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Der Bundesgrenzschutz und die Medien

Von Dr. Reinhard Scholzen

Lange Zeit führte die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Bundesgrenzschutz ein Schattendasein. Das wandelte sich erst seit den 1970er Jahren.

Nachdem der Journalist Reimar Oltmanns einige Wochen beim Bundesgrenzschutz recherchiert hatte, wurde im Mai 1975 im „Stern“ sein Artikel „Die ungeliebten Krieger“ veröffentlicht. Darin stellte er zusammen, was ihm bei der Sonderpolizei des Bundes aufgefallen war. Einen bleibenden Eindruck hatte bei ihm Oberstleutnant Hiersemenzel, der damalige Abteilungskommandeur des BGS im Standort Uelzen, hinterlassen. Dieser sei gleichsam der Prototyp eines Führers im BGS. Er sei stolz darauf, dass „die Jungs, die zu uns kommen, bis auf die Knochen motiviert sind.“ Diese Begeisterung für die Sache schließe, so beschrieb es der Redakteur, auch Einkaufsfahrten der Grenzjäger für die Offiziersfamilien ein. Oltmanns zeichnete das Bild einer BGS-Truppe, in der Kadavergehorsam großgeschrieben und daher widerspruchslos jeder Befehl ausgeführt werde. Der Journalist schlug einen Bogen vom Tausendjährigen Reich zum BGS und machte das Weiterleben alter Gesinnungen an den dort immer noch gebräuchlichen Stahlhelmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs fest. Hier und da traten die Fakten hinter einer flotten Schreibe zurück: „Für den Einsatz bei Unruhen in der Bundesrepublik werden die Grenzschützer seit den Studentendemonstrationen der Jahre 1967/68 gedrillt. Die erste Operation war jedoch keine siegreiche Straßenschlacht, sondern ein Misserfolg: Der BGS konnte nicht verhindern, dass der Überfall palästinensischer Freischärler auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München im Massaker von Fürstenfeldbruck endete. Seitdem gehört die Terroristenbekämpfung zu den wichtigsten Ausbildungszielen der 21000 Mann starken Truppe.“ Damit setzte er den gesamten BGS mit der nach dem Olympia-Attentat 72 gegründeten GSG 9 gleich. In Oltmanns Augen war der BGS eine trinkfeste Truppe, die bereits 1951 „niemand gewollt“ und „niemand geliebt“ habe und übersah dabei in Gänze die große Sympathie, die die Menschen an der Zonengrenze von Beginn an für ihren BGS hegten. Der Text gipfelte darin, die „Existenzberechtigung des BGS als Puffer an der DDR-Grenze“ in Frage zu stellen. Schließlich unterstellte er mit Blick auf die aktuelle BGS-Reform den „meisten BGS-Offizieren“, ihnen würden die per Gesetz zugewiesenen „neuen Aufgaben“ nicht passen, da „ihre Vorbilder die hartgesottenen Sondereinheiten der französischen Garde mobile und der amerikanischen Nationalgardisten“ seien. Allerdings begrüßte er ausdrücklich den 1976 beschlossenen Wegfall der „militärischen Ränge“ im BGS.

DDR-Autoren nahmen diese Steilvorlage des „Stern“ dankbar auf. Noch Jahre später zitierte zum Beispiel Rainer Ruthe in der Zeitschrift „Armeerundschau“ aus dem in der BRD-Zeitschrift erschienenen Artikel und stellte als Kontrast die angeblich heile Welt im Arbeiter- und Bauernstaat dar.

Ursachen einer schlechten Presse

Wer sich auf die Suche nach den Ursachen für solch negative Presseberichte macht, stößt zunächst auf durchaus kritikwürdige Missstände in einer Institution, die im Jahr 1951 in den Augen vieler Politiker nur eine Notlösung gewesen war, da der Aufbau einer Bundeswehr damals noch nicht möglich war. So war die Ausrüstung des BGS in den ersten Jahren tatsächlich unzeitgemäß und die gesetzliche Aufgabenzuweisung hätte etwas konkreter sein dürfen. 25 Jahre später entzündete sich die Kritik manch progressiver Kräfte weniger am Detail, sondern sie orientierte sich an Grundsätzlichem, indem man die Grenzschützer als Relikte aus einer alten Zeit deutete.

Nicht nur Journalisten gingen mit dem BGS hart ins Gericht. Als besonders eifriger Mäkler tat sich der damalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Werner Kuhlmann, hervor, der im Jahr 1970 mehrfach öffentlich dessen Auflösung gefordert hatte und dem BGS die Eigenschaft einer Polizeitruppe schlichtweg absprach. Ähnlich äußerte sich auch Heinrich Krüger, der Leiter der Hauptabteilung Polizei in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). In der Fernseh-Sendung „Report“ stellte er fest, die Aufgaben des BGS seien durch die politische Entwicklung der letzten Jahre überholt. Dass die Mehrzahl der BGS-Beamten und das BMI über diese Art der Berichterstattung nicht glücklich war, ist nachvollziehbar. Weniger einsichtig ist, dass kaum jemand auf die Idee kam, derartige Presseberichte könnten – wenigstens zum Teil – die Früchte der eigenen unzulänglichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sein.

