken Schutz- und Begleitkommandos angeordnet. Innerhalb eines Monats sollte sie einsatzbereit sein. Nach dem Attentatsversuch auf den US-Präsidenten Harry S. Truman, der Anfang November 1950 weltweit für Aufsehen sorgte, wurde nochmals vom Kanzleramt mit Nachdruck auf den Aufbau eines Schutz- und Begleitkommandos gedrängt.2

Mangel bestimmt die Frühzeit

Rasch erzielte man in den Führungskreisen der Sicherheitsbehörden Einigkeit, dass die aufzustellende „Sicherungsgruppe“ (SG), dem Bundeskriminalamt unterstellt werden sollte, das sich zu dieser Zeit noch in Hamburg befand. Vor den Dienst in der Sicherungsgruppe stellte das vorgesetzte Bundesministerium des Innern (BMI) eine Hürde. Dort sollten nur Männer eingesetzt werden, die vom Nationalsozialismus unbelastet waren. Daher nahm man die Vergangenheit der ersten Männer der Sicherungsgruppe unter die Lupe. Dazu fertigten die Ministerialbeamten unter anderem tabellarische Kurzviten der zukünftigen Leibwächter an.3 Große Aussagekraft besaßen diese Auflistungen jedoch nicht. Dies lag zum einen an der Umstrukturierung der deutschen Polizei in der Zeit des Nationalsozialismus. Seit Juni 1936 war die deutsche Polizei zentralisiert und die vormalige Kriminalpolizei dem Hauptamt Sicherheitspolizei unter Reinhard Heydrich unterstellt. Hierdurch änderten sich für viele Polizisten die Dienstbezeichnungen; denn sie erhielten dadurch die entsprechenden Dienstgrade der SS4. Dies geschah allerdings nur bei Angehörigen der Ordnungspolizei ohne eigenes Zutun.5 Zum anderen wussten die Bearbeiter, dass sich auch die in den BKA-Akten aufgeführte Zugehörigkeit zur NSDAP oder zu anderen NS-Organisationen nicht als Beweis für eine besondere Sympathie für das NS-Regime eignete. Nicht selten spiegelte sich in der Parteimitgliedschaft die opportunistische Grundhaltung des Beamten wider: Ohne das Hakenkreuz-Emblem am Revers war nach 1936 eine Karriere in der Polizei nahezu ausgeschlossen – geradeso wie in vielen anderen Berufen. In der Rückschau sollte man das Bemühen, nur politisch Unbelastete in die Sicherungsgruppe aufzunehmen, nicht zu geringschätzen. Der Staatsdienst blieb ausgewiesenen Tätern in der Regel verschlossen. In anderen Berufen hingegen standen auch nationalsozialistischen Schwerverbrechern nach 1945 die Türen offen.

Probleme bereitete die Planung der praktischen Arbeit der Sicherungsgrupp; denn der allenthalben bestehende Mangel erwies sich als Hemmnis. Wie eine Bremse wirkte zudem der bürokratische Dschungel, der bereits damals die föderalistisch organisierte deutsche Polizei charakterisierte.

Der in der bereits erwähnten „strengen Weisung“ vorgegebene Zeitplan konnte nicht eingehalten werden. Denn selbst in der jungen Bundesrepublik war es nicht möglich, einen solchen Apparat innerhalb von vier Wochen auf die Beine zu stellen. Erst am 7. Mai 1951 konnte die Sicherungsgruppe Bonn ihre Arbeit aufnehmen. Die 26 Leibwächter und ein Verwaltungsbeamter bezogen Quartier in der Bundeshauptstadt, in einem zum Pförtnerhaus umgebauten Pferdestall einer ehemaligen Villa6, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Palais Schaumburg, dem damaligen Sitz des Bundeskanzlers, befand.

