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 Raubüberfälle auf Unternehmen des Groß- und Einzelhandels

Von Richard Thiess

Teil 2

 

Verhalten bei verdächtigen Wahrnehmungen

Häufig lässt sich in der Praxis feststellen, dass einer Straftat bestimmte Verhaltensweisen des Straftäters vorausgehen, die von einem aufmerksamen Beobachter als „verdächtig“ im weitesten Sinne wahrgenommen werden könnten. Solche verdächtigen Verhaltensweisen lassen sich aus der Sicht eines Täters nicht immer vermeiden, z.B. dann, wenn er sich im Bereich des Tatortes aufhalten muss, um den für ihn günstigsten Moment für die Tatausführung abzupassen.

 
Verdächtiges Verhalten von Personen

Nachfolgend werden verdächtige Verhaltensmuster aufgezählt, die zu erhöhter Wachsamkeit und einer genaueren Beobachtung des Verdächtigen führen sollen; dabei muss man sich jedoch klar darüber sein, dass nicht in jedem Fall tatsächlich eine Straftat beabsichtigt sein muss.

  • Es wird ein Kunde beobachtet, der kurz vor Geschäftsschluss in aller Ruhe und scheinbar ziellos durch den Verkaufsraum schlendert und dabei bemüht ist, niemandem sein Gesicht zu zeigen;
  • es werden Personen festgestellt, die sich bei Geschäftsschluss in der Nähe des Personalausgangs oder am Firmenparkplatz herumtreiben, ohne dass von ihnen Mitarbeiter abgeholt werden;
  • auf dem Weg zum Banktresor wird der Geldbote von einer Person (einem Fahrzeug) verfolgt;
  • betriebsfremde Personen werden in Bereichen angetroffen, die für  Kunden ausdrücklich nicht zugänglich sind;
  • jemand versucht, sich unter einem Vorwand nach Geschäftsschluss noch Zugang zu den Firmenräumen zu verschaffen;
  • jemand hält sich in der Nähe eines Bankschalters auf, ohne Anstalten zu treffen, selbst eine Geldbombe einzuwerfen.


Darüber hinaus ist jedes Verhalten im Zusammenhang mit Geldbewegungen als verdächtig einzustufen, das in irgendeiner Weise vom üblichen Kundenverhalten abweicht und das als Vorbereitung für eine geplante Straftat geeignet erscheint.

 Cash Logistik

 

Verdächtige Wahrnehmungen der geschilderten Art können zweierlei Reaktionen erfordern, nämlich Sofortmaßnahmen, wenn der Verdacht besteht, dass eine Straftat unmittelbar bevorsteht, und mittelfristige Maßnahmen, wenn die verdächtige Beobachtung den Rückschluss zulässt, dass ein möglicher Überfall erst geplant wird und die näheren Tatumstände ausgekundschaftet werden sollen. In diesem Fall ist eine unmittelbare Ausführung der Straftat nicht zu befürchten, weshalb die erforderlichen Maßnahmen unauffällig und in Abstimmung mit der Polizei getroffen werden können. In beiden Fällen ist es zunächst wichtig, dass der Verdächtige nicht bemerkt, dass er erkannt worden ist.


Tat scheint nicht unmittelbar bevorzustehen

Steht nach den Umständen eine unmittelbare Tatausführung nicht bevor, so muss man sich zunächst das genaue Aussehen der Person einprägen (soweit vorhanden, ist mithilfe einer Kamera, z. B. eines Smartphones, möglichst unauffällig eine Porträtaufnahme des Verdächtigen anzufertigen). Dazu gehört das geschätzte Alter, die etwaige Größe und die Figur des Verdächtigen, die Frisur, die Haarfarbe und die Hautfarbe, aber auch Besonderheiten wie Barttracht, Narben, Verletzungen, Brillenträger, die Bekleidung und andere Eigenschaften, sofern man sie feststellt (Nationalität, Sprache, Dialekt). Hat die verdächtige Person ein Fahrzeug, so ist auch dieses genau zu beschreiben (Kennzeichen, Marke, Typ, Modell, Farbe, Besonderheiten der Ausstattung). Danach ist unverzüglich die Polizei zu informieren.


