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© Stock.adobe.com/Von WoGi

Compliance-Experte: “Whistleblower-Schutz in Deutschland: Ab Mitte Dezember 2021 müssen deutsche Behörden der EU-Richtlinie folgen”

Am 17. Dezember 2021 läuft die Frist für EU-Staaten aus, die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationale Gesetze zu überführen. Deutschland hat dazu noch keinen Gesetzesvorschlag eingereicht, jedoch plant die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag ein solches Gesetz bereits ein.

Was das für den deutschen Staat sowie für Behörden, öffentliche Organisationen und auch Unternehmen konkret bedeutet, ordnet Compliance-Experte Kai Leisering, Managing Partner Compliance der EQS Group AG, nachfolgend ein. Die EQS Group ist internationaler Marktführer für regulatorische Technologien in den Bereichen Corporate Compliance und Investor Relations.

Ab 18. Dezember 2021: EU-Richtlinie greift für Behörden auch ohne deutsches Gesetz

Bereits seit, dem 18. Dezember 2021, sind Behörden sowie öffentliche Organisationen von der EU-Richtlinie unmittelbar betroffen. Dazu zählen u.a. Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, Ministerien sowie Verwaltungsstellen. Eine Befragung der Stadtverwaltungen im Juni 2021 hat ergeben, dass diese auf die neue Richtlinie wenig vorbereitet sind: Sie warten ein offizielles Whistleblower-Schutzgesetz ab. Dies zeigt, wie wichtig gesetzliche Vorgaben in Bezug auf verpflichtende und sichere Hinweisgebersysteme für Städte, Gemeinden und Kommunen sind. Unabhängig von dem Gesetz werden die Behörden von den Maßnahmen betroffen sein. Von den befragten Stadtverwaltungen haben acht Städte Whistleblowing-Plattformen implementiert.

Hinweisgebersysteme für Privatunternehmen bereits ab dem 18. Dezember 2021 empfehlenswert

Nach derzeitigem Kenntnisstand können nach Ablauf der Frist private Unternehmen nicht direkt belangt werden, die ab dem 18. Dezember 2021 kein richtlinienkonformes Hinweisgebersystem vorweisen können.

Jedoch kann es auch für private Unternehmen zu Komplikationen kommen, sollten Hinweisgebende Vorwürfe gegen sie erheben. Wie genau die Richtlinie in einem solchen Fall greift, wäre eine Auslegungssache der zuständigen Gerichte. So würden Firmen beispielsweise der sogenannten Beweislastumkehr unterstehen, also belegen müssen, dass die Kündigung einer hinweisgebenden Person mit der eingegangenen Meldung nicht zusammenhängt. Ohne eigens darauf zugeschnittene Dokumentationsmöglichkeiten wird diese Aufgabe für Unternehmen kaum zu bewältigen sein. Daher lautet unsere Empfehlung auch für private Firmen, sich im Vorfeld um ein richtlinienkonformes System zu bemühen.

Geldwäscherechtlich verpflichtete Unternehmen müssen Hinweisgebersystem anpassen

Da der rechtliche Rahmen in Deutschland noch unklar ist, besteht auch für Unternehmen, die bereits ein Hinweisgebersystem führen, ein gewisses Risiko ab dem 18. Dezember 2021. Dazu zählen geldwäscherechtlich verpflichtete Firmen. Sollten sie sich mit Vorwürfen von Whistleblowerinnen oder Whistleblowern konfrontiert sehen, die gerichtlich geklärt werden müssen, werden sich die zuständigen Gerichte vermutlich an der EU-Whistleblower-Richtlinie orientieren. Sind die aktuellen Hinweisgebersysteme der Unternehmen also noch nicht vollständig richtlinienkonform, empfehlen wir, die Direktive bereits bis Mitte Dezember 2021 als neuen Maßstab zu setzen.

Potenzielle Klagen gegen den deutschen Staat

Im Gegensatz zu den Unternehmen wird der deutsche Staat ab dem 18. Dezember 2021 unmittelbar von der Richtlinie tangiert. Im Zweifelsfall könnte sich also der Staat auf der Anklagebank wiederfinden, wenn Whistleblowerinnen oder Whistleblower den gerichtlichen Weg einschlagen, um gegen Missstände vorzugehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir eine zeitige Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie als dringlich erachten. Der Koalitionsvertrag sieht eine solche bereits vor und die neue Regierung möchte sogar über die in der EU-Richtlinie dargelegten Anforderungen hinausgehen. Auch wenn es zunächst so wirken mag, dass die Direktive erst nach einem entsprechenden deutschen Gesetz greift, stellt sich diese Annahme bei eingehender Betrachtung als Trugschluss heraus. Sollten Unternehmen und Behörden also nach dem Ablauf der Frist mit einem Ernstfall konfrontiert sein, sollten sie die Mindestanforderungen der EU-Direktive bereits umgesetzt haben.

-PM EQS Group-