Skip to main content

 Auf Sicherheit gibt es kein copyright. Vielerorts bestehen Partnerschaften zwischen Polizei und Privater Sicherheit wie hier in Hamburg.

Quo Vadis gewerblicher Sicherheitsdienst?

Ein länderübergreifender Vergleich hinsichtlich einer potenziellen Aufgabenerweiterung des gewerblichen Sicherheitsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung gesetzlicher und behördlicher Auflagen

Von Frank Steinle

In den nächsten drei Ausgaben von veko-online möchten wir Ihnen einen detaillierten Einblick in die gesetzlichen Grundlagen zur Gründung von Sicherheitsunternehmen in Deutschland, Schweiz und Österreich bieten. Weiterhin wird Ihnen aufgezeigt, welche Dienstleistungen in unseren Nachbarländern durch gewerbliche Sicherheitsunternehmen bereits jetzt realisiert werden und somit potentielle Aufgabenfelder für Deutsche Wachunternehmen darstellen können.

In der heutigen Ausgabe werden wir das Gewaltmonopol, Gewerberecht; Beleihung in Deutschland aufzeigen. In den nächsten beiden Ausgaben erfolgt die Analyse unserer Nachbarländer. Der Abschluss dieser Reihe stellt eine Zusammenfassung sowie Darstellung der möglichen zukünftigen Dienstleistungen des Wachgewerbes in Deutschland dar. Die Inhalte der Artikel sind wissenschaftlich fundiert durch Zitierung einschlägiger Gesetze, juristischen Aufsätzen und Interviews mit Experten.


Ableitung des Gewaltmonopols aus dem Grundgesetz

Sowohl das Gewaltmonopol als auch die Gewährleistung der inneren Sicherheit sind weder im Grundgesetz der Bundesrepublik, noch in den jeweiligen Landesverfassungen der Bundesländer ausdrücklich erwähnt1. Zwar lassen sich aus einer Vielzahl von Artikeln das Gewaltmonopol und die Gewährleistung der Inneren Sicherheit ableiten, jedoch existiert kein abgeschlossener Aufgabenkatalog, der diese Staatsaufgabe benennt2.

Als wesentliche Artikel des Grundgesetzes, die Hinweise auf dieses Monopol des Staates bzw. der Bundesländer liefern, sind zu benennen:

Art. 20 Abs. 33: Hieraus leitet sich die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative ab und stellt die Legitimation des Prinzips des Rechtsstaates dar4.

Art. 305: Dieser Artikel stellt einerseits das föderalistische Prinzip und die Hoheit der Bundesländer dar, überträgt zunächst alle Befugnisse auf die Länderebene, lässt aber die Möglichkeit zu, dass bestimmte Aufgaben dennoch auf Bundesebene entschieden werden (z. B. das Schulwesen6). Hieraus leitet sich ab, dass sich die Aufgaben und Befugnisse der Exekutiven Gewalt generell im Kompetenzbereich der jeweiligen Bundesländer befinden.

 

Securitas

 

Art. 33 Abs. 47: Hoheitliche Befugnisse dürfen nur durch Angestellte des öffentlichen Dienstes und Beamte ausgeübt werden.

Wird nun unterstellt, dass sich das Gewaltmonopol aus den o. a. Gesetzen ableitet und deren Ausübung auf öffentliche Dienste überträgt, so ist § 1 PolG Baden-Württemberg die Spezialnorm zu den oben genannten Normen. „§ 1 Abs. 1 Satz 1 PolG weist der Polizei8 die Aufgabe zu, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und Störungen zu beseitigen“9.

„Das Gewaltmonopol ist eine für den modernen Staat besonders wichtige Gegebenheit, die er sich immer wieder im Rahmen des Rechts erkämpfen muss. Daraus ergibt sich, dass der Staatszweck Sicherheit in seiner Kernsubstanz unveräußerlich und wegen seiner Friedenssicherungsfunktion einer Privatisierung nicht zugänglich ist“10. Das Gewaltmonopol legitimiert den Staat und dessen Repräsentanten, Anordnungen und Maßnahmen auch gegen den Willen des Bürgers durchzusetzen11 und in bedeutende Schutzgüter einzugreifen.