Tat im Unternehmen könnte unmittelbar bevorstehen

Steht zu befürchten, dass tatsächlich in Kürze ein Überfall bevorsteht, so ist unverzüglich die Polizei zu verständigen, wobei die genaue Beschreibung des Verdächtigen bereits am Telefon weitergegeben wird.
Die Telefonverbindung zur Polizei bleibt – in Absprache mit dem Beamten der Notrufzentrale - bestehen, sodass die Polizei aktuell über die weitere Entwicklung informiert werden kann.

Überwachungskameras werden auf alle neuralgischen Punkte ausgerichtet, die Bilder durchgehend aufgezeichnet. Als neuralgische Punkte sind neben dem mutmaßlichen Tatort auch alle denkbaren Fluchtwege bzw. die vom Tatort aus erreichbaren Ausgänge zu überwachen.

Der Mitarbeiter, der die Polizei alarmiert, muss eine Position einnehmen, von der aus er den mutmaßlichen Tatort genau übersehen kann, ohne jedoch vom Täter gesehen zu werden. Ideal ist es für derartige Fälle, wenn die besonders gefährdeten Bereiche wie die Kassenzone oder der Vorraum der Hauptkasse mit verdeckten Kameras überwacht werden.

Intern werden alle Sicherheitsmitarbeiter mit Hilfe einer verschlüsselten Durchsage alarmiert und an strategisch günstigen Punkten um den wahrscheinlichen Tatort postiert, um so mögliche Fluchtrichtungen des Täters beobachten zu können.

Soweit ein etwa geplanter Geldtransport das Haus noch nicht verlassen hat, ist er bis zum Eintreffen der Polizei zurückzuhalten. Die Hauptkasse ist zu informieren, dass Gelder sofort im Tresor zu verwahren sind und dieser zu verschließen ist.

Wird zu dem Zeitpunkt der verdächtigen Wahrnehmung gerade Geld abgeschöpft, ist diese Tätigkeit sofort (diskret!) abzubrechen und die damit beschäftigten Mitarbeiter sind durch Kräfte der Sicherheitsabteilung in den nächstgelegenen, abschließbaren Raum zu begleiten. Dort warten sie so lange, bis sie durch einen Sicherheitsbeauftragten zum Verlassen des Raumes aufgefordert werden.
An die verdächtige Person darf nicht herangetreten werden! Sie wird lediglich weiter observiert und der Standort der Person ist laufend an die Polizei durchzugeben.


Verdächtige Wahrnehmung auf dem Weg zur Bank

Stellen Geldboten auf dem Weg zur Bank fest, dass sie beschattet werden, haben sie sofort und auf schnellstem Wege ein stark belebtes Gebiet aufzusuchen (ggf. kann auch die überraschende Einkehr in einer belebten Gaststätte zweckmäßig sein).

Soweit der Transport mit einem Fahrzeug durchgeführt wird, sind die Türen zu verriegeln, niemand darf das Fahrzeug verlassen. Es ist per Handy sofort die Polizei zu informieren, wobei wiederum die Beschreibung des Verdächtigen oder des verdächtigen Fahrzeuges durchgegeben wird. Das weitere Verhalten wird mit dem Beamten der Notrufzentrale abgestimmt.

Für die Situation während eines Überfalls gibt es keine verbindlichen Verhaltensmaßregeln! Einer der wenigen Grundsätze ist der, sich ruhig und besonnen zu verhalten, nichts zu riskieren und alles zu vermeiden, was den Täter zusätzlich unter Druck setzt und damit eine Verschärfung der Lage bedingen könnte.
Auf gar keinen Fall darf das Leben oder die Gesundheit von Kunden oder Personal durch irgendwelche eigenmächtigen Maßnahmen des Kaufhausdetektivs oder des Sicherheitsbeauftragten gefährdet werden. Das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Unbeteiligten sind unter allen Umständen zu schützen. Alle Maßnahmen, die diesen Grundsatz gefährden, sind zu unterlassen!


Verhalten während eines Überfalls

So schnell wie möglich nach Beginn eines Überfalls sollte man versuchen, verdeckt Alarm auszulösen. Dabei ist besondere Vorsicht angezeigt, da man andernfalls riskiert, vom Täter wegen der Alarmauslösung besonderen Repressalien ausgesetzt zu werden.

