Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS), 1987
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Nichts ist beständiger als der Wandel – 70 Jahre Bundespolizei

Schilys Verdienst

Von Bernd Walter, Präsident eines Grenzschutzpräsidiums a.D.

Die Bundespolizei, im Jahre 1951 mit 10.000 Mann als Bundesgrenzschutz gegründet, hat heute eine Sollstärke von 51. 441 Bediensteten, der Frauenanteil beträgt 12.485 Polizistinnen. Sie ist damit die personalstärkste Polizei der Bundesrepublik und zugleich die personell zweitstärkste Verwaltungsorganisation des Bundes. Für die Jahre 2023 und 2024 sind je 1.000 weitere Stellen vorgesehen.

Kaum über eine andere Polizeiorganisation sind derart kontroverse rechtliche und politische Diskussionen geführt worden wie über diese Bundesexekutive, wobei die Argumentation meistens durch ein fachlich wenig fundiertes Geflecht von Behauptungen, Unterstellungen, Vorurteilen und beliebig austauschbaren Verallgemeinerungen bestimmt wurde. Unterstützt wurde der Prozess durch die Tatsache, dass die Führungsverantwortlichen der Organisation wenig oder gar nichts zur Aufklärung über ihre Biografie und ihre beeindruckende Leistungsbilanz beigetragen haben. Selbst bei den Reden und Veröffentlichungen anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens des BGS Jahre 2001 konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich in dieser Organisation zwischen dem organisatorischen Urknall im Jahre 1951 und den Reformbemühungen der späten neunziger Jahre wenig oder gar nichts ereignet hat, was dem Chronisten der Erwähnung wert war. Diese grobe Folie wird in keiner Weise einer Polizeieinrichtung gerecht, die wie keine andere untrennbar mit der Entwicklung im Nachkriegsdeutschland verbunden war und ist.

Viele Jahre hatte es gedauert, bis sich der Bundesgrenzschutz das nennen durfte, was er nach den Intentionen der Sicherheitspolitik der Gründerjahre immer sein sollte: Bundespolizei. Erst in seiner 172. Sitzung am 21. April 2005 nahm der Deutsche Bundestag aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei mit überwältigender Mehrheit an. Dass es überhaupt zu diesem politischen Kraftakt kam, verdanken die Bediensteten dem Durchsetzungswillen des damaligen Bundesinnenministers Schily, der sich souverän über die Bedenken der eigenen Ministerialen hinwegsetzte, die mangels Rückgrat und um die Länder nicht zu verärgern, selbst dann noch von einer Sonderpolizei mit beschränktem Aufgabengebiet räsonierten, als der Bundesgrenzschutz schon längst auf allen polizeilichen Hochzeiten tanzte und als erste deutsche Polizeiorganisation überhaupt zu polizeilichen Auslandsmissionen der UN eingesetzt wurde. Dass sich in den Medien und in der Öffentlichkeit die neue Organisationsbezeichnung nahezu als Selbstverständlichkeit durchgesetzt hat, spricht für sich.

Dass die FDP und die „Kollegin Pau“ gegen die Umbenennung stimmten und die Gründe für ihre Ablehnung auch nach mehrmaliger Anfrage schuldig blieben und überdies zahlreiche Unions-Länder bis zum Schluss und mit zum Teil befremdlichen Argumenten Vorbehalte anmeldeten und erst in letzter Minute auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichteten, waren bedauerliche Indizien für die befremdliche Tatsache, dass in Fragen der inneren Sicherheit ab Anbeginn in vielen Fällen Sachverstand hinter Ideologie der zweite Sieger blieb.

Von der Last der Geschichte

Die Gründung des Bundesgrenzschutzes als Ziehvater der derzeitigen Bundespolizei ist nur aus der Historie unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erklärbar. Die weitgehend vom damaligen Bundeskanzler Adenauer bestimmte Sicherheitsdiskussion in den Jahren ab 1948 war zunächst weniger von den Überlegungen zur Wiederbewaffnung als vielmehr von dem Wunsch nach Etablierung zentraler Polizeiverbände als Äquivalent zu den zentral gelenkten bewaffneten Organen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands und als Kompensation zur heillos diversifizierten Polizeilandschaft als Folge der Besatzungspolitik in Deutschland zu verstehen. Allerdings fehlten aus vielen Gründen jegliche Voraussetzungen für die Bildung einer zentralen Bundesexekutive. Derartigen Versuchen stand zunächst das Misstrauen der Militärgouverneure entgegen, die mit obsessiver Akribie darüber wachten, dass jeden Versuch der Zentralisierung von Polizeigewalt bereits in der Wurzel erstickt und dem 1951 eingerichteten BGS sämtliche schweren Waffen vorenthalten wurden. Weder bei den Alliierten noch bei der starken Opposition und den Gewerkschaften gab es in der frühen Nachkriegszeit eine erkennbare Bereitschaft, zentrale Polizeieinrichtungen oder gar einen Streitkräftevorläufer zu dulden. So sehr wirkte die Furcht vor dem Erbe des deutschen Militarismus fort. Besonders ausgeprägt war der Widerstand der Bundesländer gegen zentrale Polizeieinheiten des Bundes.