Die ersten Waffen der Personenschützer des BKA waren belgische FN-Pistolen des Modells 1910/22 im Kaliber 7,65 mm
© Scholzen

Aufgaben der Sicherheitsfachleute

Es dauerte mehrere Monate, bis die Männer der Sicherungsgruppe zu Beamten ernannt wurden. Dadurch erhielten sie ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Etwas rascher schrieb das Bundesministerium des Innern die Aufgaben der Sicherheitsfachleute fest. Am 30. August 1951 formulierte man – aus heutigem Verständnis recht vage, für die damalige Zeit aber durchaus üblich: „Auf Anordnung des Herrn Bundeskanzlers ist im Bundesministerium des Innern eine Sicherungsgruppe mit einer vorläufigen Sollstärke von 30 Kriminal- und 1 Verwaltungsbeamten geschaffen worden; die Gruppe hat ihre Tätigkeit aufgenommen. Sie ist dem Bundeskriminalamt angegliedert. Ihre Aufgaben sind:

  1. Der persönliche Schutz des Herrn Bundespräsidenten und der Mitglieder der Bundesregierung am Dienstsitz und auf Reisen;
  2. die Sicherung der im Bereich der Enklave Bonn gelegenen Dienstgebäude der obersten Bundesbehörden, soweit dies gewünscht wird;
  3. die Sicherung der Dienstgebäude ausländischer Missionen auf besonderen Antrag;
  4. Benachrichtigung der für den Schutz durchreisender höchstgestellter Personen zuständigen Dienststellen; erforderlichenfalls deren Unterstützung;
  5. der erste Angriff bei Straftaten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Aufgabengebieten zu Ziffer 1 – 4 stehen, erforderlichenfalls auch die weitere Bearbeitung dieser Strafsachen in Verbindung mit den örtlich zuständigen Polizei- und Justizbehörden.“7

Bedrohungen

Im Kohlenkeller in Adenauers Haus in Rhöndorf fand die Sicherungsgruppe bei einer Routinekontrolle sechs Sprengkapseln. Die Ermittlungen ergaben bald, dass sie aus einem Kohlebergwerk stammten. Hinweise auf einen versuchten Anschlag auf den Bundeskanzler ergaben sich nicht.

Bedrohlich waren Hinweise, die im September 1951 die „Organisation Gehlen“, der Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes, lieferte. Man hatte einen Hinweis auf ein Killerkommando des tschechischen Geheimdienstes erhalten, das auf der Fahrstrecke des Bundeskanzlers von Rhöndorf nach Bonn einen Überfall plane. Kurze Zeit später versuchte ein Motorradfahrer, an Adenauers Wagen eine Bombe anzubringen8. Daraufhin erhöhte man die Sicherheitsvorkehrungen bei der Fahrt zum Palais Schaumburg deutlich. Diese Maßnahmen waren für jedermann sichtbar: Vor dem Wagen des Kanzlers – seit Dezember 1951 einem schwarzen Mercedes 300 –, fuhren zwei BKA-Beamte in einem Porsche 356. Den Abschluss der Eskorte bildete ein weiterer Mercedes mit Sicherheitsbeamten. Bereits in den frühen Jahren setzten die Personenschützer einen Grundsatz ihres Metiers konsequent um, indem sie den Wagen mit der zu schützenden Person möglichst immer in Bewegung hielten. Daher bekam der Führer der Rheinfähre in Dollendorf die Anweisung, stets unverzüglich nach dem Eintreffen des Kanzler-Konvois abzulegen.

Damals war es der Bonner Republik noch nicht erlaubt war, eigene Waffen zu produzieren. So wollten die Siegermächte eine Wiederbewaffnung Deutschlands verhindern. Daher steckten in den Holstern der BKA-Beamten belgische Pistolen des Modells 1910/22 im Kaliber 7,65 Browning, die in Herstal bei Lüttich von der Fabrique Nationale produziert wurden. Die dazugehörenden Pistolentaschen stammten aus Beständen der Bahnpolizei.9

