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Einführung des Risikomanagements im edia.con Klinikkonzern

Von Uwe Müller-Gauss

Die edia.con gemeinnützige GmbH betreibt regional neben Altenpflege- und Rehabilitationseinrichtungen, Medizinischen Versorgungszentren und sozialen Einrichtungen auch fünf Krankenhäuser. In den 907 Betten werden jährlich fast 36.000 Patienten stationär und ca. 73.000 Patienten ambulant behandelt. Großer Wert wird auf die Ausbildung gelegt, für die 410 Plätze eingerichtet sind. Die edia.con-Gruppe bietet von der Mehrheitsbeteiligung über Minderheitsbeteiligungen und Managementverträgen bis hin zum reinen Informationsaustausch die verschiedensten Varianten für Kooperationen an.

Neben den gesetzlichen Regelungen war insbesondere der Anspruch auf die Sicherheit für Patienten und Mitarbeiter sowie die zukunftsorientierte Ausrichtung der Klinik- und Konzernstrukturen und das Image bei Einweisern, Krankenkassen und in der Öffentlichkeit Auslöser dafür, die bereits rudimentär vorhandenen Ansätze zum Risikomanagement zu einem professionellen Risikomanagement-System für die klinischen und betriebswirtschaftlichen Bereiche einschl. eines Risikomanagement-Berichtswesens für die Konzernleitung auszubauen.

Für die Beratung bei der Planung und Umsetzung wurde die auf Risikomanagement im Krankenhaus spezialisierte Arbeitsgemeinschaft AHC Astfäller Hospital Consulting aus München und der MÜLLER-GAUSS CONSULTING aus Zürich beauftragt.

 

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Projektziele

Nachdem gerade im Krankenhauswesen Risiken zum Alltag gehören und damit nicht zu vermeiden sind, war von der Geschäftsführung vorgegeben worden, den kontrollierten Umgang mit den bestehenden Risiken zu regeln und das Risikomanagement als zusätzliche Steuerungsgröße wirksam in die Organisationsprozesse der edia.con Kliniken zu integrieren. Für die Umsetzung bedeutete dies, den Umgang mit den Risiken so zu organisieren, dass

  • die geeigneten Organisationsstrukturen für das Risikomanagement zu schaffen,
  • die in den verschiedenen Klinikbereichen vorhandenen Risiken aufzunehmen und
  • im Hinblick auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen zu bewerten,
  • den Verantwortlichen die Risiken mit den entsprechenden Auswirkungen bewusst zu machen und
  • das Risikomanagement mit dem Risikocontrolling in den Klinikalltag zu integrieren.

Den Projektverantwortlichen war bewusst, dass für das wirkungsvolle Risikomanagement das koordinierte Zusammenwirken aller Beteiligten ausschlaggebend ist und dass daran alle Bereiche, Funktionen und Prozesse des Krankenhauses beteiligt sind. Zudem spielt neben den formalen Kriterien und Rahmenbedingungen die Risiko- und Kontrollkultur, die mit der Einführung des Risikomanagements zu entwickeln ist, eine entscheidende Rolle. Die beteiligten Mitarbeiter sollten im Projektverlauf für diese Risiko- und Kontrollkultur sensibilisiert werden, um mit dieser verbindenden Klammer die aufbau- und ablauforganisatorischen Maßnahmen des Risikomanagements sicherzustellen.

Im Hinblick auf die verschiedensten Risikoschwerpunkte im Krankenhauswesen, von den Risiken bei der medizinischen Patientenversorgung über die strategischen und wirtschaftlichen Risiken, den mitarbeiterbezogenen Risiken bis hin zu den technikbedingten Risiken wurden beim Projektstart folgende Zielschwerpunkte definiert:

  • Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben
  • Warnsystem für strategische Fehlentwicklungen
  • Qualitätssicherung für die medizinische Leistungserbringung, insbes. im Hinblick auf den Kostendruck bzw. den zunehmenden Wettbewerb im Gesundheitswesen
  • Eingehen auf das Anspruchsdenken der Patienten, Einweiser, Krankenkassen und der Bevölkerung
  • Sicherheit für die Mitarbeiter
  • Einbeziehung neuer medizinischer Behandlungsmöglichkeiten mit den entsprechenden medizintechnischen Möglichkeiten und weiterentwickelter Arzneimittel
  • Qualitätssicherung für outgesourcte Tätigkeiten
  • Frühwarnsystem zur rechtzeitigen Erkennung betriebswirtschaftlicher Fehlentwicklungen
  • Professionelle Reaktion auf Schadensfälle bzw. Krisensituationen
  • Absicherung im Hinblick auf mögliche Gerichtsverfahren
  • Mittel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
  • Entscheidend für das Risikomanagement wurde von den Beteiligten erkannt, dass es sich nicht um eine von aussen vorgegebene „lästige Pflichtübung“ handelt, sondern als wirkungsvolles Mittel zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit angesehen wird.

 

Umsetzung

Projektorganisation

Zunächst wurde auf der Konzernebene in Zusammenarbeit mit den Beratern der Projektplan mit der entsprechenden Projektorganisation abgestimmt, bei der der Projektleiter benannt und die Zuständigkeiten festgelegt wurden. Dazu wurden die Informationsabläufe, bei denen von Anfang an die Konzernleitung für wichtige Themen integriert war, festgelegt. Anschließend wurden die Umsetzungsschritte definiert und entsprechend terminiert.

Zur Überwachung des Projektfortschrittes wurde ein Projektcontrolling vorgesehen, über das die Umsetzung der Projektstufen kontrolliert bzw. die Gründe bei Abweichungen oder Verzögerungen diskutiert und geeignete Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden.

Nach Abschluss der ersten Projektstufe wurde das neu etablierte Risikomanagement von der Geschäftsführung im Aufsichtsrat des edia.con-Konzerns vorgestellt.


RiskMap

Beim Aufbau der RiskMap, in der die für die edia.con-Gruppe relevanten Risiken katalogisiert sind, wurde mit den strategischen, betriebswirtschaftlichen, personalbezogenen und technischen Risiken begonnen und in einer zweiten Stufe die klinischen Risiken ergänzt. Die Risikoarten wurden nach folgenden Risikobereichen inventarisiert:

  • Strategie / Organisation / Betriebswirtschaft / Finanzwesen / Personalwesen
  • Kommunikation / Dokumentation / Patientenaufklärung
  • Prävention / Diagnostik
  • Therapie
  • Pflege
  • Geburtshilfe
  • OP / Anästhesie
  • Medikation
  • Hygiene
  • Versorgung
  • Technik (mit Datenschutz)

Risk Map


Risiko-Katalogisierung

Die einzelnen Risiken wurden ergänzt um Angaben wie Risiko-Bereich (s.o.), Risiko-Bezeichnung (mit Risiko-Nummer), Risiko-Beschreibung, auslösende Faktoren, Auswirkungen und Action Matrix.
Anschließend wurden die Risiken nach den folgenden Metriken bewertet:

  • Schadensausmaß qualitativ („kein Schaden“ bis „sehr hohe Außenwirkung / Marktanteilverlust“)
  • Schadensausmaß quantitativ (50.000 bis > 1.000.000 €; alternativ %-Anteil vom Eigenkapital)
  • Entwicklungszeit / Dauer bis zu Erkennen des Ereignisses („sofort / zwingend“ bis „keine Entdeckung“)
  • Umgang im Ereignisfall / Ereignisbewältigung („integriertes Krisenmanagement“ bis „keine Mechanismen“)
  • Kontrolle bei Risikoexposition („volle Kontrolle“ bis „keine Kontrolle“)
  • Bewusstsein, Sensibilisierung für die Risikoexposition („volles Bewusstsein“ bis „unbekannt / nicht bewusst“)

Risikolandschaft


Risiko-Bewertung

Organisation Risikomanagement

Die Risikoarten wurden von den Beratern aufbereitet, mit dem Leiter Risikomanagement vorbesprochen und anschließend im Rahmen von Workshops, bei dem das Konzernmanagement und die Geschäftsführungen aus den edia.con-Kliniken beteiligt waren, diskutiert und endgültig verabschiedet sowie um die projektspezifischen Informationen ergänzt und die Metriken zugeordnet.
Anschließend wurde die endgültige RiskMap fertiggestellt und an die Projektbeteiligten in den Kliniken als Basis für das Risikomanagement verteilt.