Da Polizeigeschichte in Deutschland von jeher nur im Halbschatten des wissenschaftlichen Interesses stand und die vorliegenden Dokumentationen sich überwiegend mit länder- oder organisationsspezifischen Elementen der deutschen Polizeien beschäftigen, werden grundlegende Entwicklungslinien aus der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nur eher beiläufig erwähnt. So verfestigte sich über die Jahre hinweg der Eindruck, dass Polizei in ihrer Gesamtheit -so wie in der Weimarer Republik- ausschließliche Ländersache sein sollte. Dabei werden wesentliche Initiativen aus der Frühgeschichte des Grundgesetzes unterschlagen. In der großen Polizei-Debatte des Deutschen Bundestages am 7. November 1950 brachte die SPD einen Antrag auf Grundgesetzänderung ein, mit der grundsätzliche Fragen der Polizeivollzugsbeamten wie Ausrüstung, Bewaffnung, Besoldung u.Ä. Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis werden sollten. Weiterhin sollten die Länder verpflichtet werden, ein Zehntel der Polizeivollzugsbeamten zur Verfügung des Bundes zu halten. Die FDP brachte gar einen Antrag ein, dem Bund das Recht auf Aufstellung einer eigenen Bereitschaftspolizei einzuräumen. Alle Anträge fanden nicht die erforderliche Mehrheit und alle Vorhaben scheiterten am Einspruch der CSU, die mit einem Verlassen der Regierungskoalition für den Fall einer Verwirklichung dieser Idee drohte, weil sie wieder einmal die Grundfesten des Föderalismus erschüttert sah. Ähnliche Bemühungen im ersten Kabinett Adenauer hatten das gleiche Schicksal.

Musikkorps des Bundesgrenzschutzes (BGS), 1961
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Die Entstehung des BGS ist eng mit der Entstehung des Grundgesetzes verknüpft. Im Fesselgriff der Vorbehalte der Alliierten und handfester föderaler Länderinteressen wurden die Polizeiangelegenheiten im engeren Sinne unkommentiert den Ländern übertragen und der Bund weitgehend sicherheitspolitisch amputiert. Auf der New Yorker Konferenz Mitte September 1950 sprachen sich die westlichen Außenminister gegen eine Bundespolizei, aber für bewegliche Länderreserven in Stärke von 30 000 Mann aus. Allerdings hatten die Alliierten bereits im Polizeibrief vom 14.4.1949 an den Präsidenten des Parlamentarischen Rates festgelegt, dass es der Bundesregierung gestattet wurde, unverzüglich Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen und Bundespolizeibehörden auf folgenden Gebieten zu errichten:

  1. Überwachung des Personen- und Güterverkehrs bei der Überschreitung der Bundesgrenzen;
  2. Sammlung und Verbreitung von polizeilichen Auskünften und Statistiken;
  3. Koordinierung bei der Untersuchung von Verletzungen der Bundesgesetze und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen hinsichtlich der Rauschgiftkontrolle, des internationalen Reiseverkehrs und von Staatsverträgen über Verbrechensverfolgung.

Als weitsichtige Bundespolitiker verschiedener Parteien durchaus Sympathie für eine Bundesexekutive signalisierten, galt es nun einen Formelkompromiss zu finden, bei dem weniger der Inhalt, mehr jedoch der Name entscheidend war, um eingefleischte Föderalisten nicht von vornherein zu verschrecken. Die Idee, nach Art. 87 GG Bundesgrenzschutzbehörden einzurichten, nahm Gestalt an, zumal dies durch einfaches Bundesgesetz ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgen konnte, wohingegen Verfassungsänderungen bei der bekannten rigiden Haltung der Länder illusorisch waren. Es war wohl der FDP-Abgeordnete Becker, der in der bereits erwähnten Bundestagsdebatte über Polizeifragen die Initialzündung zu diesem Kunstgriff gab, indem er kurzerhand konstatierte, er könne sich vorstellen, dass eine Bundesgrenzpolizei „bereits die Grundlage einer selbstständigen Bundespolizei selbst” sein könnte.

Nach Art. 73 Nr. 5 GG steht dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz zu; nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG können durch Bundesgesetz Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet werden. Nachdem die mehrmaligen Versuche des Bundes, eine eigene Bundesbereitschaftspolizei zu gründen, am Einspruch der Alliierten, aber auch einzelner Bundesländer scheiterten, machte der Bund von diesen Kompetenzen Gebrauch und richtete mit dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden vom 16.3.1951 einen Bundesgrenzschutz in Stärke von zunächst 10 000 Mann ein. Er war überwiegend verbandspolizeilich organisiert und an den Ostgrenzen, aber auch im Landesinneren, jedoch nicht in der französischen Zone disloziert. Integraler Bestandteil war der Seegrenzschutzverband, ferner der Bundespasskontrolldienst, da die Alliierten eine zentrale Passkontrolle für ihren Bereich forderten.

Entgegen späterer immer wieder kolportierter und nicht belegter Behauptungen wurde der BGS jedoch zu diesem Zeitpunkt weder als vorgezogener Verteidigungsbeitrag noch als Streitkräftesurrogat geschaffen. Weder hatte er zu diesem Zeitpunkt schwere Waffen noch den Kombattantenstatus und seine Gliederung und Ausstattung waren weitgehend identisch mit den gleichzeitig aufgestellten Bereitschaftspolizeien der Länder. Nach dem Willen des damaligen Personalreferenten wurden überwiegend Führungskräfte rekrutiert, die Polizeierfahrung besaßen. Bereits wenige Monate nach Gründung des BGS im Jahre 1951 sah sich der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium Dr. von Lex zu folgender Feststellung genötigt: " Obwohl sich aus dem Wortlaut des Bundesgrenzschutzgesetzes eindeutig ergibt, dass es sich beim Bundesgrenzschutz um eine polizeiliche Einrichtung handelt, wird mir aus Kreisen der Öffentlichkeit, insbesondere des Parlaments, immer wieder vorgehalten, dass der Bundesgrenzschutz auch nach Auffassung seiner Angehörigen der Vorläufer militärischer Verbände sei. Ich ersuche, sämtliche Angehörige des Bundesgrenzschutzes anhand des Bundesgrenzschutzgesetzes erneut nachdrücklich darüber zu belehren, dass der Bundesgrenzschutz jetzt und in Zukunft ausschließlich polizeiliche Aufgaben hat." Die Fakten hinderten jedoch die Gewerkschaft der Polizei nicht, jahrelang einen ideologischen Feldzug gegen den BGS zu führen, abwechselnd seine Auflösung oder Überführung in die Länderpolizeien zu fordern oder mit unsinnigen Rechtsbetrachtungen dem BGS den Status einer Polizei abzusprechen. Diese Haltung änderte sich erst, als die Beamten des BGS als zahlungskräftiges Potenzial zur Erhöhung des Mitgliederbestandes entdeckt wurden.