Aufgabenerweiterung

Nach kurzer Zeit stellten Ministerialbeamte im BMI fest, eigentlich seien die Personenschützer unterbeschäftigt. Daher erhielt die Sicherungsgruppe den Auftrag, Ermittlungen in Fällen des Hoch-, Verfassungs- und Landesverrats durchzuführen. Damit nicht genug. Die Oberstaatsanwaltschaft Bonn übertrug der Sicherungsgruppe auch die Ermittlungsaufträge in Strafsachen, in denen Angehörige von Bundesbehörden Beschuldigte waren. Es kam so, wie es kommen musste. Die Arbeitsbelastung war nunmehr zu hoch, was zur Untergliederung der Sicherungsgruppe in zwei Bereiche führte. Am 1. Mai 1952 schuf man die Unterabteilung I – die eigentliche Sicherungsgruppe – und die Unterabteilung II, den Ermittlungsdienst.

Letzterer arbeitete weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit. Für positive Schlagzeilen sorgten jedoch die Erfolge, die insbesondere gegen Spione erzielt wurden.10 Dass die Sicherungsgruppe hierbei – trotz der Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei11 – häufig eng mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst zusammenarbeitete, störte in den frühen 1950er Jahren fast niemanden.

Rechtsfragen

Nicht nur aus dem zuletzt genannten Grund stand die bundesweit eingesetzte Sicherungsgruppe – rechtlich gesehen – auf dünnem Eis. Eine grundsätzliche Verbesserung war nur durch eine Veränderung ihres Rechtsstatus möglich. Der für Polizeiangelegenheiten zuständige Arbeitskreis II (AK II) der Innenministerkonferenz12 schlug daher während seiner ersten Sitzung, die am 1./2. Juni 1954 in Koblenz stattfand, vor, diesen Beamten den Status von Hilfspolizeibeamten in den jeweiligen Bundesländern, in denen sie tätig wurden, zu verleihen. BKA-Präsident Dr. Jess reagierte auf diesen Vorschlag der Ländervertreter am 21. Juni in einem Brief an das BMI: „Ein derartiges Vorgehen ist der Stellung des Bundes und seiner nachgeordneten oberen Bundesbehörde, des Bundeskriminalamtes, nicht würdig.“ Stattdessen schlug er eine Änderung des BKA-Gesetzes vor, indem die Vollzugsbeamten des BKA die „strafprozessualen Befugnisse der Polizeiexekutivbeamten im gesamten Bundesgebiet nach Bundesrecht erhalten“ sollten.

Dies hätte an einem Grundpfeiler der bundesrepublikanischen Sicherheitsarchitektur gerüttelt: Polizei ist Ländersache. Für Streit sorgte aber nicht nur das große Ganze, oft steckte der Teufel im Detail. Immer wieder entzündeten sich Streitigkeiten an den Polizeieskorten für den Bundeskanzler. Der Leiter der SG, Kriminalrat Martin Vogel, hatte bei der Vorbereitung einer politischen Veranstaltung in Iserlohn den kleinen Dienstweg gewählt, daher am 25. Juni 1954 beim Leiter des dortigen Polizeiamtes angerufen und um die Gestellung einer Polizeieskorte für den Bundeskanzler gebeten. Das rief den Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Dr. Franz Meyers, auf den Plan. So gehe das nicht, schrieb der CDU-Politiker dem BMI. In solchen Fällen solle „das Bundespräsidialamt bzw. das Bundeskanzleramt oder das Auswärtige Amt sich an mich wenden.“ Staatssekretär Ritter von Lex aus dem BMI ging in seinem Antwortschreiben nur am Rande auf die Zuständigkeit der Länder und Fragen der Hierarchie ein. Auffallend ausführlich sprach er sich hingegen für eine bessere rechtliche Stellung der Sicherungsgruppe aus. Im letzten Satz seines Briefs sicherte er schließlich für die Zukunft zu, Polizeieskorten „im Einzelfall in ihrem Ministerium anzumelden“. Dem Leiter der Sicherungsgruppe wurde am 13. Januar 1955 vom BMI befohlen: „Von der selbständigen Beantragung von Polizeieskorten durch die Sicherungsgruppe ist Abstand zu nehmen.“

