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 Rauchende Polizisten

Nikotinkonsum bei Studierenden in der Polizei in Baden-Württemberg

Von Manuel Schneider und Prof. Dr. rer. soc. Max Hermanutz

Ergebnisse einer Umfrage zum Nikotinkonsum bei 411 Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen werden im Zusammenhang mit suchtspezifischen Faktoren dargestellt. Ferner werden angewandte Methoden der Suchtbekämpfung einzelner Raucher eruiert. Darüber hinaus werden Hilfestellungen zur Raucherentwöhnung durch Dienststellen beim Land Baden-Württemberg und andere Institutionen gegeben.

„Alle sechs Sekunden tötet das Rauchen einen Menschen“ (Spiegel Online, 2008). In Deutschland sterben jährlich zwischen 110.000 und 140.000 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2010). Durch das Rauchen sterben folglich mehr Menschen als an den Folgen von Aids, Alkohol, illegalen Drogen, Verkehrsunfällen, Morden oder Selbstmorden (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2011).

In Deutschland raucht rund ein Drittel der erwachsenen Männer sowie ein Viertel der erwachsenen Frauen (Lampert & List, 2011). Reflektiert man diese Zahlen auf die Polizei des Landes Baden-Württemberg, so gibt es über 8.000 Tabakkonsumenten unter den Bediensteten der Polizei. Würde man diese Hypothese strenger formulieren, existieren im Land mehrere Tausend drogenabhängige Polizisten.

Der Begriff der Nikotinabhängigkeit bezieht sich auf den gefährlichen Tabakkonsum,, der durch Toleranz, Entzugserscheinungen und den unkontrollierten Gebrauch charakterisiert ist (Peterson, Vander Weg & Jaén, 2011). Ein Großteil aller Raucher ist sich bewusst, dass der Konsum von Tabakprodukten diverse physische Leiden verursacht und verschlimmert. Trotzdem sind bei Rauchern nur leicht rückläufige Zahlen zu verzeichnen (Lampert et al., 2011). Physische, psychologische und Verhaltensfaktoren beeinflussen gemeinsam den Gebrauch von Tabak und dessen Abhängigkeit(Peterson et al., 2011).

Es ist zu bedenken, dass es sich bei allen Tabakprodukten um legale Drogen handelt, welche von jedem Raucher über 18 Jahren beschafft werden können. Ferner wird der Tabakkonsum in unserer Gesellschaft schon über Jahrhunderte toleriert und akzeptiert. Repräsentative Studien ergaben, dass der erste Kontakt zur Zigarette im Alter zwischen 12 und 13 Jahren stattfindet (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2011). Dies ist oftmals eine lange Zeit vor dem Selbstfindungsprozess der Jugendlichen. Hinzu kommt, dass Raucher vermehrt im Dissens mit ihrem eigenen Rauchverhalten stehen und sich selbst ohne professionelle Unterstützung kaum von ihrem Suchtverhalten lösen können. Aus diesem Grund sind Ärzte und Fachpersonal im Gesundheitssystem gefordert, zur Verbesserung von physischen und psychologischen Gesundheitsaspekten beizutragen, um so die Gesunderhaltung zu fördern und die Lebenszeit eines Menschen zu verlängern(Peterson et al., 2011).
Werden lediglich die nachgewiesenen Risiken und Folgen des Tabakkonsums sowie die Problematik des Passivrauchens und Auswirkungen in Schwangerschaften bedacht, ist ein Handlungsbedarf auf diesem Gebiet unabdingbar.

Da in der heutigen Zeit eine gesellschaftliche Akzeptanz des öffentlichen Rauchens stark rückläufig ist, spielen Nachahmungsgefahr, Außenwirkung sowie Vorbildfunktion von Polizeibeamten eine immer größere Rolle.
Raucher können sich mit Hilfe dieser Bachelorarbeit über nachvollziehbar gestaltete und neutral angewandte Instrumentarien zur Prävention und Suchtbekämpfung informieren. Neben der Analyse und Reflektion von literarischen Forschungsergebnissen und medizinischen Erkenntnissen wird im Rahmen dieser Arbeit eine Umfrage an der Hochschule für Polizei des Landes Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen durchgeführt. Dabei werden sämtliche Studienanfänger des 32. Studienjahrgangs zu ihrem Umgang mit Tabak befragt, um einen aktuellen Informationsstand zu eruieren.