Innerdeutsche Grenze Ende der 1970er Jahre im Bereich nördlicher Harz.
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Aufgrund der zunehmend angespannten Lage an der Zonengrenze zur sowjetischen Besatzungszone und unter Eindruck des Volksaufstandes vom 17.6.1953 in der DDR fasste der Deutsche Bundestag 1953 mit der Mehrheit seiner Mitglieder den von der Bundesregierung in langwierigen Verhandlungen vorbereiteten Beschluss, die Stärke des BGS auf 20 000 Mann zu erhöhen. Nach den ersten fünf Jahren im Dienste der anspruchsvollen Gewährleistung von Grenzsicherheit angesichts der sich immer aggressiver gebärdenden Sicherheitsorgane jenseits der Grenze wurde der BGS dann aber ein Spielball der bundesdeutschen Sicherheitspolitik. Im Jahre 1956 wurde er im Zuge der Wiederbewaffnung in Ermangelung anderer personellen Ressourcen kurzerhand zum Aufbau der Bundeswehr herangezogen, weil die Bundesrepublik ihre ursprünglichen personellen Zusagen an die NATO nicht einhalten konnte, und seine Weiterexistenz zur Disposition gestellt. Mit dem Zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz vom 30.5.1956 erfolgte die Umsetzung, den Beamten wurde lediglich die Option eingeräumt, BGS-Beamter zu verbleiben. Rund die Hälfte des Personalbestandes machte von diesem Angebot aus Karrieregründen nicht Gebrauch und wurde kraft Gesetzes Soldat. Der Seegrenzschutzverband wurde in seiner Gesamtheit in die neugeschaffene Bundeswehr übergeführt. Dass die Blutspende des BGS, ohne die die Bundeswehr ihrem Auftrag in der Gründungsphase hätte gar nicht gerecht werden können, in der Traditionspflege der Bundeswehr heute so gut wie keine Rolle spielt, zeugt erneut von der Geschichtsvergessenheit der Streitkräfte.

Auch mit dem verbliebenen Personal sorgte der BGS jahrelang dafür, dass es an der sensiblen Grenze zwischen den bipolaren Machtblöcken zu keinen ernsthaften Zwischenfällen kam und erwarb sich insbesondere bei der Grenzbevölkerung den Ruf einer untadeligen, pflichtbewussten und verlässlichen Polizeitruppe. Personell ausgeblutet konnte er jedoch bis in siebziger Jahre seine ursprüngliche Stärke nicht wiederherstellen. Der im Jahre 1965 eigentlich als Schutzmaßnahme eingeführte Kombattantenstatus machte ihn zum Außenseiter in der Polizeilandschaft, denn die Länderpolizeien lehnten entgegen eines geheimen Beschlusses der Innenministerkonferenz eine allgemeine Einführung ab.

Von dem personellen Aderlass beim Aufbau der Bundeswehr 1956 hat sich der BGS bis in siebziger Jahre hinein nicht erholt, zumal sein Laufbahngefüge in Abweichung von den Länderpolizeien noch die einfache Laufbahn aufwies und den meisten Beamten nur eine begrenzte Dienstzeit mit anschließendem Übergang in andere Verwendungen und Berufe angeboten werden konnte, da die Verbände „jung gehalten“ werden sollten. Auch die wenigen Planstellen für Lebzeitbeamte waren nicht sonderlich attraktiv, sodass im Zeitalter des immer mehr prosperierenden Wirtschaftswunders der Drang, den grünen Rock anzuziehen, immer mehr nachließ. Der Kunstgriff des Gesetzgebers, durch Schaffung einer Grenzschutzdienstpflicht die personelle Not zu lindern, erwies sich alsbald als Sackgasse, da man es unterließ, stattdessen eine attraktive Polizeilaufbahn zu schaffen.

Jahre des Wandels

Aufgrund seines wenig attraktiven Planstellenangebotes litt der BGS trotz anhaltender Aufgabenvielfalt bis Ende der siebziger Jahre an einem durchgreifenden Personalmangel. An der Personalmisere änderte auch das Personalstrukturgesetz von 1976 nichts, das zwar den einfachen Dienst abschaffte und die Amtsbezeichnungen an die der Nachkriegspolizeien anpasste, aber gleichwohl den Anschluß an das Planstellengefüge der Länderpolizeien versäumte, von der zweigeteilten Laufbahn ganz zu schweigen.

Unmerklich aber stetig änderte sich unter dem Eindruck der Blutspur der linksterroristischen Baader-Meinhof-Bande Aufgabenwahrnehmung und Stellenwert des BGS in der Sicherheitsarchitektur, in der die Länder zunehmend deutlicher die Bedeutung einer bundespolizeilichen Sicherheitsreserve erkannten. Im "Programm für die innere Sicherheit" von 1974 wurde der BGS als unverzichtbare Polizeireserve festgeschrieben und leitete seine Wandlung von einer rein grenzpolizeilich ausgerichteten Sonderpolizei zu einer Polizei des Bundes ein, deren Aufgabenbereich ständig wuchs

Mit dem BGS-Gesetz vom 18.8.1972 wurde ein zukunftsweisendes modernes Polizeigesetz geschaffen, das den zwischenzeitlich eingetretenen sicherheitspolitischen Gegebenheiten Rechnung trug. Mit der Einführung der Notstandsverfassung im Jahre 1968 und durch das 31. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.7.1972 wurden dem BGS zusätzliche Kompetenzen in unterschiedliche Sachgebiete übertragen. Überdies wurde er ausdrücklich in den Artikeln 35 Abs. 2 und 3, 87 Abs. 1, 91 Abs. 1 und 2 und 115 f Abs. 1 GG genannt.