Trotz des Monopols des Staates / der Bundesländer Gewalt auszuüben, kann hieraus kein Sicherheitsmonopol abgeleitet werden12. „Zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Privatleuten zu schlichten, kann nicht die Aufgabe einer dem öffentlichen Wohl verpflichteten Polizei sein“13. Dass eine nachbarschaftliche Streitigkeit nicht unmittelbar die öffentliche Sicherheit gefährdet, ist nachvollziehbar. Um beispielsweise Nachbarschaftsstreitigkeiten, Familiensachen etc. rechtsverbindlich zu klären, sind in erster Linie die Gerichte zuständig14 und nicht die Polizeibehörden. Zwar kann die Polizei bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen entsprechend § 2 Abs. 2 PolG Baden-Württemberg auch privatrechtliche Interessen schützen, jedoch ist diese dann nur subsidiär zuständig15. Neben der Hinzuziehung der Polizei bei Beeinträchtigung schutzwürdiger privatrechtlicher Interessen hat der betroffene Bürger auch die Möglichkeit, sich bereits präventiv um den Schutz seiner Person, seines Eigentums oder seiner Rechte etc. in Form einer privatrechtlichen Beauftragung eines Sicherheitsunternehmens zu kümmern. Wie eingangs erwähnt, obliegt das Sicherheitsmonopol nicht dem Staat allein und kann in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG auch als Berufsstand ausgeübt werden. „Während an die Polizei als staatliche Institution der Anspruch erhoben werden kann, dass diese dem Allgemeinwohl dient, ist bei privaten Sicherheitsdiensten eindeutig, dass diese nicht der Gesamtbevölkerung, sondern einzig den Interessen ihrer Auftraggeber verpflichtet sind“16. Der Staat übernimmt jedoch die Funktion des Sicherheitsgaranten17 und muss notfalls zwangsweise Rechte und Interessen einzelner oder eines Kollektivs mit Staatsgewalt durchsetzen18.


Hoheitlichkeit, Beleihung und Verwaltungshelfer

Das sich aus dem Grundgesetz ableitende Gewaltmonopol des Staates19 bildet die Grundlage und Voraussetzung für die Vornahme von hoheitlichen Tätigkeiten, Aufgaben und Befugnissen durch die Repräsentanten des Staates. Tätigkeiten, Aufgaben und Befugnisse sind dann hoheitlich, wenn der Staat über die rechtliche Möglichkeit verfügt, von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien und Zwangsbefugnissen gegen dessen Bürger Gebrauch zu machen20.

Die Um- und Durchsetzung von Gesetzen, Verordnungen, Erlassen, die Einleitung von Zwangsmaßnahmen gegen Bürger, den Eingriff in deren Grundrechte etc. stellen allesamt hoheitliche Tätigkeiten dar. Sie sind primär dem Staat und unter besonderen Voraussetzungen sekundär auch Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des Öffentlichen Rechts, sowie im Ausnahmefall auch Privatpersonen, vorbehalten.

Die Übertragung von Hoheitsrechten auf rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Privatpersonen wird als „Mittelbare Staatsverwaltung“ oder als „Beleihung“ definiert und ist an strenge rechtliche Voraussetzungen gebunden. „Als Übertragung von Hoheitsrechten darf die Beleihung nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen; sie bedarf mithin einer gesetzlichen Ermächtigung“21.

