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 Flughafen Passagiere

Zur Zulässigkeit von verhaltensorientierten Passagierkontrollen an Flughäfen

Von Lili Hammler


Gliederung

  1. Verhaltensorientierte Kontrollen – ein Rechtsproblem?
    1. Racial Profiling als Ausgangspunkt der Überlegungen
    2. Verhaltensorientiertes Profiling in der aktuellen Diskussion
  2. Ausführung durch Luftsicherheitsassistenten
    1. Verfassungsrechtliche Prüfung
      1. Verletzung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG
      2. Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG
      3. Verletzung der Diskriminierungsverbote gemäß Art. 3 Abs. 3 GG
      4. Verletzung des Freiheitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG
      5. Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
    2. Einfachgesetzliche Prüfung
    3. Ergebnis
  3. Ausführung durch private Sicherheitsdienstleister


A. Verhaltensorientierte Kontrollen – ein Rechtsproblem?

I. Racial Profiling als Ausgangspunkt der Überlegungen

Ende 2010 forderte der (damals designierte) Präsident des deutschen Flughafenverbandes, Christoph Blume, eine zusätzliche Passagierkontrolle ähnlich dem israelischen Modell einzuführen, um „das Ausufern der [technischen] Sicherheitskontrollen an den deutschen Flughäfen zu verhindern“. In Israel werden Passagiere aufgrund bestimmter Merkmale gründlicher kontrolliert als andere. Welche Merkmale dabei eine Rolle spielen, unterliegt der Geheimhaltung – allerdings gilt als gesichert, dass zumindest Herkunft, Religion sowie Alterentscheidend sind und insbesondere muslimische Männer unter 30 Jahren schärferen KontrollenChristoph Blume unterzogen werden. Beobachtungen der Passagiere auf diese Merkmale hin werden daher auch als racial profilingbezeichnet. Der Vorschlag von Blume stieß in der deutschen Politik auf vehemente Ablehnung, da seine Umsetzung die Diskriminierungsverbote nach Art. 3 Abs. 3 GG verletzen würde.    

Im Oktober 2012 hat die Rechtsprechung diese Einschätzung in einem ähnlich gelagerten Fall nun bestätigt. In dem Fall ging es um die Identitätskontrolle eines Bahnreisenden aufgrund seiner Hautfarbe, was das Oberverwaltungsgericht Koblenz unter Hinweis auf das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 3 GG für rechtswidrig erklärte.   


II. Verhaltensorientiertes Profiling in der aktuellen Diskussion

Auch das amerikanische Justizministerium hält das racial profiling für unzulässig. Stattdessen wird in den USA aber das sogenannte Screening of Passengers by Observation Techniques (SPOT) eingesetzt, um Flugpassagiere zu identifizieren, die ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. Hierbei wird das Verhalten von Personen auf Anzeichen von Stress, Angst oder Vertuschung hin beobachtet; Geschlecht, Alter und Herkunft spielen hingegen keine Rolle. Beim SPOT geht es also im Gegensatz zum racial profiling um rein verhaltensorientiertes Profiling. Sofern die psychologisch geschulten Sicherheitskräfte (Behaviour Detection Officers - BDOs)auffälliges Verhalten feststellen, informieren sie das für Personenkontrollen zuständige Personal, welches die betroffene Person dann einer besonders gründlichen Durchsuchung unterzieht.  

Dieses verhaltensorientierte Profiling kam nun auch auf den 5. Luftsicherheitstagen des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) mehrfach zur Sprache: Kirsten Lühmann, Mitglied des Deutschen Bundestags, beschrieb es als derzeit beste Möglichkeit, um die Personenkontrollen zu verbessern, zumal Körperscanner keine Körperöffnungen untersuchen. Dr. Steffen Richter, Leiter des Referats Luftsicherheit im Bundespolizeipräsidium, berichtete von Verhaltensobservationen am Flughafen Baltimore, dessen Sicherheitskontrolle er als „checkpoint of the future“ bezeichnete. Auch das Bundespolizeipräsidium habe daher kürzlich einen Workshop zur Verhaltensbeobachtung durchgeführt. Sven O. Weirup, Vorstandsvorsitzender des European Aviation Security Center, sprach sich für effizientere Kontrollen aus und hob diesbezüglich die Luftsicherheitsassistenten des Amsterdamer Flughafens Schiphol hervor, die ebenfalls in der }Erkennung von Verhaltensauffälligkeiten{/tip geschult würden.

