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 Elektronische Warensicherung am Ausgang. Die Antennen geben Alarm, wenn ein gesicherter Artikel vorbeigetragen wird.

Dauerthema Ladendiebstahl

Ladendiebe verursachen einen enormen Schaden. Wirksame Maßnahmen können die Zahl der Ladendiebstähle beträchtlich reduzieren.

Von Julia Riegler

Rasierartikel, Kosmetika, Parfums, Smartphones, Uhren, Delikatessen und Säuglingsnahrung waren laut europäischem Diebstahlsbarometer 2011 die am häufigsten gestohlenen Artikel. 487 Millionen Euro betrug der Warenschwund in Österreich – der durch Kriminalität und Verschwendung verursachte Inventurverlust. Zu 57 Prozent sind dafür Ladendiebe verantwortlich, zu 23 Prozent Mitarbeiter und zu 6 Prozent Lieferanten oder Hersteller.
Die in diesem Beitrag genannten Rechtsvorschriften beziehen sich auf österreichisches Recht.

Den typischen Ladendieb gibt es nicht. Weder Alter, Aussehen, Geschlecht, noch Nationalität, Bildung, Einkommen oder der gesellschaftliche Stand lassen einen möglichen Ladendieb erkennen. Sie finden sich praktisch in allen Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen. 95 Prozent der Ladendiebe greifen spontan zu, verüben die Diebstähle also nicht gewerbsmäßig.  Manche Personen stehlen aus Gier, Schädigungsabsicht oder „Abenteuerkitzel“ (vor allem Jugendliche), andere aus Zeitvertreib, Zwang oder aus einer Notlage heraus. Dementsprechend facettenreich sind die Tricks der Diebe. Neben dem Verschwindenlassen der Ware in präparierten Gürteln, Stiefeln, Kopfbedeckungen, Schirmen oder Gipsverbänden wird mit Ablenkungsmanövern, mit Alufolie präparierten Taschen (immunisiert gegen elektronische Sicherungsanlagen), einfachem Umpacken in Verpackungen billigerer Waren oder mit dem Ausnützen von Hohlräumen in Kübeln, Töpfen oder Elektrogeräten gearbeitet.

Betriebliche Maßnahmen können diesen Tricks gegensteuern. Sie werden von möglichen Tätern meist intuitiv wahrgenommen. Zu diesem Schluss kommen August Baumühlner, MSc, Leiter des Bereichs Kriminalprävention im Landeskriminalamt (LKA) Wien, und der WKÖ-Jurist Dr. Roman Seelinger in ihrer Info-Broschüre „Dauerthema Ladendiebstahl“. Abschreckend wirken vor allem aufmerksames Personal, Detektive, Kameras, Spiegel, fehlende Fluchtwege und andere Kunden.

Eine entsprechende Schulung der Mitarbeiterschaft gilt als erfolgreichste Maßnahme gegen Ladendiebstahl. Sie schafft auch mehr Motivation, sich für das Unternehmen einzusetzen. Priorität hat das souveräne Reagieren auf einen mutmaßlichen Dieb.


Strafbarkeit

Je nach den Umständen des Einzelfalls kommen beim Ladendiebstahl mehrere Straftatbestände in Betracht. Liegt die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache unter dem Vorsatz des Täters vor, „sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern“, verantwortet der Täter Diebstahl nach § 127 StGB. Bereits der Versuch ist strafbar. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Fähigkeit des Beschuldigten.

Da bei einem Ladendiebstahl die Schadenssumme in den meisten Fällen die Grenze von 100 Euro nicht übersteigt, wird bei einer Beute geringen Wertes meist der Tatbestand der Entwendung (§ 141 StGB) herangezogen. Der Strafrahmen liegt hier bei maximal einem Monat Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Die Motive können dabei Not (Diebstahl eines Lebensmittels aufgrund starkem Hungergefühls), Unbesonnenheit oder Befriedigung eines Gelüstes (momentanes eigenes Bedürfnis, das zur Tat führt) sein.