Planstellen

Im Jahr 1954 nahm der Bundesrechnungshof das Bundeskriminalamt unter die Lupe. Der kommissarische BKA-Präsident Paul Dickopf13 bezog am 2. Oktober 1954 zu der „Geschäfts- und Organisationsprüfung“ gegenüber dem BMI Stellung14. Er fasste zusammen: „Das Bundeskriminalamt, das an diesen katastrophalen Zuständen keine (von Dickopf wurde das Wort „keine“ unterstrichen, d. Verf.) Schuld hat, wird wie in der Vergangenheit so auch in Zukunft versuchen, die ihm gestellten Aufgaben zu lösen. Bei gleichbleibenden Voraussetzungen wird ihm dies nicht gelingen.“

Die Probleme, unter denen das BKA litt, beschrieb Dickopf am 31. Januar 1955 nochmals in einem Memorandum. Da er bis zum Jahr 1953 im Bundesministerium des Innern tätig gewesen war, zuletzt als Referent in der Unterabteilung VI A, die sich mit den Bereichen „Verwaltung und Recht“ befasste, wusste er sehr gut, welche Argumente im Ministerium auf fruchtbaren Boden fielen. Für die staatlichen Personenschützer stellte er dar: „Die Sicherungsgruppe Bonn erhält ihre erste Planstellenzuweisung mit der Ergänzung zum Haushalt 1950. Von 50 beantragten Beamtenstellen werden zunächst 31 bewilligt, die wegen der verspäteten Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1950 (29. 6. 1951) im Vorwege besetzt werden; die SG Bonn nimmt ihre Arbeit am 7. 5. 1951 auf. Mit dem Nachtrag zum Haushalt 1951 wird die Zahl der Planstellen auf 71 (81 beantragte) gebracht und im Jahr 1952 (Nachtrag zum Überrollungs-Haushalt 1952) um 4 Stellen für Arbeiter vermehrt. Der unvorhersehbar große Anfall von Ermittlungsaufträgen – fast ausschließlich von seiten des Oberbundesanwalts – veranlaßt die Einplanung von 84 weiteren Beamten- und 11 Arbeiter- (Kraftfahrer etc.) Stellen in den Haushaltsvorschlag für 1953.“ Dickopf stellte an das Ende seiner Denkschrift die klaren Worte: „Das Bundeskriminalamt ist am Ende seiner Möglichkeiten angelangt.“ Die von ihm erwähnten Ermittlungsaufträge verschlangen sehr viel Zeit. Rund ein Dutzend solcher Vorgänge, darunter viele Fälle von Landesverrat, mussten von den Beamten der Sicherungsgruppe bearbeitet werden, wobei sie zum Teil mehrere hundert Spuren verfolgten.

Ein weiteres Problem stellte der Bundesrechnungshof im Februar 1955 deutlich heraus. Die Prüfer erkannten, die Sicherungsgruppe leide unter der Abordnung von Kräften an das BKA in Wiesbaden und das Bundesamt für Verfassungsschutz: „Ich halte eine baldige Beendigung der Abordnungen für erforderlich“, fasste daher der Berichterstatter lakonisch zusammen.

Für den Bereich „Schutz und Sicherung“, den eigentlichen Personenschutz, erkannte der Bundesrechnungshof folgenden Personalbedarf:
1 Regierungs- und Kriminalrat
1 Kriminalrat
1 Kriminalkommissar
4 Kriminalinspektoren
9 Kriminalobersekretäre
9 Kriminalsekretäre
10 Kriminaloberassistenten

Die personellen Aufstockungen und die Verbesserungen der Ausrüstung erleichterten der Sicherungsgruppe ihre Arbeit, aber ein Problem bestand nach wie vor: Zwischen der täglichen Praxis und den rechtlichen Möglichkeiten der Beamten der SG klaffte eine breite Lücke.