Um eine mittelbare Staatsverwaltung oder Beleihung handelt es sich, wenn der Staat Teilbereiche oder einzelne Vorgänge seines, durch das Grundgesetz vorgegebenen Gewaltmonopols (in Form von Verwaltungsaufgaben), nicht durch eigene Behörden, sondern durch eben diese juristischen Personen des Öffentlichen Rechts oder Privatpersonen vornehmen lässt22. Beliehene Institutionen oder Privatpersonen, denen hoheitliche Aufgaben übertragen sind, diese selbstständig wahrnehmen und über entsprechende Entscheidungskompetenzen verfügen, stellen vom Grundsatz her Behörden im Sinne des § 1 Abs 4 VwVfG dar. Demnach sind auch Beliehene dazu berechtigt, Verfügungen, Entscheidungen oder hoheitliche Maßnahmen einzuleiten um Fallentscheidungen zu Gunsten oder Ungunsten von Privatpersonen zu treffen.
Luftfahrzeugführer nach § 12 Abs. 1 Luftsicherheitsgesetz stellen „Beliehene“ dar. Diese dürfen entsprechend der Regelungen nach Abs. 2 auch Personen an Bord fesseln, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Personen den Luftfahrzeugführer oder Dritte angreifen oder Sachen beschädigen. Dieses „Fesseln“ steht vom Grundsatz her dem Staat als Gewaltmonopolisten zu, ist jedoch aus Gründen der Zweckmäßigkeit dem Piloten übertragen worden. Weitere Beispiele23 für einen Beleihungsvorgang stellen Ingenieure der technischen Überwachungsvereine oder anderer Prüfgesellschaften bei der regelmäßigen Hauptuntersuchung von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 29 StVZO dar, Schiffskapitäne entsprechend § 106 Abs. 1 SeemG, oder aber auch das Unternehmen Toll Collect GmbH. „Das Lkw-Mautsystem wird als hoheitliche Aufgabe durch das Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) verantwortet. Toll Collect ist als Betreiber des Mautsystems Auftragnehmer des BAG“24 und setzt die Inhalte des Bundesfernstraßenmautgesetz, Lkw-Maut-Verordnung sowie das Bundesdatenschutzgesetz um. Sie ist von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland / dem BAG beliehen25.

Der „Beliehene“ ist von einem Verwaltungshelfer zu unterscheiden. Der Verwaltungshelfer (beispielsweise das durch die Polizei beauftragte Abschleppunternehmen) ist ein Erfüllungsgehilfe einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe. Dieser arbeitet nicht eigenverantwortlich und selbstständig, sondern ist nur Gehilfe einer Behörde und handelt streng nach Weisung26. Der Verwaltungshelfer ist im Gegensatz zum Beliehenen kein Hoheitsträger und im Sinne des § 1 VwVfG keine Behörde.

Durch den Beleihungsvorgang oder den Einsatz von Verwaltungshelfern verfolgt der Staat folgende Ziele:27 

  • Der Staat und dessen Repräsentanten können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.
  • Leistungen können durch den Einsatz von „Externen“ mit entsprechender Fach- und Methodenkompetenz, vorhandenen Sachmitteln etc. effizienter durchgeführt werden – der Staat macht sich deren Kompetenz zu Nutze.
  • Vorgänge können durch den Einsatz von spezialisierten Externen kundenfreundlicher realisiert werden.

Ungeachtet, ob es sich um eine beliehene Person, Institution oder um einen Verwaltungshelfer handelt, haftet nach Art. 34 GG immer der Staat oder die öffentlich-rechtliche Körperschaft.

Bereits im Jahr 1996 beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren, „dass im Interesse der personellen und wirtschaftlichen Entlastung der zuständigen Behörden die Möglichkeit einer Beleihung privater Unternehmen im Bereich der Verfolgung von Verstößen im ruhenden Verkehr eingeführt werden sollte“28. In diesem Sinne bat die Innenministerkonferenz die Bundesregierung, eine Änderung des § 26 StVG29 durchzuführen. Eine Änderung des StVG erfolgte in diesem Teilbereich bis heute noch nicht, da dieses Anliegen verfassungsrechtlich problematisch ist und auch Kernbereiche polizeilicher Tätigkeiten tangiert wären30.