 

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Die Frage, ob verhaltensorientiertes Profiling nach dem Vorbild des SPOT  beim Check-in an deutschen Flughäfen überhaupt rechtlich zulässig wäre, wurde bislang allerdings weder in der öffentlichen Diskussion noch im Schrifttum untersucht. Ein Beitrag in der JZ zur Verfassungswidrigkeit des racial profiling hält die Rechtmäßigkeit von {tip

Tischbirek, Alexander/Wihl, Tim (2013): Verfassungswidrigkeit des „Racial Profiling“ in: Jestaedt, Matthias/Roth, Herbert u.a. (Hg.): JuristenZeitung (JZ), Tübingen, Band 68, S. 219-224.

}Verhaltensobservationen zumindest für möglich, allerdings ohne näher darauf einzugehen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hegt im Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2011 und 2012 hingegen Zweifel daran und fragt: „Ist es überhaupt möglich, jedem Passagier objektiv nachvollziehbar ein Risiko […] zuzuschreiben, ohne zu diskriminieren oder gegen Persönlichkeitsrechte zu verstoßen?“ Im Folgenden soll daher die Frage, ob das Beobachten von Passagieren auf bestimmte Verhaltensweisen hin in Deutschland zulässig wäre, einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden.  

 

 

 


B. Ausführung durch Luftsicherheitsassistenten

Gemäß § 5 Abs. 1 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) kann die Luftsicherheitsbehörde Personen, welche die nicht allgemein zugänglichen Bereiche des Flugplatzes betreten haben oder betreten wollen, durchsuchen oder in sonstiger geeigneter Weise überprüfen. Diese Aufgabe darf sie gemäß § 5 Abs. 5 LuftSiG auch Beliehenen übertragen. Da Luftsicherheitsassistenten als Beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, sind sie gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Die Verhaltensobservation dürfte also zum einen keinen Grundrechten zuwiderlaufen.


I. Verfassungsrechtliche Prüfung

Das Observieren des Passagierverhaltens nach dem Vorbild des SPOT könnte eine Verletzung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, des Gleichheitsgebots nach Art. 3 Abs. 1 GG, der Diskriminierungsverbote nach Art. 3 Abs. 3 GG, des Freiheitsrechts nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG oder des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darstellen.  

1. Verletzung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

Eine Verletzung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG scheidet aus, da die Verhaltensobservation nach dem beschriebenen Modell laut einer Untersuchung der US-Regierung im Schnitt nur ca. 30 Sekunden dauert. Eine Verletzung läge laut dem Bundesverfassungsgericht nämlich erst vor, wenn „in der Behandlung im konkreten Fall eine willkürliche Missachtung der Würde des Menschen liegt. Die Behandlung des Menschen durch die öffentliche Hand, die das Gesetz vollzieht, muss also, wenn sie die Menschenwürde berühren soll, Ausdruck der Verachtung des Wertes, dem Menschen kraft seines Personseins zukommt, also in diesem Sinne eine ‚verächtliche Behandlung‘ sein“ (BVerfGE 30, 1, 26). Diese Grenze wird bei einem dezenten, sachdienlichen und kurzen Beobachten des Verhaltens nicht überschritten. Ein unverfrorenes Anstarren und Fixieren hingegen müsste hierunter subsumiert werden, da es die Betroffenen zu Objekten degradiert, diffamiert und damit menschenunwürdig behandelt. Es ist daher sehr wichtig, dass das observierende Personal eine qualitativ hochwertige psychologische Schulung erhält.

2. Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn die Verhaltensobservation eine willkürliche, nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellt. Eine Ungleichbehandlung ist zunächst nicht ersichtlich, da das Verhalten aller Personen beim Check-in observiert wird. Die Ungleichbehandlung könnte aber mittelbar vorliegen, da infolge der Observation einige Personen gründlicher durchsucht und dadurch anders behandelt werden als andere. Diese Ungleichbehandlung während der Durchsuchung erfolgt allerdings nicht willkürlich, sondern aufgrund objektiv feststellbarer Verhaltensauffälligkeiten, die ein erhöhtes Sicherheitsrisiko nahelegen – sofern das Personal qualitativ hochwertig arbeitet.