Veranstaltung Mitte der 1950er Jahre. In unmittelbarer Nähe des Bundeskanzlers stehen Personenschützer des BKA. Sie werden von uniformierten Beamten der Landespolizei unterstützt >br>© Sicherungsgruppe BKA

Probleme des Föderalismus

Obwohl sich der BKA-Präsident mit Nachdruck dagegen ausgesprochen hatte, beschloss der AK II am 16. Februar 1955 in Bremen, „die Beamten der Begleitkommandos des Herrn Bundespräsidenten und des Herrn Bundeskanzlers zu Hilfspolizisten der Länder“ zu ernennen, „sie sollen auf diese Weise polizeiliche Befugnisse ausüben können.“15 Am 23. Mai 1955 – auf den Tag genau sechs Jahre zuvor hatte der Parlamentarische Rat das Grundgesetz beschlossen – teilte das BMI den Innenministern der Länder die Namen der BKA-Beamten mit, die zu Hilfspolizeibeamten ernannt werden sollten. Neben Kriminalrat Martin Vogel waren es ein Kriminalkommissar, ein Kriminalinspektor, zwei Kriminalobersekretäre, zehn Kriminalsekretäre und zwei Kriminaloberassistenten. Darüber hinaus wurden namentlich zwölf Vertreter benannt, und noch zwei Landespolizisten aus Nordrhein-Westfalen: Polizeirat Paulus Meier und ein Polizeihauptwachtmeister.

In einem Aktenvermerk hielt Oberregierungsrat Dr. Dröge aus dem BMI am 12. August 1955 fest, welche Probleme damit einhergingen: Rheinland-Pfalz habe die Ausweise für die benannten Beamten geschickt, aber das Datum vergessen, daher seien die Papiere zurückgeschickt worden. NRW habe das Polizeipräsidium Bonn mit der Durchführung der Angelegenheit beauftragt. Von dort habe man zunächst zwei Lichtbilder von jedem Beamten angefordert und darauf hingewiesen, die Beamten müssten – da sie ja bald auch Landesbeamte seien – noch besonders verpflichtet werden. Berlin übersandte lediglich die Ausweise, Niedersachsen hingegen schickte neben den Ausweisen noch Bestallungsurkunden mit. Mit Bedauern vermerkte Dr. Dröge, die Länder hätten sich nicht auf die Ausgabe eines gemeinsamen Formulars einigen können: „Die Beamten des Begleitkommandos werden demnach künftig zehn verschiedene Länderausweise neben ihrem Dienstausweis vom BKA mit sich führen müssen.“ Bis zum 10. Juli 1956 hatten bis auf Bayern und Baden-Württemberg alle Länder die Ausweise übersandt. Die Verhandlungen mit diesen Ländern würden fortgeführt, heißt es in einer Aktennotiz des BMI und der anonyme Schreiber vermutet: „Sie dürften längere Zeit in Anspruch nehmen.“