Studie an der Hochschule für Polizei

Als Stichprobe wurde ein gesamter Studienjahrgang an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen mit insgesamt 411 Studierenden ausgewählt, bestehend aus zwei Personengruppen: Einerseits die so genannten „Aufstiegsbeamten“, welche über eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung im „Mittleren Polizeidienst“ verfügten und sich bereits aktiv im Polizeidienst befanden. Bei der zweiten Personengruppe handelte es sich um die so genannten „Direkteinsteiger“. Das waren vorwiegend Abiturienten oder Einsteiger, welche zuvor in anderen Bereichen tätig waren oder sich beruflich umorientieren.

Für die Erhebung der Daten wurde die schriftliche Befragung gewählt. Die Teilnehmer konnten nicht nur freie Angaben machen, sondern waren an ein dementsprechendes Raster gebunden (Institut für Wissenschaft- und Technikforschung, 2005). Da in der Wissenschaft bereits ein anerkannter Test zur Untersuchung der Nikotinabhängigkeit mit Gütekriterien existiert, wurde dieser berücksichtigt und in die Befragung eingearbeitet.

Der so genannte „Fagerström-Test für Nikotinabhängigkeit“ (FTNA) dient zur Einschätzung des Schweregrades der Nikotinabhängigkeit und präzisiert Suchtkriterien. Der FTNA ist ein international verbreitetes Instrument und in vielen Behandlungsstudien etabliert. Von den insgesamt 411 Studenten konnten wiederum von 340 Studenten Ergebnisse gewonnen werden. Die 340 Teilnehmer befanden sich in einem Alter zwischen 19 und 40 Jahren. Der daraus errechnete Mittelwert beträgt M = 25,87 Jahre (Standardabweichung SD = ±4,98). An der Befragung nahmen 207 männliche und 133 weibliche Personen teil.


Ergebnisse der Studie

Es rauchen 24,5 % (davon rauchen 13,5 % stark und 11 % gelegentlich). 16 % haben mit dem Rauchen aufgehört und 53,7 % der Befragten bezeichnen sich als Nichtraucher. Hinzu kommt, dass sich 5,9 % der Frage enthielten. Außerdem geben 35,4 % der weiblichen Befragten, aber nur 20,1 % der männlichen Befragten an, zu rauchen. Unter den Männern existieren nahezu doppelt so viele ehemalige Raucher (21,1 %) als bei Frauen (10,8 %).
Mit Hilfe der nachfolgenden Abbildung 1 wird gezeigt, in welchen Situationen besonders viel geraucht wird.

Abbildung 1: Situationen, in denen viel geraucht wird (Aufschlüsselung siehe unten)    
Die nachfolgenden Situationen sind in der Abbildung auf der X-Achse numerisch aufgeführt.

  1. Stress, nervenaufreibende Einsätze, Prüfungen oder Lernstress (20,5 %)
  2. Einkehr, Party oder in Gesellschaft (31,3 %)
  3. In Verbindung mit Alkohol (16,9 %)
  4. Abends, am Wochenende (6 %)
  5. Pause, Langeweile, Urlaub, Pause an der Hochschule (10,8 %)
  6. Bei Frustration, Ärger, in psychisch schlechter Verfassung (1,2 %)
  7. Bei körperlicher Arbeit (1,2 %)
  8. Beim oder nach dem Essen (1,8 %)
  9. Beim Fernsehen oder im Stadion (1,8 %)
  10. Andere Situationen (9 %)


Lediglich 11 von 42 starken Rauchern unternahmen noch keinen Versuch, das Rauchen zu beenden.15 von 37 Personen, die das Rauchen aufgeben konnten, haben es beim ersten Anlauf geschafft. Ehemalige Raucher haben bis zu zehn Versuche unternommen. Die Gelegenheitsraucher konnten im Mittel (M)31,75Monate (SD = ±36,17) und die starken Raucher 7,93 Monate (SD = ±8,06) abstinent bleiben. Welche Methoden angewandt wurden, sind aus der nachfolgenden Abbildung 2 ersichtlich.

 Abbildung 2: Angewandte Methoden zur Raucherentwöhnung
Die nachfolgenden Methoden der Befragten zur Rauchentwöhnung sind in der Abbildung auf der X-Achse numerisch aufgeführt.