Abbildung 1: Gewaltmonopol, hoheitliche Aufgaben, Beliehene und Verwaltungshelfer 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Die Sicherheitsarchitektur in Deutschland

„Die privaten Sicherheitsunternehmen sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen Sicherheitsarchitektur, … Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit werde zu einer immer komplexeren Herausforderung für die Polizei, die ein vernetztes Handeln aller Beteiligten erfordere. Dabei habe der Staat nach dem Grundgesetz zwar die Gewalthoheit, aber kein Sicherheitsmonopol“31. Die in Teilen der Pressemitteilung zitierte Aussage des damaligen baden-württembergischen Landespolizeipräsidenten Erwin Hetger beinhaltet drei wesentliche Kernaussagen:

  1. Private Sicherheitsunternehmen unterstützen die Repräsentanten der exekutiven Gewalt,
  2. es steht dem Staat als alleinigem Träger hoheitlicher Aufgaben zu, unter Beachtung der Rechtmäßigkeit, Verhältnismäßigkeit und des Mindesteingriffs Gewalt gegen Personen oder Sachen auszuüben32, jedoch
  3. ist der Staat nicht allein und ausschließlich für die Sicherheit im Staat verantwortlich.

Spätestens seit der Aussage von Erwin Hetger steht fest, „Unternehmen aus dem Dienstleistungsspektrum der privaten Sicherheit sind ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland“33. Trotz dieser scheinbar klaren Aussage ist innerhalb der Politik und Polizei die tatsächliche Integration der Sicherheitsbranche in die Sicherheitsarchitektur umstritten34.

Zur Gründung und zum Betrieb eines Sicherheitsunternehmens / Bewachungsgewerbes in Deutschland sind drei Normen von zentraler Bedeutung:

Abbildung 2: Anzuwendende Normen für das Bewachungsgewerbe

35


„Nach § 34a GewO genügt zur Erlangung der Gewerbeerlaubnis das Vorliegen der „erforderlichen Zuverlässigkeit“ sowie der „erforderlichen Betriebsmittel“ in der Person des Antragstellers“36. Weiterhin wird innerhalb dieses Gesetzes geregelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Erlaubnis untersagt werden kann37 und dass zur Ausübung der Tätigkeit das eingesetzte Personal, der Gewerbetreibende oder, bei juristischen Personen, der gesetzliche Vertreter qualifiziert sein müssen38. Diese Qualifikation hängt im Wesentlichen von der auszuführenden Aufgabe ab und umfasst mindestens die Sachkundeprüfung, § 34 a Abs. 1 Satz 5 GewO oder die Unterrichtung, § 1 Abs. 2 BewachV. Höhere Qualifizierungen, wie zum Beispiel die vierwöchige Ausbildung als IHK-Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft39 inkludieren per se die Basisqualifikation im Sinne des § 34a GewO.

Sachkundeprüfung:
Die erfolgreich abgelegte Sachkundeprüfung vor einer Industrie- und Handelskammer ist erforderlich bei

  1. Kontrollgängen im öffentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr,
  2. Schutz vor Ladendieben,
  3. Bewachungen in Einlassbereichen von gastgewerblichen Diskotheken40.

Die unter der Nummer 1 angeführten Kontrollgänge sind z.B. Citystreifen oder die Bestreifung von Zügen, U-Bahnen oder Bahnhöfe durch Mitarbeiter der DB Sicherheit.
Seitens der Industrie- und Handelskammer ist der vorherige Besuch einer Schulung zur Wissensvermittlung der Prüfungsinhalte nicht zwingend erforderlich, wird aber bei einer Durchfallquote von ca. 30% - 40% angeraten41.

Für alle anderen Tätigkeiten (z. B. Veranstaltungs- und Objektschutz, Geld- und Werttransport) innerhalb des Sicherheitsgewerbes ist die Schulung nach § 34 a GewO i. V. m. § 3 BewachV ausreichend. Die Schulungsdauer für den Unselbstständigen umfasst 40 Stunden zu je 45 Minuten, für den Gewerbetreibenden oder den Vertreter der juristischen Person 80 Stunden.
Ausnahmen für die Unterrichtung nach § 34a GewO und die Sachkundeprüfung sind in den §§ 5 und 5a BewachV geregelt, beispielsweise für Polizei-, Justizvollzugs- und Zollbeamte des mittleren Dienstes. Deren Abschlüsse sind ausreichend, um in der Sicherheitsbranche arbeiten zu dürfen42.

In den klassischen Aufgabengebieten Objekt-, Veranstaltungsschutz, Flughafensicherheit, Empfangsdienste, Geld-, Werttransporte, Revier- und Interventionsfahrer und den damit verbundenen Notrufleitstellen sind 83% aller Beschäftigten tätig43. Das Aufgabenfeld ist seit mehreren Jahren stabil und hat sich kaum erweitert.