Wird der Bestohlene mit Tatsachen getäuscht, spricht man von Betrug (§ 146 StGB). Dies geschieht etwa dann, wenn jemand Preisetiketten austauscht und die Kassekraft über den Verkaufspreis täuscht.  In vielen Fällen erfolgt bei Ladendiebstahl kein Strafverfahren, sondern eine Diversionsregelung, etwa Probezeit, Geldbuße, außergerichtlicher Tatausgleich oder gemeinnützige Leistungen.


Delikte bei Überreaktion

Wird dem ertappten Dieb etwa Gewalt angedroht, läuft der Mitarbeiter Gefahr, sich der Nötigung (§ 105 StGB) oder, falls er etwa erhöhte Zahlungen verlangt, der Erpressung (§ 144 StGB) schuldig zu machen. Spielt ein Händler dem mutmaßlichen Ladendieb etwa vor, sich ein Strafverfahren durch ein Schuldbekenntnis zu ersparen, erstattet dann aber dennoch eine Anzeige, liegt Täuschung nach § 108 StGB vor. Wird der ertappte Kunde etwa sofort lauthals als „Dieb“ bezeichnet und die Vermutung stellt sich als falsch heraus, ist der Straftatbestand der üblen Nachrede (§ 111 StGB) gegeben. Der Strafrahmen entspricht in diesem Fall dem des Diebstahls.

Jedermann (auch Händler, Mitarbeiter und Berufsdetektive) hat nach § 80 Abs 2 StPO das Recht (nicht die Pflicht), andere auf angemessene Weise anzuhalten – wenn ausreichende Gründe für einen Verdacht der Ausführung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung vorliegen. Wichtig ist, dass die eingesetzten Mittel des Anhaltenden der Bedeutung der Tat angemessen sind. Zulässig ist es, dem ertappten Ladendieb den Fluchtweg zu versperren, ihn festzuhalten oder ihn in einem Raum einzusperren. Die Anhaltung muss den Sicherheitsbehörden unverzüglich gemeldet werden. Das Recht auf Anhaltung besteht nur bis zum Eintreffen der Polizei.


Taschenkontrolle

Auch besteht kein Recht des Ladeninhabers, die Taschen der Kunden (routinemäßig) zu kontrollieren. Schilder etwa mit der Aufschrift „Wir ersuchen um Verständnis, dass stichprobenweise Einkaufstaschen auch nach Verlassen des Kassenraums kontrolliert werden“ setzen allenfalls die psychologische Hemmschwelle möglicher Ladendiebe hinauf, können ein Recht auf Taschenkontrolle aber ebenfalls nicht begründen. Dies ist alleine den Sicherheitsbehörden vorbehalten. Möglich ist es, gegen ertappte Ladendiebe ein Hausverbot zu verhängen. Hält sich der Täter nicht daran, kann er zivilrechtlich auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot darf aber nicht so weit führen, dass dem Betroffenen der Kauf lebensnotwendiger Waren verweigert wird. Das Nahversorgungsrecht sieht in diesem Fall eine Verwaltungsstrafe von bis zu 2.180 Euro gegen den gewerblichen Letztverkäufer vor. Ein Ausweg besteht etwa darin, dem Täter die lebensnotwendigen Waren zu verkaufen, ohne ihn in die Geschäftsräumlichkeiten zu lassen.


Sicherheitstechnik und SMS-Infodienst

Neben den Schulungsmaßnahmen haben sich sicherheitstechnische Maßnahmen wie Alarmanlagen, Videoüberwachung (selbst Attrappen), elektronische Artikelsicherungen und der Einsatz von Detektiven als wirksam erwiesen. Seit März 2006 gibt es einen SMS-Info-Dienst als Kooperation der Wirtschaftskammern und der Bundespolizei. Die jeweilige Landespolizeidirektion versendet sicherheitsrelevante Informationen via SMS an Gewerbetreibende, die an der Aktion teilnehmen. Die Informationen enthalten etwa Mitteilungen über jüngste Diebstähle sowie Fälle von Falschgeldwechselversuchen oder Kreditkarten-, Trick- und Wechselbetrug. Zusätzlich versendet die Kriminalpolizeiliche Beratung im Rhythmus von 14 Tagen eine SMS mit Sicherheitstipps.  
               
WKÖ-Broschüre „Dauerthema Ladendiebstahl“: www.webshop.wko.at

 

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