Für die interne Kommunikation mit den Bundesgrenzschützern gab das BMI unter anderem die „Informationen“ und die Publikation „Innere Sicherheit“ heraus. Der Gehalt beider Druckwerke galt auch unter wohlwollenden Lesern als dürftig. Gleichsam als Symbol für eine unzeitgemäße Information der Mitarbeiter galt die seit 1951 monatlich erscheinenden Zeitschrift „Die Parole“, die intern als „Jubel-Parole“ tituliert wurde. Kritiker zitierten gern und oft aus dem Blatt. Wie schlecht es um dieses stand, unterstrichen in den 1970er Jahren die mehrmaligen Aufforderungen aus dem BMI an die Grenzschützer, interessante Berichte zur Veröffentlichung einzusenden.

Strukturelle Probleme und neue Ansätze der Pressearbeit

Parade in Lübeck zum zehnjährigen Bestehen des BGS. Vorbeimarsch einer motorisierten Einheit mit Mowag-Sonderwagen 1
© Bundesarchiv, B 145 Bild-F010413-0001 / Steiner, Egon / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5450096
Der Zeitgeist ging am BGS jedoch nicht spurlos vorüber. So war der Presseoffizier Werner Rück Mitte der 1970er Jahre sicher: „Von dem Auftreten und von der Haltung jedes einzelnen Grenzschutzangehörigen bei unzähligen Gelegenheiten hängt der Eindruck ab, den sich die Öffentlichkeit von dem Bundesgrenzschutz macht.“ Gleichwohl zeigten sich strukturelle Mängel; denn im Weiteren hieß es in dem Beitrag in der „Parole“, für die Pressearbeit sei jedes einzelne Grenzschutzkommando verantwortlich, in erster Linie der Unterabteilungsleiter „Sicherheit“. Das musste in dem streng hierarchisch organisierten Bundesgrenzschutz zu Problemen führen, die dem Autor sehr wohl bewusst waren. Er räumte ein, bei Interessenkollisionen habe „der eigentlich fachliche Bereich des Unterabteilungsleiters Sicherheit Vorrang.“ Der Autor des Parole-Artikels erwähnte, mehrfach hätten die für die Pressearbeit zuständigen BGS-Beamten auf diesen Missstand beim BMI hingewiesen, und er betonte, „andere Institutionen“ legten sehr viel mehr Wert auf die Pressearbeit. Dabei dachte er wohl an die Bundeswehr, die bereits Mitte der 1970er Jahre in dieser Hinsicht vorbildlich ausgestattet und organisiert war. Herr Rück kam am Ende seiner Darstellung über die Pressearbeit des BGS zu dem Ergebnis: „Öffentlichkeitsarbeit im Bundesgrenzschutz: Eine interessante, verantwortungsvolle Tätigkeit. Man müsste mehr Zeit dafür haben.“

Der Arbeitsaufwand der Presseabteilungen in den damals fünf Grenzschutzkommandos (GSK) war sehr unterschiedlich. Im Fokus der Medien und auch der Öffentlichkeit stand das 1976 geschaffene „GSK West“, dessen Kernaufgabe im Schutz der zahlreichen Zentren der Macht in der Bundeshauptstadt Bonn lag. Dies war eine Folge der durch die Terroranschläge der Roten Armee Fraktion (RAF) veränderten Sicherheitslage. In Bonn ging der BGS aktiv auf Pressevertreter zu. Damit wollte man einerseits über die eigene Arbeit informieren und andererseits ein Sprachrohr für die eigenen Wünsche schaffen. Zu diesem Zweck führte man auch spektakuläre Events durch. So flog man nach der Mitte der 1970er Jahre Journalisten in einer Bell UH 1D über Bonner Schutzobjekte, zeigte Bundeskanzleramt, Bundespräsidialamt, die Bundesministerien, das Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg oder das Schloss Gymnich aus der Luft. Der damalige Kommandeur des GSK West, Heinz Goerg, sprach danach in einer Pressekonferenz auch das zentrale Problem in seinem Zuständigkeitsbereich an: Alle übrigen Grenzschutzkommandos verfügten damals über zwei Ausbildungsabteilungen, das GSK West habe überhaupt keine. Daher müssten die im Großraum Bonn eingesetzten Polizeivollzugsbeamten des Bundes, die vor allem aus dem Rheinland und der Eifel stammten, in den anderen Kommandos ausgebildet und dann nach Bonn versetzt werden. Mag sein, dass solche Vorstöße die Entscheidungsprozesse im Innenministerium beschleunigten. Seit dem Jahr 1978 baute der BGS im Standort Swisstal-Heimerzheim eine Ausbildungseinheit auf, in der junge Männer – und seit 1987 auch Frauen – für ihren Dienst im BGS ausgebildet werden.