Da es sich um eine Ungleichbehandlung von Personen handelt, ist darüber hinaus ein strengerer Maßstab an die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu legen (neue Formel). Danach ist die Ungleichbehandlung nur gerechtfertigt, wenn sie einem legitimen Ziel dient und zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinne ist.

Das legitime Ziel der gründlicheren Durchsuchung liegt im Abwenden von Gefahren für die Luftsicherheit. Die gründlichere Durchsuchung von Personen und Gepäck ist zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet: Sofern das eingesetzte Personal entsprechend geschult ist, wird es die Tatmittel an der Person oder im Gepäck aufspüren. Erforderlich ist die Maßnahme ebenfalls, da kein milderes Mittel in Betracht kommt, welches gleich effektiv ist. Körperscanner arbeiten noch nicht hinreichend zuverlässig.

Die gründlichere Durchsuchung ist letztlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne, also unter Abwägung sämtlicher Umstände gerechtfertigt. Denn gemäß § 5 Abs. 1 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) kann die Luftsicherheitsbehörde Personen, welche die nicht allgemein zugänglichen Bereiche des Flugplatzes betreten haben oder betreten wollen, durchsuchen. Dabei ist ihr also ein Ermessensspielraum eingeräumt, den sie gerade wahrnimmt, wenn sie verhaltensauffällige Personen gründlicher durchsucht. Auch ohne vorherige Verhaltensobservation werden Personen, die verdächtig erscheinen, gründlicher durchsucht als andere. So wird beispielsweise jemand, bei dem der Metalldetektor Alarm ausgelöst hat, ebenfalls gründlicher durchsucht, als jemand, der keinen Alarm auslöste. Ein mittelbarer Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt damit nicht vor.

3. Verletzung der Diskriminierungsverbote nach Art. 3 Abs. 3 GG

Eine Verletzung der Diskriminierungsverbote nach Art. 3 Abs. 3 GG ist bei der hier in Frage stehenden Verhaltensobservation nach dem Muster des SPOT ebenfalls nicht gegeben. Denn nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand aufgrund seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt werden. Diese Merkmale, die im Rahmen des racial profiling wie dargestellt ausschlaggebend sind, finden beim verhaltensorientierten Profiling gerade keine Beachtung. Auch hierfür ist aber wiederum Voraussetzung, dass das observierende Personal eine qualitativ hochwertige, psychologische und auch interkulturelle Schulung erhält, um sich keinen gesellschaftsbedingten Vorurteilen hinzugeben und dadurch Verhaltensauffälligkeiten festzustellen, für die es keine objektiven Anhaltspunkte gibt. An diese Voraussetzung sind demnach sehr strenge Anforderungen zu knüpfen.

4. Verletzung des Freiheitsrechts nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG

Ein Eingriff in das Freiheitsrecht nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, das die körperliche Bewegungsfreiheit schützt, liegt zumindest mittelbar vor, wenn die Observation zu einer gründlicheren Kontrolle und dadurch zum Verweis aus dem Check-in-Bereich führt. Der Eingriff ist aber ebenfalls durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 LuftSiG gerechtfertigt. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 LuftSiG dürfen Passagiere, die nicht allgemein zugängliche Bereiche eines Flughafens betreten wollen, angehalten oder dieser Bereiche verwiesen werden, wenn sie Gegenstände mitführen, die eine Gefahr für die Luftsicherheit darstellen.

5. Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das von der Rechtsprechung als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelt wurde, ist beeinträchtigt, da im Rahmen der beschriebenen Verhaltensobservation personenbezogene Daten erhoben werden. Gemäß § 3 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes sind personenbezogene Daten u.a. Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmbaren Person. Erheben ist nach Abs. 3 derselben Vorschrift jede Art der Datenbeschaffung.