Während das langwierige Verfahren der Bestallung der Beamten der Sicherungsgruppe lief, tat sich ein weiteres Konfliktfeld auf. Die Deutsche Bundesbahn schrieb am 14. Mai 1955 an das BMI: „Neuerdings“ schütze ein Begleitkommando des Bundesgrenzschutzes Bundeskanzler Adenauer bei Zugreisen. Darüber hinaus seien stets Beamte der Sicherungsgruppe und – wie seit jeher – ein Kommando der Bahnpolizei in dem Zug des Kanzlers. Die Verwaltung der Bundesbahn bat unter anderem um eine eindeutige Regelung und die klare Abgrenzung der Befugnisse. Das war leichter gesagt als getan. Männer aus der in Bonn stationierten Grenzschutzabteilung I/4 hatten seit Mitte Februar 1955 insgesamt sechsmal das Begleitkommando für Adenauer während Zugfahrten gestellt. Deren Einsatz sei, so stellte der persönliche Referent Adenauers, Dr. Hans Kilb, heraus, auch in der Zukunft beabsichtigt. Damit widersprach er der Darstellung des BMI. Dort hatte man am 31. Mai den aufgebrachten Eisenbahnern geschrieben, der Einsatz des BGS „habe nur in einem Sonderfall stattgefunden.“ So wollten sich die Ministerialbeamten wohl ein lange Kontroverse über Zuständigkeiten ersparen. Jetzt musste eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Das übernahm der Abteilungsleiter VI A 1, Dr. Hans-Hugo Pioch, in einem Brief vom 7. Juli 1955. Er beschrieb, die vom BGS gestellte Wache werde auf Eisenbahnfahrten lediglich für den Fall der Notwehr eingesetzt, da der Zug manchmal nachts auf abgelegenen Gleisen abgestellt werde. „Eine Bewachung ist daher dringend erforderlich. Die beiden Bahnpolizeibeamten, die den Zug üblicherweise begleiten“, seien aber nicht in der Lage, den Schutz „ausreichend zu gewährleisten“. Aus diesem Grund sei es zur Anforderung der Bundesgrenzschützer gekommen. Mit dieser Darstellung waren die gutmütigen Eisenbahner zufrieden.

Besuch aus den USA

Trotz der erzielten Erfolge brachten manche Staatsgäste der Sicherungsgruppe nur wenig Vertrauen entgegen. BKA-Präsident Reinhard Dullien fasste am 22. Oktober 1959 in einem Brief an das BMI seine Erkenntnisse über den Besuch des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower in der Bundesrepublik zusammen. Mit dem Präsidenten seien am 26. August 25 Beamte des Secret Service nach Deutschland gekommen. Zwei Tage zuvor sei der Chef der amerikanischen Leibwächter, Urbanus Edmund Baughman, in Bonn eingetroffen. Für den Begleitdienst des amerikanischen Präsidenten stellte das BKA – auf ausdrücklichen Wunsch des Secret Service – nur einen Beamten ab. Da Eisenhower in der Residenz des amerikanischen Botschafters wohnte, übernahm der Sicherheitsdienst der Amerikaner dort auch die Innensicherung. Die Sicherungsgruppe und das für solche Anlässe zuständige 14. Kommissariat in Bonn stellten lediglich Verbindungsleute zur Verfügung, „die sich während der Anwesenheit des Präsidenten Eisenhower in seiner Wohnung auf dem Anwesen des Botschafters aufhielten.“ Wenn auch nahezu zum Nichtstun verurteilt, konnte die Sicherungsgruppe bei diesem Anlass dennoch einen Erfolg erzielen; denn die lange Zeit gestellte Forderung wurde erfüllt, „Angehörige der Presse durch weithin sichtbare Abzeichen als berechtigte Personen kenntlich zu machen.“ Der Wunsch, auch Angehörige des Auswärtigen Amtes, des Presse- und Informationsamtes und der Kriminalpolizei so zu kennzeichnen, wurde bei diesem Besuch noch nicht berücksichtigt, bedauerte Dullien. In dieser Hinsicht seien die Amerikaner weiter, stellt der erste Mann des BKA fest: Alle Personen, die mit dem Besuch des Präsidenten zu tun hatten, trugen deutlich sichtbare Abzeichen und die Namen dieser Personen waren in Listen eingetragen, die auch den deutschen Behörden zur Verfügung standen. Die von der nordrhein-westfälischen Polizei gestellte Motorradeskorte erwies sich nach der Ansicht Dulliens als weitgehend wirkungslos. Menschen, die dem amerikanischen Präsidenten Blumen überreichten, konnten diese Sperre mühelos durchbrechen und an seinen Wagen herankommen. Die Zusammenarbeit wies Mängel auf, da es mitunter am Informationsaustausch zwischen den Beamten der SG und den Kollegen aus NRW mangelte. Dullien vergaß in seinem Bericht aber nicht, dass Präsident Eisenhower „dem Leiter und dem zu seinem Schutz eingesetzten Beamten persönlich Dank und Anerkennung aussprach.“ Eine nette Geste, die auch in der Gegenwart nur selten vergessen wird.