Trotz der Einführung des Mindestlohnes über die Sicherheitsdienstleistungsarbeitsbedingungenverordnung (SicherheitArbbV) und der Bezugnahme auf den Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für Sicherheitsdienstleistungen vom 11. Februar 2011 gilt die Bewachungsbranche immer noch als Niedriglohnsektor44. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Mitarbeiter schlecht oder gar nicht ausgebildet sind45. Zwar hat sich im Verlauf der vergangenen 15 Jahre die Unterrichtungsdauer für die Schulung nach § 34a GewO für den angestellten Sicherheitsmitarbeiter von 24 Stunden auf 40 Stunden bzw. von 40 Stunden auf 80 Stunden für den Gewerbetreibenden erhöht, dennoch sind sich alle interviewten Polizeibeamten oder Vertreter der Gewerkschaften der Polizei darüber einig, dass dies nicht ausreichend ist, um den Beruf als Sicherheitsmitarbeiter seriös auszuüben. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass viele Polizeibeamte die Qualifikation von Sicherheitsmitarbeitern als nicht ausreichend betrachten46.

Ungeachtet des Ausbildungsgrades der Sicherheitsmitarbeiter muss jedoch davon ausgegangen werden, dass weitere Teilbereiche der hoheitlichen Aufgaben im Verlauf der nächsten Jahre auf Privatunternehmen, und somit auch auf Sicherheitsdienstleister, übertragen werden.


Befugnisse des gewerblichen Sicherheitsdienstes in Deutschland

Sowohl der Betreiber eines Sicherheitsdienstes als auch dessen „Beschäftigte dürfen bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten nur die Rechte, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen“ ausüben, § 34 a Abs. 5 Satz 1 GewO. Neben diesen klassischen Jedermannsrechten stehen dem Sicherheitsunternehmen noch die ihnen vom jeweiligen Auftraggeber vertraglich übertragenen Selbsthilferechte zu. Ein weiterer Rahmen für die Ausübung bestimmter Rechte durch Sicherheitsunternehmen würde sich im Falle einer gesetzlichen Übertragung, so zum Beispiel durch Beleihung oder als Verwaltungshelfer, ergeben, § 34 a Abs. 5 Satz 1 GewO.
In allen Fällen der Rechtsausübung ist der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten und einzuhalten, § 34 a Abs. 5 Satz 2 GewO.

Ob die Jedermannsrechte für einen gewerblichen Sicherheitsdienst ausreichend sind, ist je nach Standpunkt und Profession heftig umstritten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass die Jedermannsrechte und Rechte des Eigentümers eingeführt wurden, um die gesetzliche Legitimation zu schaffen, sein Hab und Gut dann zu verteidigen, wenn staatliche Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig präsent ist47, also in absoluten Ausnahmesituationen48. „Da das Gesetz nicht zwischen professioneller und sonstiger Ausübung der Not- und Jedermannsrechte unterscheidet, wird in der polizeilichen Literatur die Ansicht vertreten, eine solche Vorgehensweise würde die als Ausnahmevorschriften zu qualifizierenden Normen auf eine Fallgruppe anwenden, für die sie nach Sinn und Zweck nicht angedacht waren“49.

 
Abbildung 3: Befugnisse des gewerblichen Sicherheitsdienstes  


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

50

Zusammenfassende Beurteilung des gewerblichen Sicherheitsdienstes in Deutschland

„Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist staatliche Aufgabe. Ein Rückzug des Staates aus diesem Kernbereich hoheitlichen Handelns kommt nicht in Betracht“51. Zwar weist das Grundgesetz nicht eindeutig aus, dass für die Ausübung des Gewaltmonopols der Staat und seine Repräsentanten verantwortlich sind, jedoch ergibt sich dies aus der Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive52. „Wo das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft gesetzt ist, herrscht nicht „freie Liebe“, sondern schlicht das Recht des Stärkeren, …“53. Auch beim Vorhandensein des Gewaltmonopols des Staates ergibt sich hieraus kein Sicherheitsmonopol54. Das Recht, Unternehmen zu gründen und Handel zu treiben, steht jedem zu, Art. 12 Abs. 1 GG, also auch zur Gründung privater Sicherheitsunternehmen.