Während des Überfalls sollte man versuchen, sich so viele Einzelheiten zur Beschreibung des Täters (der Täter) einzuprägen, wie irgend möglich. Auch auf die Redewendungen des Täters ist zu achten; auffällige Formulierungen könnten später wertvolle Fahndungsansätze liefern. Stellen, die von einem Täter ohne Handschuhe berührt werden, prägt man sich für die spätere Spurensuche der Polizei ein. Auch Zigarettenkippen, die ein Täter ausdrückt, oder Gläser, aus denen er trinkt, soll man sich merken; die Gegenstände können DNA  des Täters enthalten.

Forderungen der Täter sollen bedächtig und ohne provozierenden Widerstand ausgeführt werden, wobei unerfüllbare Forderungen als solche bezeichnet und die Gründe für die Unerfüllbarkeit dargelegt werden müssen.
Plumpe Anbiederungen sind ebenso wie freiwilliges Entgegenkommen ("...in dem Schrank da drüben liegt auch noch Geld...") zu unterlassen.

 

Unicorn

 

Man sollte in jedem Fall schnelle Bewegungen ohne ausdrückliche Aufforderung durch den Täter vermeiden. Auch laute Geräusche sollten tunlichst vermieden werden, da plötzlicher, unerwarteter Lärm den Täter zusätzlich in Stress versetzt.

Will man aus wichtigen Gründen die Stelle verlassen, an der man sich gerade während des Überfalls befunden hat (z. B., um dringend die Toilette aufzusuchen oder Verletzten Este Hilfe zu leisten, aber auch, um einer Forderung des Täters nachzukommen, sollte man dies dem Täter vorher sagen und ggf. auch die Gründe für den beabsichtigten Wechsel des Standortes mitteilen. Erst nach ausdrücklicher Einwilligung des Täters verlässt man dann seinen bisherigen Standort.

Auf hysterisch reagierende Kunden oder Mitarbeiter soll man, soweit irgend möglich, beruhigend einwirken, da wiederum das hysterische Verhalten einer überfallenen Person beim Täter zusätzlichen Stress bedingt.
Vorwürfe an den Täter sind unbedingt zu unterlassen; Fehler, die dieser begeht, sind geflissentlich zu übersehen und keinesfalls anzusprechen oder gar zu kommentieren.


Alarmierung der Polizei

Von besonderer Bedeutung bei einem Überfall ist naturgemäß die sofortige und umfassende Verständigung der Polizei. Ohne nähere Wertung sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Situation für die Überfallenen dann ver-schlechtern kann, wenn Einsatzkräfte der Polizei noch während des Überfalls am Tatort erscheinen! Hier besteht immer die Gefahr, dass ein Überfall zu einer Geiselnahme eskaliert!

Als Grundsatz gilt für die Alarmierung der Polizei: Befindet sich der Täter noch im Tatobjekt, soll die Alarmierung so erfolgen, dass der Täter nichts davon bemerkt.
Dies verhindert, dass zusätzliche Unbeteiligte (etwa durch das Heulen einer Alarmsirene) angelockt und dann in das Geschehen mit verwickelt werden. Außerdem verhindert es Panikreaktionen des Täters. Durch das Heulen der Sirenen wird beim Täter wiederum zusätzlicher Stress erzeugt, der zu unkontrollierbaren Reaktionen führen kann.
Und letztlich bietet ein stiller Alarm der Polizei, sofern sie rechtzeitig und unbemerkt am Tatort eintrifft, die große Chance, den Täter beim Verlassen des Objektes oder im Zuge einer anschließenden Observation in einer Überraschungsaktion überwältigen zu können. Weiß der Täter hingegen, dass Alarm gegeben wurde, so wird er entsprechend vorsichtiger beim Verlassen des Tatortes sein, wodurch bei einem Zugriff der Polizei das Überraschungsmoment verlorengehen kann.

Hat der Täter sich bereits entfernt, so ist - oberster Grundsatz - neben der Versorgung von eventuellen Verletzten die sofortige Alarmierung der Polizei durchzuführen! Die Information von Vorgesetzten ist demgegenüber nachrangig!

Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ist sofort - zusätzlich zu einer ggf. schon erfolgten stillen Alarmierung - nochmals die Einsatzzentrale der Polizei anzurufen.
Dabei sind alle wesentlichen Fahndungshinweise durchzugeben, wie z.B.:

  • Anzahl der Täter;
  • Fluchtrichtung;
  • Bewaffnung;
  • Verwendetes Fluchtfahrzeug (Typ, Farbe, Kennzeichen, Besonderheiten);
  • Personenbeschreibung der Täter;
  • Bekleidung der Täter;
  • Beschreibung mitgeführter Taschen oder Gegenstände;
  • Angaben zur Tatbeute.


Nach einem Überfall ist der Polizei eine Amtsnummer der Telefonzentrale mitzuteilen, unter der der Sicherheitsbeauftragte direkt erreichbar ist. Diese Telefonnummer ist von allen anderen Anrufen freizuhalten!


Sofortmaßnahmen nach einem Überfall

Nach einem Überfall sind eine Reihe von Maßnahmen zu veranlassen bzw. durchzuführen, von denen der Fahndungserfolg der Polizei wesentlich abhängen kann. Um diesen Erfolg nicht zu gefährden oder gar unmöglich zu machen, ist von entscheidender Bedeutung, in welcher Reihenfolge welche Maßnahmen getroffen werden.
Hierzu soll der folgende Maßnahmekatalog einen Überblick geben. Einen absoluten Anspruch auf Allgemeingültigkeit kann die Aufzählung jedoch nicht erheben, da die Reihenfolge der Sofortmaßnahmen auch von den - jeweils unterschiedlichen - örtlichen Gegebenheiten mit abhängen wird.

Von besonderer Bedeutung ist neben der Alarmierung der Polizei immer die Versorgung von Verletzten. Wichtig sind ferner die Frage der Verfolgung eines Täters, aber auch der Feststellung von Beteiligten (z.B. Geschädigten) und von Zeugen sowie die Absicherung des Tatortes zum Schutz der vorhandenen Tatspuren.
Schließlich bleiben verschiedene - meist firmeninterne - Verständigungspflichten zu berücksichtigen, die aber auf jeden Fall den Hilfsmaßnahmen für Verletzte, der Absicherung möglicher Spuren am Tatort und der Einleitung der Fahndung gegenüber zurückstehen müssen.

Die sofortige telefonische Bekanntgabe der Beschreibung der Täter, der verwendeten Fluchtmittel und der Fluchtrichtung ist von besonderer Bedeutung, da die Polizeieinsatzzentrale diese Informationen, die sie vom Ort des Überfalls am Telefon erhält, unverzüglich über Funk an alle eingesetzten Streifenwagenbesatzungen weitergibt. Damit ist es möglich, unmittelbar nach der Alarmierung der Polizei bereits bei der Anfahrt zum Einsatzort gezielt nach dem Täter zu fahnden.

Dadurch wird kostbare Zeit eingespart, die vergehen würde, wenn zunächst ein Funkwagen zum Tatort fahren, dort den Verantwortlichen ausfindig machen und die Beschreibung vor Ort erfragen müsste.


Checkliste Raubüberfall

  1. Verletzte versorgen
    • Arzt/Notarzt verständigen: Tel.: ................................
    • Mitarbeiter bestimmen, die die Erstversorgung von Verletzten durchführen
  2. Alarmierung der Polizei
    • Notruf-Tel.: ..........................
    • Wer meldet (Name, Firma, Rückrufnummer)
    • Was ist passiert? (z. B. bewaffneter Raub auf Geldboten)
    • Wo ist der genaue Tatort (Firma, Stadt, Straße, Hausnummer, Stockwerk, ggf. Anfahrtsweg oder Eingang)
    • Gibt es Verletzte? Wie viele? Wird der Notarzt benötigt?
  3. Angaben zur Flucht der Täter
    • In welche Richtung ist der/sind die Täter geflüchtet?
    • Anzahl der Täter
    • Welches Fluchtmittel (Bus, Fahrrad, Auto, U-Bahn) wurde verwendet?
    • Ist Automarke, Typ, Farbe und Kennzeichen bekannt?
    • Täterbeschreibung (Größe, Alter, Haarfarbe, Figur, Hautfarbe, Bekleidung, Nationalität/Sprache oder Typ)
    • Hinweise zur Bewaffnung!
    • Welche Gegenstände führt der Täter mit sich (Plastiktüte, Tasche – Farbe?), was wurde erbeutet?