 

Quellen:

1 Hartmuth Jaufmann, Wolfgang Ulrich: Die Sicherungsgruppe – „Schutzpolizei des BKA“. In: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag. Das Bundeskriminalamt am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Wiesbaden 1998. S. 555–569. Hier S. 556. Vgl. Reinhard Scholzen: Vom Kofferträger zum engsten Vertrauten. In: CD Sicherheits-Management 3, 2002, S. 56-68.
2 Vgl. Reinhard Scholzen: Personenschutz: Geschichte, Ausbildung, Ausrüstung. 2. Aufl. Stuttgart 2004. S. 27ff.
3 Bundesarchiv Koblenz (BAK), Bestand B 106/78724. Vgl. Imanuel Baumann, Herbert Reinke, Andrej Stephan, Patrick Wagner: Schatten der Vergangenheit. Das BKA und seine Gründungsgeneration in der frühen Bundesrepublik. Köln 2011.
4 Vgl.: Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 2002.
5 Baumann u. a., Schatten, S. 93ff.
6 Jaufmann, Sicherungsgruppe, S. 562.
7 Jaufmann, Sicherungsgruppe, S. 557.
8 Hans-Peter Schwarz: Adenauer. Der Aufstieg: 1876-1952. Stuttgart 1986, S. 801.
9 Vgl. Horst Friedrich (Bearb.): Handfeuerwaffen der deutschen Gendarmerie und Polizei des 19. und 20. Jahrhunderts. 200 Jahre Waffentechnik und -geschichte im Dienst der Inneren Sicherheit. Katalog zur Sonderausstellung der Wehrtechnischen Studiensammlung des BWB, der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte e. V. und des Verbandes für Waffentechnik und -geschichte e. V. Koblenz 1999, S. 79/80.
10 Siehe hierzu: Rainer Engberding, Günther Knopp: Spionage – die neuen Köpfe der Hydra. In: In: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Festschrift für Horst Herold zum 75. Geburtstag. Das Bundeskriminalamt am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Wiesbaden 1998. S. 533–554. Hier S. 534.
11 Das „Trennungsgebot“ zwischen den Geheimdiensten und der Polizei beruht auf dem sogenannten „Polizeibrief“ der Alliierten an den Parlamentarischen Rat vom 14. April 1949. Dort heisst es „This agency shall have no police authority.“ Michael Kniesel, Edwin Kube, Manfred Murck: Handbuch für Führungskräfte der Polizei – Wissenschaft und Praxis. Lübeck 1996, S. 129-135, 143. Vgl.: Markus Löffelmann; Mark A. Zöller: Nachrichtendienstrecht. Baden-Baden 2022.
12 Zur Geschichte und den Aufgaben des Arbeitskreises II, der für die „Innere Sicherheit“ zuständig ist, vgl.: Kiesel, Kube, Murck (wie Anm. 10), S. 151 et passim.
13 Die Amtszeit des BKA-Präsidenten Dr. Jess hätte im Jahr 1953 enden sollen. Ende Juli 1953 teilte ihm das BMI mit, die Bundesregierung habe am 28. Juli beschlossen, seinen Eintritt in den Ruhestand bis zum 31, Juli 1954 hinauszuschieben. Letztlich musste er bis zum 27. Juli 1955 auf das Ende seiner Dienstzeit warten; denn in der Zwischenzeit hatte er die Führung des Bundesamtes für Verfassungsschutz übernehmen müssen, nachdem dessen Präsident, Otto John, sich im Juli 1954 in die DDR abgesetzt hatte. In Vertretung von Dr. Jess wurde das Bundeskriminalamt seit Ende Juli 1954 von Kriminaldirektor Dickopf geleitet.
14 BAK, B 106/15631.
15 BAK B 106/78724.

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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