Fraglich ist, ob der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gerechtfertigt werden kann. Die Möglichkeit der Rechtfertigung hängt hier von der konkret betroffenen Sphäre ab. Einerseits könnte durch die Verhaltensobservation die Intimsphäre betroffen sein, da die kontrollierenden Personen sich der Gedanken- und Gefühlswelt des bzw. der Betroffenen widmen. Zwar begeben sich die Personen in die Öffentlichkeit, aber sie sind sich nicht dessen bewusst, dass sie mit ihrem Verhalten etwas preisgeben, was sie nicht möchten. Eine Rechtfertigung dieses Eingriffs wäre nicht möglich.   

Andererseits begeben sich die Passagiere bewusst in die Öffentlichkeit und verhalten sich auch bewusst so, wie sie es tun, sodass die Öffentlichkeitssphäre betroffen ist. Ein Eingriff in diese Sphäre kann grundsätzlich gerechtfertigt werden, wobei die Anforderungen an die Rechtfertigung sinken, je stärker der Eingriff dort hineinreicht bzw. je schwächer er die Privatsphäre berührt.  

Die für die Rechtfertigung zunächst erforderliche gesetzliche Grundlage ist mit § 5 Abs. 1 LuftSiG gegeben, wonach die Luftsicherheitsbehörde Personen, welche die nicht allgemein zugänglichen Bereiche des Flugplatzes betreten haben oder betreten wollen, durchsuchen oder in sonstiger geeigneter Weise überprüfen kann. Von der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 1 LuftSiG wird ausgegangen. Fraglich ist, ob die Luftsicherheitsbehörde ihn auch verfassungskonform anwendet, wenn sie Personen beim Check-In observieren lässt, um ggf. auffälliges Verhalten festzustellen. Dann müsste die Verhaltensobservation einen legitimen Zweck verfolgen, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein.

Der Zweck der Observation ist das schnellere Auffinden und Abweisen von Personen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen. Seine Legitimität ergibt sich aus § 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 LuftSiG, wonach der Zweck der Überprüfung der „Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen“ sein muss. Die Observation ist zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet: Sofern das eingesetzte Personal entsprechend geschult ist, kann es Verhaltensauffälligkeiten feststellen, die auf Stress, Angst und/oder eine Vertuschungsabsicht und damit eine mögliche Straftatbegehung hindeuten.

Erforderlich ist die Maßnahme nur, wenn kein milderes Mittel in Betracht kommt, welches zur Zweckerreichung gleich geeignet ist. Gibt es ein milderes Mittel als die Observation, welches ebenso gründlich Personen aufspürt, die ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten? Ein Fluggast an sich kann schwerlich ein Sicherheitsrisiko darstellen. Um einen sicherheitskritischen Vorfall herbeiführen zu können, benötigt er oder sie Tatmittel. Diese müssen von jemandem entweder im Gepäck oder am Körper durch die Sicherheitskontrollen geschleust werden. Das Gepäck wird ohnehin durchleuchtet und – sofern auf dem Röntgenbild etwas nicht klar Definierbares erscheint – durchsucht. Die Observation wäre hierzu nur ein zusätzliches Mittel, welches weder gleich effektiv wie noch effektiver als die Gepäckdurchleuchtung ist. Sofern die Person Tatmittel am Körper trägt und es sich um metallische Gegenstände handelt, können auch die sogenannten Torrahmen sie detektieren. Auch diesbezüglich wäre eine zusätzliche Observation unnötig. Sofern es sich um nichtmetallische Tatmittel handelt, die am Körper getragen werden, kommt als milderes Mittel der Körperscanner in Betracht, sofern er sich in der Erprobungsphase durchsetzt. Allerdings erkennt er (noch) keine Tatmittel, die in Körperöffnungen versteckt werden. Im Übrigen ist nach derzeitigem Erkenntnisstand kein milderes Mittel als die  – wohlbemerkt kurze und diskrete – Observation von professionell geschultem Personal vorstellbar.

 

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Es bleibt zu prüfen, ob die Observation auch verhältnismäßig im engeren Sinne, also unter Abwägung sämtlicher Umstände gerechtfertigt ist. Hierbei ist das Interesse an der rechtzeitigen Aufdeckung von Sicherheitsrisiken dem Interesse der Passagiere am Schutz ihrer Privatsphäre, die durch die Observation tangiert wird, gegenüberzustellen und ein gerechter Ausgleich zu finden.