  1. Keine besondere Methode (2,8 %)
  2. Einfach aufgehört bzw. Schlusspunktmethode (43,9 %)
  3. Nach Erkrankung (1,9 %)
  4. Literatur (11,2 %)
  5. Internet oder Onlineforum (1,9 %)
  6. Sport oder Ernährungsumstellung (6,5 %)
  7. Nikotinkaugummis oder Nikotinpflaster (2,8 %)
  8. Starker Wille, Disziplin oder kalter Entzug (13,1 %)
  9. Minimieren des Nikotinkonsums oder langsame Entwöhnung (3,7 %)
  10. Homöopathie, Hypnose oder Akupunktur (2,8 %)
  11. Schwangerschaft (0,9 %)
  12. Andere Methoden (8,4 %)


Von 122 Rauchern würden 48,4 % fremde Hilfe zum Ausstieg aus der Sucht annehmen. 73,4 % von 214 Befragten haben ganz und gar keine Erfahrungen mit präventiven Maßnahmen in Bezug auf das Rauchen.83,6 % von 275 Befragten kennen den Suchtberater ihrer Dienststelle nicht. 69,2 % von 286 Befragten sind über die Gesunderhaltungspflicht eines Beamten informiert. Was die Dienststellen unternehmen, wird mit Hilfe der nachfolgenden Abbildung 3 statistisch betrachtet aufgezeigt.
 

Abbildung 3: Maßnahmen der Dienststelle gegen das Rauchen
Die nachfolgenden Maßnahmen der Dienststelle gegen das Rauchen sind in der Abbildung auf der X-Achse numerisch aufgeführt.

  1. Nichts (27 %)
  2. Nicht bekannt (21,8 %)
  3. Zeitabzug (3,9 %)
  4. Suchtberater (0,8 %)
  5. Raucherentwöhnungskurse (0,8 %)
  6. Informationsangebote oder Informationsmöglichkeiten (0,8 %)
  7. Gesundheitstage oder Sonderurlaub (2,7 %)
  8. Rauchverbot (25,8 %)
  9. Raucherbereiche eingerichtet (12,1 %)
  10. Anderes (4,3 %)


Die Auswertung von Untersuchungsergebnissen zeigt, dass die Thematik Tabakkonsum in der Polizei von Befragungsteilnehmern ernst genommen wird.
Auffällig ist die Tatsache, dass sich im Vergleich zum durchschnittlichen Anteil der deutschen Bevölkerung nur halb so viele männliche wie weibliche Raucher unter den Befragten befinden. Im Gegensatz zum anderen Geschlecht können die Männer doppelt so viele ehemalige Raucher verzeichnen. Es sind demnach eher die Männer bei der Polizei, die einen Ausstieg aus der Sucht erreichen. Gründe hierfür könnten sein, dass Männer ein höheres Potenzial besitzen, sich der Tabakabhängigkeit zu entziehen.
Auch resultiert aus der Auswertung, dass es starke Raucher gibt, die noch nie einen Versuch des Rauchstopps unternahmen. Die häufigsten Versuche in eine Abstinenz, nämlich bis zu zehn, haben starke Raucher und ehemalige Raucher unter den Teilnehmern unternommen. Dies zeigt, dass doch viele starke Raucher gerne aufhören würden, es aber aus eigener Kraft nicht schaffen.
Der hohe Anteil ehemaliger Raucher belegt, dass ein Ausstieg aus der Sucht durchaus möglich sein kann.
Im Durchschnitt werden starke Raucher nach einem knappen Dreivierteljahr wieder rückfällig. Die Literatur besagt hierzu, dass ein Suchtgedächtnis lange Zeit anhalten kann (Groneberg und Haustein, 2008). Durch die Untersuchung wurde bekannt, in welchen Situationen besonders viel konsumiert wird. Das sind in der genannten Reihenfolge:

  1. Einkehr, Party und Gesellschaft
  2. „Stress“, nervenaufreibende Einsätze, Prüfungen und Lernen
  3. In Verbindung mit Alkohol
  4. Pause, Langeweile und Urlaub


Nach der Schlusspunktmethode werden durch die Teilnehmer mit der zweitbesten Erfolgschance der starke Wille, die Disziplin und der kalte Entzug angegeben. Auch das Lesen von entsprechenden Ratgebern wird erfolgreich genutzt. Knapp die Hälfte aller Raucher würde fremde Hilfe annehmen. Trotzdem kennen über 83,6 % den Suchtberater ihrer Dienststelle nicht. Ferner haben auch nahezu drei Viertel der Befragten keine Erfahrungen mit präventiven Maßnahmen. Über zwei Drittel der Befragten sind über den Grundsatz der Gesunderhaltungspflicht informiert. Die Befragten sind entsprechend schlecht informiert über die Methoden, welche von den Dienststellen gegen das Rauchen unternommen werden.