Leitlinien und Externe

Nach der Wiedervereinigung, die auch für den BGS zahlreiche strukturelle Veränderungen brachte, setzte sich die Einsicht durch, eine gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit biete große Chancen. Die in Grenzschutz-Präsidien umbenannten Mittelbehörden legten Konzepte für den SB ÖP (Sachbereich Öffentlichkeitsarbeit Presse) vor. So erstellte im Frühjahr 1992 das GSP Süd seine „Leitlinien für die Öffentlichkeitsarbeit“. Zu Recht ging man in München davon aus, nach der Wiedervereinigung und der damit einhergehenden Umstrukturierung sowie der Übernahme wichtiger einzelpolizeilicher Aufgaben durch den BGS sei die Bedeutung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gestiegen. Man wollte erreichen: „Die Bedeutung des Bundesgrenzschutzes als Polizei des Bundes im Sicherheitsgefüge der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft transparent zu machen, Verständnis für Aufgaben und Probleme zu wecken, Vertrauen zu schaffen und das Bild des Bundesgrenzschutzes in der Öffentlichkeit nach außen und innen positiv zu gestalten.“ Das strategische Ziel sei das „Schaffen einer sozialen Akzeptanz für die Existenz und das Handeln des Bundesgrenzschutzes.“ Dabei solle für alle Maßnahmen die Maxime gelten: „Wahrheit, Klarheit, Offenheit und Einheit von Wort und Tat.“ Bei der Antwort auf die Frage, wie die zukünftigen Presseexperten ihr Fachwissen erlangen sollten, ging das Konzept jedoch nicht über Allgemeines hinaus: „In Abstimmung mit dem Sachbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Grenzschutzpräsidiums Süd sind hierfür Hospitationen bei Medien und Pressestellen, Teilnahme an einschlägigen Seminaren und Schulungen oder andere Maßnahmen vorzusehen.“

Bundespolizeidirektion München
© Bundespolizeidirektion München
Zwar erkannte man das „vitale Interesse“ des BGS „an einer aufgeschlossenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Vertretern der verschiedenen Medien“, aber auf eine umfangreiche Absicherung wollte man dennoch nicht verzichten. Daher schränkte man den Bewegungsspielraum der Öffentlichkeitsarbeiter in vielfältiger Hinsicht ein. So sollten diese stets abwägen zwischen dem Informationsinteresse der Medien und den „dienstlichen Interessen und Informationsgrenzen“, darüber hinaus sei „Zurückhaltung“ immer dann geboten, wenn die „Gefahr von Nachahmungstaten“ bestehe, ein schwebendes Verfahren berührt oder der Opfer- und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen sei. Zudem sei bei Informationen der Medien stets zu prüfen, „ob vorrangig die Zuständigkeit anderer oder höherer Stellen berührt“ sei. Und man betonte: „Aussagen müssen der Wirklichkeit entsprechen und die jederzeitige Nachprüfbarkeit des Inhalts einkalkulieren.“ Vor dem Hintergrund dieser vielen Wenn und Aber erschien die Empfehlung „Taktische Öffentlichkeitsarbeit und mit ihr anlassbezogene Pressearbeit ist somit Bestandteil der Führungs- und Einsatzkonzeption“ kaum durchführbar.

Im neuen Jahrtausend setzte der BGS im Bereich „Öffentlichkeitsarbeit/Presse“ zunehmend auf externe Wissensvermittler. Ein Modul war die fünftägige Veranstaltung „Basisseminar Öffentlichkeitsarbeit“, die zum Beispiel im Jahr 2003 im GSP Süd angeboten wurde. Darin sollte ein Grundwissen im Umgang mit der Öffentlichkeit und der Presse vermittelt werden. Jedoch blieben Vorbehalte bestehen. Dies zeigte sich zum Beispiel in einem Beitrag in einer BGS-Mitarbeiter-Zeitschrift. Dort konnte man lesen: „Trotz sehr gutem Seminar (sic) wird man aber das Bild nicht los, dass das Schneewittchen-Ende, als die Königin in die heißen Tanz-Pantoffel steigen musste, an denen sie sich letztlich verbrannte, stark an die tägliche Situation von Pressebeauftragten im Umgang mit Medienvertretern erinnert.“

Einen deutlichen Schub nach oben erhielt der Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nach der Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei. Der deutlich erhöhte Stellenwert spiegelt sich in der Gegenwart auch in der Besetzung der Spitzenpositionen im Bundespolizeipräsidium in Potsdam wider. Allein dort sind eine Frau und ein Mann im Range eines Regierungsdirektors, ein Polizeidirektor und eine Oberregierungsrätin als Pressesprecher tätig.

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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