Nachrichtendienstrecht

Nachrichtendienstrecht.
Markus Löffelmann; Mark A. Zöller,
Baden-Baden 2022,
288 Seiten.
ISBN 978-3-8487-6723-6.
Ladenverkaufspreis 29,90 €.
Markus Löffelmann lehrt als Professor für nationales und internationales Sicherheitsrecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Berlin. Mark Zöller ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und das Recht der Digitalisierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Die Autoren sind sich der Probleme ihres Themas sehr bewusst: „Das Recht der Nachrichtendienste stellt sich als eine überaus zerfaserte, auf zahlreiche Gesetze verteilte Materie dar, welche einer inneren Ordnung weitgehend entbehrt.“ Diesen Befund stützt ein Blick auf die vorhandene Literatur. Zwar gibt es zum Thema mehrere von Juristen verfasste Überblicksdarstellungen, Handbücher und Aufsätze. Darüber hinaus schrieben Vertreter anderer Fachrichtungen zahlreiche Darstellungen zum Allgemeinen und Besonderen. Dennoch bleiben manche Aspekte eine terra incognita.

Bevor die Autoren auf die drei deutschen Nachrichtendienste im Detail eingehen, werfen sie zunächst einen kurzen Blick auf deren Geschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Sodann beschreiben sie den Platz der Geheimdienste in der deutschen Sicherheitsarchitektur und danach die verfassungsrechtlichen Grundlagen. Im Hauptteil werden unter den Kapitelüberschriften „Verfassungsschutz“, „Auslandsnachrichtendienst“ und das „Nachrichtenbezogene Handeln im militärischen Bereich“ BfV, BND und MAD behandelt. Der Aufbau dieser drei zentralen Teile des Buches ist gleich. Nach einer Betrachtung der „Regelungsstruktur“ folgt die Beschreibung der „Aufgaben“ und dann werden „wichtige Befugnisse“ erläutert. An diese Beschreibungen der Geheimdienste schließen sich die Kapitel „Datenverarbeitung und Zusammenarbeit“ und die „Kontrolle der Nachrichtendienste“ an.

Diese straffe Strukturierung bringt ein Höchstmaß an Ordnung in die Darstellung. Die dem Thema inhärenten Schwierigkeiten, die zum Teil seit Jahrzehnten zu bisweilen erbittert geführten wissenschaftlichen Kontroversen führten, kann jedoch auch die beste Gliederung nicht überwinden. Allem anderen voran ist dies die Debatte über das Für und Wider des Trennungsgebotes, also die aus dem „Polizeibrief“ vom 19. April 1949 abgeleitete vielfältige Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Stichwortartig beschreiben die Verfasser die beide Institutionen trennenden Elemente, also die befugnisrechtliche, funktionelle, organisatorische, personelle und informationelle Dimension. Die Autoren befürworten das Trennungsgebot und zitieren an dieser Stelle den Rechtswissenschaftler Christoph Gusy. Dieser beschreibt in seiner grundlegenden Arbeit über Grundrechte und Verfassungsschutz formelhaft die Notwendigkeit zwischen Polizei und Geheimdienst einen möglichst klaren Trennstrich zu ziehen: „Wer (fast) alles weiß, soll nicht alles dürfen; und wer (fast) alles darf, soll nicht alles wissen.“ Gleichwohl reden Löffelmann und Zöller nicht einer Scheuklappenmentalität das Wort. Sie stellen heraus: „Das informationelle Trennungsgebot darf also nicht dahin gehend missverstanden werden, dass ein Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden untereinander ausgeschlossen wäre.“

Einen zweiten Punkt gewichten sie ebenso recht hoch: die funktionale Trennung zwischen der Tätigkeit der Nachrichtendienste und der Polizei. Wie diffizil diese Trennung ist, darf man wohl aus dem Umstand ableiten, dass sich das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 in seiner Entscheidung zur Antiterrordatei ausführlich zu diesem Punkt positionierte. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Urteils entzünden sich an diesem Punkt immer wieder Kontroversen, obwohl es doch so einfach klingt, wenn die Autoren daraus den richtungsweisenden Satz wiederholen: „Herkömmliches Demarkationskriterium gegenüber dem polizeilichen Handeln ist die konkrete Gefahr.“ Die Autoren deuten lediglich an, dass die Dinge im Zeitverlauf immer komplizierter werden, um sodann hervorzuheben: „Die Nachrichtendienste handeln zwar nach wie vor primär im Gefahrenvorfeld, haben dort aber Gesellschaft bzw. Konkurrenz bekommen. Dafür verantwortlich ist in erster Linie die Ausweitung polizeilicher Handlungsbefugnisse auf das Gefahrenvorfeld in den modernen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzen.“