Weiterhin sind auch einige Befragte der Meinung, dass die Dienststellen nichts gegen das Rauchen tun würden. Zuletzt ist noch zu erwähnen, dass die Maßnahmen „Rauchverbot“ und „Einrichten von Raucherbereichen“ des Öfteren genannt wurden. Beachtenswert wiederum ist, dass nur wenige Dienststellen einen Arbeitszeitabzug bei Raucherpausen durchsetzen. Eine spärliche Resonanz zeigen dienstlich vorhandene Präventivprogramme wie Raucherentwöhnungskurse, Informationsveranstaltungen, Gesundheitstage und Sonderurlaub.

Wenn der Raucher die Behandlung mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit angeht, erhöhen sich die Erfolgschancen und ein dauerhafter Ausstieg aus der Sucht kann erreicht werden (Groneberg et al., 2008).
Nachfolgende Therapien und Beratungen sind in der Behandlung der Nikotinsucht gebräuchlich:

  1. Medikamentöse Therapien
  2. Selbsthilfemaßnahmen des Rauchers wie die Schlusspunktmethode
  3. Ärztlicher Rat zur Aufgabe des Rauchens
  4. Verhaltenstherapeutische Methoden
  5. Aversionsbehandlung (Form der Verhaltenstherapie)
  6. Hypnose
  7. Akupunktur
  8. Internetkommunikation

(Groneberg et al., 2008).
Behandlungen beinhalten nicht nur Beratung und Begleitung der Medikamenteneinnahme, sondern auch Empfehlungen zur Selbsthilfe der Patienten (Peterson et al., 2011).


Dienstvereinbarung Suchtmittelmissbrauch, Suchtmittelabhängigkeit und Suchtkrankenhilfe in der Polizei Baden-Württemberg

Diese Dienstvereinbarung, kurz DV Sucht, ist eines der wichtigsten Instrumentarien der Suchtbekämpfung innerhalb der Polizei. Jedoch ist diese überwiegend auf Alkoholabhängige abgestimmt, wobei diese auch andere legale und substanzbezogene Suchtkrankheiten beinhaltet.


Fazit

Aus den Ergebnissen der Untersuchung bei den Studienanfängern kann schlussgefolgert werden, dass viele sich der Sucht entziehen wollen, dies auch tun und ein starkes Bewusstsein zum Rauchstopp entwickeln. Dabei fällt es den männlichen Rauchern leichter als den weiblichen Rauchern. Zusätzlich wurde in Erfahrung gebracht, dass unzählige Raucher grundsätzlich präventive Hilfe annehmen würden. Es ist festzustellen, dass zwar viele Möglichkeiten und Ansätze zur Suchtbekämpfung bestehen, diese aber zu wenig in Anspruch genommen werden. Dies könnte eventuell daran liegen, dass viele der Beamten unzureichend über die vorhandenen Maßnahmen in Sachen Sucht innerhalb der Polizei informiert sind. Um die Struktur der Prävention und Aufklärung zu verbessern, sollten Polizeiärzte, Suchtkrankenhelfer und Suchtberatungsstellen entsprechend geschult und in die Präventivmaßnahmen gegen den Tabakkonsum eingebunden werden. Raucher müssen mit allen erforderlichen Mitteln aufgeklärt werden. Beispielsweise bieten sich Informationsflyer, Seminare und gezielt durchgeführte Vorträge an.

Sowohl der gesundheitliche als auch der volkswirtschaftliche Schaden ist immens. Daher ist mit dem heutigen Wissensstand über sämtliche Auswirkungen eine Bekämpfung des Tabakkonsums - vorzugsweise auch in der Polizei mit besonderem gesellschaftlichem Stellenwert - unumgänglich. Raucher müssen auf ihrem Weg in der Rauchentwöhnung unterstützt und durch verschiedenste Stellen begleitet werden.

Weitere Informationen zu dem Thema „Nikotinkonsum“ samt Literaturquellen finden Sie in der Bachelorarbeit Schneider, Manuel. Nikotinkonsum bei Studienanfängern in der Polizei. Hochschule für Polizei, Villingen-Schwenningen, 2011.
Quellen können bei den Autoren angefordert werden.

 

 

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