Verfolgung der Täter

  • Die Verfolgung bewaffneter Täter ist sehr riskant! Hat der Täter gar eine Schusswaffe mitgeführt, sollte die unmittelbare Verfolgung unterbleiben. Der Täter ist allenfalls aus großer Entfernung und mit genügend Sicherheitsabstand zu verfolgen, sodass er von der Verfolgung nichts mitbekommt!
  • Kommt es zu einer Verfolgung, so ist die Polizei in möglichst kurzen Abständen über den jeweiligen Standort des Täters zu informieren. Ideal ist dabei die Verbindung mit einem Handy/Smartphone, wobei die Verbindung gehalten werden muss, sodass man die Polizei „live“ über den Weg und besondere Wahrnehmungen (Wegwerfen von Teilen der Maskierung oder von Tatbeute oder Tatmitteln) unterrichten kann.
  • Führt man kein Handy mit, so bittet man Passanten oder Autofahrer darum, den jeweiligen Standort und die weitere Fluchtrichtung des Täters der Polizei mitzuteilen. Denkbar auch, dass ein Autofahrer einen mitnimmt und die weitere Verfolgung damit aus sicherer Entfernung aus dem Auto heraus erfolgen kann.


Umgang mit Tatzeugen

Zeugen werden gebeten, bis zum Eintreffen der Polizei am Tatort zu warten. Sie  werden aufgefordert, nichts mehr anzufassen und nichts zu verändern.
Muss ein Zeuge aus nachvollziehbarem Grund den Tatort vor dem Eintreffen der Polizei verlassen, sind nach Möglichkeit seine Personalien und eine Telefonnummer zu erfragen und festzuhalten, unter der der Zeuge für die eintreffenden Erstzugriffsbeamten sofort telefonisch erreichbar ist. Dabei ist darauf zu achten, dass die Personalien möglichst anhand eines amtlichen Lichtbildausweises festgestellt werden.

Dabei ist immer auch an die Möglichkeit zu denken, dass es sich bei dem Zeugen um einen Mittäter des Räubers handeln könnte, der zur Absicherung der Tat am Tatort gewartet hat. Daher ist besondere Vorsicht angebracht, wenn ein Zeuge ohne nachvollziehbaren Grund den Tatort sofort verlassen möchte. Eigensicherung beachten!


Tatort absperren, Beweismittel sichern

  • So früh wie möglich wird der engere Tatortbereich – der Bereich, in dem sich der Täter aufgehalten und in dem er gehandelt hat – abgesperrt. Dies kann mithilfe eines Bandes oder einer einfachen Schnur erfolgen.
  • Soweit Videoaufzeichnungen existieren, sind die Aufzeichnungen sofort zu sichern; ggf. sind sofort Mitarbeiter oder Vertragsfirmen zu verständigen, die die Aufzeichnungen für die Polizei zur Verfügung stellen können.
  • Alle Gegenstände, die vom Täter berührt oder für die Tat verwendet wurden, sind an ihrer Position zu belassen. Diese Stellen oder Gegenstände sind dann der Polizei zur Veranlassung von Spurensicherungsmaßnahmen genau zu bezeichnen!
  • Soweit Veränderungen am Tatort unvermeidbar sind (z. B. wegen der Versorgung von Verletzten), sind diese genau zu dokumentieren und der Polizei mitzuteilen.