Als Ergebnis aus dem Einführungsprojekt wurde auf Konzern- und Klinikebene folgender Regelkreis für den Routinebetrieb für die regelmäßige Aktualisierung des Risikokataloges etabliert:

  • Identifikation von neuen Risiken
  • Risikoanalyse bzw. Bewertung
  • Ursachenforschung, Fehleranalyse
  • Massnahmenplanung und –durchführung
  • Steuerung, Überwachung und Controlling

Organisation Risikomanagement

 

Risikomanagement-Regelkreis

Bei der Risikoidentifikation haben naturgemäß die Risiken höchste Priorität, durch die die Kernkompetenzen für die medizinische Leistungserbringung gefährdet werden könnten. Toleranzabweichungen sind zu überprüfen und bei Bedarf erfolgt eine individuelle Beurteilung.

Die Risikobewertung ergibt sich aus der Feststellung der möglichen Schadenshöhe unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit.

Aus der Kombination von Risikoidentifikation und Risikobewertung werden über die Risikosteuerung die geeigneten Maßnahmen veranlasst. Falls Risiken nicht zu vermeiden sind, sollten sie zumindest vermindert bzw. möglichst auf eine Versicherung abgewälzt werden. Sollten diese Möglichkeiten nicht bestehen, ist zu entscheiden, ob diese Risiken als Restrisiken akzeptiert und im Rahmen eines Business Continuity Managements (BCM) bewältigt werden können.

Für die permanente Risikoüberwachung sind die bei der Einführung des Risikomanagements entwickelten Organisationsabläufe unter Steuerung durch die Projektgruppe einzuhalten, die risikospezifischen Berichte zu erstellen und entsprechend zu verteilen. Bei geänderten Anforderungen (z.B. neue Risiken mit den entsprechenden Bewertungen, Änderungen in den Zuständigkeiten) haben die entsprechenden Anpassungen zu erfolgen.

Die in der Einführungsphase bewährte Unterstützung durch die Konzern- und Klinikleitungen soll für die weitere Umsetzung in den Routinebetrieb bzw. die Weiterentwicklung des Risikomanagement-Systems fortgeführt und das Projekt weiterhin über sämtliche Bereichs- und Hierarchieebenen der Krankenhäuser hinweg sinnvoll durch den Leiter Interne Revision und Risikomanagement koordiniert werden.

Auf der Basis der Projekteinführung wurde das krankenhausinterne Projektteam in die Lage versetzt, das Risikomanagement-Projekt zukünftig selbstständig ohne die Unterstützung durch die Berater weiterzuentwickeln.


Schlussbemerkung

Mängel in den Behandlungsprozessen bzw. Fehler in den zuarbeitenden Organisationseinheiten sind Risiken mit nicht zu unterschätzenden rechtlichen, finanziellen oder imageschädlichen Auswirkungen für den Klinikbetrieb. Zudem erwarten Patienten, Einweiser, Krankenkassen, der Krankenhausträger und die Öffentlichkeit, dass bei der medizinischen Leistungserbringung im Krankenhaus nicht nur die gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden, sondern im Hinblick auf den Wettbewerb zunehmend auch angemessene Qualitätsstandards nachgewiesen werden. Dabei sind auch entsprechende ethische, moralische und gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen.

Somit hat die Einführung eines ganzheitlichen Risikomanagementsystems nicht nur die Vermeidung bzw. Reduzierung von Fehlern mit den entsprechenden Kosteneinsparungen als Ziel, sondern hat im Hinblick auf den Wettbewerb im Gesundheitswesen, in Kombination mit einem professionellen Qualitätsmanagement, zunehmend Auswirkungen auf die Marktpositionierung des einzelnen Krankenhauses und der Klinikkonzerne.



Weitere Auskünfte:
Timo Kucharicky, Leiter Interne Revision und Risikomanagement edia.con gemeinnützige GmbH, www.ediacon.de
Erwin Astfäller, AHC Astfäller Hospital Consulting, www.a-h-c.de
Uwe Müller-Gauss, MÜLLER-GAUSS CONSULTING, www.gauss-consulting.ch

 

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