Hinsichtlich des Föderalismus in Deutschland existieren klare Kompetenzverteilungen zwischen dem Bund als Gesamtorganisation des Staates und den 16 Bundesländern. Zur Gesetzgebung sind sowohl die Länder berechtigt, als auch der Bund – je nach Themengebiet, Art. 70 ff. GG. Die Gewerbeordnung ist in Deutschland und in den Bundesländern einheitlich durch ein Gesetz geregelt. Spezialnorm für gewerbliche Bewachungsunternehmen bildet § 34a GewO. Weitere Konkretisierungen für Sicherheitsunternehmen sind in der Bewachungsverordnung geregelt sowie in der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des § 34a GewO und zur Bewachungsverordnung. Alle genannten Vorschriften beinhalten verbindliche Regelungen hinsichtlich Gründungs- und Betriebsvoraussetzungen, Versicherungen, Dienstkleidung, -ausweis, -anweisungen, notwendige Schulungen für Unternehmer und Angestellte bis hin zu Aufbewahrungsfristen für auftragsspezifische Dokumente.

Die Umsatzentwicklung in der Sicherheitsbranche war in den Jahren zwischen 2003 und 2010 wechselhaft, jedoch verzeichneten die Unternehmen im Verlauf dieser acht Jahre ein Wachstum von insgesamt 11,86%, pro Jahr durchschnittlich 1,48%55. Es scheint, dass die Wirtschaft sich in diesem Bereich nur noch langsam entwickelt. Dies liegt möglicherweise daran, dass neue Themengebiete wie ggf. die Durchführung von Kontrollen des fließenden oder ruhenden Verkehrs nicht möglich sind und / oder weitere Zielgruppen wie beispielsweise Gemeinden und Kommunen nicht erschlossen werden können.

„Die Unternehmen aus dem Dienstleistungsspektrum der privaten Sicherheit sind ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland“56. Hierbei arbeitet die Polizei konstruktiv mit den Privatunternehmen zusammen, sagt jedoch von sich aus, dass die Übertragung von hoheitlichen Befugnissen auf diese Ausnahmen bleiben sollen57.

 

Anlage 1    Vergleich wesentlicher ökonomischer Kenngrößen der betrachteten Nationen
Tabelle 1: Vergleich wesentlicher Kennzahlen Deutschland, Schweiz und Österreich

 

 

 

 

 

 

 

 

 59

Anlage 2    Vergleich spezifischer Kenngrößen der Sicherheitsbranchen

Tabelle 2: Vergleich wichtiger Kenngrößen der Sicherheitsbranche

63

nach oben


Quellen

[1] Vgl. Bueß, P.(1997), S. 40 f.

[2] Vgl. Pitschas, R. (2000), S. 92.

[3] „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“.

[4] Vgl. Bülow, W. (2000), S. 103, 107.

[5]  „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine anderen Regelungen trifft oder zulässt“.

[6] Vgl. Art. 7 Abs. 1 GG.

[7]  „Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen“.

[8] Anmerkung des Autors: Auf eine Differenzierung zwischen Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen und wird nachfolgend unter dem Synonym „Polizei bzw. Polizeibehörde“ weiter verwendet.

[9] Vgl. Zeitler, S., Trurnit, C. (2011), S. 18.

[10] Ebenda.

[11] Krölls, A. (1999), S. 233, 234.

[12] Jungk, o. V. (2012), Rn 74.

[13] Vgl. Zeitler, S., Trurnit, C. (2011), S. 19; vgl. Bülow, W. (2000), S. 103, 108.

[14] Vgl. § 13 GVG; vgl., Zeitler, S., Trurnit, C. (2011), S. 19.

[15] Vgl. Zeitler, S., Trurnit, C. (2011), S. 19.

[16] Blöhm, M., Hanschke, J. (2011), S. 8.