Sonderfall Geiselnahme

Bei Raubüberfällen kann es bewusst oder aufgrund unvorhergesehener Zwischenfälle dazu kommen, dass der Täter zur Untermauerung seiner Forderungen Geiseln nimmt. Das bedeutet, dass der Täter eine Person (oder mehrere) durch Bedrohung (zumeist mit einer Waffe) so in seine Gewalt bringt , dass er sie als Druckmittel zur Durchsetzung seiner Forderungen verwendet. Dabei wird der Täter androhen, seine Geisel schwer zu misshandeln oder zu töten, wenn seine Forderungen nicht erfüllt würden. Eine Geiselnahme kann kurzfristig erfolgen, indem der Täter einer Kundin eine Pistole an den Kopf hält und damit die Kassenkraft nötigt, Geld aus der gesicherten Panzerglasbox herauszureichen; aber auch langfristige Geiselnahmen, die sich über Tage hinweg erstrecken können, sind in der Praxis keine Seltenheit (z.B. das Geiseldrama von Gladbeck).

Geiselnahmen erfolgen dann, wenn der Täter keine Möglichkeit hat, auf direktem Wege an die erhoffte Beute zu gelangen, oder wenn die Tathandlung durch das Dazwischentreten der Polizei im geplanten Verlauf gestört wird.
Im Wesentlichen gilt auch bei einer Geiselnahme für das Verhalten der Geiseln, was bereits unter dem Thema „Verhalten bei einem Raubüberfall“ weiter oben erläutert wurde. Das bedeutet, dass man versuchen soll, ruhig zu bleiben und alles zu vermeiden, was den Täter zusätzlich nervös machen könnte. Dabei soll das Verhalten dem Täter gegenüber weder devot und unterwürfig noch überheblich oder gar aggressiv sein. Plötzliche Bewegungen sind zu vermeiden.

Bei länger anhaltenden Geisellagen kann es zu einer Verbrüderung von Geiseln mit einzelnen oder allen Tätern kommen (sogenanntes Stockholm-Syndrom). Dies kann so weit führen, dass Geiseln in ihrer Angst zutiefst davon überzeugt sind, dass der einzige Weg zu überleben der ist, dass der Täter ungehindert entkommt.

Damit ihm dies gelingen möge, kann es sogar dazu kommen, dass sich einzelne Geiseln aus Angst dazu hinreißen lassen, dem Täter zu helfen. Dies kann durch Hinweise geschehen („…der Kassierer hat ein Handy, mit der er die Polizei darüber informiert, was hier gerade passiert…“) oder durch aktives Tun („… soll ich meine Kollegen fesseln?)  Man muss daher darauf achten, Maßnahmen, die beispielsweise in heimlicher Absprache mit der Polizei erfolgen sollen, vor hysterischen Geiseln geheim gehalten wird. Andernfalls besteht die Gefahr, dass diese Geiseln das Vorhaben sofort dem Täter mitteilen.

Im Übrigen wird bewusst an dieser Stelle keine detailliertere Verhaltensempfehlung ausgesprochen, da das richtige Verhalten nach Beurteilung der Lage vor Ort und nach Einschätzung der Persönlichkeit des Täters bestimmt werden muss!

Unter keinen Umständen sollte man selbst versuchen, bewaffnete Täter zu überwältigen!!! Wesentlich wirksamer ist es, bei eventuellen Verhandlungsgesprächen mit der Polizei zu versuchen, versteckte Hinweise auf die Zahl der Geiseln, die Zahl der Täter, ihre Bewaffnung und ihren momentanen Standort mitzuteilen. Auch ist es von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Lage für die Polizei, Informationen über den Gemütszustand des Täters zu erhalten.

Man kann, soweit man als Sprecher vom Täter bestimmt wurde, durch kleine, versteckte Hinweise Informationen weitergeben. Beispielsweise kann man auf den Erschöpfungszustand eines Täter hinweisen, wenn man beiläufig sagt “...´ne Mütze voll Schlaf würde uns allen jetzt gut tun...“.

Die Zahl der festgehaltenen Geiseln kann man andeuten, wenn es darum geht, Getränke oder Lebensmittel zu verlangen. Dabei könnte man formulieren „...für uns bitte fünf Cola, die Herrschaften (= die Täter) muss ich noch mal fragen...“

Egal, welche Formulierungen man verwendet, man kann sicher sein, dass die Spezialisten der polizeilichen Verhandlungsgruppe jede Formulierung sorgfältig bewerten und die richtigen Folgerungen daraus ziehen!


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