Das Aufgabentableau wurde immer differenzierter. Als nach der Gründung des BGS 1951 der damalige Bundeskanzler Adenauer ein eigenes Begleitkommando und Schutzkräfte im Raum Bonn verlangte, wurde dem BGS diese Aufgabe übertragen. Als sich zunehmend die Notwendigkeit der einheitlichen Steuerung des deutschen Polizeifunks und der Einrichtung von Funkbeobachtungskräften zur Überwachung des Agentenfunks herauskristallisierte, war abermals der BGS derjenige, der mit einer zusätzlichen Aufgabe bedacht wurde. Unter gleichen Vorzeichen entstand der Hubschrauberflugdienst. Als die Länder Unterstützungskräfte beim Katastropheneinsatz benötigten, war der BGS als besonderer Beweis von Bundestreue selbstverständlich zur Dienstleistung bereit.

Tower und Hangars mit Helikoptern der Bundespolizei-Fliegergruppe auf dem Flugplatz Bonn/Hangelar in Sankt Augustin-Hangelar, 2009
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Ähnlich selbstverständlich wurden Kräfte zum Auswärtiges Amt, zum Bundeskriminalamt und zur Deutsche Lufthansa abgestellt, als diesen Einrichtungen Sicherheitskräfte fehlten oder eigenes Vollzugspersonal gar nicht vorhanden war. Der Flugdienst im BGS entwickelte einen weltweit anerkannten Rettungsdienst, die Begehrlichkeit des Bundeskriminalamtes, sich durch Personal des BGS zu erweitern, wuchs ständig. Nahezu bei allen großen Naturkatastrophen waren BGS-Beamte unter den ersten Einsatzkräften. Aber auch in anderen Bereichen leistete der BGS Pionierarbeit. Lange vor den quälenden verfassungsrechtlichen Diskussionen um den Auslandseinsatz der Bundeswehr und vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 über die Möglichkeiten von Einsätzen der Bundeswehr im Rahmen von Systemen der kollektiven Sicherheit war der BGS bereits im Ausland tätig. War der Einsatz der GSG 9 zur Geiselbefreiung in Mogadischu im Jahre 1977 noch ein singulärer Akt klassischer Staatsnotwehr, wurde der BGS mit Kabinettsbeschluss vom 13. September 1989 am 14.9.1989 mit 50 Beamten für fast zwei Jahre nach Namibia zusammen mit 600 Polizisten aus 21 weiteren Staaten entsandt, um beim Übergang des Landes zur Unabhängigkeit eingesetzt werden. Damit waren die BGS-Beamten die ersten deutschen Uniformierten, die das blaue Barett der UN im Ausland trugen. In schneller Reihenfolge folgten Einsätze in Kambodscha, in der Westsahara und auf dem Balkan. Bei einer Organisation mit einem derartigen Belastungsprofil war es dann nahezu zwangsläufig, dass ihr nach dem Desaster anlässlich der Olympischen Spiele in München 1972 die Aufgabe zufiel, unverzüglich einen Sonderverband zur Bekämpfung terroristischer Gewalttäter aufzustellen: die Geburtsstunde der GSG 9.

Zeitenwende

Als die Einheit Deutschlands herauf dämmerte, sah sich der BGS mit der Tatsache konfrontiert, dass sein Kernauftrag an einer ideologisch verfassten Trennungslinie durch einen Wimpernschlag der Geschichte auf dem Müllhaufen der sich überstürzenden Ereignisse landete. Die Folgen waren paradox. Der BGS, dessen Schicksal so eng mit der innerdeutschen Grenze verknüpft schien, wurde nunmehr mit Herausforderungen ganz anderer Art konfrontiert. Durch die Eingliederung des vormaligen Grenzschutzes der DDR nach einer Maßgabevorschrift des Einigungsvertrages wuchs er personell von 20 000 auf 30 000 Bedienstete, andererseits vermehrten sich seine Aufgaben quantitativ und qualitativ überproportional. Zum einen entfielen die alliierten Vorbehaltsrechte in Berlin und die Hauptstadt wurde ein Bundesland wie jedes andere auch. Zum anderen übernahm der BGS als Rechtsfolge aus dem Einigungsvertrag im Beitrittsgebiet neben seinen sonstigen Aufgaben die bahnpolizeilichen Aufgaben und die Aufgaben zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, ab 1992 dann im gesamten Bundesgebiet. Die Unterstützungsanforderungen, insbesondere der Polizeien den neuen Bundesländern, stiegen drastisch.

Die Übernahme der Luftsicherheits- und Bahnpolizeiaufgaben in der gesamten Bundesrepublik wurden im Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz vom 23.1.1992 festgeschrieben, das nach dem Willen des Gesetzgebers die Bahn finanziell entlasten und die Stärkung der Inneren Sicherheit bewirken sollte. Ferner sollte der Bundesgrenzschutz einen weiteren einzeldienstlichen Verwendungszweig bekommen, wovon man sich positive Auswirkungen auf das Berufsbild und die Nachwuchswerbung versprach.