Neben dem Trennungsgebot gerät immer wieder das Nebeneinander von 16 Landes- und einem Bundesamt für Verfassungsschutz in die Kritik. Insbesondere dann, wenn sich eine problematische Lage im Innern ergibt. Die Verfasser beschreiben die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Verfassungsschutzgesetze im Bund und in den Ländern als „Flickenteppich einer reaktiven Änderungsgesetzgebung.“ Mag sein, dass dies ursächlich auch auf die regelmäßig hektischen Gesetzesänderungen zurückzuführen ist, die in Hochphasen des Terrorismus zu beobachten sind. Dies war so im Jahr 1972 und ebenso 30 Jahre später. Zuerst waren es die Taten der Baader-Meinhof-Bande, sodann der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001, die zu gravierenden Gesetzesänderungen und Umstrukturierungen der Nachrichtendienste führten.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass auch die „Datenverarbeitung und Zusammenarbeit“ nicht frei von juristischen Problemen ist. Die Autoren stellen heraus, gerade dieser Bereich sei „in hohem Maße unübersichtlich“ und es ließen sich hier „aufgrund ihrer extremen Ausdifferenzierung nur schwer übergreifende Strukturen erkennen.“ Sie sehen sehr wohl, dass ein Zuviel an Regelungen einer effektiven Arbeit der Geheimdienste entgegensteht. Daher brechen sie eine Lanze dafür, „durch Kooperationsrecht eine Ausnahme vom funktionellen Trennungsgebot“ zu regeln.

Dies ist kein kühner Vorschlag, denn die auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelte „Kontrolle der Nachrichtendienste“, die im letzten Kapitel behandelt wird, zeichnet sich durch eine „Kontrollarchitektur“ aus, in der die bereits angesprochene „Zerfaserung der gesamten Rechtsmaterie“ besonders deutlich zutage tritt. Zudem zeigt sich an dieser Stelle der „Interessen- und Wertekonflikt zwischen einem Informationsbedürfnis einerseits und Geheimhaltungsbedürfnissen andererseits.“ Dieser Konflikt sei ein wesentlicher Bestandteil nachrichtendienstlicher Tätigkeit und müsse „auch rechtspolitisch immer wieder neu justiert werden.“

An der Arbeit der Verfassungsschützer schieden sich zu allen Zeiten die Geister. Wie sehr ihr Tun selbst zum Instrument des politischen Kampfes wurde, zeigt sich in dem gebetsmühlenartig wiederholten Vorwurf, die Hüter der Verfassung seien auf dem rechten Auge blind oder in den zum Teil heftigen Reaktionen auf die Einstufung eines Vereins oder gar einer Partei als Prüf-, Verdachts- oder Beobachtungsfall.

Den Charakter eines Lehrbuches unterstreichen die an besonders kniffligen Stellen eingefügten Beispielsfälle. Es gelingt den Autoren, eine schwierige Materie anschaulich darzustellen. Dennoch werden Geheimdienste in Deutschland aus vielen Gründen stets ein schwieriges Thema bleiben, das sich bei aller rechtsstaatlichen Einfriedung immer in einem vielfältigen Überschneidungsbereich bewegen wird.

Dem Rezensenten sei abschließend ein kleiner Perspektivwechsel erlaubt. Vielleicht sollte man angesichts der großen Herausforderungen der Gegenwart weniger ängstlich auf die Vergangenheit der deutschen Geheimdienste – insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus – blicken, sondern mit der Gewissheit, dass unser Rechtsstaat funktionsfähig ist, den Nachrichtendiensten mit mehr Vertrauen als Misstrauen begegnen.

-Von Dr. Reinhard Scholzen-

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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