Für die Observation spricht, dass eine zusätzliche Sicherheitskontrolle stattfindet, die das Aufspüren von Sicherheitsrisiken unterstützt. Hierdurch können im Idealfall Risiken für Leib und/oder Leben von vielen Menschen abgewendet werden. Die Maßnahme kostet die Passagiere zudem keine zusätzliche Zeit, im Gegenteil, sie könnte die Kontrolle für alle Unauffälligen sogar noch beschleunigen. Auch das Sicherheitsempfinden der Passagiere könnte dadurch verbessert werden.

Darüber hinaus dürfen gemäß § 163 f Strafprozessordnung (StPO) sogar längerfristige Observationen (24 Stunden und mehr) durchgeführt werden, sofern der Verdacht vorliegt, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen wurde. Eine Gefährdung der Luftsicherheit stellt eine Straftat von erheblicher Bedeutung dar, da Leib und Leben vieler Personen gefährdet sind. Bei derartigen Observationen geht es regelmäßig um eine längerfristige Gewinnung und Speicherung personenbezogener Daten und damit um einen stärkeren Eingriff, als wenn zunächst und im Regelfall anonym bloße Verhaltensauffälligkeiten festgestellt werden. Folglich könnte man erst recht annehmen, dass die Verhaltensobservation am Flughafen verhältnismäßig wäre.

Andererseits sind Observationen nach § 163 f StPO nur dann zulässig, wenn der Verdacht vorliegt, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung bereits begangen wurde. Im Falle der Observation am Flughafen geht es aber um die Prävention einer solchen Straftat. Außerdem liegt nicht mal ein hinreichender Tatverdacht vor, sondern es werden pauschal alle Personen observiert. In Bezug auf eine heimliche Observation überwiegt demnach das Interesse der Passagiere an ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine öffentlich bekannte Observation mit dem Ziel, ggf. Verhaltensauffälligkeiten festzustellen, könnte aber aus den dargestellten Gründen auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein.

Dagegen spricht nur, dass Personen eines Sicherheitsrisikos verdächtigt werden könnten, die wegen anderer Umstände nervös sind (etwa weil sie wissen, dass sie beobachtet werden o.ä.). Diese Personen hätten aber keine Konsequenzen außer einer gründlicheren Kontrolle zu befürchten.

Insgesamt überwiegt daher das Interesse der Allgemeinheit am Abwenden eines Sicherheitsrisikos, sodass das verhaltensorientierte Profiling von Passagieren beim Check-in nicht grundrechtswidrig ist.


II. Einfachgesetzliche Prüfung

Neben den Grundrechten ist die Luftfahrtbehörde und sind damit auch die Luftsicherheitsassistenten an die einfachgesetzlichen Vorschriften gebunden.
Wie oben angeführt, kann die Luftsicherheitsbehörde gemäß § 5 Abs. 1 LuftSiG Personen, welche die nicht allgemein zugänglichen Bereiche des Flugplatzes betreten haben oder betreten wollen, in sonstiger geeigneter Weise überprüfen. Mit dieser Aufgabe darf sie gemäß § 5 Abs. 5 LuftSiG auch Private beleihen. Luftsicherheitsassistenten als Beliehene in diesem Sinne dürfen folglich Personen auf geeignete Weise überprüfen. Fraglich ist daher, ob die Observation als geeignete Überprüfungsweise angesehen werden kann.

Der Zweck der Maßnahme ist entsprechend § 1 LuftSiG zulässig (s.o.). Zudem ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 4 LuftSiG zu beachten, nach dessen Absatz 1 „von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen [ist], die den Einzelnen […] voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.“ Ziel der Verhaltensobservation ist das Aufspüren von Personen, die etwas verheimlichen, beispielsweise einen geplanten Angriff auf die Sicherheit des Luftverkehrs. Andere Möglichkeiten, um dies festzustellen, wären die gründliche Durchsuchung aller Passagiere oder der Datenabgleich der Passagierlisten. Beide Maßnahmen würden die Betroffenen allerdings stärker beeinträchtigen als eine kurze und dezente Verhaltensobservation unter Einhaltung der beschriebenen Grundsätze. Der Ganzkörperscanner wäre möglicherweise ein milderes Mittel, seine Erprobungsphase ist aber noch nicht abgeschlossen. Zudem kann er keine Tatmittel in Körperöffnungen aufspüren. Ein milderes Mittel ist daher derzeit nicht ersichtlich.