Die meisten Bundesländer gaben sich aus pragmatischen und vordergründigen finanziellen Erwägungen mit dieser Entwicklung zufrieden, lediglich Nordrhein-Westfalen erhob Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht und unterlag. Das Gericht stellte die Verfassungskonformität des Gesetzes fest und billigte dem Bundesgesetzgeber zu, dem BGS über die verfassungsrechtlich geregelten Aufgaben hinaus weitere Verwaltungsaufgaben zuzuweisen, sofern er sich auf eine Kompetenz des Grundgesetzes stützen kann, schrieb dem Bund aber auch ins Stammbuch, dass der BGS nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden und damit sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren darf. Wer sich allerdings die heutige Aufgabenfülle und Verwendungsbreite der Bundespolizei betrachtet, dürfte schwerlich den Eindruck gewinnen, dass es sich um eine Polizei mit „begrenzten Aufgaben“ handelt. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Streifenwagen der Bundespolizei am Bahnhof Berlin Südkreuz.
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Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz vom 19. Oktober 1994 wurden alle zwischenzeitlichen und neu hinzugekommenen Aufgaben und Verwendungen des BGS festgeschrieben. Hauptaufgaben der nunmehrigen Bundespolizei sind der Grenzschutz (§ 2 BPolG), bahnpolizeiliche Aufgaben (§ 3 BPolG), Luftsicherheitsaufgaben (§§ 4, 4a BPolG), Schutz von Bundesorganen (§ 5 BPolG), Aufgaben auf See (§ 6 BPolG), Aufgaben im Notstands- und Verteidigungsfall (§ 7 BPolG), Verwendung im Ausland (§ 8 BPolG), Verwendung zur Unterstützung anderer Bundesbehörden (§ 9 BPolG), Verwendung zur Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik (§ 10 BPolG) und Verwendung zur Unterstützung der Bundesländer (§ 11 BPolG). Für Spezialaufgaben sind die Bundespolizei GSG 9 und der Bundespolizei-Flugdienst vorgesehen. Daneben ist die Bundespolizei in ein dichtes Netz von Sicherheitskooperationen zwischen Länderpolizeien und Bundespolizei eingebunden und hat eine Ordnungspartnerschaft mit der Deutschen Bahn AG eingerichtet. Daneben wirkt die Bundespolizei in den so genannten Gemeinsamen Zentren, in Kontakt- und Überstellungsdienststellen an den Binnengrenzen und zahlreichen internationalen Projekten mit und unterhält ein dichtes Netz an grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten.

Da dem Bürger angesichts der auf Flughäfen, in Ministerien, im Ausland und auf Bahnhöfen und bei allen länderübergreifenden Großeinsätzen eingesetzten BGS-Beamten nicht mehr klar zu machen war, dass es sich hierbei im Ursprung um Grenzbeamte handelte, wurde der Bundesgrenzschutz 2005 in Bundespolizei umbenannt. Das Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21.6.2005 änderte das bisherige Bundesgrenzschutzgesetz sowie eine Vielzahl weiterer Rechtsvorschriften. Nur das Grundgesetz spricht weiter vom Bundesgrenzschutz. Materiell-rechtliche Veränderungen waren mit diesem Gesetz nicht verbunden.

Die letzte Aufgabenerweiterung erfolgte durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9.1.2002 , durch den § 4 a in das BPolG eingefügt wurde, Er ermöglicht den Einsatz der Bundespolizei als Flugsicherheitsbegleiter (Sky oder Air Marshal), um terroristisch Angriffe auf und in deutschen Flugzeugen abzuwehren.

Der Weg in die Moderne

Nach der Millenniumswende wurde die Bundespolizei mehrfach reformiert. Am 1. März 2008 trat das Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetzen in Kraft. Vor dieser Neuorganisation war die Bundespolizei in fünf Bundespolizeipräsidien gegliedert, denen 19 Bundepolizeiämter, 11 Bundespolizeiabteilungen, 5 Bundespolizeiaus- und –fortbildungszentren sowie 5 Bundespolizeifliegerstaffeln nachgeordnet waren. Der Inspekteur des BGS war als Unterabteilungsleiter in die Hierarchie des Bundesinnenministeriums eingebunden und entfaltete daher auch kaum Außenwirkung. In den Bundespolizeipräsidien wurden die Aufgaben der Grenzpolizei, der Bahnpolizei, die Luftsicherheitsaufgaben sowie die Verwaltungsaufgaben integrativ wahrgenommen.

Die veränderte Sicherheitslage und die ständige Erweiterung der Aufgabenstellung hatten letztlich eine Neuorganisation der Einrichtung zur Folge, in der die Polizeiverbände drastisch reduziert und die Ämter des Einzeldienstes ausgebaut wurden. Die Funktionen der ehemaligen fünf regionalen Bundespolizeipräsidien und andere Aufgabenanteile wurden in einem Bundespolizeipräsidium als Oberbehörde zusammengefasst, das seinen Sitz in Potsdam hat und durch einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten geführt wird. Dem Präsidenten unterstehen alle Organisationsteile der Bundespolizei, über die er die Dienst- und Fachaufsicht ausübt. Die Organisation umfasst aktuell neben dem Bundespolizeipräsidium 11 Bundespolizeidirektionen, 10 Bundespolizeiabteilungen, die Bundespolizeiakademie, 6 Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentren, ein Bundespolizeitrainingszentrum, zwei Bundespolizeisportschulen, die Bundespolizei See, acht Regionale Bereichswerkstätten, drei Bundespolizeiorchester, eine Reiterstaffel und zwei Diensthundeschulen. Nachgeordnet, aber ausgelagert sind ferner die bundespolizeilichen Anteile des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums illegale Migration (GASIM), des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) und der für die grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingerichteten Gemeinsamen Zentren.

Die gesetzlichen Aufgaben der Bundespolizei im Bereich der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung werden nunmehr von neun regionalen Bundespolizeidirektionen als Unterbehörden mit Sitz in Bad Bramstedt, Berlin, Hannover, Pirna, Sankt Augustin, Koblenz, Flughafen Frankfurt/Main, Stuttgart und München wahrgenommen, deren Zuständigkeitsbereich sich grundsätzlich an den Grenzen der jeweiligen Bundesländer orientieren. Die Bundespolizeidirektionen verfügen über eine Personalstärke zwischen 2000 und 3000 Polizeivollzugsbeamten. Ihnen unterstehen jeweils eine Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung und eine Mobile Kontroll- und Überwachungseinheit zur Bewältigung besonderer temporärer Einsatzlagen. Den Bundespolizeidirektionen sind 73 Bundespolizeiinspektionen (Personalstärke 200 bis 300 Polizeivollzugsbeamte) und 143 Bundespolizeireviere nachgeordnet. Für die Aufgaben der Bundespolizei auf See wurde in der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt ein Direktionsbereich Bundespolizei See eingerichtet. Eine Sonderrolle bildet die zwischenzeitlich eingerichtete Bundespolizeidirektion 11, der die GSG 9 der Bundespolizei, die Bundespolizei-Fliegergruppe. die Polizeilichen Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei, die Besonderen Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei und die Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei unterstehen.