[17] Vgl. Bueß, P.(1997), S. 41.

[18] Vgl. Haller, W., Kölz, A. (2004), S. 11.

[19] Vgl. Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (2008 / 2009), S. 25.

[20] Immenga, U., Mestmäcker, E. (2012), S. 15 ff., Rn 16-22.

[21] Friedrich Ebert Stiftung (2004), S. 1 ff., vgl. BVerwG, Urteil vom 26.08.2010, 3 C 35/09.

[22] Vgl. Maurer, H. (2002), S. 95 ff.

[23] Anmerkung des Autors: Eine weitere Liste mit Berufsgruppen die „Beliehene“ darstellen sind in der Disseration von Markus Tischbein (siehe Literaturverzeichnis), Seite 37 und 38 zu entnehmen.

[24] http://www.toll-collect.de/hilfe-service/fragen-antworten/datenschutz-sicherheit.html, Stand 01.02.2013.

[25] Vgl. Deutscher Bundestag (2006), S. 7.

[26] Friedrich Ebert Stiftung (2004), S. 2 ff; vgl. Münchner Kommentar zum BGB (2009), Rn 135 – 136.

[27] Friedrich Ebert Stiftung (2004), S. 2 ff.

[28]Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (1996), Beschlussprotokoll vom 03.05.1996, AZ: SIK 21/25 – TOP 15.6.

[29] Anmerkung des Autors: Beim § 26 StVG handelt es sich u. a. um die Regelung der Zuständigkeit bei der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten.

[30] Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (1996), Beschlussprotokoll vom 03.05.1996, AZ: SIK 21/25 – TOP 15.6.

[31] Hetger, E. (2008), S. 1., vgl. Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (2008 / 2009), S. 25.

[32] Stober,R. (1997), S. 889 f.

[33] Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (2008 / 2009), S. 25.

[34] Vgl. Eick, V. (2008), S. 1.

[35] Eigene Darstellung.

[36] Tischbein, M. (2000), S. 10.

[37] Vgl. § 34a (1) Satz 3 GewO; vgl. Kraheck, A. u.a. (2011), S. 100.

[38] Vgl. § 34a (1) Satz 4GewO i. V. m. § 1 (2) BewachV.

[39] Vgl. http://wis.ihk.de/weiterbildungsprofil/gepruefte-schutz-und-sicherheitskraft.html, Stand 24.01.2013.

[40] Vgl. § 34a (1) Satz 5 GewO.

[41] Vgl. Pöhler, T. (2013), Interview.

[42] Vgl. Kraheck, A. u.a. (2011), S. 100.

[43] Vgl. Tischbein, M. (2000), S. 55.

[44] Vgl. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (2007 – 2011), S. 21.

[45] Vgl. Blöhm, M., Hanschke, J. (2011), S. 8.

[46] Vgl. Seidenspinner, R., Lautensack, J., Ritter, M. (2013), Interview.

[47] Vgl. Tischbein, M. (2000), S. 124.

[48] Vgl. Jeand’Heur, B. (1994), S. 107, 127.

[49] Tischbein, M. (2000), S. 124.

[50] Eigene Darstellung.

[51] Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (2008 / 2009), S. 25.

[52] Vgl. Pitschas, R. (2000), S. 92.

[53] Hellentahl, M. (2012), S. 37.

[54] Vgl. Jungk, o. V. 2012), Rn 74.

[55] Vgl. CoESS (2011), S. 52.

[56] Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (2008 / 2009), S. 25.

[57] Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (2008 / 2009), S. 26.

[58] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Bruttoinlandsprodukt_pro_Kopf, Stand 22.12.2012.

[59] Eigene Tabelle, Daten vgl. www.wikipedia.org/wiki/deutschland, www.wikipedia.org/wiki/schweiz, www.wikipedia.org/wiki/oesterreich, Stand 22.12.2012.

[60] Vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden (2011), Seite 6.

[61] Vgl. http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/19/03/02/key/01.html, Stand 22.12.2012.

[62] Vgl. Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich (2011), o. S.

[63] Eigene Tabelle, Daten vgl. CoESS Facts & Figueres (2011), S. 11, 52, 122.