III. Ergebnis

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Verhaltensobservation von Passagieren durch Luftsicherheitsassistenten beim Check-in auf deutschen Flughäfen rechtmäßig ist, sofern sie von professionell geschultem Personal nach objektiven psychologisch gesicherten Erkenntnissen kurz und diskret durchgeführt wird und ihre grundsätzliche Durchführung den Passagieren bekannt ist. Dies gilt jedenfalls, solange zuverlässige Ganzkörperscanner nicht standardmäßig zum Einsatz kommen, die auch Körperöffnungen kontrollieren können.


C. Ausführung durch private Sicherheitsdienstleister

Darüber hinaus wären auch private Sicherheitsdienstleister, die nicht über einen Beliehenenstatus verfügen, zum verhaltensorientierten Profiling von Flugpassagieren befugt. Denn grundsätzlich dürfen auch Private staatliche Sicherheitsaufgaben wahrnehmen, sofern sie nicht das Gewaltmonopol tangieren. Dieses wird nur berührt, wenn physischer Zwang ausgeübt, d.h., die freie Willensentschließung und -betätigung ausgeschlossen wird.  Ein dezentes, kurzes Beobachten stellt aber noch keinen physischen Zwang dar, sodass es auch von Privaten ausgeübt werden darf. Allerdings darf der Staat, in diesem Fall die Luftsicherheitsbehörde, sich nicht seiner Grundrechtsbindung entziehen, indem er die Wahrnehmung seiner Aufgaben an Privatpersonen auslagert. Daher müssten auch private Sicherheitsdienstleister, die keinen Beliehenenstatus innehätten, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren. Insofern würden für eine Verhaltensobservation durch sie ebenfalls die bereits oben im Ergebnis beschriebenen Grundsätze gelten. Die Zusammenarbeit zwischen privaten Verhaltensanalysten und den hoheitlich tätigen Luftsicherheitsassistenten würde schließlich auch dem allgemeinen Leitmotiv von Kooperationsvereinbarungen „Beobachten, erkennen, melden“ entsprechen.


Quellen

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Hg.) (2013): Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2011 und 2012. 24. Tätigkeitsbericht, Bonn.
http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Taetigkeitsberichte/TB_BfDI/24TB_2011_2012.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt am 22.05.13).

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Gubelt, Manfred (2000): Art. 3 (Gleichheit) in: Von Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hg.): Grundgesetz-Kommentar, München.

Kunig, Philip (2000): Art. 2 (Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person) in: Von Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hg.): Grundgesetz-Kommentar, München.

Martini, Mario (2009): Öffentliches Recht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Spiegel der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: JA 12/2009. http://www.ja-aktuell.de/root/img/pool/archiv/2009/aufsatz/ja_12-2009-839_apr_in_der_rechtsprechung_des_bverfg_martini.pdf (zuletzt am 31.01.13).

Niggl, Peter (2013): Ein „Weiter So“ kann es nicht geben. Die 5. Luftsicherheitstage in Potsdam mit Rekordbeteiligung, in: DSD. Der Sicherheitsdienst, 65. Jg. (1), S. 9f.

Olschok, Harald (2012): Öffentliche und private Sicherheit. Ordnungs- und Sicherheitspartnerschaften, in:

Stober, Rolf et al. (Hg.): Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, A, Rn. 243.
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Reisener, Thomas: Kampf gegen Terror. Flughafenchef will Kontrolle nach Herkunft, in: Rheinische Post vom 27.12.2010, Düsseldorf.
http://www.rp-online.de/politik/deutschland/flughafenchef-will-kontrollen-nach-herkunft-1.481311 (zuletzt am 31.01.13).

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Stober, Rolf et al. (Hg.) (2012): Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Stuttgart.

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http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-12/flugverkehr-profiling-reaktionen (zuletzt am 31.01.13).

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Von Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hg.) (2000): Grundgesetz-Kommentar, München.

 

 

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