BP 24 Bad Bramstedt
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Die ehedem dezentral den Bundespolizeipräsidien unterstehenden zehn Bundespolizeiabteilungen mit den Standorten Ratzeburg, Uelzen, Blumberg, Bad Düben, Duderstadt, Sankt Augustin, Hünfeld, Bayreuth, Bad Bergzabern und Deggendorf werden nunmehr zentral von der Direktion Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal geführt, die sowohl die Unterstützung im eigenen Bereich als auch für die fremder Bedarfsträger koordiniert. Die Bundespolizeiakademie in Lübeck als weitere Unterbehörde fungiert weiterhin als zentrale Aus- und Fortbildungsstätte und ist dem Bundespolizeipräsidium unmittelbar nachgeordnet. Ihr wurden zusätzlich die bisherigen dezentralen sechs Bundespolizeiaus- und Fortbildungseinrichtungen, das Bundespolizeitrainingszentrum Kührointhaus sowie die Einrichtungen zur Förderung des Spitzensports (Bundespolizeisportschule in Bad Endorf und Bundesspolizeisportschule Kienbaum) unterstellt und die Aufgabe als zentrale Einstellungsbehörde zugewiesen.

Dass nunmehr die Einrichtung einer eigenständigen Oberbehörde als organisatorische Großtat gefeiert wird, beweist erneut, dass nicht beständiger ist als die menschliche Vergesslichkeit. Denn bereits bei der Gründung des BGS im Jahre 1951 wurde ihm die mit guten Gründen geforderte eigene Oberbehörde vorenthalten, da man die Uniformierten nicht aus der zivilen Obhut entlassen wollte.

Besondere Schwierigkeiten erwarten die Bundespolizei bei ihrer ursprünglich namengebenden Hauptaufgabe, dem Grenzschutz. Aufgrund des Wegfalls der Binnengrenzkontrollen in einem zusammenwachsenden Europa müssen neue, innovative Konzepte der grenzpolizeilichen Kontrolle im grenznahen Raum gefunden werden, die überdies mit dem Schengener Grenzkodex in Übereinstimmung stehen müssen. Die nunmehrige grenzpolizeiliche Praxis fordert ein Höchstmaß an taktischer Flexibilität und Kreativität unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten; ferner wird eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partner gefordert. Flankiert wird dieses Konzept durch eine Vorfeldstrategie zur frühzeitigen Verhinderung der irregulären Migration außerhalb der Grenzen Deutschlands in den Herkunft- und Transitländern. Die Bundespolizei entsendet in ausgewählte Staaten Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte (GVB), Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte Ausland (GUA) und so genannte Dokumenten- und Visumberater (DVB). Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte sollen auf strategischer Ebene die internationale Zusammenarbeit mit den jeweiligen Grenzschutzbehörden im Gastland unterstützen und intensivieren. Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte im Ausland unterstützen die Grenzpolizeibehörden in bestimmten Staaten, wie z. B. Griechenland und Italien bei der Wahrnehmung der dortigen nationalen grenzpolizeilichen Aufgaben; sie nehmen keine hoheitlichen Aufgaben wahr, sondern beraten die national zuständigen Behörden in Einzelfällen. Dokumenten- und Visumberater der Bundespolizei sind besonders geschulte und qualifizierte Polizeibeamte, die ge- und verfälschte Dokumente und Unterlagen professionell erkennen. Sie beraten die deutschen Auslandsvertretungen bei der Vergabe von Aufenthaltstiteln für die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland und prüfen in Einzelfällen unter anderem die mit dem Visumantrag eingereichten Unterlagen. DVB beraten neben den Entscheidern des Auswärtigen Amtes auch bestimmte Fluggesellschaften vor dem Abflug nach Deutschland oder in andere europäische Staaten, denn diese unterliegen nach dem Annex 9 des ICAO-Abkommens als Beförderungsunternehmen bestimmten Pflichten und dürfen nur vorschriftsmäßig ausgewiesene Personen befördern. Weiterhin setzt die Bundespolizei Sicherheitspersonal an den deutschen Auslandsvertretungen oder als Personenschutz ein.

Auch die Europäische Grenzschutzagentur Frontex, die 2016 in die Europäische Grenz- und Küstenwache umgewandelt wurde, fordert ihren personellen Tribut Einen echten Mehrwert stellt die Regelung in Artikel 19 der Einrichtungsverordnung dar, wonach als ständige Reserve ein Soforteinsatzpool von 1.500 Grenzschutzbeamten zu bilden ist, der innerhalb von fünf Tagen nach Vereinbarung des Einsatzplans entsandt werden kann. Die Entsendungsdauer wird vom abstellenden Mitgliedsstaat bestimmt. Deutschland wird aus naheliegenden Gründen das zahlenmäßig größte Kontingent stellen: 225 Grenzpolizisten. An zweiter Stelle rangiert Frankeich mit einem Kontingent von 170 Grenzwächtern.

Besondere Bedeutung kommt dem Stellenwert der Bereitschaftspolizeiabteilungen der Bundespolizei im Sicherheitsgefüge zu, die auch in der aktuellen Fortschreibung des Programms Innere Sicherheit 2008/2009 betont wird. Mit der Neuorganisation der Bundespolizei wurde die bisher den einzelnen Mittelbehörden unterstehenden Bundespolizeiabteilungen in der Bundesbereitschaftspolizeidirektion mit Sitz in Fuldatal bei Kassel zusammengefasst. Die Direktion verfügt über rund 6 500 Mitarbeiter, davon haben rund 5 500 den Status von Polizeivollzugsbeamten, wobei die Stärke der Abteilungen zwischen 498 und 924 Bediensteten schwankt. Damit stellt die Bundespolizei rund 25 % des Potenzials der deutschen Bereitschaftspolizeien, die ihrerseits rund 11 Prozent der deutschen Polizeien umfassen. Der Direktion unterstehen 10 Bundespolizeiabteilungen mit 27 Einsatzhundertschaften, 5 Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften, 5 Technische Einsatzhundertschaften mit Wasserwerfer- und Sonderwageneinheit, 2 Auslandseinsatzhundertschaften, 10 Leichte Technische Einsatzeinheiten, 10 Beweissicherungs- und Dokumentationseinheiten sowie 10 Aufklärungseinheiten.

Obwohl die Bundespolizei bereits schon jetzt den Großteil aller Bereitschaftspolizeikräfte in Deutschland stellt, beweisen die Großeinsätze der jüngeren Zeit immer mehr, dass diese Kräfte die Grenzen ihrer personellen Möglichkeiten erreicht haben; so leistete die Bundesbereitschaftspolizei 2020 2. 514 477 Einsatzstunden. Schwerer noch als die Dauerbelastung bei Großeinsätzen wiegt die Tatsache, dass insbesondere linksautonome Gruppierungen immer gewalttätiger werden. In 2.000 Fällen wurden 2020 Bundespolizisten im Einsatz angegriffen. Die zunehmende Gewaltbereitschaft des polizeilichen Gegenübers -pars pro toto stehen hierfür die bürgerkriegsähnlichen Situationen beim G 20-Gipfel in Hamburg- hat zwischenzeitlich dazu geführt, dass die Ausbildung der Bereitschaftspolizisten um das Modul „Verhalten in lebensbedrohlichen Situationen“ erweitert wurde.

Polizisten der Polizeilichen Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei an der Black Griffin 2018, ein internationales Polizeimanöver
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Einen zusätzlichen Weg bei der Herstellung von Chancengleichheit mit gewaltsamen Störergruppen ging die Bundespolizei mit der Aufstellung der Beweissicherung- und Festnahmeeinheit plus. Hierbei handelt es sich um robuste Einheiten mit spezieller Ausrüstung und einer Zusatzausbildung, die für besondere Lagen unterhalb der GSG 9, aber oberhalb des täglichen Wach- und Streifendienstes vorgesehen sind. Die Einsatzoptionen umfassen u.a. den Schutz besonders gefährdeter Infrastruktur, Fahndung nach Terrorverdächtigen, Bergen von Personen aus einem Gefahrenbereich, Unterstützung von Sondereinheiten in Ausnahmelagen sowie bei nicht zeitgerechtem Eintreffen von Spezialkräften, die Durchführung von Notzugriffen. Die neue Einheit ist als Aufrufeinheit konzipiert und ansonsten in den Regeldienst der Bundespolizei eingebunden. Insgesamt wurden fünf BFE plus aufgestellt.

Unverändert ambivalent scheint die Bewertung von polizeilichen Auslandsmissionen zu sein. Wie jede Erfolgsgeschichte hat auch die Auslandsverwendung zwei Sei¬ten. Zum einen stehen Qualifikation und Professionalität der entsandten Bundespolizisten in aller Regel außer Frage. Mancher Beamter des mittleren Polizeivollzugsdienstes hat Ausnahmelagen auf dem Balkan gemeistert, an denen hochmögende Polizisten aus anderen Ländern trotz akademischen Rüstzeugs gescheitert sind. Sie werden zu Recht anerkannt. Auf der anderen Seite sind die letztlich erzielten Erfolge zum Teil, auch wegen fehlender seriöser Evaluierungen, umstritten. Was besagte eine mehrstellige Zahl mit großem Aufwand ausgebildeter Polizisten in Afghanistan, wenn die Mehrzahl von ihnen Analphabeten war, Korruption in afghanischen Polizeidienststellen eine Konstante des täglichen Dienstbetriebes war und die Mehrzahl der Bewerber nach abgeschlossener Ausbildung wegen besserer Verdienstmöglichkeiten bei einem Rauschgiftclan untertauchten oder sich einem Warlord anschlossen? Der Zusammenbruch der afghanischen Sicherheitskräfte beim Ansturm des Taliban im Sommer 2021 haben die Hohlheit des Systems bewiesen.

Viele Verwendungen sind einer breiten Öffentlichkeit gar nicht bekannt. Rund 500 Bundespolizisten gehen in aller Welt ihren vielfältigen Auslandsverwendungen nach. Aber auch in heimischen Gefilden wird den Bundespolizisten eine zusätzliche Aufgabe nach der anderen zugeschanzt. Im Nationalen Lage- und Führungszentrum „Sicherheit im Luftraum” in Uedem/Nordrhein-Westfalen wirken sieben Bundespolizisten des gehobenen Dienstes mit Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums und der Deutschen Flugsicherung beim militärischen und polizeilichen Air Policing zusammen. Das Hauptaugenmerk gilt den so genannten Renegade Fällen, bei denen von Terroristen gekaperte Verkehrsmaschinen als Anschlagsmittel für Terroranschläge genutzt werden sollen. Vorläufige Zwischenetappe des langen Marsches der Bundespolizei durch die weiten Gefilde der Aufgabenerweiterung: der Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern, den mythenumwobenen Air Marshals, die Übernahme der Kontrolle der Luftfracht, die Zertifizierung von privaten Sicherheitsdienstleistern, die künftig ihr Glück bei der Pirateriebekämpfung auf hoher See versuchen wollen, der Schutz der Bundesbank, die Übernahme des Personenschutzes Ausland und die Übernahme des Innenschutzes im Bundeskanzleramt. Die leidige Tatsache, dass zunehmend neue Aufgaben übernommen werden müssen, ohne dass das bisherige Portfolio im Grunde nicht bundespolizeitypischer Verwendungen bereinigt wird, dauert an. Dazu gehört insbesondere die Verwendung von Bundespolizisten als Hilfstruppen für fremde Verwaltungen, die nur allzu gern schon aus Gründen der Bequemlichkeit auf diese dienstbaren Geister zurückgreifen. So wurden im August 2013 kurzerhand über 100 Bundespolizisten zur Beschleunigung von Asylverfahren in das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgeordnet.

Abschließende Bewertung: Gleicher unter Gleichen

Das Bundesverfassungsgericht meinte in dem Normenkontrollverfahren zum Aufgabenübertragungsgesetz feststellen zu müssen, dass die Bundespolizei ihr Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben nicht verlieren dürfe. Es war nicht das erste Mal, dass das hohe Gericht in praktischen Sicherheitsfragen irrte. So wies die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme auf die Aufgabenvielfalt des Bundesgrenzschutzes hin, die Grenzschutz, bahnpolizeiliche Aufgaben, auf 14 Großflughäfen den Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, den Einsatz von Air Marshals, den Schutz von Verfassungsorganen, die Verfolgung von Straftaten und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Mitwirkung an polizeilichen Aufgaben im Ausland, den Schutz deutscher diplomatischer und konsularischer Vertretungen im Ausland und von Auslandsstationen der Deutschen Lufthansa, die Unterstützung des BKA bei Wahrnehmung von Aufgaben des Personenschutzes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik, die Erfüllung von Aufgaben in Nord- und Ostsee einschließlich des Umweltschutzes und die Unterstützung der Polizeien der Länder bei Großeinsätzen sowie Katastrophen und besonderen Unglücksfällen umfasst. Wenn überhaupt die Bundespolizei überhaupt Besonderheiten aufweist, ist es der Umstand, dass sich im Gegensatz zu den Landespolizeien ihr Aufgabenbereich auf das gesamte Bundesgebiet, auf die Hohe See und auf das Ausland erstreckt. Im Bereich des Hubschraubereinsatzes und der Einsatzmittel auf hoher See hat sie ein Alleinstellungsmerkmal. Dies hat auch zu der zutreffenden Einschätzung geführt, dass die Bundespolizei unter dem Aspekt der Vernetzung innerer und äußerer Sicherheitsinstitutionen in Deutschland den höchsten Stellenwert hat und nach Meinung von Fachleuten den Status einer Vollpolizei eingenommen hat.

Noch irritierender war der Hinweis des Bundesverfassungsgerichtes auf eine mögliche Konkurrenz zur Landespolizei. Durch die zunehmende Vernetzung der Sicherheitseinrichtungen als Ausdruck der föderalen Sicherheitskooperation bestehen unter den deutschen Sicherheitskräften keine Neiddiskussionen. Kennzeichnend hierfür ist die Rückstellung partikulärer Interessen zugunsten einer verbesserten Zusammenarbeit von Bund und Ländern und der Länder untereinander zum Wohle des Staatsbürgers. Ungeachtet der grundgesetzlichen strikten Trennung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern hat sich gerade im Sicherheitsrecht unter dem Topos „kooperativer Föderalismus“ eine Fülle von Kooperationsformen unter Einbeziehung privater Sicherheitsdienstleister entwickelt, durch die die im Grundgesetz angelegte partikulären Interessen mit den Erfordernissen des Gemeinwohls ausgeglichen werden sollen. So ist die Bundespolizei in ein dichtes Netz von Sicherheitskooperationen zwischen Länderpolizeien und dem Bund eingebunden und hat eine Ordnungspartnerschaft mit der Deutschen Bahn AG eingerichtet. Ferner wirkt die Bundespolizei in den so genannten Gemeinsamen Zentren, in Kontakt- und Überstellungsdienststellen an den Binnengrenzen und zahlreichen internationalen Projekten mit und unterhält ein dichtes Netz an grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten. Die Zahl der Gremien, in denen die Bundespolizei mitwirkt, sowie das Ensemble gemeinsamer Ermittlungs-, Fahndungs- und Einsatzgruppen ist kaum noch überschaubar.

Auch wenn die Bundespolizei damit zur personalstärksten Polizeiorganisation der Bundesrepublik Deutschland angewachsen ist, ist ihre Rolle aufgrund der verfassungsmäßig vorgegebenen Rahmenbedingungen, durch die die Hauptaufgaben der Polizei überwiegend Länderzuständigkeiten sind, nicht unumstritten. Im Juni 2021 fiel im Bundesrat die Neufassung des Bundespolizeigesetzes durch, da einige Länder die maßvolle Erweiterung der Zuständigkeiten der Bundespolizei im Bereich der Strafverfolgung als mit der Verfassung unvereinbar bewerteten. Gleichwohl herrschte bei allen Beteiligten Konsens darüber, dass den zunehmenden globalen und transnationalen Gefährdungen angesichts 16 unterschiedlicher Länderpolizeien nur durch eine starke ausgleichende nationale Polizeireserve begegnet werden kann, deren Hauptaufgabe zudem unverändert die Migrationskontrolle als vorrangiges Weltordnungsproblem ist.

 

Über den Autor
Bernd Walter
Bernd Walter
Bernd Walter, nach vierzigjähriger Dienstzeit in der Bundespolizei mit unterschiedlichen Verwendungen im Führungs-, Einsatz-, Ausbildungs- und Ministerialbereich als Präsident des Grenzschutzpräsidiums Ost in den Ruhestand getreten. Anschließend Vorbeitrittsberater* der EU bei unterschiedlichen Sicherheitsbehörden in Ungarn. Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Fragen der inneren und äußeren Sicherheit.
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